Der russische, 33jährige Songstar Shaman hat zum Terrorakt auf die Crocus City Hall bereits einen neuen Song ins Internet gesetzt. Übersetzung Dr. Wolfgang Schacht.

Russland definitiv besiegen? Es wird nicht möglich sein!

Wenn die 40 Nobelpreisträger einen schnellen Sieg der Ukraine über Russland fordern – siehe dazu den Artikel auf Globalbridge.ch vom Ostersamstag –, und wenn sie die These aufstellen, damit könnten Menschenleben gerettet werden, weil sie einen schnellen Sieg erwarten, dann zeigen sie, wie wenig sie Russland kennen und wie wenig sie die Herzen der Russen und Russinnen verstehen. Russland fühlte sich von der NATO vor allem seit 1999 – nicht ohne Grund – zunehmend bedroht, bat Ende 2021 um Sicherheit, und als diese von den USA und von der NATO verweigert wurde, hat es selber zugeschlagen – im Einverständnis mit der großen Mehrheit der russischen Bevölkerung.

Die Russen haben den von Deutschland losgetretenen Zweiten Weltkrieg – sie nennen ihn den «Großen Vaterländischen Krieg» – im Gegensatz zur Bevölkerung der westeuropäischen Länder nicht einfach vergessen oder verdrängt. Der damalige Krieg forderte in der Sowjetunion um die 27 Millionen Kriegsopfer, mindestens die Hälfte davon Zivilisten. Viele der heute lebenden Russen sind deshalb ohne Großvater aufgewachsen und sie gedenken jeweils am 9. Mai dieser Kriegsopfer in der eigenen Familie.

Jeden 9. Mai gehen Millionen von Russen und Russinnen mit selbstgebastelten Foto-Trägern mit Bildern der Opfer in ihrer eigenen Familie auf die Straße, um an den Sieg über die deutsche Wehrmacht am 9. Mai – in Deutschland war es noch der 8. Mai – 1945 zu erinnern. Die russische Geschichte lebt, auch in der breiten Bevölkerung (Foto aus St. Petersburg).

Die extrem hohe Zustimmung für Staatspräsident Wladimir Putin anlässlich der Wahlen Mitte März 2024 war nicht zuletzt auch eine hohe Zustimmung zu Putins Politik gegenüber dem Westen.

Die russische Musik geht ans Herz

Ohne jetzt in die Details zu gehen: Die Stimmung im Volk kommt auch in der russischen Musik zum Ausdruck, man denke etwa an die 7. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch, die sogenannte Leningrader Sinfonie. Der Stil der Musik hat sich seither natürlich dramatisch geändert, aber selbst zur Terrorattacke vom 22. März 2024 hat der junge russische Star Shaman bereits einen Song lanciert, der die russischen Herzen anspricht – und der hier mit deutscher Übersetzung gehört werden kann: hörens- und sehenwert!

Russische Musik geht oft ans Herz, auch ältere Lieder tun es. Für mich, Christian Müller, ich war schon 1986 erstmals in Russland, ist ein besonders eindrückliches Lied das von Bulat Okudzhava gesungene und mit seiner Gitarre begleitete Lied «Nimm deinen Mantel, lass uns nach Hause gehen» aus dem Zweiten Weltkrieg. Man höre hin! (Kommt erst nach ein paar Sekunden Werbung, dann „überspringen“ anklicken, dann das Lied kommt.)

Bulat Okudzhava wurde am 9. Mai 1924 in Moskau in einer Familie von Kommunisten geboren, die aus der georgischen Hauptstadt Tiflis kamen, um an der Kommunistischen Akademie in Moskau zu studieren. Die erste Ausbildung im Leben von Bulat Okudzhava erhielt er in einer russischsprachigen Klasse in der Schule in Tiflis. Im Jahr 1940 begann er in Tiflis als Drechslerlehrling zu arbeiten. Während des Großen Vaterländischen Krieges ging er freiwillig an die Front, wo er verwundet wurde. Nach dem Krieg arbeitete er als Schriftsteller und Liedermacher. Besonders populär wurde Okudzhavas Lied „Hier singen die Vögel nicht“, das in dem Film „Belorussky Vokzal“ aufgeführt wurde. Bulat Okudzhava starb 1997 in einem Pariser Krankenhaus.

Napoleon hat sich verrechnet, als er 1812 mit einem riesigen Heer Russland erobern wollte. Hitler hat sich verrechnet, als er 1941 die sowjetischen Ländereien erobern wollte. Auch die mittlerweile vielen hundert Unterzeichner des am Ostersamstag hier besprochenen Aufrufs für einen schnellen Sieg der Ukraine über Russland werden lernen müssen: Die allermeisten Russen lieben ihr Vaterland und sind nötigenfalls bereit, für dieses zu sterben. Russland wird nicht besiegt werden, auch diesmal nicht.