US-Senator John McCain am 15. Dezember 2013 auf der Rednertribühne auf dem Kiewer Maidan: «Die USA sind mit euch!»

Wann endlich nimmt auch «Bern» die Geschichte der Ukraine in den Jahren 2013 und 2014 zur Kenntnis?

Es ist einfach unfassbar. Da reden hochgestellte Schweizer Legislativ- und Exekutiv-Politiker noch immer davon, dass die Ukraine «europäische Werte» verteidige, die es – wer die Ukraine kennt, weiss es – in der Ukraine selbst nie gegeben hat. Und jetzt sagt ein Schweizer Regierungsmitglied, der Krieg habe mit der russischen Annexion der Krim durch Russland begonnen. Von den paar Monaten davor, dem von den USA mitfinanzierten und mitorganisierten Putsch auf dem Kiewer Maidan, hat er offensichtlich noch nie etwas gehört. Wann nimmt sich die Schweizer Regierung endlich eine Stunde Zeit, sich über den sogenannten Euromaidan zu informieren und zur Kenntnis zu nehmen, wer dort gegen wen geputscht hat und wer diesen Putsch mit sehr viel Geld und sogar persönlicher Präsenz ranghoher US-Politiker auf dem Maidan direkt mitverantwortet?

Seit Sommer 2013 hatte es auf dem Maidan-Platz in Kiew Protest-Aktionen gegen den damaligen, ordentlich und demokratisch gewählten Staatspräsidenten Viktor Janukowytsch gegeben. Die US-amerikanische Unterstaatssekretärin («Assistant Secretary of State») Victoria Nuland, die zu dieser Zeit für die US-Politik in der Ukraine zuständig war, gestand, dass die USA zur Beeinflussung der Politik in der Ukraine bereits 5 Milliarden US-Dollar investiert hatten. Und am 15. Dezember 2013 betrat US-Senator John McCain persönlich die Rednertribüne auf dem Maidan und forderte die Menge auf, durchzuhalten. «Die freie Welt ist mit euch! Amerika ist mit euch! Ich bin mit euch!» rief er in die Protestmenge.

Fünf Wochen danach war der Zauber vorüber. Viktor Janukowytsch musste fliehen und wurde rechtswidrig als Präsident abgesetzt. Und es wurde eine Regierung nach den Wünschen von Victoria Nuland eingesetzt – eine Regierung, die dadurch nicht mehr demokratisch legitimiert war! Und das war der Grund, warum die Bevölkerung der Krim ein Referendum initiierte, an dem es bei sehr hoher Stimmbeteiligung und mit sehr hoher Zustimmung beschloss, sich von der Ukraine, mit der sie sich eh nie richtig hatten identifizieren können, im Sinne des Völkerrechts auf Selbstbestimmung der Völker (UN-Charta Art.1 Ziffer 2) zu trennen und sich mit Russland wieder zu vereinen – mit Russland, zu dem die Krim historisch seit Menschengedenken gehört hatte und von dem sie nur durch einen administrativen Entscheid des damaligen Präsidenten der KPdSU Nikita Chruschtschow im Jahr 1954 getrennt worden war.

Russland war mit dieser Wiedervereinigung der Krim einverstanden, zumal ein Vertrag mit der Ukraine den Schwarzmeer-Kriegshafen Sewastopol betreffend im Jahr 2042 auszulaufen drohte, wenn die Ukraine wie vom Westen geplant schon bald zur NATO gehören würde.

Westliche Sanktionen gegen die Krim

Das Referendum auf der Krim war, wen wundert’s, nicht im Sinne der westlichen Länder. In einer Abstimmung in der UNO-Generalversammlung ein paar Tage später stimmten 100 UNO-Mitgliedsländer für eine Nicht-Anerkennung dieser Abstimmung auf der Krim – also mit nur 3 Stimmen über dem Absoluten Mehr von 97 Stimmen. Wobei man wissen muss: China und Indien mit zusammen annähernd 3 Milliarden Einwohnern und auch Brasilien und andere bevölkerungsreiche Länder enthielten sich der Stimme. Die äusserst knappe Mehrheit kam nur dank den vier europäischen Miniatur-Staaten Lichtenstein, San Marino, Andorra und Monaco zustande, mit zusammen weniger als 200’000 Einwohnern! Ein Musterbeispiel, wie in der UNO „Demokratie“ gespielt wird!

Und heute kommt ein Mitglied der Schweizer Regierung, der Sozialdemokrat und gegenwärtige Bundespräsident Alain Berset, der alles in allem sonst einen recht guten Job macht, zum Schluss, dass der Krieg in der Ukraine mit der „Annexion der Krim durch Russland“ begonnen habe. Der von den USA massiv unterstützte und mitorganisierte Putsch auf dem Maidan und die Einsetzung einer Regierung nach dem Geschmack der USA – und also fern jeder demokratischen Wahl! – werden einfach «vergessen» und unter den Teppich gekehrt. Und diese seine Worte sind im «NZZ magazin» zu lesen, dem Magazin des sogenannten Schweizer Intelligenzblattes NZZ. Und die beiden Interviewer, Andrea Kučera und Alan Cassidy, lassen das einfach durch, ohne nachzuhaken. Es passt eben ins Konzept der NZZ: USA und NATO gut, Russland böse.

Zur Dokumentation hier die entscheidende Passage des NZZ-Interviews:

«NZZ magazin: Der 24. Februar 2022 ist eine Zeitenwende. Wir haben den Eindruck: In der Schweiz haben viele die Tragweite des russischen Einmarsches in die Ukraine noch nicht ganz erfasst – auch der Bundesrat nicht.

Alain Berset: Der 24. Februar 2022 war eine Zäsur. Das ist unbestritten. Und wenn wir ehrlich sind, wurden wir alle überrascht von der Heftigkeit des Angriffs Russlands auf die Ukraine. Der Angriff verursacht grosses Leid, die kulturellen und wirtschaftlichen Schäden sind immens. Doch es wäre naiv, zu denken, dass alles in dieser Nacht begann. Der Krieg hat schon mit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 angefangen. Nur wollten damals viele nicht sehen, was diese Annexion bedeutet.

NZZ magazin: Was wollen Sie damit sagen?

Alain Berset: Dass es falsch ist, zu denken, zuvor habe dreissig Jahre lang Stabilität geherrscht in Europa. Nach dem Mauerfall von 1989 dachten viele, es sei eine neue Welt entstanden, es herrsche Frieden, Liberalismus, wirtschaftliche Prosperität. Das hat sich als Illusion erwiesen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns brutal daran erinnert, dass es diese Stabilität so nie gegeben hat. Der 24. Februar 2022 war ein Schock, aber die Probleme haben sich schon vorher abgezeichnet. Es war ein schleichender Prozess.»

Ende der der wörtlich übernommenen Passage aus dem Interview.

«Es war ein schleichender Prozess»: Wie wahr sind doch diese Schlussworte von Bundesrat Alain Berset. Nur hat er diesen «schleichenden Prozess» ein halbes Jahr zu spät beginnen lassen. Oder aber auch 32 Jahre zu spät, denn begonnen hat dieser «schleichende Prozess» mit der Nicht-Schließung der NATO 1991, obwohl ihre damaligen Feinde, die Sowjetunion und der Warschauer Pakt, nicht mehr existierten. Und insbesondere hat die Bedrohung Russlands mit der Osterweiterung der NATO ab 1999 massiv zugenommen, trotz aller Warnungen prominenter Politologen und Politiker. Und auch mit den gigantischen NATO-Manövern an der Grenze Russlands. Und mit der NATO-internen Absicht, künftig selber entscheiden zu können, wann „Paragraph 5“ der NATO-Statuten einen Militärschlag gegen ein anderes Land rechtfertigt.

Zugutehalten muss man Bundesrat Alain Berset, dass er den Entscheid des Bundesrates, die Weitergabe von in der Schweiz produzierten Waffen und Munition an die Ukraine nicht zu erlauben, öffentlich verteidigt. Im gleichen Interview Alain Berset wörtlich: «Wir halten uns schlicht an die geltenden Gesetze. Und die lassen es nicht zu, dass wir Gesuche zur Weitergabe von Waffen bewilligen.»

Informationen über die Krim

Was die Wiedervereinigung der Krim mit Russland betrifft, da weiss der Autor dieser Zeilen, Christian Müller, gut Bescheid. Er war im Frühling 2019 persönlich auf der Krim und hat mit über hundert Leuten dort, von der Servierfrau im Hotel in Jalta über den Restaurantbesitzer in Simferopol, von den Museumsführerinnen in Kertsch und in Bachtschyssaraj bis zur Hochschuldozentin in Sewastopol, gesprochen und alle – alle! – haben bestätigt, dass sie damals freiwillig an die Urne gegangen sind und dass sie sehr, sehr froh sind, heute zu Russland zu gehören. Kiew wollte ihnen damals ja sogar die russische Sprache – ihre Muttersprache! – verbieten. Das war mit ein Grund für die Lossagung der Krim von der Ukraine und der Wiedervereinigung mit Russland.

Zu den sieben Berichten über die Krim siehe hier:

Zum Verhalten der Schweiz in Sachen Waffenlieferungen siehe auch das aktuelle Interview von RT mit Globalbridge.ch-Autor Ralph Bosshard: hier anklicken.

4. Januar 2017, der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko im militärischen Tarnanzug und mit Maschinenpistole und umrahmt von Soldaten und der US-Senator John McCain, als ehemaliger Kampfjet-Pilot im Vietnamkrieg ein erprobter Russland-Hasser, versichern einander bestes Zusammenhalten. (Foto Poroschenko Facebook)