Badefreude zwischen Kriegstrümmern: Die Südküste der Krim zeigt deren nicht ganz einfache Geschichte © cm

Krim VII: Persönliche Erfahrungen und Einschätzungen

Nach eingehenden Recherchen auf der Krim und sechs thematisch unterschiedlichen Berichten hier ein paar persönliche Bemerkungen.

Christian Müller

Nach fast drei Wochen Aufenthalt auf der Krim im Frühling dieses Jahres und sechs Berichten auf infosperber.ch zu verschiedenen Themen – siehe am Ende dieses Artikels die Links – möchte ich noch einige abschliessende Bemerkungen machen: Erkenntnisse, Lebenserfahrungen, Bewertungen – und alles betont persönlich.

Wohin auch immer man reist in der Absicht, unsere Welt besser verstehen zu lernen: die Menschen, denen man begegnet und mit denen man ins persönliche Gespräch kommt, sind das wichtigste. 

Die Menschen auf der Krim sind freundlich, hilfsbereit und ehrlich. Zwei Beispiele:

Hilfsbereit: Meine Frau und ich kommen um 18 Uhr zurück ins Hotel in Jalta, von einem langen Reisetag ziemlich erschöpft. Unterwegs habe ich mir eine Flasche Rotwein – Cabernet von der Krim – gekauft und möchte sie nach dem Abendessen im Hotelzimmer trinken. Das Hotel aber hat nur einen Korkenzieher und braucht diesen im Restaurant, meine (russisch sprechende) Frau ihrerseits möchte aber nicht mehr zum Einkaufen in die nahe Einkaufsstrasse gehen. Also zeichne ich einen Korkenzieher auf ein Stück Papier, um mich verständlich zu machen, was ich brauche, schreibe russisch где (wo?) hinein und gehe allein in die Stadt. 

Das war mein Zettel, mit dem ich auf die Suche nach einem Korkenzieher ging. «где» heisst auf Russisch «wo».

Im Supermarket finde ich trotz Hilfe des Verkaufspersonals keinen Korkenzieher, frage aber an der Kasse nochmals danach, den Zettel zeigend. Die Kassierin schüttelt den Kopf. Neben mir aber steht eine uniformierte Polizistin und sagt mir in gebrochenem Englisch, sie wisse ein Geschäft, wo so ein Korkenzieher wohl zu erhalten sei, und sie fordert mich auf, ihr zu folgen. In etwa einem halben Kilometer Distanz nimmt sie mich mit in ein Haushaltgeschäft – leider erfolglos. Es gibt da keinen Korkenzieher. Erneut darf ich ihr folgen, in ein anderes Geschäft – und wieder vergebens. Schon macht sie ein ratloses Gesicht, beginnt aber plötzlich wieder zu strahlen. Und tatsächlich, im dritten Geschäft, in einem Souvenirladen, kann ich ein Outdoor-Besteck erstehen – mit einem Korkenzieher. Das Multitool kostet mich – umgerechnet – 7 Schweizer Franken, und die Polizistin ist total glücklich, dass sie mir helfen konnte. (Überflüssig zu sagen: Der Cabernet von der Krim im Hotelzimmer hat hervorragend geschmeckt.)

Das Outdoor-Taschenmesser mit dem Korkenzieher, das ich in Jalta nur mit Hilfe der uniformierten Polizistin gefunden habe – und erst im vierten Laden. Ich würde ihr zum Dank gerne eine Postkarte aus der Schweiz schicken, hätte ich ihre Adresse.

Hat mir in der Schweiz oder auch in Deutschland je ein Polizist mehr als mit einer ausgestreckten Hand gezeigt, wo ich was finde? Noch nie.

Ehrlich: Wir haben eben in einem Restaurant zwischen Simferopol und Alushta mit köstlichem Essen unseren Hunger gestillt. Der Sanktionen wegen müssen wir mit Bargeld zahlen, der Kellner bringt uns das Herausgeld zurück, inkl. einen Geldschein, der zu gross ist für ein passendes Trinkgeld. Also klaube ich kleinere Noten aus dem Geldbeutel und überreiche sie dem freundlichen Kellner. Wir gehen zum Parkplatz und wollen gerade wegfahren, als der Kellner angerannt kommt: Wir haben in der Geldklappe (wie sie in Restaurants für die Bezahlung auch auf der Krim üblich sind) das Herausgeld – die grosse Note – vergessen und die Klappe geschlossen liegen lassen. 

Ist mir jemals andernorts jemand nachgerannt, um vergessenes Geld zurückzugeben? Ich kann mich nicht erinnern.

Waren die Leute auch in ihren Aussagen ehrlich?

Nach unserer Rückkehr in die Schweiz haben etliche Freunde und Bekannte auf unsere Erzählungen die Vermutung geäussert, die Menschen auf der Krim hätten aus Angst vor den russischen «Besatzern» sich gar nicht getraut, etwas Anderes als Russland-Freundliches zu sagen. Diese Vermutungen sind falsch. Etliche Leute haben sich uns gegenüber nämlich auch kritisch gegenüber einzelnen Politikern geäussert – zum Beispiel wenn sie über den Gouverneur von Sewastopol sprachen. Sie hofften, diesen im Herbst abwählen zu können. (Zwischenzeitlich ist dieser Gouverneur selber zurückgetreten.) Und sie erzählten uns oft auch ihre persönlichen Probleme innerhalb der Familie, zum Beispiel von einem Mann, dessen in der Ukraine lebender Zwillingsbruder nicht glauben wollte, dass sie beim Referendum im März 2014 freiwillig für eine Rückkehr zu Russland gestimmt hätten. Seither würden die beiden Zwillingsbrüder nicht mehr miteinander reden. 

Auf die Frage, ob sie sich nun innerlich mit der Ukraine oder mit Russland identifiziere, sagte uns nach einigem Nachdenken eine in der Ukraine aufgewachsene Kellnerin, das könne sie nicht sagen. Sie besuche einmal im Jahr in der Ukraine ihre Familie – für eine Woche. Länger halte sie es dort nicht aus. Ihr Fernziel sei so oder so ein Job in Moskau!

In einem anderen Hotel haben wir uns auch mit der jungen Frau unterhalten, die unser Zimmer sauber hielt, weil sie Ukrainisch sprach. Sie war total offen und schilderte ihre Situation. Sie komme aus dem Nordosten der Ukraine. Dort finde sie absolut keine Arbeit. Die Mutter ihres Mannes aber lebe hier auf der Krim und habe ihr angeboten, für drei Monate hier arbeiten zu kommen. Das sei ohne komplizierte Bewilligungsverfahren möglich. Sie sei über diese Möglichkeit natürlich sehr froh, auch wenn sie hier sehr darunter leide, nicht zuhause bei ihrem kleinen Kind sein zu können. 

Ich hatte in der ganzen Zeit auf der Krim bei keinem einzigen Gespräch das Gefühl, die Menschen würden nur das sagen, was sie sagen dürfen. Sie waren ganz einfach offen.

Sind die Berichte in den westlichen Medien über die Krim zutreffend?

Wo immer ich irgend etwas sehen, hören oder lesen kann, das die gegenwärtige Situation der Krim betrifft, bin ich natürlich interessiert und aufmerksam. Ich erwähne hier – als Schweizer – aber nur ein Beispiel: die Berichterstattung über die Krim durch den Moskauer Korrespondenten David Nauer in den Sendungen des Öffentlich-Rechtlichen Radios SRF der Schweiz «Echo der Zeit» (4 Minuten) und «International» (27 Minuten). David Nauer ist ein guter Journalist, ein guter Beobachter und ein glänzender, im Ton sehr sympathischer Erzähler. Seine beiden Berichte jetzt im Oktober 2019 über seinen Krim-Besuch sind hörenswert und enthalten wichtige und richtige Informationen. Durchaus «mediengerecht» aber sind seine Betonung des Negativen, wenn es um Russland geht, und seine Verschwiegenheit, wenn es um den negativen Einfluss der USA oder generell des Westens geht.

Im «Echo» beschreibt David Nauer knappe vier Minuten lang, wie er bei der Einreise – von der Ukraine kommend zu Fuss über die Grenze – von den russischen Polizisten intensiv befragt worden ist. Das tönt dann richtig negativ. Aber mit Verlaub: Auch ich musste schon mal zu Fuss über eine Grenze (1995 nach dem Cenepa-Krieg von Ecuador nach Peru). Und sogar im Zürcher Flughafen musste ich einmal anderthalb Stunden auf meine einreisende (spätere) Ehefrau warten, weil sie, in Prag eine landesweit bekannte und beliebte TV-Moderatorin, ohne Rückreise-Ticket in die Schweiz einreiste und – offensichtlich zu gut aussehend – von der Grenzpolizei fern jeder psychologischen Menschenkenntnis als einreisende Prostituierte «erkannt» und behandelt wurde. In der Schweiz, nicht in Russland. Dass es in meinem Kleinauto Nissan Micro unter dem rechten Vordersitz ein Geheimfach hat, weiss ich erst, seit mich – einreisend aus Italien – der Schweizer Grenzschutz besonders genau auseinandergenommen hat. Er wusste von diesem «Geheimfach». Aber klar: Wenn man aus der Ukraine kommend bei der Einreise in die Krim eingehend befragt wird, ist es ein geeignetes Erlebnis, zu erzählen, wie repressiv doch die russische Polizei ist …

In seinem 27minütigen Bericht über seinen Besuch auf der Krim in der Sendung «International» war alles ehrlich und richtig. Nur: Schon der Titel war tendenziös: «Die Herzen erobert man nicht mit dem Gewehr in der Hand». Zur Erinnerung: Das Referendum auf der Krim ging ohne einen einzigen Schuss aus einem Gewehr über die Bühne. Für Nauer ist die Rückkehr der Krim zu Russland keine Sezession, sondern eine Annexion. Ohne Fragezeichen. Dass die UNO-Resolution mit der Nicht-Anerkennung des Referendums auf der Krim nur «dank» der Zustimmung der vier europäischen Miniatur-Staaten Liechtenstein, Monaco, Andorra und San Marino mit zusammen nicht einmal 200’000 Einwohnern zustande kam, während China und Indien mit zusammen 2,8 Milliarden Einwohnern sich der Stimme enthielten, war keiner Erwähnung wert. David Nauers Aussage, dass der wirtschaftliche Aufschwung auf der Krim wegen der Teuerung noch nicht bis in die untersten Schichten angekommen ist, ist zwar richtig. Aber warum hat er dabei nicht erwähnt, dass es nicht zuletzt die westlichen Wirtschaftssanktionen gegen die Krim sind, die den wirtschaftlichen Aufschwung behindern? Er hat mit keinem Wort erwähnt, dass der ganze westliche Tourismus der Sanktionen wegen weggebrochen ist – in einer Region, die seit Jahrzehnten vor allem vom Tourismus lebt. Und dass die Ukraine der Krim die Wasserzufuhr im Nord-Krim-Kanal gestoppt hat, mit grossen Auswirkungen auf die Landwirtschaft, war natürlich auch keine Erwähnung wert. 

Journalisten müssen nicht lügen, um die Realität in einem anderen Land einseitig darzustellen. Es genügt, gewisse Informationen einfach auszublenden.

Auf meine Kritik antwortete SRF-Korrespondent David Nauer, er müsse den «Vorwurf der politischen Einseitigkeit zurückweisen. Wie Sie bestimmt festgestellt haben, habe ich auf der Krim mit allen Seiten gesprochen – wie ich das in Konfliktgebieten stets tue. – Zur Frage der Sanktionen: Wie gross deren Einfluss auf die regionale Wirtschaftsleistung ist, ist umstritten. Nach offiziellen Angaben ist der Effekt vernachlässigbar. Fest steht jedenfalls, dass viele Unternehmen auf der Krim die Sanktionen umgehen.»

Es gibt auf der Krim tatsächlich Firmen, bei denen man sich fragen kann, wie es mit den Sanktionen funktioniert. Sind sie von den Sanktionen gar nicht betroffen? Oder umgehen sie sie? Die Benetton Group zum Beispiel, ein italienischer Modekonzern mit Milliarden-Umsatz und weltweit 5000 Filialen, hat an der Promenade in Jalta das luxuriöseste Modegeschäft des Ortes. Benetton ist Ende des letzten Jahrhunderts weltweit bekannt geworden durch seine abstossende Werbung mit schockierenden Fotos von blutüberströmten Kriegsgefallenen und ist heute bekannt für die miserablen Arbeitsbedingungen bei seinen Zulieferern in Billiglohn-Ländern. – Ob von den Aktivitäten solcher Firmen auch die ganz normalen Einwohner der Krim profitieren können, bleibe dahingestellt.

(Siehe dazu ganz am Schluss des Artikels nach der farbigen Box meine Bemerkung zum neusten Beitrag von David Nauer im «Echo der Zeit».)

Nicht zu vergessen: die Sanktionen!

Womit wir bei den Sanktionen gegen die Krim wären, an denen sich auch die Schweiz beteiligt. Reisebüros dürfen keine Reisen mehr in die Krim anbieten. Die westlichen Handys funktionieren auf der Krim nicht und die westlichen Kreditkarten VISA und Mastercard sind auf der Krim gesperrt. Als Besucher muss man Bargeld mitnehmen, sonst kommt man nicht weiter.

In einer meiner Schweizer Tageszeitungen steckt regelmässig eine kommerzielle Beilage des Reiseunternehmens Twerenbold. Also frage ich dort schriftlich an, warum sie zwar Reisen nach Petersburg in Russland anbieten, nicht aber Reisen auf die sehr attraktive Halbinsel Krim. Ob sie das wegen der Sanktionen gegen die Krim so handhaben. Zuerst erhalte ich keine Antwort, dann, aufgrund meines Nachfassens: «Für Ihre Anfrage sind wir nicht die richtige Adresse, da wir keine Reisen in die Ukraine anbieten und wir auch keine diesbezüglichen Pläne haben.» Hat damit Geschäftsleiter André Wildberger meine Frage nach dem «warum» beantwortet? 

Das «Reisebüro Mittelthurgau», das auf Schiffsreisen spezialisiert ist, gehört ebenfalls zum Twerenbold-Reisekonzern. In dessen der Tageszeitung beiliegenden mehrseitigen Broschüre ist eine «grosse Schwarzmeer-Reise»(23 Tage, ab CHF 4990.-) im Angebot. Der dabei zum Einsatz kommende ****Luxuskreuzer Amera hat neun Passagierdecks und kann, bei 420 Mann Besatzung, maximal 835 Passagiere aufnehmen. Selbstverständlich geht das auf den (steuertechnisch vorteilhaften) Bahamas immatrikulierte Schiff im Schwarzen Meer auch nach Odessa, der drittgrössten Stadt der Ukraine (wohin Twerenbold gemäss Geschäftsleiter André Wildberger «keine Reisen anbietet», siehe oben). Aber die «Neue Reiseroute» lässt ausgerechnet das interessanteste Gebiet am Schwarzen Meer, die Krim mit den historisch bedeutenden Destinationen Jalta und Sewastopol, aussen vor – die Reiseroute macht einen grossen Bogen um die Krim herum. So verschleiern Schweizer Reisebüros ihre Gefolgschaft internationaler Sanktionen! 

Für 5000 Schweizer Franken die Krim umfahren – ohne jede Erklärung. So handhabt die westliche Reisebranche die Sanktionen gegen die Krim. Warum nicht ehrlich sein und den folgenden Satz hinschreiben: «Leider hat uns das Schweizer Justizdepartement verboten, Jalta und Sewastopol auf der Krim anzufahren, weil die Schweiz trotz offizieller Neutralität die Wirtschaftssanktionen gegen die Krim mitmacht.»? (Kartenausschnitt aus dem Reiseprogramm des Reisebüros Mittelthurgau, darauf gut sichtbar die Halbinsel Krim zwischen Novorossiysk und Odessa)

Unnötig zu erwähnen, dass auch die Hotel-Such-Plattform Booking.com keine Hotels auf der Krim vermittelt.

Wer unter «Booking.com» in Jalta ein Hotel sucht, erhält die Information «Keine Unterkünfte gefunden». Die Wahrheit wäre: Booking.com hält sich an die Wirtschaftssanktionen gegen die Krim.

Auch die Swisscom ist Mitläufer

Und was ist mit dem Handy? Als ehemaliger Chefredaktor einer grösseren Schweizer Tageszeitung gehöre ich – an meiner Handy-Nummer erkennbar – zu den ersten Mobiltelefon-Kunden der Swisscom überhaupt, nämlich schon seit den 1980er Jahren. Was ich in meiner Anfrage bei der Swisscom – auf Goodwill hoffend – natürlich erwähne. Warum hat mein Handy mit einem Abo bei der Swisscom auf der Krim nicht funktioniert? Die Antwort der Swisscom im Wortlaut: 

«Guten Tag Herr Müller
Vielen Dank für Ihre Mail und den Hinweis. Es freut uns, dass Sie schon so viele Jahre bei uns Kunde sind und wir hoffen, Sie auch noch viele weitere Jahre als Kunde für uns zu begeistern.
Swisscom hat auf der Krim wie auch sonst überall auf der Welt grösstes Interesse, den Kunden Mobilkommunikation anzubieten und verlässt sich dabei auf die Mobilnetze der Partner. Die Zusammenarbeit mit den russischen und den ukrainischen Mobilfunkanbietern ist nach wie vor intakt. Es gibt seitens Swisscom keine Sanktionen.
Die Situation auf der Krim ist aufgrund der aktuellen politischen Situation ein Spezialfall. Dass die Mobilkommunikation aktuell nicht funktioniert ist keine Massnahme seitens Swisscom. Wir gehen davon aus, dass die Mobilnetze der ukrainischen Anbieter auf der Krim nicht mehr für Roaming freigegeben sind. Uns liegen dazu zurzeit keine weiteren Informationen vor und Anfragen unsererseits blieben bislang unbeantwortet.
Ich hoffe das hilft Ihnen weiter.
Beste Grüsse
Annina Merk»

Schön zu wissen, dass es «seitens Swisscom keine Sanktionen» gibt, dass aber die Swisscom, ein Milliarden-Unternehmen, zu 51 Prozent dem Schweizer Staat gehörend, zufrieden ist, von ihren Partnern im Ausland keine Antwort zu erhalten…

Kein Visum für Besuche in der Schweiz

«Normale» Russen – von Moskau, Petersburg, Sotschi oder woher auch immer – erhalten auf ein Gesuch hin und natürlich gegen eine Gebühr ein Besuchsvisum für die Schweiz. Der Schweizer Tourismus will auf die Gäste aus Russland ja nicht verzichten (zumal es ja Russen geben soll, die ordentlich Geld haben…). Kein Visum aber können jene Russen erhalten, die auf der Krim leben und einen russischen Pass haben, der am 18. März 2014 oder später ausgestellt worden ist: eine Folge der Sanktionen. Die Bemerkung sei erlaubt: Auch diese Massnahme trifft vor allem die Leute der Mittel- und der Unterschicht. Clevere Russen auf der Krim mit etwas Taschengeld werden immer einen Weg finden, einen Pass zu erhalten, dem man nicht ansieht, dass der Träger von der Krim kommt. Die Umgehung der Einreisesperre ist für Privilegierte bestens programmiert.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Wenn David Nauer erwähnt, dass nicht alle Krimeer mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zufrieden sind, hat er nicht ganz unrecht. Es gibt natürlich die Leute, die mehr erwartet haben. Aber – von den Folgen der Sanktionen einmal abgesehen – auch Russland kann nicht zaubern. Bis ein wirtschaftlich über Jahrzehnte darbendes Land wirklich aufblüht, braucht es mehr als fünf Jahre. 

Spürbar aber ist überall auf der Krim die Hoffnung. Und der harte Wille, selber etwas dazu beizutragen. Ein Beispiel: Sergei hat in Balaklawa ein kleines Privat-Museum eröffnet und sammelt konsequent Bilder und Gegenstände zur Geschichte der Krim (siehe dazu seine Website, und dann auf Englisch oder Deutsch klicken und sich von der automatischen Übersetzung nicht abschrecken lassen). Die überaus freundliche junge Frau, die uns dort empfangen und betreut hat, Larissa, spricht neben Russisch nämlich auch perfekt Italienisch! Die Hoffnung, dass eines Tages auch wieder Touristen aus westlichen Ländern kommen, wird auf der Krim nicht so schnell versiegen.

Blick ins private Historische Museum in Balaklawa. Das angesprochene Publikum sind die Touristen. Trotz auch Englisch und Italienisch sprechendem Personal kommen der Sanktionen wegen aber nur Touristen aus Russland. Sollen die Krimeer uns Westler so lieben lernen?

Meine letzte Bemerkung: Rückblickend darf ich konstatieren, dass es sich ausgesprochen gelohnt hat, die Krim selber zu bereisen und mit der dortigen Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. Und was mich besonders freut: Bereits haben mir ein paar Leser und Leserinnen spontan mitgeteilt, dass sie beschlossen haben, nächstes Jahr auch hinzufahren.

Siehe zur Situation auf der Krim heute

Recherche vor Ort auf der Krim

Der Autor Christian Müller, Mitglied der Redaktionsleitung von Infosperber.ch, ist promovierter Historiker und Staatsrechtler und arbeitete über Jahrzehnte als Journalist und Redakteur und zuletzt als Medienmanager. Er besuchte die Krim zum ersten Mal im Jahr 2006 und wollte wissen, was sich seither verändert hat und wie die Situation auf der Krim für die dort lebenden Menschen heute ist: vor Ort auf der Krim recherchiert. 

Um unabhängig zu sein und unabhängig informieren zu können, bestimmte Christian Müller alles selber: den Zeitpunkt seiner Reise, die Reiseroute, die Aufenthaltsorte (inkl. Hotels), von wem er sich informieren lassen und mit wem er reden wollte. Und er hat die ganze dreiwöchige Informationsreise aus eigener Tasche bezahlt. Das Einzige, wozu er die Unterstützung der Krim-Administration brauchte, waren der Besuch der neuen Schule für die Tataren in Simferopol, der Besuch des TV- und Radio-Senders der Tataren in Simferopol und die Besichtigung der sich noch im Bau befindlichen Moschee der Tataren (auch im Inneren), ebenfalls in Simferopol. Und aufgrund des aufgenommenen Kontakts mit den Behörden wurde er, da zeitlich zufällig übereinstimmend, zum fünften Forum zum Thema russische Sprache in Jalta eingeladen. 

Als Dolmetscherin diente Christian Müller seine Ehefrau Anna Wetlinska, die die russische Sprache studiert hat, sie lückenlos versteht und ebenso perfekt spricht. Etliche der Gesprächspartner auf der Krim waren aber ihrerseits in der Lage, auch englisch zu kommunizieren. 

Christian Müller hat auch die in den Krim-Konflikt involvierten Länder Russland und die Ukraine seit Mitte der 1980er Jahre mehrmals besucht.

Jetzt hat SRF-Korrespondent David Nauer im «Echo der Zeit» auch über die Sanktionen gegen die Krim berichtet. Er bestätigt darin, dass clevere Firmen immer einen Weg finden, Sanktionen zu umgehen, dass die einfachen Menschen aber diese Möglichkeiten nicht haben. Danke! Zum Bericht hier anklicken.