260 Delegierte aus Europa, den USA und Kuba kamen am 16. und 17. November 2023 im Europaparlament in Brüssel für ein internationales Tribunal zur US-Blockade gegen Kuba zusammen. 30 Zeugen berichteten von den verheerenden Folgen der Blockade auf das tägliche Leben der Menschen in Kuba. Das sechsköpfige Richtergremium sprach die US-Regierung der Verletzung des Völkerrechts schuldig und forderte als Strafmass die sofortige Aufhebung der Blockade und der US-Gesetze, auf der sie beruht. (Foto Natalie Benelli)

So quälen die USA die Menschen auf Kuba – die Banken gehorchen, die Medien schweigen!

(Red.) Zuerst der Krieg in der Ukraine, jetzt der Krieg in Israel, und schon sind die anderen Schauplätze menschlicher Grausamkeiten einfach unter dem Teppich. Seit 60 Jahren quälen die USA ihre kleine Nachbarinsel mit Sanktionen, die nicht nur zu Armut und Hunger führen, sondern auch die medizinische Versorgung beeinträchtigen. Doch selbst die Schweizer Staatsbank PostFinance hält sich an die US-Sanktionen und die deutschsprachigen Medien berichten nicht darüber. Es ist ein absolutes Trauerspiel und ein ausgewachsener Skandal. (cm)

Am 16. und 17. November 2023 fand am Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel ein internationales Tribunal zu der seit über 60 Jahren andauernden Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA gegen Kuba statt. Trotz seines Symbolcharakters hat das Tribunal eine grosse Bedeutung für Kubas Kampf für Souveränität, nationale Selbstbestimmung und das Recht auf Entwicklung.

Das Tribunal fand zwei Wochen nach der Abstimmung über die UNO-Resolution 77/7 «Necessity of ending the economic, commercial and financial blockade imposed by the United States of America against Cuba» statt. Am 2. November hatte die UNO-Generalversammlung zum 31. Mal in Folge mit 187:2 Stimmen (USA, Israel) bei einer Enthaltung (Ukraine) ein sofortiges Ende der Blockade gefordert. Die US-Regierung ignoriert den Willen der internationalen Gemeinschaft seit drei Jahrzehnten.

Das von der Internationalen Vereinigung demokratischer Juristen und Juristinnen (IADL) in Zusammenarbeit mit der internationalen Kuba-Solidaritätsbewegung, der «US National Lawyers Guild» und der «National Conference of Black Lawyers» organisierte Tribunal versammelte über 260 Delegierte. In seiner Einführung betonte der Vorsitzende Richter, der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech, die Kriterien des Tribunals seien das internationale Recht, also das Recht, das die Staaten selbst, einschliesslich den USA, in Verträgen, Pakten und Deklarationen beschlossen haben. Dazu gehören die US-Charta, die Menschenrechte und das internationale Vertrags- und Handelsrecht der WTO. Chefankläger Jan Fermon aus Belgien und seine beiden Kollegen Nana Gyamfi aus den USA und Antonio Segura aus Spanien beantragten dem sechsköpfigen Richtergremium, die US-Regierung der Verletzung des internationalen Rechts für schuldig zu sprechen.

Verweigerung des Rechts auf Leben

In 30 Zeugenaussagen wurden unzählige Beispiele für die negative Auswirkung der Blockade auf die kubanische Bevölkerung vorgebracht. Kubas biomedizinische Forschung ist dafür exemplarisch. Belinda Sánchez vom Zentrum für Molekularimmunologie in Havanna, das u.a. Krebsbehandlungen entwickelt, detaillierte die verheerenden Auswirkungen der Blockade. Forschungsanlagen und Reagenzien müssen zu hohen Kosten aus geografisch entfernten Ländern erworben werden, da keine Güter an Kuba verkauft werden dürfen, die 10% oder mehr US-Komponenten enthalten. Patente und Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften können nicht bezahlt werden, weil Banken keine Geldüberweisungen von Kuba akzeptieren. US-amerikanische und andere Unternehmen riskieren astronomische Bussen von US-Behörden, wenn sie mit Kuba Geschäfte machen. Dadurch kann Kuba seine Biotechnologieprodukte nur schwer exportieren, obwohl diese Millionen von Menschen weltweit helfen könnten. An Krebs erkrankte Kinder und Erwachsene erhalten nicht die nötige Behandlung, weil Kuba den Zugang zu wichtigen Medikamenten auf dem internationalen Markt verwehrt ist oder Banken die zur Bezahlung nötige Geldüberweisung verweigern. Als Folge ist die Kindersterblichkeit in Kuba von 5 pro 1000 Lebendgeburten vor 2019 auf 7,5 im Jahr 2022 gestiegen.  

Nach Schätzungen des kubanischen Aussenministeriums beläuft sich der wirtschaftliche Schaden für die Karibikinsel durch die Blockade von März 2022 bis Februar 2023 auf mehr als 4,8 Milliarden Dollar. Seit dem Beginn der Blockade im Jahr 1961 sind es rund 160 Milliarden Dollar. Die Verluste des kubanischen Gesundheitswesens werden auf 239’803’690 USD geschätzt, 80’000’000 USD mehr als in derselben Periode vor der Pandemie. Kubas Landwirtschaft hat kaum Zugang zu Maschinen, Ersatzteilen, Düngemitteln und Technologien, was sich negativ auf die Nahrungsmittelsouveränität auswirkt. Das Ziel der Blockade wurde in einem Memorandum der US-Regierung vom 6. April 1960 explizit genannt: Hunger und Verzweiflung über die Bevölkerung zu bringen, um es zum Sturz der Regierung zu bewegen. 

US-Blockaderegime

Die Blockade gegen Kuba beruht auf einem US-Regelwerk aus mehr als 30 Gesetzen und Verordnungen. Dazu gehören der «Trading with the Enemy Act» (Gesetz über den Handel mit dem Feind) von 1917, der während des ersten Weltkriegs als Kriegsmassnahme verabschiedet wurde, um den Handel mit Nationen einzuschränken, die von den USA als feindlich angesehen werden. 1962 legitimierte die von John F. Kennedy unterzeichnete Präsidialverfügung 3447 die totale Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade gegen Kuba. 

Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Kubas zu den sozialistischen Ländern Europas und der Sowjetunion milderten die Auswirkungen der US-Blockade auf die kubanische Wirtschaft. 1972 wurde Kuba Vollmitglied des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, die Sowjetunion war Kubas grösster Zuckerimporteur. Mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers in Europa und der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre verlor Kuba seine wichtigsten Handelspartner und damit auch 70 % seiner Importe. Die US-Regierung nutzte dies, um noch mehr Druck auf die Wirtschaft der Insel auszuüben. Im Jahr 1992 verabschiedete der US-Kongress das Torricelli-Gesetz (Cuban Democracy Act), der im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften von US-Unternehmen den Handel mit Kuba und Reisen von US-Bürgern nach Kuba verbietet. Frachtschiffe, die einen kubanischen Hafen anlaufen, dürfen in den folgenden sechs Monaten keinen US-Hafen anlaufen.  

1996 unterzeichnete US-Präsident Clinton das Helms-Burton-Gesetz (Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act), mit dem jedes Nicht-US-Unternehmen gerichtlich belangt werden kann, wenn es mit Kuba Handel treibt. Der Unternehmensführung kann die Einreise in die USA untersagt werden. 

Während der Covid-19-Pandemie wurden von US-Präsident Trump 243 zusätzliche Massnahmen ergriffen, von denen Präsident Biden bisher keine einzige zurückgenommen hat. Am 11. Januar 2021, neun Tage vor Ende seiner Präsidentschaft, setzte Trump Kuba auf die US-Liste der Staaten, die den Terrorismus unterstützen – dies, obwohl es keine Beweise für die angebliche Terrorismusunterstützung durch Kuba gibt. Vielmehr war Kuba selber Opfer unzähliger militärischer Angriffe und verdeckter Aktionen der CIA, des FBI und von US-unterstützter Terroristen. Dazu gehören die Invasion in der Schweinebucht von 1961, die Explosion des Cubana-Airlines-Flugs 455 im Jahr 1976, zahlreiche Bombenanschläge auf Hotels sowie mehr als 638 Anschläge auf das Leben von Fidel Castro. Seit den 1960er Jahren wurden bei Terroranschlägen gegen Kuba und kubanische Einrichtungen weltweit 3478 Menschen getötet und 2099 dauerhaft verletzt.

Extraterritoriale Anwendung in der Schweiz

Die Schweizer Regierung beteiligt sich an der extraterritorialen Anwendung der Blockade. Die meisten Schweizer Banken stellten Geldtransfers nach Kuba ein, nachdem die UBS 2004 mit einer Geldstrafe von 100 Millionen Dollar und die Crédit Suisse 2009 mit 500 Millionen Dollar gebüsst wurden, weil sie die US-Sanktionen nicht einhielten. PostFinance stellte Überweisungen nach Kuba per 1. September 2019 ein. Im Mai 2020 teilte die CLER-Bank, frühere Coop-Bank und heutige Tochtergesellschaft der Basler Kantonalbank, einer Sektion der Vereinigung Schweiz-Cuba (VSC) mit, «aufgrund des US-Sanktionsregimes» keine Geldüberweisungen mehr nach Kuba vorzunehmen. Banken verweigern sogar Überweisungen innerhalb der Schweiz, wenn «Kuba» in der Zahlungsanweisung steht.

Um die illegale Blockade und ihre extraterritoriale Anwendung zu bekämpfen, lancierten Schweizer Solidaritätsorganisationen 2019 erfolgreich eine Petition, in der der Bundesrat aufgefordert wird, konkrete Massnahmen gegen die Blockade zu ergreifen und Instrumente zu prüfen, die den Handel mit und Investitionen in Kuba aus der Schweiz ermöglichen. Die Petition wurde von der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats angenommen, als Postulat 20.4332 im Nationalrat zur Abstimmung gebracht und am 9. März 2021 mit 98 zu 89 Stimmen angenommen. Der Rat anerkannte damit die negativen Auswirkungen der Blockade auf die wirtschaftliche Entwicklung Kubas. In seinem Bericht in Erfüllung des Postulats sieht der Bundesrat keinen konkreten Handlungsbedarf.

Medienpropaganda gegen Kuba

Obwohl die Blockade gegen Kuba seit über 60 Jahren das zentrale Element der US-Aussenpolitik gegen Kuba ist, wird die Geschichte von den Massenmedien unterdrückt. Auch die zahlreichen Errungenschaften der Insel, die von der UNO, der Weltgesundheitsorganisation, der UNESCO, der UNICEF und der Weltbank anerkannt sind, werden von den Mainstreammedien – ob Print, Online, Radio oder TV – ignoriert. Gleichzeitig betreiben die Medien massive Verleumdungskampagnen, namentlich gegen Kubas internationale Medizinbrigaden. Am 28. Januar 2021 hiess die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) einstimmig eine Beschwerde zu einer Sendung vom 13. Mai 2020 von Radio Suisse Romande gut, die Falschinformationen über die Medizinbrigaden und ihren weltweiten Kampf gegen Covid-19 verbreitete. Der Sender wurde wegen Verletzung von Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) verurteilt: «Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, damit sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Persönliche Meinungen und Kommentare müssen als solche erkennbar sein.» Trotz des Urteils wiederholte die NZZ am Sonntag in einem Artikel vom 7. Februar 2021 die Falschinformationen.

Klares Urteil des internationalen Tribunals

Das am 17. November 2023 in Brüssel gefällte Urteil war eindeutig: Die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA gegen Kuba verletzt internationales Recht, insbesondere Artikel 2 Ziffer 4 und 7 der UNO-Charta zum Schutz der Souveränität und des Rechts auf Selbstbestimmung und das Verbot der Intervention; die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, die Vorschriften der Welthandelsorganisation WTO zum Schutz des freien Handels und zahlreiche Bestimmungen des EU-Rechts. Das Strafmass: Aufhebung der rechtswidrigen Sanktionen und der ihnen zugrunde liegenden Gesetze. An den kubanischen Staat, seine Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern sind durch die US-Regierung Entschädigungen für die aus der Blockade entstanden Schäden zu zahlen. Die Schweizer Presse schwieg zum Urteil.

Franco Cavalli, Mitbegründer von MediCuba Suisse, spricht am internationalen Tribunal zur US-Blockade gegen Kuba in Brüssel über die Schwierigkeiten, Hilfsgüter für das kubanische Gesundheitswesen nach Kuba zu bringen und Spendengelder aus der Schweiz zu überweisen. Banken und Unternehmen, die Geldüberweisungen nach Kuba machen oder mit Kuba Handel treiben, drohen hohe Geldbußen durch die US-Behörden. (Foto Samuel Wanitsch)

Zur Autorin: Natalie Benelli ist Mitglied der nationalen Koordination der Vereinigung Schweiz-Kuba. Sie nahm am 16./17. November 2023 mit einer Schweizer Delegation am internationalen Tribunal zur US-Blockade gegen Kuba in Brüssel teil. Natalie Benelli ist Mitbegründerin der unabhängigen Presseorganisation «Neue Presse», die 2022 in der Schweiz gegründet wurde, um Werktätigen und wirtschaftlich, politisch und sozial benachteiligten Menschen in der Schweiz und weltweit eine Stimme zu geben. «Neue Presse» steht ein für internationale Beziehungen, die auf gegenseitigem Respekt, Nichteinmischung und Solidarität beruhen.