NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg liebt es, die EU noch enger ins NATO-Boot zu holen. (Bild NATO)

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigt den «Kriegsbeginn schon im Jahr 2014, nicht erst im Februar 2022»

(Red.) Am 7. September 2023 hat NATO-Generalsekretär im EU-Parlament eine Rede gehalten, in der er die immer enger werdende Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO bestätigt und eine noch engere Zusammenarbeit EU-NATO gefordert hat. Außerdem bestätigte er, dass der Krieg nicht erst im Jahr 2022 begonnen hat, sondern schon im Jahr 2014. Allerdings verschwieg Stoltenberg dabei, dass der von den USA massiv unterstützte Putsch auf dem Kiever Maidan der konkrete Anlass war, warum sich die Bevölkerungen der Krim und des Donbass von der Ukraine trennen wollten. Wie so oft: Man kann auch mit dem Verschweigen von Tatsachen die Unwahrheit sagen. (cm)

Zum Youtube-Video mit der Original-Rede in Englisch.

Zum Transkript in deutscher Sprache, Fett-Auszeichnung einiger Stellen durch die Redaktion Globalbridge.ch:

Vielen Dank, Frau Präsidentin, David, Natalie und liebe Freunde im Europäischen Parlament. Es ist mir wirklich eine große Freude, Sie wiederzusehen und mit Ihnen hier im Europäischen Parlament zusammenzukommen, denn ich schätze diesen Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU sehr, um mich mit Ihnen zu treffen. Und wie Sie wissen, hat die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der NATO und der Europäischen Union für mich seit Beginn meiner Amtszeit als NATO-Generalsekretär im Jahr 2014 höchste Priorität. Ich glaube an die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU, denn wir teilen dieselben Werte. Wir teilen dieselben Herausforderungen. Wir sind zwei unterschiedliche Organisationen, aber wir haben viel gemeinsam. 

Wie Sie wissen, leben 600 Millionen Europäer in einem NATO-Land. Und wenn Schweden der NATO beitritt, leben 96 Prozent der Bürger der Europäischen Union in einem NATO-Land. Ja, wir sind unterschiedlich, haben unterschiedliche Institutionen, aber wir haben auch viel gemeinsam. Und deshalb ist es gut zu sehen, dass wir in den letzten Jahren die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU in den Bereichen Cyberspace, Weltraum, kritische Infrastrukturen und militärische Mobilität verstärken konnten. Wir arbeiten Hand in Hand auf dem westlichen Balkan, im Kosovo, bei der Bekämpfung der illegalen Migration in der Ägäis und in vielen anderen Bereichen. 

Und das spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass ich Anfang des Jahres die dritte Gemeinsame Erklärung der beiden EU-Präsidenten, Präsidentin von der Leyen und Präsident Michel, unterzeichnet habe. Sie haben an dem EU-Gipfel in Vilnius teilgenommen, [unhörbar] war dort. Und im Juni habe ich mich mit allen Staats- und Regierungschefs der EU im Europäischen Rat getroffen. Wir treffen uns also auf verschiedenen Ebenen, wir arbeiten eng zusammen, was die Tatsache widerspiegelt, dass wir so viel gemeinsam haben und zusammenarbeiten müssen. 

Ich möchte Sie als europäische Parlamentarier dafür loben, dass Sie diese Bemühungen unterstützen und die verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der NATO ermöglichen. Und natürlich haben wir noch viel zu tun, aber wir können sehr stolz darauf sein, wie weit wir in den letzten Jahren bei der Sicherung der Partnerschaft, des Bandes zwischen unseren beiden Organisationen, gekommen sind. 

Die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU war schon immer wichtig, aber der Krieg in der Ukraine hat sie noch wichtiger gemacht, denn dies ist der brutalste Krieg, den wir je gesehen haben, der größte Krieg, den wir in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben. Und das macht es noch wichtiger, dass wir zusammenstehen. 

Und die Realität ist, dass Präsident Putin mindestens zwei große strategische Fehler gemacht hat, als er letztes Jahr in die Ukraine einmarschierte. Der erste und wichtigste war natürlich, dass er die Ukrainer völlig unterschätzt hat. Die Stärke, das Engagement, den Mut des ukrainischen Volkes, der ukrainischen politischen Führung und der ukrainischen Streitkräfte. Der andere große strategische Fehler, den er gemacht hat, war, dass er uns unterschätzt hat. Unsere Bereitschaft, unser Engagement, die Ukraine zu unterstützen, der Ukraine beizustehen, mit Wirtschaftssanktionen, mit politischer Unterstützung, aber nicht zuletzt auch mit militärischer Unterstützung. 

Und das ist beispiellos, was wir jetzt an militärischer Unterstützung von NATO-Verbündeten, von EU-Mitgliedern, von der EU, von der NATO gesehen haben. Das ist eine Unterstützung, die viel größer ist, als irgendjemand erwartet hatte, als dieser Krieg begann. Mit fortschrittlicher Artillerie, mit Marschflugkörpern mit großer Reichweite, mit fortschrittlichen Luftabwehrsystemen, mit viel Munition und nicht zuletzt mit der Ausbildung von militärischem Personal durch die EU und durch die NATO-Verbündeten.

Und jetzt möchte ich auch die Niederlande, Dänemark und auch Norwegen dafür loben, dass sie angekündigt haben, F-16 Jets zu liefern. Und viele Verbündete haben auch angekündigt, dass sie bereit sind, mit der Ausbildung ukrainischer Piloten und Techniker zu beginnen, damit diese die F-16-Jets einsetzen können. 

Es gibt also noch viel mehr, was wir tun müssen, wir müssen diese Unterstützung verstärken und aufrechterhalten. Aber wenn wir einen Moment innehalten und uns überlegen, wo wir heute stehen, verglichen mit dem, was wir wenige Wochen vor der Invasion erwartet haben, dann denke ich, dass wir die Stärke und das Engagement anerkennen müssen, die nicht zuletzt durch das Europäische Parlament, die EU-Mitglieder, die NATO-Verbündeten und unsere Institutionen ermöglicht haben, um der Ukraine beizustehen. 

Und das ist äußerst wichtig anzuerkennen, denn das ist etwas, das weitergehen muss. Unsere Unterstützung hat dazu beigetragen, dass die Ukrainer die Gegenoffensive starten konnten. Die Ukrainer gewinnen allmählich an Boden und das beweist die Bedeutung unserer Unterstützung und auch unsere Fähigkeit und Bereitschaft, die Unterstützung fortzusetzen, denn es sind schwere Kämpfe, schwierige Kämpfe, aber es ist den Ukrainern gelungen, die Verteidigungslinien der russischen Streitkräfte zu durchbrechen und sie bewegen sich vorwärts. 

Und das war auch die klare Zusage und die klare Botschaft des NATO-Gipfels im Juli. Dass wir die Ukraine weiterhin unterstützen müssen! Das war auch die Botschaft der Europäischen Union, wieder und wieder. Und die Offensive unterstreicht nur, wie wichtig es ist, den Ukrainern beizustehen.

Auf dem NATO-Gipfel lautete die Hauptbotschaft natürlich, die Ukraine zu unterstützen. Es ist uns auch gelungen, Fortschritte auf dem Weg der Ukraine zur NATO-Mitgliedschaft zu erzielen.

Wir anerkennen, was die Europäische Union getan hat, indem sie der Ukraine den Kandidatenstatus zuerkannt hat. In der NATO haben wir auf dem Gipfel in Vilnius wichtige Entscheidungen getroffen, die die Ukraine der NATO-Mitgliedschaft näherbringen. 

Wir haben bekräftigt, dass die Ukraine Mitglied der NATO werden wird, aber wir haben drei Elemente hinzugefügt, die sie tatsächlich der Mitgliedschaft näher bringen. 

Erstens haben wir uns auf ein umfangreiches Paket und die Finanzierung eines umfangreichen Pakets geeinigt, um die vollständige Interoperabilität zwischen den ukrainischen Streitkräften und der NATO sowie die Interoperabilität zwischen unseren Streitkräften sicherzustellen. Und das ist wirklich ein Weg, um die Ukraine in der Praxis näher an die NATO-Mitgliedschaft heranzuführen. Als Zweites haben wir die politische, institutionalisierte Zusammenarbeit gestärkt. Wir haben den so genannten NATO-Ukraine-Rat eingerichtet, in dem wir der Ukraine nicht als Partner gegenübertreten, sondern als Gleichberechtigte am Tisch sitzen. 31 Alliierte, bald 32, und dann mit der Ukraine, als Gleichberechtigte am Tisch. 

Dieser Rat kann Entscheidungen treffen. Er kann kurzfristig einberufen werden, er kann sich mit Krisen befassen, wie wir es kurz nach dem Gipfel getan haben, als der Getreidehandel ausgesetzt wurde. Und der Plan ist nun, den NATO-Ukraine [Rat] wirklich zu einem praktischen, zu einem wichtigen Instrument zu entwickeln, um die Bindungen zwischen der NATO und der Ukraine zu stärken. 

Und drittens haben wir auf dem NATO-Gipfel die Anforderungen an den Aktionsplan für die Mitgliedschaft der Ukraine aufgehoben. Denn zuvor war vorgesehen, dem Land einen «Membership Action Plan» zu gewähren, was ein Schritt in Richtung Einladung war. Auf dem Gipfel in Vilnius haben wir gesagt, dass es keinen «Membership Action Plan» mmehr braucht. Denn die Ukraine hat sich der NATO ja bereits weiter angenähert. Also machen wir den Beitrittsprozess von einem zweistufigen Prozess zu einem einstufigen Prozess. 

Und diese drei Dinge, die Interoperabilität, der NATO-Ukraine-Rat und die Aufhebung der Forderung nach einem Aktionsplan für die Mitgliedschaft der Ukraine, zeigen, dass die Ukraine einer NATO-Mitgliedschaft nie näher war als jetzt. 

Und lassen Sie mich abschließend sagen, dass dies die politische Realität widerspiegelt, dass Nationen souverän sind. Nationen entscheiden selbst, und die Ukraine hat natürlich das Recht, ihren eigenen Weg zu wählen. Und es liegt an der Ukraine und den NATO-Bündnispartnern zu entscheiden, wann die Ukraine Mitglied wird. Russland kann kein Veto gegen die Mitgliedschaft eines souveränen, unabhängigen Staates in Europa einlegen. Das andere Hauptthema auf dem NATO-Gipfel war die Stärkung unserer Abschreckung und Verteidigung. Denn im Grunde hat die NATO zwei Aufgaben, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht. Die eine ist, die Ukraine als NATO-Bündnispartner zu unterstützen, und das tut die NATO auch. Die zweite ist, die Eskalation zu verhindern.

Deshalb haben wir unsere Präsenz im östlichen Teil des Bündnisses bereits erhöht, um eine klare Botschaft an Moskau zu senden. Um jeden Raum für Missverständnisse und Fehleinschätzungen zu beseitigen. Dass die NATO dazu da ist, jeden Zentimeter des NATO-Territoriums zu verteidigen, einer für alle und alle für einen.

Auf dem NATO-Gipfel haben wir neue Pläne für die Verteidigung des gesamten Bündnisses vereinbart. Wir haben uns auch darauf geeinigt, mehr Truppen mit hoher Bereitschaft aufzustellen und zu identifizieren, 300.000 Truppen auf verschiedenen Ebenen hoher Bereitschaft, und auch mehr Luft- und Seekapazitäten zu haben, die bereit sind, bei Bedarf schnell zu verstärken. 

Der Zweck dieser Maßnahmen ist die Verhinderung eines Krieges. Damit soll sichergestellt werden, dass die NATO weiterhin das erfolgreichste Bündnis der Geschichte bleibt, weil wir jeden militärischen Angriff auf ein NATO-Bündnismitglied verhindert haben. Und wenn es in Europa zu einem ausgewachsenen Krieg kommt, dann wird es noch wichtiger, dass wir eine glaubwürdige Abschreckung haben, und indem wir unsere Abschreckung und Verteidigung stärken, verhindern wir einen Krieg und bewahren den Frieden für die NATO-Verbündeten, weil es keinen Raum für Fehlkalkulationen gibt. 

Und drittens haben die NATO-Staaten jetzt wirklich bewiesen, dass sie die 2014 eingegangene Verpflichtung einhalten, denn der Krieg begann nicht erst im Februar letzten Jahres. Er begann im Jahr 2014. Die vollwertige Invasion Russlands fand letztes Jahr statt, aber der Krieg, die illegale Annexion der Krim, der Einmarsch Russlands in den östlichen Donbass, fand 2014 statt.  (Siehe dazu am Ende des Textes die Verlinkung auf den US-Völkerrechtsexperten David Hendrickson, Red.)

Seitdem hat die NATO die größte Anpassung dieses Bündnisses in der modernen Geschichte – seit Jahrzehnten – vorgenommen. Und ein Teil davon ist, mehr in die Verteidigung zu investieren. Ich glaube, ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich weiß, dass es schwer ist, Geld für die Verteidigung bereitzustellen, denn die meisten Politiker wollen das Geld lieber für Gesundheit, Bildung und Infrastruktur ausgeben als für die Verteidigung. Aber manchmal muss man in die Verteidigung investieren, und wenn die Spannungen zunehmen, die Risiken steigen [nicht hörbar], müssen wir mehr investieren. 

Und in diesem Jahr erwarten wir, dass die NATO-Staaten ihre Verteidigungsausgaben um mehr als 8 % [unhörbar] erhöhen werden. Das ist der größte Anstieg seit Jahrzehnten, und die meisten von ihnen sind auch EU-Mitglieder, die das jetzt sehr ernst nehmen. Mehr Geld für die Verteidigung ermöglicht es uns auch, mehr in die Produktion von Munition zu investieren, die äußerst wichtig ist. Ich begrüße die Bemühungen. Ich begrüße die Entscheidungen der Europäischen Union, die Hand in Hand mit dem gehen, was wir in der NATO tun. In der NATO haben wir verschiedene Vereinbarungen zur gemeinsamen Beschaffung von Munition, und das schon seit vielen Jahren. Wir haben so etwas wie eine NATO-Unterstützungs- und Beschaffungsagentur. Ich begrüße die Bemühungen der EU-Mitglieder und der NATO-Bündnispartner, die Produktion zu erhöhen, und wir arbeiten eng mit der Rüstungsindustrie im gesamten Bündnis zusammen, in der EU, aber auch in den nicht zur EU gehörenden Ländern des NATO-Bündnisses. Mehr und mehr Geld bereitzustellen ist eine Voraussetzung, dass auch die Produktion von Munition erhöht werden kann.

Zum Schluss noch ein Wort zu Schweden. Zunächst einmal ist es historisch, dass Finnland jetzt Mitglied des Bündnisses ist. Und wir müssen uns an den Hintergrund erinnern. Der Hintergrund war, dass Präsident Putin im Herbst 2021 erklärte und tatsächlich einen Vertragsentwurf schickte, den die NATO unterzeichnen sollte, um zu versprechen, dass die NATO nicht mehr erweitert wird. Das war es, was er uns geschickt hat. Und es war eine Vorbedingung dafür, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Natürlich haben wir das nicht unterschrieben.

Das Gegenteil war der Fall. Er wollte, dass wir dieses Versprechen unterschreiben, die NATO niemals zu erweitern. Er wollte, dass wir unsere militärische Infrastruktur in allen verbündeten Ländern, die der NATO seit 1997 beigetreten sind, entfernen, d.h. die Hälfte der NATO, ganz Mittel- und Osteuropa, wir sollten die NATO aus diesem Teil unseres Bündnisses entfernen und sozusagen eine Art B-Mitgliedschaft oder Mitgliedschaft zweiter Klasse einführen. Das haben wir abgelehnt.

Also zog er in den Krieg, um die NATO, mehr NATO in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern. Er hat genau das Gegenteil erreicht. Er hat eine stärkere NATO-Präsenz im östlichen Teil des Bündnisses erhalten und er hat auch gesehen, dass Finnland bereits dem Bündnis beigetreten ist und Schweden bald Vollmitglied sein wird. Denn auf dem Gipfel von Vilnius haben wir uns auf eine Erklärung geeinigt, in der klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass Schweden mehr tun wird, das Abkommen von Madrid über die Bekämpfung des Terrorismus weiterverfolgen und auch Fragen im Zusammenhang mit dem Export von militärischer Ausrüstung ansprechen wird, und dann hat die Türkei deutlich gemacht, dass sie das so bald wie möglich ratifizieren wird. 

Dies wurde von Präsident Erdogan mehrfach bekräftigt. Ich gehe also davon aus, dass die Ratifizierung so schnell wie möglich erfolgen wird, wenn das türkische Parlament im Herbst wieder zusammentritt, was immer wieder betont wurde. Und dann werden wir 32 Bündnispartner sein, und sowohl Schweden als auch Finnland werden Mitglieder sein.

Das ist gut für die nordischen Länder. Es ist gut für Finnland und Schweden. Und es ist auch gut für die NATO. Und es zeigt, dass Präsident Putin, als er in ein europäisches Land einmarschierte, um mehr NATO zu verhindern, genau das Gegenteil erreicht hat. 

Ich denke, ich habe meine 10 Minuten oder sogar noch mehr genutzt. Ich denke also, ich höre hier auf, um so viel Zeit wie möglich für die Kommentare und Fragen zu haben, und ich freue mich auf unsere Diskussionen. Ich danke Ihnen vielmals.

(Die Übersetzung erfolgte unter Zuhilfenahme von Deepl.com, aber Satz für Satz von Christian Müller kontrolliert, und, wo es nötig war, präzisiert und korrigiert.)

Siehe dazu auch: «Die Abspaltung des Donbass von der Ukraine war kein Verstoss gegen das Völkerrecht(auf Globalbridge.ch)

Und siehe dazu auch: «NATO: sie provoziert und provoziert und provoziert» (von Christian Müller)