Für die USA wird der Krieg nie enden …

Die Gründung der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) und die Wiederbewaffnung Deutschlands bestätigten, dass der Krieg in Europa für die USA nie ganz vorbei war. Und er ist es noch immer nicht.

Red. Selten waren die westlichen Medien so geschlossen und einseitig in ihrer Berichterstattung und Kommentierung eines aktuellen Ereignisses, wie jetzt zu Zeiten des Krieges in der Ukraine. Vor allem fehlen fast ganz die Informationen, wie es zu diesem Krieg kommen konnte. Diana Johnstone, 1934 in Minnesota in den USA geboren, studierte die französische und die russische Sprache, wurde Journalistin und Autorin und übersiedelte später nach Paris, wo sie auch heute noch lebt. Von 1989 bis 1996 war sie die Sprecherin der Fraktion «Die Grünen» im Europäischen Parlament. Jetzt hat sie auf der US-amerikanischen Plattform «Consortium News» ihre Sicht zur geopolitischen Situation und zum Krieg in der Ukraine dargelegt. Globalbridge.ch hat von ihr die Bewilligung erhalten, ihren Beitrag ins Deutsche zu übersetzen.

Es geht immer weiter. Der «Krieg zur Beendigung des Krieges» von 1914-1918 führte zum Krieg von 1939-1945, bekannt als Zweiter Weltkrieg. Und auch dieser ist nie zu Ende gegangen, vor allem, weil er für Washington der «gute Krieg» war, der Krieg, der «Das amerikanische Jahrhundert» ausmachte: Warum also nicht das amerikanische Millennium?

Der Konflikt in der Ukraine könnte der Funke sein, der das auslöst, was wir bereits als Dritten Weltkrieg bezeichnen. Aber dies ist kein neuer Krieg. Es ist derselbe alte Krieg, eine Fortsetzung des so genannten Zweiten Weltkriegs, der nicht für alle Beteiligten derselbe Krieg war. Der russische Krieg und der amerikanische Krieg waren sehr, sehr unterschiedlich.

Der Zweite Weltkrieg in Russland

Für die Russen war der Krieg eine Erfahrung von großem Leid, von Trauer und Zerstörung. Der Überfall der Nazis auf die Sowjetunion war extrem rücksichtslos und wurde von einer rassistischen Ideologie der Verachtung für die Slawen und des Hasses auf die «jüdischen Bolschewiken» angetrieben. Schätzungsweise 27 Millionen Menschen starben, etwa zwei Drittel davon waren Zivilisten. Trotz überwältigender Verluste und Leiden gelang es der Roten Armee, den Eroberungszug der Nazis, der den größten Teil Europas bereits unterworfen hatte, zu stoppen.

Dieser gigantische Kampf zur Vertreibung der deutschen Invasoren ist den Russen als Großer Vaterländischer Krieg bekannt und nährte einen Nationalstolz, der das Volk über all das, was es durchgemacht hatte, hinwegtrösten sollte. Doch bei allem Stolz auf den Sieg weckten die Schrecken des Krieges auch den echten Wunsch nach Frieden.

Der Zweite Weltkrieg in Amerika

Der Zweite Weltkrieg in Amerika fand (wie der Erste Weltkrieg) nicht im eigenen Land statt. Das ist ein sehr großer Unterschied. Der Krieg ermöglichte es den USA, sich zur reichsten und mächtigsten Nation der Welt zu entwickeln. Die US-Amerikaner lernten, niemals Kompromisse einzugehen, weder um einen Krieg zu verhindern («München»), noch um ihn zu beenden (der amerikanische Weg war die «bedingungslose Kapitulation»). Die angemessene Haltung des Guten in seinem Kampf gegen das Böse war Härte.

Die Kriegswirtschaft holte die USA aus der Depression. Der militärische Keynesianismus erwies sich als der Schlüssel zum Wohlstand. Der militärisch-industrielle Komplex war geboren. Um weiterhin Pentagon-Verträge für alle Kongressabgeordneten und garantierte Gewinne für Wall-Street-Investoren bereitzustellen, brauchte es aber einen neuen Feind. Die Angst vor dem Kommunismus – dieselbe Angst, die zur Entstehung des Faschismus beigetragen hatte – war genau das Richtige.

Der Kalte Krieg: Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs

Kurz gesagt, nach 1945 war für Russland der Zweite Weltkrieg vorbei. Für die Vereinigten Staaten war er es nicht. Das, was wir den Kalten Krieg nennen, war seine freiwillige Fortsetzung durch die führenden Politiker in Washington. Er wurde durch die Theorie aufrechterhalten, dass Russlands defensiver «Eiserner Vorhang» eine militärische Bedrohung für den Rest Europas darstellte.

Am Ende des Krieges war es Stalins wichtigstes Sicherheitsanliegen, eine neue Invasion aus dem Westen zu verhindern. Im Gegensatz zu westlichen Interpretationen war Moskaus anhaltende Kontrolle der osteuropäischen Länder, die es auf dem Weg zum Sieg in Berlin besetzt hatte, nicht so sehr von kommunistischer Ideologie inspiriert, sondern vielmehr von der Entschlossenheit, eine Pufferzone als Hindernis für eine erneute Invasion aus dem Westen zu schaffen.

Stalin respektierte die Jalta-Linien zwischen Ost und West und lehnte es sogar ab, den Kampf der griechischen Kommunisten auf Leben und Tod zu unterstützen. Moskau ermahnte damals die Führer der großen westeuropäischen kommunistischen Parteien, die Revolution zu meiden und sich an die Regeln der bürgerlichen Demokratie zu halten. Die sowjetische Besatzung konnte zwar brutal sein, aber sie war klar defensiv. Die sowjetische Unterstützung von Friedensbewegungen war absolut aufrichtig.

Die Gründung der Nordatlantikpakt-Organisation NATO und die Wiederaufrüstung Deutschlands bestätigten, dass der Krieg in Europa für die USA noch nicht ganz vorbei war. Die bemerkenswert nachlässige «Entnazifizierung» des von den USA besetzten Teils Deutschlands ging mit einer organisierten Abwanderung von Deutschen einher, die den USA bei der Wiederaufrüstung und Spionage nützlich sein konnten (von Wernher von Braun bis Reinhard Gehlen). Westdeutschland trat 1955 der NATO bei, was zur Bildung des rivalisierenden Warschauer Paktes während des Kalten Krieges führte.

Amerikas ideologischer Sieg

Während des gesamten Kalten Krieges widmeten die USA ihre Wissenschaft und Industrie dem Aufbau eines gigantischen Arsenals tödlicher Waffen, die Verwüstung anrichteten, ohne allerdings den USA den Sieg in Korea oder Vietnam zu bringen. Doch den ideologischen Sieg hat die militärische Niederlage der USA nicht zerstört.

Der größte Triumph des amerikanischen Imperialismus bestand in der Verbreitung seiner sich selbst legitimiierenden Bilder und der eigenen Ideologie, vor allem in Europa. Die Dominanz der amerikanischen Unterhaltungsindustrie hat ihre besondere Mischung aus Selbstverliebtheit und Doppelmoral in der ganzen Welt verbreitet, vor allem unter der Jugend. Hollywood hat den Westen davon überzeugt, dass der Zweite Weltkrieg im Wesentlichen von den US-Streitkräften und ihren Verbündeten bei der Invasion in der Normandie gewonnen wurde. Amerika verkaufte sich als die letzte Kraft des Guten und als der einzige Ort, an dem es Spaß macht, zu leben. Die Russen dagegen wurden als düster und unheimlich dargestellt.

Auch in der Sowjetunion selbst waren viele Menschen nicht immun gegen die Anziehungskraft der amerikanischen Selbstverherrlichung. Einige glaubten sogar, dass der Kalte Krieg ein großes Missverständnis war und dass, wenn sie nett und freundlich wären, der Westen auch nett und freundlich sein würde. Michail Gorbatschow war für diesen Optimismus empfänglich.

Der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock, berichtet, dass der Wunsch, Russland von der vermeintlichen Last der Sowjetunion zu befreien, in den 1980er Jahren innerhalb der russischen Elite weit verbreitet war. Es waren eher die Führung als die breiten Massen, die die Selbstzerstörung der Sowjetunion herbeiführten und Russland als Nachfolgestaat mit den Atomwaffen und dem UN-Veto der UdSSR unter der alkoholgetränkten Präsidentschaft Boris Jelzins zurückließ – und in den 90er Jahren mit einem überwältigenden Einfluss der USA.

Die neue NATO

Die Modernisierung Russlands in den letzten drei Jahrhunderten war geprägt von einer Kontroverse zwischen den «Westlern», d.h. denjenigen, die Russlands Fortschritt in der Nachahmung des fortschrittlicheren Westens sahen, und den «Slawophilen», die der Ansicht waren, dass die materielle Rückständigkeit des Landes durch eine Art mentale Überlegenheit ausgeglichen werde, basierend vielleicht in der einfachen Demokratie des traditionellen Dorfes.

In Russland war der Marxismus ein verwestlichendes Konzept. Doch der offizielle Marxismus hat die Bewunderung für den «kapitalistischen» Westen und insbesondere für Amerika nicht verschwinden lassen. Gorbatschow träumte davon, dass «unser gemeinsames europäisches Haus» eine Art soziale Demokratie leben sollte. In den 1990er Jahren verlangte Russland lediglich, Teil des Westens zu sein.

Was dann geschah, bewies, dass die ganze «kommunistische Angst», mit der der Kalte Krieg gerechtfertigt wurde, falsch war. Ein Vorwand, ein Schwindel, der dazu diente, den militärischen Keynesianismus und Amerikas Sonderkrieg zur Aufrechterhaltung seiner eigenen wirtschaftlichen und ideologischen Hegemonie aufrechtzuerhalten.

Es gab keine Sowjetunion mehr. Es gab keinen Sowjetkommunismus mehr. Es gab weder einen Sowjetblock noch einen Warschauer Pakt. Die NATO hatte keinen Grund mehr, weiter zu existieren. Doch 1999 feierte die NATO ihr 50-jähriges Bestehen, indem sie Jugoslawien bombardierte und sich damit von einem defensiven zu einem aggressiven Militärbündnis wandelte. Jugoslawien war ein bündnisfreier Staat, der weder der NATO noch dem Warschauer Pakt angehörte. Es bedrohte kein anderes Land. Ohne Ermächtigung durch den Sicherheitsrat oder Rechtfertigung als Selbstverteidigung verstieß die NATO-Aggression klar gegen das Völkerrecht.

Zur gleichen Zeit nahm die NATO unter Verletzung zwar ungeschriebener, aber deutlicher diplomatischer Versprechen gegenüber der russischen Führung Polen, Ungarn und die Tschechische Republik als neue Mitglieder auf. Fünf Jahre später, im Jahr 2004, nahm die NATO Rumänien, Bulgarien, die Slowakei, Slowenien und die drei baltischen Republiken auf. In der Zwischenzeit wurden die NATO-Mitglieder in den Krieg in Afghanistan hineingezogen, die erste und einzige vermeintliche «Verteidigung eines NATO-Mitglieds» – nämlich der USA.

Putin verstehen – oder nicht

In der Zwischenzeit hatte Jelzin Wladimir Putin zu seinem Nachfolger ernannt, zweifellos auch deshalb, weil er als ehemaliger KGB-Offizier in Ostdeutschland über ein gewisses Wissen und Verständnis für den Westen verfügte. Putin holte Russland aus der desaströsen wirtschaftlichen Situation heraus, die durch Jelzins Akzeptanz der von den US-Amerikanern konzipierten wirtschaftlichen Schocktherapie entstanden war.

Putin schob den ungeheuerlichsten Abzockereien einen Riegel vor und zog damit den Zorn der enteigneten Oligarchen auf sich, die ihre Schwierigkeiten mit dem Gesetz nun dazu nutzten, den Westen davon zu überzeugen, dass sie Opfer von Verfolgung seien (Beispiel: das lächerliche Magnitsky-Gesetz).

Am 11. Februar 2007 begab sich der russische Westler Putin in ein Zentrum der westlichen Macht, an die Münchner Sicherheitskonferenz, und bat darum, vom Westen verstanden zu werden. Seine Rede ist leicht zu verstehen, wenn man sie denn tatsächlich verstehen will. Putin stellte die von den USA aufgezwungene «unipolare Welt» in Frage und betonte den Wunsch Russlands, «mit verantwortungsvollen und unabhängigen Partnern zusammenzuarbeiten, mit denen wir gemeinsam eine gerechte und demokratische Weltordnung aufbauen könnten, die Sicherheit und Wohlstand nicht nur für einige wenige, sondern für alle gewährleistet». Die Reaktion der führenden westlichen Partner war Empörung, Ablehnung und anschliessend eine 15 Jahre andauernde Medienkampagne, die Putin als eine Art dämonische Kreatur darstellte.

Seit dieser Rede sind die Beleidigungen der westlichen Medien gegen Putin und Russland schlicht grenzenlos. Und in dieser verächtlichen Behandlung Russlands sehen wir die beiden Versionen des Zweiten Weltkriegs: Im Jahr 2014 versammelten sich die Staats- und Regierungschefs der Welt in der Normandie, um den 70. Jahrestag der Landung der amerikanischen und britischen Streitkräfte am D-Day zu begehen.

In der Realität stieß die Invasion 1944 damals auf Schwierigkeiten, obwohl sich die deutschen Streitkräfte hauptsächlich auf die Ostfront konzentrierten, wo sie den Krieg gegen die Rote Armee verloren. Moskau startete sogar eine spezielle Operation, um die deutschen Streitkräfte von der Normandie-Front abzulenken. Dennoch gelang es den Alliierten nicht, die Rote Armee daran zu hindern, bis nach Berlin vorzudringen.

Dank Hollywood betrachten viele im Westen den D-Day jedoch als die entscheidende Operation des Zweiten Weltkriegs. Zu Ehren dieses Ereignisses waren auch Wladimir Putin und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Feierlichkeiten anwesend. Im darauf folgenden Jahr wurden die Staats- und Regierungschefs der Welt zu einer großen Siegesparade nach Moskau eingeladen, um den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs zu feiern. Die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens und Deutschlands nahmen daran aber nicht teil.

Dieses Verhalten des Westens reiht sich ein in eine endlose Reihe anderer westlicher Gesten der Verachtung für Russland und seinen kriegsentscheidenden Beitrag zur Niederlage Nazi-Deutschlands (es hat 80 Prozent der Wehrmacht vernichtet). Am 19. September 2019 verabschiedete das Europäische Parlament aber eine Resolution zur «Bedeutung des europäischen Gedenkens für die Zukunft Europas», in der die Sowjetunion und Nazi-Deutschland gemeinsam beschuldigt wurden, den Zweiten Weltkrieg ausgelöst zu haben.

Wladimir Putin reagierte auf diesen grundlosen Affront in einem langen Artikel über «Die Lehren des Zweiten Weltkriegs», der anlässlich des 75. Jahrestags des Kriegsendes in der US-amerikanischen Zeitschrift «The National Interest» veröffentlicht wurde. Putin antwortete darin mit einer sorgfältigen Analyse der Ursachen des Krieges und er erinnerte an die tiefgreifenden Auswirkungen auf das Leben der gefangenen Menschen – inklusive seiner eigenen Eltern – am Beispiel der mörderischen 872-tägigen Belagerung Leningrads (heute Sankt Petersburg) durch die Nazis, zu deren 800.000 Opfern auch deren zweijähriger Sohn gehörte.

Die Belagerung von Leningrad, 1942

Putin zeigte sich zutiefst beleidigt über die anhaltende Weigerung des Westens, die Bedeutung des Krieges in Russland zu begreifen und zu akzeptieren. «Das Gedenken zu entweihen und zu beleidigen ist gemein», schrieb Putin. «Gemeinheit kann absichtlich, heuchlerisch und ziemlich gewollt sein, wie wenn in den Erklärungen zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs alle Teilnehmer der Anti-Hitler-Koalition erwähnt werden, außer der Sowjetunion.»

Und in dieser ganzen Zeit expandierte die NATO weiter nach Osten und richtete ihre massiven Kriegsmanöver an den Land- und Seegrenzen immer offener gegen Russland.

Die US-Besatzung der Ukraine

Die Einkreisung Russlands machte mit der Übernahme der Ukraine durch die USA im Jahr 2014 einen qualitativen Sprung nach vorn. In den westlichen Medien wurde dieses komplexe Ereignis als Volksaufstand dargestellt, aber Volksaufstände können von Kräften betrieben werden, die ihre eigenen Ziele verfolgen – und so war es auch bei diesem Aufstand. Der ordentlich gewählte Präsident Viktor Janukowitsch wurde nur einen Tag, nachdem er in einem Abkommen mit den europäischen Staats- und Regierungschefs vorgezogenen Wahlen zugestimmt hatte, gewaltsam gestürzt.

Milliarden von US-Dollars und mörderische Schießereien durch militante Rechtsextremisten erzwangen einen Regimewechsel, der offen von der Stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland („Fuck the EU“) gesteuert wurde und eine Führung in Kiew hervorbrachte, die weitgehend in Washington ausgewählt wurde und die der NATO beitreten wollte.

Ende jenes Jahres befand sich die Regierung der «demokratischen Ukraine» weitgehend in den Händen von Ausländern, die von den USA genehmigt worden waren. Die neue Finanzministerin war eine US-Bürgerin ukrainischer Herkunft, Natalia Jaresko, die für das Außenministerium gearbeitet hatte, bevor sie in die Privatwirtschaft ging. Wirtschaftsminister wurde der Litauer Aïvaras Arbomavitchous, ein ehemaliger Basketballmeister. Das Gesundheitsministerium wurde von einem ehemaligen georgischen Gesundheits- und Arbeitsminister, Sandro Kvitachvili, übernommen.

Später wurde dann auch noch der in Ungnade gefallene frühere georgische Präsident Micheil Saakaschwili mit der Leitung des angeschlagenen Hafens von Odessa betraut. Und Vizepräsident Joe Biden war direkt an der Umgestaltung des Kiewer Kabinetts beteiligt, als sein Sohn Hunter Biden einen einträglichen Posten beim ukrainischen Gasunternehmen Barisma erhielt.

Die vehement antirussische Stoßrichtung dieses Regimewechsels rief in den südöstlichen Teilen des Landes, die größtenteils von ethnischen Russen bewohnt werden, Widerstand hervor. Acht Tage nachdem mehr als 40 Demonstranten in Odessa lebendig verbrannt worden waren, beschlossen die Provinzen Lugansk und Donezk, sich aus Widerstand gegen den Staatsstreich abzuspalten. Das von den USA eingesetzte Regime in Kiew begann daraufhin einen Krieg gegen diese Provinzen, der acht Jahre lang andauerte und Tausende von Zivilisten tötete.

In einem Referendum wurde die Krim dann an Russland zurückgegeben. Die friedliche Wiedervereinigung der Krim mit Russland war offensichtlich unerlässlich, um Russlands wichtigsten Marinestützpunkt in Sewastopol vor der drohenden Übernahme durch die NATO zu schützen. Und da die Bevölkerung der Krim der Abtretung der Halbinsel an die Ukraine durch Nikita Chruschtschow im Jahr 1954 nie zugestimmt hatte, wurde die Rückgabe durch eine demokratische Abstimmung ohne Blutvergießen vollzogen. Dies stand in krassem Gegensatz zur Abtrennung der Provinz Kosovo von Serbien, die 1999 durch wochenlange NATO-Bombardements erreicht wurde.

Für die USA und den Großteil des Westens war es beim Kosovo eine «humanitäre Aktion», bei der Krim dagegen eine unverzeihliche Aggression.

Die Hintertür des Oval Office zur NATO

Russland warnte immer wieder, dass die NATO-Erweiterung die Ukraine nicht einschließen dürfe. Die westlichen Staats- und Regierungschefs schwankten zwischen der Bekräftigung des «Rechts» der Ukraine, jedem beliebigen Bündnis beizutreten, und der Aussage, dass dies nicht sofort geschehen würde. Es war immer möglich, dass ein NATO-Mitglied, vielleicht Frankreich oder sogar Deutschland, ein Veto gegen die Mitgliedschaft der Ukraine einlegen würde.

Doch in der Zwischenzeit, am 1. September 2021, wurde die Ukraine vom Weißen Haus als Washingtons besondere geostrategische «Hauskatze» (englisch: pet) adoptiert. Die NATO-Mitgliedschaft wurde auf eine verspätete Formalität reduziert. In einer vom Weißen Haus herausgegebenen gemeinsamen Erklärung zur strategischen Partnerschaft zwischen den USA und der Ukraine hieß es, der «Erfolg der Ukraine» sei «von zentraler Bedeutung für den weltweiten Kampf zwischen Demokratie und Autokratie» – Washingtons derzeitige selbstlegitimierende Doppelmoral, mir der der Kommunismus durch die «Freie Welt» ersetzt ersetzt werden soll.

Und es ging weiter, einen permanenten «casus belli» gegen Russland zu formulieren:

«Im 21. Jahrhundert darf es Nationen nicht erlaubt werden, Grenzen mit Gewalt neu zu ziehen. Russland hat diese Grundregel in der Ukraine verletzt. Souveräne Staaten haben das Recht, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre eigenen Bündnisse zu wählen. Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite der Ukraine und werden sich weiterhin dafür einsetzen, dass Russland für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen wird. Amerikas Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine ist unerschütterlich.»

Die Erklärung bezeichnete auch Kiews Krieg gegen den Donbass eindeutig als «russische Aggression». Und sie enthielt diese kompromisslose Aussage: «Die USA anerkennen die Annexion der Krim durch Russland nicht und werden dies auch niemals tun … ». Es folgt das Versprechen, die militärischen Kapazitäten der Ukraine zu stärken, eindeutig im Hinblick auf die Rückgewinnung des Donbass und der Krim.

Seit 2014 haben die USA und Großbritannien die Ukraine heimlich in einen NATO-Hilfsverband verwandelt, der psychologisch und militärisch gegen Russland gerichtet ist. Wie auch immer dies für uns aussehen mag, für die russische Führung sah dies zunehmend nach nichts anderem aus als nach einer Vorbereitung auf einen umfassenden militärischen Angriff auf Russland, einer erneuten Operation Barbarossa. Viele von uns, die versuchten, «Putin zu verstehen», sahen die russische Invasion nicht voraus, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir nicht glaubten, dass sie im russischen Interesse läge. Das tun wir immer noch nicht. Aber die Russen sahen den Konflikt als unvermeidlich an und wählten den Zeitpunkt des Einmarsches.

Zweideutige Anklänge

Putin rechtfertigte Russlands «Operation» in der Ukraine im Februar 2022 als notwendig, um einen Völkermord in Lugansk und Donezk zu verhindern. Dies erinnert an die von den USA geförderte R2P-Doktrin (Responsibility to Protect), insbesondere an die Bombardierung Jugoslawiens durch die USA und die NATO, die angeblich einen «Völkermord» im Kosovo verhindern sollte. In Wirklichkeit ist die Lage im Donbass sowohl in rechtlicher als auch vor allem in menschlicher Hinsicht weitaus schlimmer als sie es im Kosovo jemals war. Im Westen wird jedoch jeder Versuch, den Donbass mit dem Kosovo zu vergleichen, als «falscher Vergleich» oder als «What-about-ism» denunziert.

Aber der Kosovo-Krieg ist viel mehr als eine Analogie zur russischen Invasion im Donbass: Er ist eine der Ursachen. Der Kosovo-Krieg hat vor allem deutlich gemacht, dass die NATO kein Verteidigungsbündnis mehr ist. Vielmehr war sie zu einer Offensivmacht unter dem Kommando der USA geworden, die sich ermächtigen konnte, jedes beliebige Land zu bombardieren, einzumarschieren oder zu zerstören. Ein Vorwand dazu konnte immer gefunden werden: die Gefahr eines Völkermords, eine Verletzung der Menschenrechte, ein Führer, der drohte, «sein eigenes Volk zu töten». Jede dramatische Lüge würde ausreichen. Da die NATO ihre Tentakel ausstreckte, war niemand mehr sicher. Libyen lieferte ein weiteres Beispiel.

Auch bei Putins angekündigtem Ziel der «Entnazifizierung» hätte man erwarten können, dass im Westen die Alarmglocken läuten. Aber wenn überhaupt, dann zeigt es sich, dass «Nazi» in Ost und West nicht dasselbe bedeutet. In den westlichen Ländern, ob in Deutschland oder in den USA, bedeutet «Nazi» in erster Linie antisemitisch. Der Rassismus der Nazis bezieht sich auf Juden, auf Roma, vielleicht auf Homosexuelle. Aber für die ukrainischen Nazis bezieht sich der Rassismus auf die Russen. Der Rassismus des Asow-Bataillons, das in die ukrainischen Sicherheitskräfte eingegliedert und von den Amerikanern und Briten bewaffnet und ausgebildet wurde, spiegelt den Rassismus der dortigen «Nazis» wider: Die Russen sind eine gemischte Rasse, teilweise «asiatisch» aufgrund der mittelalterlichen mongolischen Eroberung, während die Ukrainer reine weiße Europäer sind.

Einige dieser Fanatiker verkünden, dass es ihre Mission ist, Russland zu zerstören. In Afghanistan und anderswo haben die USA islamische Fanatiker unterstützt, im Kosovo haben sie Gangster unterstützt. Wen kümmert es schon, was die denken, wenn sie auf unserer Seite gegen die Slawen kämpfen?

Widersprüchliche Kriegsziele

Für die russische Führung soll ihre militärische «Operation» die von ihr befürchtete westliche Invasion verhindern. Sie wollen weiterhin über die ukrainische Neutralität verhandeln. Für die Amerikaner, deren Stratege Zbigniew Brzezinski sich rühmte, die Russen in die Afghanistan-Falle gelockt zu haben (und ihnen «ihr Vietnam» zu geben), ist dies ein psychologischer Sieg in ihrem endlosen Krieg. Die westliche Welt ist in ihrem Hass auf Putin geeint wie nie zuvor. Propaganda und Zensur übertreffen sogar das Niveau des Weltkriegs. Die Russen wollen sicherlich, dass diese «Operation» bald beendet wird, denn sie kommt sie in vielerlei Hinsicht teuer zu stehen. Die Amerikaner lehnten jedoch jedes Bemühen ab, sie zu verhindern, und taten alles, um sie zu provozieren – und sie werden aus der Fortsetzung dieses Krieges jeden erdenklichen Vorteil ziehen.

Heute hat Volodymyr Zelensky den US-Kongress angefleht, der Ukraine mehr Militärhilfe zu gewähren. Die Hilfe der USA wird den Krieg am Laufen halten. Anthony Blinken erklärte gegenüber NPR, dass die USA darauf reagieren, indem sie «Russland die Technologie vorenthalten, die es braucht, um sein Land zu modernisieren, um seine Schlüsselindustrien zu modernisieren: Verteidigung und Luft- und Raumfahrt, seinen High-Tech-Sektor, Energieexploration».

Das amerikanische Kriegsziel besteht nicht darin, die Ukraine zu verschonen, sondern darin, Russland zu ruinieren. Das braucht Zeit. Die Gefahr ist, dass die Russen nicht in der Lage sein werden, diesen Krieg zu beenden, und die Amerikaner werden alles tun, um ihn am Laufen zu halten.

Dieser Text erschien zuerst am 16. März 2022 auf «Consortium News». Die Übersetzung besorgte Christian Müller.

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