Es herrscht Krieg – nicht nur in der Ukraine

Red. Mit 20 Zeitungstiteln ist der Schweizer Medienkonzern CH-Media einer der grössten des Landes. Und wenn der Verleger dieser Mediengruppe, Peter Wanner, auf der Frontseite seiner Blätter einen ganzseitigen Leitartikel schreibt – wie am 19. März geschehen – und darin nach noch mehr Waffen für die Ukraine und nach noch mehr Sanktionen gegen Russland ruft und gleichzeitig die USA als «Leader der freien Welt» preist, muss man nicht extra aufführen, was jene Informierten dazu sagen könnten, die die Situation nicht erst heute beurteilen, sondern auch genauer hingeschaut haben, wie die heutige Situation in den letzten Jahren entstanden ist. Jene, die zum Beispiel wissen, dass die Regierung in Kiev sich immer geweigert hat, die von ihr unterschriebenen Minsk II-Vereinbarungen anzugehen, und die stattdessen die Menschen im Donbass acht Jahre lang hat beschiessen und bombardieren lassen – mit Tausenden von Toten, darunter viele Kinder. Oder die wissen, dass die von Russland im Dezember geforderten Sicherheitsgarantien von den USA und von der NATO rundweg abgelehnt worden sind. All das will allerdings nicht heissen, dass es in diesen CH-Media-Zeitungen – oft im hinteren, eher regionalen Teil versteckt – nicht auch lesenswerte Texte gibt. Ein solches Beispiel in der «Solothurner Zeitung» vom 17. März, hinten auf Seite 20 links unten, von einer «Gastautorin», sei hier im Wortlaut wiedergegeben.

Von Dagmar Rösler aus Oberdorf, Zentralpräsidentin Lehrerinnen und Lehrer Schweiz

Angesichts der besorgniserregenden und in jeder Hinsicht schrecklichen Situation in Osteuropa erscheint aktuell jedes andere Thema des Schreibens unwürdig. Mittlerweile sind es über drei Millionen Menschen – vorwiegend Frauen, Kinder, Jugendliche und ältere Menschen – die binnen weniger Stunden praktisch ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen mussten und die Flucht vor dem Krieg angetreten sind – und dies im 21. Jahrhundert. Familien werden auseinandergerissen und wissen nicht, ob und wann ein Wiedersehen stattfinden wird. Es ist für uns kaum vorstellbar, wie unerträglich gross das Leid für diese Menschen ist. Ein weiterer Krisenherd hat sich ganz in unserer Nähe aufgetan.

In der Zwischenzeit haben viele Ukrainerinnen und Ukrainer auch in unserem Land Zuflucht gefunden und ich bin stolz auf die Schweiz und seine Einwohnerinnen und Einwohner, dass eine äusserst unkomplizierte und ungewohnt unbürokratische Aufnahme dieser Flüchtenden möglich ist. Natürlich wünsche ich mir auch, dass weiterhin alles in unserer Macht Stehende unternommen wird, um Kriegsflüchtlinge willkommen zu heissen und sie mit grosser Menschlichkeit zu unterstützen.

Ein Erlebnis hat mir zu denken gegeben. Als kürzlich in einer Primarschulklasse der Ukraine-Krieg altersgerecht thematisiert und diskutiert wurde, hat ein Mädchen aus Syrien das Wort ergriffen. «Bei uns ist auch Krieg!», hat es gesagt. Diese fünf kleinen Wörter bringen etwas ans Tageslicht und haben bei mir Betroffenheit ausgelöst. 

Das jüngste Kriegsgeschehen ist leider bei weitem nicht das einzige, das auf unserer Erde grosses Leid, Entwurzelung und Elend über die Menschen bringt. Beispielsweise der Syrienkrieg, der bereits seit zehn Jahren wütet und laut Vereinten Nationen weit über 350’000 Opfer zählt. Afghanistan erlebt seit Jahren Kriege im eigenen Land – nicht erst seit den Terroranschlägen in New York 2001. Am Horn von Afrika, in Nigeria oder im Kongo herrschen seit Jahren Tod und Vernichtung. Hier sterben täglich Menschen, sind auf der Flucht und verlieren Geschwister ihre Eltern oder Eltern ihre Kinder. Erinnern wir uns an die noch immer anhaltenden und verzweifelten Fluchtversuche übers Mittelmeer, die oft tödlich enden.

Bei dem immensen Leid, das gerade praktisch vor unserer Haustür geschieht, wünsche ich mir, dass wir alle anderen leidgeplagten und krisengeschüttelten Völker nicht vergessen und ihnen ebenfalls unsere Solidarität zeigen, so wie aktuell gerade den Ukrainerinnen und Ukrainern. Schnell und unbürokratisch. Denn schliesslich sind es immer Menschen, die unter grosser Not ihr eigenes Zuhause verlassen und die Hilfe benötigen. Es ist egal, aus welchem Land sie kommen.

Ende Zitat aus der Solothurner Zeitung.