Zum Glück bleibt Putin rational – es gibt neben ihm auch Hardliner
Vor Wochenfrist gab Sergey Karaganov, einer der Vordenker der russischen Hardliner, der Zeitschrift „multipolar“ ein Interview, in welchem er recht unverblümt seiner Ablehnung des Westens freien Lauf ließ und mit markigen Worten nicht sparte (1). Unter anderem forderte er, dass den europäischen Eliten nun echte Angst eingejagt werde und erwähnte in diesem Zusammenhang taktische Atomwaffen. Letztlich blieb er aber vage in seinen Drohungen, sodass die Maßnahmen unklar bleiben, welche die „Falken“ in Moskau ins Auge fassen.
(Red.) Das von Ralph Bosshard kommentierte Interview von Eva Péli mit Sergey Karaganov auf «multipolar» kann hier in voller Länge gelesen werden.
Sergey Karaganov ist nicht irgendjemand, sondern ein einflussreicher russischer Politikwissenschaftler und außenpolitischer Analytiker. Er war laut verschiedenen Quellen außenpolitischer Berater unter Boris Jelzin und Wladimir Putin und gilt als einer der zentralen Theoretiker und Stratege der russischen Außen- und Sicherheitspolitik. Er hat sowohl akademisch als auch politisch großen Einfluss, vor allem in Fragen, wie Russland seine Macht im sogenannten „nahen Ausland“, seine Rolle in Eurasien und seine nuklearen Abschreckungsstrategien sieht. In ideologischer Hinsicht vertritt er geostrategisch-eurasische Vorstellungen, welche Russland als zentrales eurasisches Machtzentrum sehen, das sowohl wirtschaftlich als auch sicherheitspolitisch eine große Rolle in einem multipolaren Weltordnungsmodell spielen sollte.
Ein bekannter Hardliner
Karaganov wird in der westlichen und russischen Analyse oft als Hardliner in der Sicherheitspolitik bezeichnet und geht in verschiedenen Fragen erheblich weiter als beispielsweise der ehemalige Staatspräsident Dmitry Medvedev, der ab und zu auch mit markigen Aussagen auffällt. Einig sind sich Medvedev und Karaganov darin, dass Russlands Nachbarschaft als russischer Einflussbereich zu gelten habe. Beide sehen Russland in einer geopolitischen Konkurrenz mit dem Westen, aber Karaganov ist deutlich radikaler und ideologisiert die Konkurrenz zum Westen. Er sieht Russland in einem Kampf der Zivilisationen mit dem Westen. Im Verhältnis zu den anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion ist Karaganov auch viel stärker imperialistisch gefärbt: Die Wiederherstellung russischer Großmachtrolle sei eine historische Mission und der Schutz ethnischer Russen in den ehemaligen Sowjetrepubliken habe zum Ziel, Russland den politischen Einfluss in diesen Regionen zu sichern („Karaganov-Doktrin“).
Medvedev und Karaganov vertreten die Auffassung, dass die USA und die NATO versuchen, Russland strategisch zu schwächen – und dass Russland dem aktiv entgegentreten müsse, wobei Karaganov eine post-völkerrechtliche Position vertritt: Russland solle sich nicht durch „westliche völkerrechtliche Normen“ binden lassen. Damit steht er klar im Gegensatz zur Medvedev-Doktrin, welche den Vorrang der fundamentalen Prinzipien des Völkerrechts vor nationalen Interessen anerkennt, vor allem die Charta der Vereinten Nationen (2).
Strategische Zurückhaltung und Rufe nach Eskalation
Am meisten Staub wirbelte Karagaov mit der Forderung nach Erstschlägen mit operativ-taktischen Kernwaffen auf: Die europäischen Eliten seien nur mit der Aussicht auf körperlichen Schmerz zur Vernunft zu bringen. Dabei ist aber zu beachten, dass der Einsatz von Atomwaffen durch die russische Regierung nach wie vor an sehr eng begrenzte gesetzliche Rahmenbedingungen gebunden ist. Implizit räumte das kürzlich auch Dmitry Medvedev ein, als er im vergangenen Sommer als Antwort auf Trumps Drohungen mit Atom-U-Booten auf das System der sogenannten Toten-Hand, das heißt des Perimetr-Systems verwies. Dieses System ermöglicht es auch nachgeordneten militärischen Kommandostellen, nach einem Atomschlag gegen die politische und militärische Führung Russlands einen nuklearen Gegenschlag auszulösen (3). Damit hat Medvedev darauf hingewiesen, dass ein Enthauptungsschlag gegen Russland keinen Erfolg haben werde. Das ist eben der Unterschied zwischen Abschreckung und Dissuasion (4). Hier zeigt sich erneut der Unterschied zwischen der Haltung des Kremls und jener Karaganovs, der eine nukleare Eskalation für ein legitimes Mittel hält, um den Westen einzuschüchtern.
Sollte Russland den Wunsch hegen, seine militärischen Möglichkeiten gegenüber der NATO zu demonstrieren, gibt es eine Fülle von Optionen weit unter der nuklearen Schwelle. Grundsätzlich kann Russland kinetische Schläge austeilen, welche materiellen Schaden anrichten, oder nicht-kinetische Mittel einsetzen, beispielsweise im Bereich der elektronischen Kriegführung oder der Computer-Netzwerk-Operationen. Durch solche Maßnahmen kann es die Nutzung wichtiger Infrastruktur erschweren oder gänzlich unterbinden. Russland kann auf dem Staatsgebiet seiner Widersacher zuschlagen, auf Hoher See oder auf dem Gebiet von Drittstaaten, was mit verschiedenen Etappen der Eskalation verbunden ist. Und schließlich kann Russland mit verdeckten Mitteln oder offen vorgehen. Eine erste Stufe der Eskalation wäre wohl eine nicht-kinetische Maßnahme auf Hoher See durch verdeckt operierende Kräfte, die sich wohl darin äußern würde, dass man auf einem Schiff des Kontrahenten einmal Radar und Funkverbindungen stört. Dass Russland das kann, hat es in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt. Denkbar ist auch ein Schlag gegen westliche Streitkräfte dort, wo sie offiziell nicht sein sollten.
Am oberen Ende der Skala steht im Fall eines Angriffs der NATO auf Belarus oder Russland, den man in Moskau derzeit als Worst-Case-Szenario in Betracht zieht, der Einsatz von operativ-taktischen Kernwaffen. Der belarussische Staatspräsident Alexander Lukaschenko, der mittlerweile Zugriff auf russische Kernwaffen hat, drückte das Ende Oktober anlässlich der 3. Konferenz über eurasische Sichergeit in Minsk unumwunden aus: Er habe keine territorialen Interessen in Polen oder Litauen, aber wenn diese sein Land angreifen sollten, werde er dem Aggressor inakzeptablen Schaden zufügen (5). Was das konkret bedeutet, kann man sich vorstellen, wenn man die russische Doktrin des operativen Feuerkampfs kennt. Im Falle eines Angriffs aus Polen könnte dessen nukleare Variante gut und gerne den Einsatz von 200 bis 250 Atomsprengköpfen beinhalten (6).
Im Ukraine-Krieg sind bislang gewisse rote Linien nicht überschritten worden, wie beispielsweise ein Krieg gegen Infrastruktur auf dem Meeresboden oder der Abschuss von Satelliten. Ohne die Rückendeckung der USA sollten die Europäer diese Eskalationsleiter nicht besteigen.
Rückhalt in der Bevölkerung?
Im Interview behauptete Karaganov, eine harte Antwort auf die Provokationen und die Eskalationsschritte von EU und NATO würden 80 Prozent der Bevölkerung und 95 Prozent der Eliten in Russland gutheißen. Implizit kritisierte er damit Staatspräsident Wladimir Putin für seinen vergleichsweise gemäßigten Kurs. Eine Erklärung, woher Karaganov diese Zahlen herhat, blieb er im Interview schuldig.
Rückhalt genießen solche radikalen Positionen vor allem in nationalistischen Kreisen, welche eine Theorie der Überlegenheit der Russen bzw. auch der slawischen Rasse postulieren. Eine Strömung davon stellen die Panslawisten dar, welche es in Russland und in der Ukraine nach wie vor gibt. Sie betrachten Russen und Ukrainer noch immer als Brudervölker und geben einmal Putin, ein anderes Mal den ukrainischen Nationalisten die Schuld daran, dass die zwei Völker nun entzweit seien. Karaganov fiel zwar schon durch Aussagen auf, in welchen er die Überlegenheit der Russen postulierte, aber seine Auffassungen können nicht diejenigen des Kremls darstellen (7). In der Praxis ist nämlich so gut wie jede Form von Nationalismus gefährlich für Russland, weil es ein Vielvölkerreich darstellt mit Bevölkerungsgruppen verschiedenster ethno-linguistischer Herkunft und den Frieden unter den Ethnien wahren muss (8).
Für zahlreiche russische Militärs ist Putin der Mann, der nach dem Zerfall und Chaos der desaströsen Neunzigerjahre wieder Ordnung ins Land brachte. Er sorgte wieder für angemessene und regelmäßige Besoldung der Soldaten. Eine westlich orientierte Schicht aus dem urbanen Mittelstand betrachtet Putin als den Mann, dem sie ihren bescheidenen Wohlstand verdankt. Die Bewunderung für alles Westliche ist jedoch im Schwinden begriffen, vor allem durch die Sanktionen gegen russische Bürger und die vielen privaten kleinen „Sanktionen“, welche Privatleute in Westeuropa gegen russische Menschen ergreifen zu müssen glauben. Wer sich jetzt gegen Putin wendet, kommt schnell in Verdacht, die Zustände der Neunzigerjahre wieder herstellen zu wollen. Wer sich an diese Zeit erinnert, wird entschlossen dagegen Widerstand leisten.
Tradition vs. Liberalismus
In seinem kürzlichen Interview sprach Karaganov von einem heiligen Krieg gegen den Satanismus, und von geistigen Werten, die es zu verteidigen gelte. In dieser Hinsicht genießt er Rückhalt in breiten Kreisen der russischen Bevölkerung, die sich zu traditionellen Werten bekennen. Eine Richtung davon postuliert, dass Russland seine geistigen Wurzeln nicht aus dem westlichen, römischen Geistesleben erhalten habe, sondern aus der griechischen Tradition. Diese Geisteshaltung kann auf eine lange Tradition zurückblicken: Großfürst Iwan III. heiratete die byzantinische Prinzessin Sophia Palaiologina, eine Nichte des letzten byzantinischen Kaisers Konstantin XI. im Jahr 1472. Diese Ehe stärkte die Stellung des Großfürstentums Moskaus und trug zur Entstehung der Idee von Moskau als Nachfolger des Byzantinischen Reichs bei. Sophia brachte byzantinische und italienische Bräuche an den Moskauer Hof, und Iwan III. übernahm Symbole wie den doppelköpfigen Adler, der heute wieder in der russischen Fahne thront (9). In dieser Gedankenwelt ist Moskau das dritte Rom. Ein viertes wird es nicht geben, denn der Untergang Moskaus ist mit dem Ende der Welt gleichzusetzen. Diese Leute betrachten die Russen als die besseren Europäer, als die Westeuropäer, weil sie bereit sind, die traditionellen Werte des christlichen Abendlandes zu verteidigen. Das ist die ideologische Komponente des aktuellen Kriegs in der Ukraine. In der Ukraine selbst artikuliert sich dieser ideologische Konflikt im Streit um die ukrainische orthodoxe Kirche.
Im Gegensatz dazu behaupten die, in der Tradition von Nikolai Trubetskoi und anderer stehenden Eurasisten, zu denen auch Alexander Dugin gehört, Russland sei eine eurasische Kultur, die im Gegensatz zur europäischen Kultur stehe und von der Beeinflussung durch die asiatische Seite lebe (10). In den 1920er Jahren propagierte Trubetskoi im Exil diese ideologische Strömung, die eine Führungsrolle Russlands in einem künftigen geeinten, riesigen Eurasien anstrebte. Im Gegensatz zu dem, was in bekannten Nachschlagewerken geschrieben steht, spielten Dugin und seine neo-eurasische Ideologie in der russischen Generalstabsausbildung aber keine Rolle (11).
Gemeinsam ist diesen verschiedenen Strömungen die Ablehnung des extremen Liberalismus, welcher derzeit im Westen Oberwasser hat, ab und die Besinnung auf die traditionellen Werte von Heimat, Religion und Familie. Das fußt teilweise auch auf den Erfahrungen aus der Sowjetzeit, als Ideologie höher stand, als die Familie und in welcher die Familie eine Art Überlebensgemeinschaft darstellte. Je aggressiver die Liberalisten und LGBTI+-Aktivisten aus dem Westen auftreten, desto stärker wird die Gegenbewegung. „Je höher der Druck, desto stärker wird Beton“ besagt ein populärer Schlager in Russland (12).
Militärische Dominanz des Westens – nach wie vor
Karaganov hingegen argumentiert allerdings nicht primär ideologisch, sondern überwiegend realpolitisch–geopolitisch, aus der Perspektive eines Strategen und außenpolitischen Beraters. Seine Texte sind viel stärker in der klassischen Geopolitik, strategischen Kultur Russlands und machtpolitischen Erwägungen verankert. In seinem Interview betonte er, dass Russland kein Interesse an einem Angriff auf Europa habe, geschweige denn an einer Eroberung, was auch Putin mehrmals unterstrichen hat. Wenn man die strategischen Kräfteverhältnisse betrachtet – Bevölkerungszahl, Wirtschaftsleistung, Rüstung und andere – dann scheint ein russischer Angriff auf Europa tatsächlich aussichtslos (13). Der Vergleich mit den wirtschaftlichen, personellen, finanziellen Ressourcen anderer Länder in Europa und Asien zeigt aber auch, dass Russland in Eurasien nicht die führende Rolle spielen kann, welche die frühen Theoretiker des Eurasismus dem Land zugendacht hatten. China, aber auch die Länder der ASEAN-Gruppe haben sich seither rasant entwickelt und entscheiden heute frei über die Verwendung ihrer Ressourcen.
Zumindest ein Teil der westeuropäischen Militärs ist sich der tatsächlichen Kräfteverhältnisse durchaus bewusst und steht der Panikmache wegen einer angeblich drohenden russischen Invasion Westeuropas skeptisch gegenüber. Der ehemalige Inspekteur der Bundesmarine, Admiral Kay-Achim Schönbach brachte das in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Interview explizit zum Ausdruck: Er glaube nicht an russische Panzerkeile in Mitteleuropa (14).
Jetzt soll die Gelegenheit genutzt werden, um die angeblich vernachlässigten westeuropäischen Armeen wieder auf Vordermann zu bringen. Schon das Narrativ von vernachlässigten westeuropäischen Armeen ist aber kritisch zu betrachten. In Tat und Wahrheit haben die Europäer in etwas kleinerem Maßstab als die USA, seit dem Ende des Kalten Kriegs Expeditionsstreitkräfte aufgebaut, die weit außerhalb des NATO-Bündnisgebiets intervenieren sollen (15). Berufsarmeen sind entstanden, Sonderoperationskräfte wurden ausgebaut und anderes mehr. Die Royal Navyhat die beiden größten Kriegsschiffe in ihrer Geschichte in Dienst gestellt, auf welchen Mehrzweck-Kampfflugzeuge wie der Tarnkappen-Bomber F-35 stationiert sind. Frankreich hat den einzigen Flugzeugträger mit Atomantrieb außerhalb der USA in Betrieb genommen, mit praktisch unbegrenzter Reichweite. So ein teures Schiff baut man nicht einfach so, sondern, um weltweit militärische Macht projizieren zu können. Es wurden Expeditions- Luftangriffsverbände aufgestellt, mit Tarnkappen-Kampfflugzeugen, die unentdeckt in fremde Lufträume eindringen können. Mit der sogenannten Multi-Domain Task Force der US-Army, die im Grunde eine verstärkte strategische Raketenbrigade darstellt, werden die USA in der Lage sein, Breschen in Verteidigungsdispositive zu schießen, um sich gegen Widerstand den Zugang zu fremden Territorien, Lufträumen und Seegebieten zu erzwingen (16). Das alles hatte und hat nichts mit Landesverteidigung zu tun. Solange die „großen Drei“ Westeuropas, Frankreich, Deutschland und Großbritannien keine Wehrpflichtigen-Heere zur Territorialverteidigung aufstellen, wirken die Verlautbarungen über Verteidigung gegen eine russische Invasion wenig glaubwürdig. Jetzt will man die Gelegenheit nutzen, den Weg der globalen militärischen Dominanz weiter zu beschreiten.
Putins Krieg?
Derzeit findet bereits zum zweiten Mal in dreißig Jahren eine Entfremdung der Russen vom Westen statt und im Unterschied zu den Neunzigerjahren hat sie diesmal auch eine ideologische Komponente. Der Wunsch, mit dem Westen einen Ausgleich zu erzielen und dafür Kompromisse in konkreten Fragen einzugehen, ist im Schwinden begriffen. Für die Konfrontation der kommenden Jahre, vielleicht Jahrzehnte wird man nicht allein Wladimir Putin verantwortlich machen können. Gleichermaßen billig ist es auch, die Schuld an der Abwendung Russlands von Europa alleine ein paar Intellektuellen vom Schlage Dugins in die Schuhe zu schieben.
Sergey Karaganov ist kein einsamer Rufer in der Wüste, sondern repräsentiert eine Strömung in der politischen Landschaft Russlands, die einen härteren Kurs gegenüber dem Westen fordert, als Präsident Putin zu fahren bereit ist. Für den Westen ist es wichtig zu wissen, dass eine ablehnende Haltung gegenüber dem Westen im heutigen Russland eine Anhängerschaft besitzt, welche den Kurs der russischen Außen- und Sicherheitspolitik mit und ohne Putin bestimmen kann. Das sollte die Erwartungen an eine Regimewechsel-Strategie dämpfen.
Während eine verantwortungsvolle europäische Außenpolitik mit dem Worst-Case rechnen muss, dass radikale Elemente inskünftig die russische Politik gegenüber Europa bestimmen könnten, so sollte sie deren Kernthesen nicht auch noch täglich bestätigen und im Gegenteil zeigen, dass es im Ukraine-Konflikt um diese selbst geht und nicht um den Kampf gegen die russische Zivilisation. Fanatische Ideologen werden die Probleme der Zukunft nicht lösen.
Anmerkungen:
- Siehe Éva Péli: „Sollte es zu einem großen Krieg kommen, wird Europa einfach aufhören zu existieren“, bei multipolar, hrsg. von Stefan Korinth und Paul Schreyer, 14.11.2025, online unter https://multipolar-magazin.de/artikel/interview-karaganow. Karaganov betreibt eine eigene Homepage in Russisch und Englisch: https://karaganov.ru/en/. Seine Biografie findet sich dort: https://karaganov.ru/en/biography/. Vgl. auch den Eintrag auf TRT World Forum, online unter https://www.trtworldforum.com/speaker/sergey-karaganov/?utm_source=chatgpt.com. Gegen ihn sind Sanktionen der EU und der USA in Kraft: „Among the persons to whom sanctions are applied: KARAGANOV Sergey Aleksandrovich“, bei War & Sanctions 2025, online unter https://war-sanctions.gur.gov.ua/en/sanctions/persons/15548?utm_source=chatgpt.com.
- Die Medvedev Doktrin lässt sich in etwa wie folgt zusammenfassen: Russland erkennt den Vorrang der fundamentalen Prinzipien des Völkerrechts an. Die Welt sollte multipolar sein. Russland wünscht keine Konfrontation mit irgendeinem anderen Land. Der Schutz des Lebens und der Würde unserer Bürgerinnen und Bürger, wo immer sie sich befinden, hat für unser Land unbestrittene Priorität. Es gibt Regionen, in denen Russland privilegierte Interessen hat. Diese Doktrin wurde 2008 im Nachgang zum Krieg um Südossetien formuliert, nachdem Georgien die abtrünnige Provinz im Südkaukasus angegriffen hatte. Siehe Owen Matthews: Dmitry Medvedev’s Grand Strategic Ambitions, bei Newsweek, 21.11.2008 online unter https://www.newsweek.com/dmitry-medvedevs-grand-strategic-ambitions-84943 und Javier Morales: Russia’s New National Security Strategy: Towards a ‘Medvedev Doctrine’? (ARI), bei Real Instituto Elcano, 25.09.2009, online unter https://www.realinstitutoelcano.org/en/analyses/russias-new-national-security-strategy-towards-a-medvedev-doctrine-ari/. Über die Medvedev-Doktrin hat sich Jeffrey Mankoff in seinem Buch ausgelassen: Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics, Lanham/Plymouth, 2009, eingeschränkte Vorschau unter https://archive.org/details/russianforeignpo0000mank/page/n5/mode/2up.
- Zur „Toten Hand“ siehe Gerd Brenner: Walt Disney und die Weltuntergangsmaschine bei World Economy, 08.03.2021, online unter https://www.world-economy.eu/nachrichten/detail/walt-disney-und-die-weltuntergangsmaschine/. Das Thema war Gegenstand eines Hollywood Films: Originaltitel: Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb, zu sehen unter https://www.imdb.com/title/tt0057012/. Siehe auch Олег Одноколенко: Генерал-полковник Виктор Есин: «Если американцы все-таки начнут разворачивать свои ракеты в Европе, нам ничего не останется, как отказаться от доктрины ответно-встречного удара и перейти к доктрине упреждающего удара», bei «ЗВЕЗДА» (zvezdaweekly.ru), 0811.2018, online unter https://zvezdaweekly.ru/news/2018117102-0iaAI.html, in russischer Sprache. Siehe auch Brandon Keim: Soviet Doomsday Device Still Armed and Ready, bei WIRED Science, 07.09.2007, online unterhttps://www.wired.com/2007/09/soviet-doomsday/ und David Shavin: Medvedev’s ‚Dead Hand‘ Message to Trump To Forget About ‚Decapitation‘ of Moscow, bei Executive Intelligence Review, 31.07.2025, online unter https://eir.news/2025/07/news/medvedevs-dead-hand-message-to-trump-to-forget-about-decapitation-of-moscow/. Vgl. auch „Analyse; Friedenstauben oder Höllenfeuer?“ bei Global Bridge, 12.08.2025, online unter https://globalbridge.ch/friedenstauben-oder-hoellenfeuer/.
- Das französische Wort „dissuasion“ ist ein Lehnwort aus dem Lateinischen und leitet sich vom lateinischen Verb dissuadere (abraten, überzeugen, sich zu widersetzen), das sich wiederum aus dis- (weg, gegen) und suadere (drängen, überzeugen) zusammensetzt. Im Französischen Sprachgebrauch wird es häufig mit dem Begriff der Abschreckung gleichgesetzt, welcher seinerseits eine Vergeltung beinhaltet für eine Handlung, die kaum zu verhindern ist. Dissuasion hingegen kann auch die Demonstration beinhalten, dass der potenzielle Gegner seine Ziele nicht erreichen wird. Siehe auch „Die Zukunft der strategischen Abschreckung“, bei Global Bridge, 07.11.2023, online unter https://globalbridge.ch/die-zukunft-der-strategischen-abschreckung/.
- Der Verfasser war selbst zugegen, als Lukaschenko in Minsk diese Aussage machte.
- Auf dies Zahl kam der Verfasser, indem er diejenigen Objekte zählte, die potenzielle Ziele für Schläge mit operativ-taktischen Raketen mit konventionellen Gefechtsköpfen darstellen. Diese Waffensysteme waren Gegenstand der Diskussionen über nicht-nukleare strategische Abschreckung an der Generalstabsakademie in Moskau, an welcher der Verfasser in den Jahre 2013 und 2014 ausgebildet wurde. Die nicht-nukleare strategische Abschreckung basierte auf Überlegungen der ehemaligen sowjetischen Generalstabschefs Nikolai Ogarkov und Sergey Akhromeev in den Achtzigerjahren, welches mit der erheblich gesteigerten Präzision von Abstandswaffen dank moderner Navigationstechnologie argumentierten. Sollte im Zuge des sogenannten „Navigationskriegs“ die Präzision von Abstandwaffen reduziert werden, ist ein Rückgriff auf nukleare Gefechtsköpfe eine mögliche Option.
- Siehe sein Interview von 2016 mit Christian Neef: ‚We Are Smarter, Stronger and More Determined‘, bei Spiegel International, 13.07.2016, online unter https://www.spiegel.de/international/world/interview-with-putin-foreign-policy-advisor-sergey-karaganov-a-1102629.html?utm_source=chatgpt.com.
- In Russland leben über 170 verschiedene Ethnien, deren Sprachen auf regionaler Ebene teilweise als Amtssprache gelten. Siehe „Völker in Osteuropa und Nordasien“, bei Bundeszentrale für politische Bildung, 19.05.2011, online unter https://www.bpb.de/themen/europa/russland/48410/voelker-in-osteuropa-und-nordasien/#:~:text=Rund%20170%20verschiedene%20ethnische%20Gruppen,auch%20andere%20Gruppen%20sind%20wichtig.&text=Diese%20Karte%20ist%20urheberrechtlich%20gesch%C3%BCtzt,kartographie%2Dkaemmer.de).
- Siehe Liana Miate: Ivan III of Russia, bei World History Encyclopedia, 30.01.2024, online unter https://www.worldhistory.org/Ivan_III_of_Russia/#:~:text=Marriage%20to%20Sophia%20Palaiologina,traditions%20in%20his%20own%20court. Unter der Herrschaft Ivans III. entstand erstmals ein einheitliches Russisches Reich, das die jahrhundertelange Oberherrschaft der Goldenen Horde abschütteln konnte und zur osteuropäischen Großmacht aufstieg. Er schuf die geistige Grundlage für den russischen Staat. Eine Radio-Sendung zu ihm: Irene Dänzer-Vanotti: ZeitZeichen, 22.01.1440 – Geburtstag von Zar Iwan III., bei Westdeutscher Rundfunk WDR, 15.11.2019, online unter https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/zar-iwan-100.html.
- Die Eurasisten- Bewegung zerfiel nach wenigen Jahren durch innere Uneinigkeit und wurde durch den sowjetischen Geheimdienst unterwandert. Anfang der 1990er Jahre wurde diese Strömung durch den Neo-Eurasisten und Nationalbolschewisten Alexander Dugin wiederbelebt. Zu den Eurasisten siehe Andreas Umland: Historische Esoterik als Erkenntnismethode. Wie russische Pseudo-Wissenschaftler zu Moskaus antiwestlicher Wende beigetragen haben, bei SIRIUS 2023; 7(1): 3–10, online unter https://doi.org/10.1515/sirius-2023-1003. Er will eine „intellektuelle Deformation der russischen Elite“ festgestellt haben. Spekulative, oft verschwörerische, teils okkultistische und rassistische Theorien hätten den öffentlichen Diskurs im postsowjetischen Raum infiziert. Die Unterschiede zwischen (Neo-) Eurasismus und Kontinentalismus herausgearbeitet hat Anton Friesen: Continentalism v. Dugin: 1:0 for Europe, bei International Affairs Forum, online unter https://www.ia-forum.org/Content/ViewInternalDocument.cfm?ContentID=9870. Und ders.: From NATO’s eastward enlargement to NATO alternatives: Back to the future? The history of NATO’s eastward enlargement – a broken promise?, bei Modern Diplomacy, 21.12.2023, online unter https://moderndiplomacy.eu/2023/12/21/from-natos-eastward-enlargement-to-nato-alternatives-back-to-the-future/. In den letzten Jahren kam der Eindruck auf, dass eher der Kontinentalismus zur offiziellen Politik wird.
- Zumindest kam der Verfasser während seiner Ausbildung an der Moskauer Generalstabsakademie nicht mit den Theorien der Eurasisten in Kontakt und auch nicht mit Alexander Dugin.
- Das Lied heißt „Вперёд, Россия – Олег Газманов (Vorwärts, Russland! – Oleg Gazmanov), Video auf YouTube, 05.01.2018, (Чем выше давление, тем крепче бетон), online unter https://www.youtube.com/watch?v=K_mTrnjGdHs.
- In den Ländern der EU leben derzeit um die 450 Mio. Menschen, in Russland ca, 145. Mio., d.h. drei Mal weniger. Siehe „Anzahl der Einwohner in den Ländern Europas im Jahr 2025“, bei statista.de, 08.07.2025, online unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1187610/umfrage/bevoelkerung-der-laender-europas/. Vgl. “ Zahlen und Fakten zur Europäischen Union“ auf der Homepage der EU, online unter https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/facts-and-figures-european-union_de. Das kaufkraftbereinigte BIP der EU betrug 2025 ca. 29 Bio. USD, dasjenige von Russland knapp 7 Bio. USD, d.h. ca. 4 Mal weniger. Kaufkraftbereinigt wird das BIP durch die Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus in verschiedenen Ländern berechnet, was ein genaueres Bild der wirtschaftlichen Stärke ermöglicht. Siehe „World Economic Outlook Database, April 2025″, bei IMF.org. International Monetary Fund, 22.04.2025., online unter Report for Selected Countries and Subjects. BIP Kaufkraftbereinigt „GDP, current prices, Purchasing power parity; billions of international dollars“ auf der Homepage des Internationalen Währungsfonds, online unter https://www.imf.org/external/datamapper/PPPGDP@WEO/OEMDC/ADVEC/WEOWORLD. Vgl. „Die 20 Länder mit dem größten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2024“ bei statista.de, 27.10.2025, online unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36918/umfrage/laender-weltweit-nach-bruttoinlandsprodukt/. Unter den 20 militärisch stärksten Staaten der Welt befinden sich 7 NATO-Staaten und 5 weitere Staaten des Westens (inkl. die Ukraine). Siehe „2025 Military Strength Ranking“, bei Global Fire Power, online unter https://www.globalfirepower.com/countries-listing.php.
- Siehe das Interview von Patrik Baab mit Kai-Achim Schönbach: Es ist nicht unser Krieg – Deutschland braucht Diplomatie, nicht Eskalation, Video auf YouTube, 16.11.2025, online unter https://www.youtube.com/watch?v=F7oaA-6yruo.
- Siehe „Die Grenzen der Kanonenboot-Diplomatie – keine Angst vor Flugzeugträgern!“, bei Global Bridge, 28.11.2023, online unter https://globalbridge.ch/die-grenzen-der-kanonenboot-diplomatie-keine-angst-vor-flugzeugtraegern/.
- Siehe „Zweite eurasische Sicherheitskonferenz in Minsk angesichts anhaltenden Strebens der USA nach militärischer Dominanz“, bei Zeitfragen, Nr. 2/2025, 21.01.2025, online unter https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2025/nr-2-21-januar-2025/zweite-eurasische-sicherheitskonferenz-in-minsk-angesichts-anhaltenden-strebens-der-usa-nach-militaerischer-dominanz.