Je mehr Russland vom Westen sanktioniert und isoliert wird, umso aktiver pflegt Russland seine Beziehungen zu den Ländern im asiatischen Raum – und dies mit Erfolg. Eine wichtige Rolle dabei spielt das «Eastern Economic Forum» EEF in Wladiwostok. (Foto Stefano di Lorenzo)

Worüber der Westen nur ungern spricht: das Eastern Economic Forum EEF in Russland

Vom 3. bis 6. September findet das «Eastern Economic Forum» EEF in der russischen Stadt Wladiwostok statt. Das 2015 gegründete EEF findet dieses Jahr zum neunten Mal in der Hauptstadt des russischen Fernen Ostens statt und wie immer auf der Russkiy-Insel, die durch eine 2012 eröffnete, drei Kilometer lange Brücke mit dem Rest der Stadt Wladiwostok verbunden ist. Auf der Russkiy-Insel befindet sich auch die Fernöstliche Staatsuniversität, in der alle Universitäten und Studentencampusse Wladiwostoks zusammengeführt wurden. – Aus Wladiwostok berichtet Stefano di Lorenzo.

Da es sich beim EEF um ein Wirtschaftsforum handelt, geht es hier in erster Linie um den Aufbau und die Festigung von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen aus Russland und um Investitionen in den fernöstlichen Gebieten des Landes. Die Rede diesmal war von etwa 6.000 Besuchern aus 76 Ländern, insbesondere aus asiatischen Ländern wie China, Malaysia, Indien und Vietnam, aber auch zum Beispiel aus Serbien, aus afrikanischen Ländern und auch aus dem Nahen Osten. Das diesjährige Forum steht unter dem Motto „Fernost 2030. Kräfte bündeln, um neues Potenzial zu schaffen“. 

Zum Vergleich: Das jüngste Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg im Juni zählte 17.000 Besucher. Wie das Sankt Petersburger Wirtschaftsforum wird auch das Eastern Economic Forum von Roscongress, einer russischen Regierungsagentur, organisiert. (Am WEF in Davos haben im Jahr 2024 nach Angaben der Organisatoren „nahezu 3000 Besucher“ teilgenommen. Red.)

Die glänzende Seite der russischen Wirtschaft

Täglich standen Dutzende von Veranstaltungen auf dem Programm, an denen zahlreiche namhafte Persönlichkeiten aus der russischen und asiatischen Wirtschaft und Politik teilnahmen. Die Diskussionen befassten sich insbesondere mit geschäftlichen Themen und technologischen Innovationen, wie z. B. „Doing Business in the Russian Far East: Rechtliche Risiken und Lösungsalgorithmen“, „Demographische Souveränität: Der Eckpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands“, oder „Digitale Sicherheit und die Verantwortung der Wirtschaft“. 

Der Anblick der zahlreichen Stände der größten Unternehmen Russlands wie zum Beispiel der Banken Sberbank und VTB, der Eisenbahn RŽD oder der Fluggesellschaft Aeroflot hinterlässt bei den Besuchern unzweifelhaft einen unauslöschlichen Eindruck. Auch das ständige Treiben von Tausenden elegant, teuer und tadellos gekleideter Fachleute, von denen viele wichtige Positionen in den oben genannten Unternehmensgiganten bekleiden, ist sehr imponierend. Die russische Wirtschaft zeigt sich hier nicht nur als eine Reihe aseptischer Statistiken, sondern wird von Tausenden erfolgreicher Männer und Frauen repräsentiert, die jeden Tag daran arbeiten, dass die russische Wirtschaft trotz einer Reihe von Herausforderungen, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren, weiterhin Bestand hat und weiterhin wächst. Der allgemeine Eindruck ist, dass Russland ein blühendes Land ist, weit entfernt von den apokalyptischen Vorhersagen über den Zustand seiner Wirtschaft, die in den letzten Jahren häufig zu lesen waren.

Unvermeidlich wird auf dem Forum auch über Politik und Geopolitik gesprochen. Obwohl das Hauptaugenmerk nach wie vor auf der wirtschaftlichen Entwicklung des russischen Fernen Ostens liegt, ist das EEF keine Konferenz mit ausschließlich regionalem Schwerpunkt. Es wurde und wird viel über die multipolare Welt gesprochen, und ein Großteil der Diskussionen ist dem BRICS gewidmet, der Organisation wirtschaftlich aufstrebender Länder, die 2006 von Brasilien, Russland, Indien, China gegründet und 2010 um Südafrika erweitert wurde und die mit der Aufnahme Ägyptens, des Irans und weiterer Länder zu Beginn dieses Jahres deutlich expandierte und zu BRICS+ wurde. Der nächste BRICS-Gipfel findet übrigens im Oktober dieses Jahres in Kasan, also ebenfalls in Russland, statt. (Ein kluger Entscheid Putins, denn Kasan ist eine Stadt, in der Christen und Muslime friedlich zusammenleben. Red.)

Vor dem unaufhaltsamen Aufstieg Chinas war Japan traditionell der Wirtschaftsriese im pazifischen Raum. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem russischen Fernen Osten und Japan waren schon immer sehr wichtig. Die Stadt Wladiwostok lebte bis vor einigen Jahren fast ausschließlich vom Handel mit Gebrauchtwagen aus Japan, die Straßen der Stadt waren voll mit Autos mit dem Lenkrad auf der rechten Seite – in Japan ist es in dieser Hinsicht genauso wie in England, der Fahrer sitzt auf der rechten Seite eines Autos. Die japanischen Gebrauchtwagen wurden dann von Wladiwostok aus in anderen Städten Russlands verkauft. Bereits 2008 hatte die russische Regierung die Vorschriften für die Einfuhr von Autos aus Japan verschärft, was zu Protesten vieler Bürger in der russischen Hauptstadt im Fernen Osten, in Wladiwostok, geführt hatte, für die diese Art von Geschäft lebenswichtig war. Heute sieht man in Wladiwostok zwar weiterhin viele japanische Autos, aber wie in allen russischen Städten ist die Zahl der Autos aus chinesischer Produktion in den letzten Jahren überproportional gestiegen. 

Der japanische Premierminister war seit der Gründung des Eastern Economic Forum im Jahr 2015 und bis 2019, dem letzten Jahr vor der Covid-Pandemie, regelmäßiger Gast bei jedem Treffen des Forums. Heute hat sich Japan den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Die Beziehungen zwischen Russland und Japan sind jetzt spürbar angespannt.

Südkorea, ein weiterer wohlhabender Nachbar, scheint sich ebenfalls von Russland distanziert zu haben. Im Jahr 2017, bei der dritten Ausgabe des Forums, wurden in Anwesenheit des südkoreanischen Premierministers Gespräche über ein mögliches Freihandelsabkommen zwischen der Eurasischen Wirtschaftsunion, deren Mitglied Russland ist, und Südkorea aufgenommen. Heute scheint dies aus vielen Gründen in weite Ferne gerückt zu sein. Auch Südkorea hat sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Es gibt keine Linienflüge mehr zwischen Wladiwostok und Südkorea.

Trotzdem: Russland fühlt sich nicht isoliert

Auf die Frage eines Journalisten des japanischen Staatsfernsehens NHK, ob das diesjährige Forum trotz der Abwesenheit etlicher ausländischer Staatsoberhäupter als Erfolg gewertet werden könne oder eher nicht, antwortete die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, dass sich Russland nicht isoliert fühle: 

„Ich rate Ihnen, die Mitglieder des Forums nicht zu diskriminieren, indem Sie sagen, dass der Erfolg des Forums nur durch Beiträge und Schlagzeilen gemessen wird. Der Erfolg des Forums wird durch seine Teilnehmer bestimmt. Jedes Mal, wenn das Forum zu Ende ist, legen wir die Zahlen der spezifischen Anzahl der Transaktionen, ihr Volumen in Geldäquivalent oder die von den Händlern selbst angegebenen Zahlen vor. Daran wird der Erfolg gemessen. Es geht nicht nur um die Zahl der hochrangigen Gäste, sondern auch um das Interesse der Geschäftswelt, die Realisierung von Projekten und um den Abschluss von Vereinbarungen“, so Maria Sacharowa in ihrer für sie typischen etwas beißenden Art.

Russland hat daher versucht, Partner und Verbündete in anderen Ländern des pazifischen Raums zu finden. Allen voran natürlich China, mit dem Russland eine mehr als 3.600 Kilometer lange Landgrenze teilt. China ist mittlerweile zum wichtigsten Handelspartner Russlands geworden. Aber es gibt nicht nur China. Am ersten Tag des diesjährigen Forums fand zum Beispiel eine Konferenz über die russisch-vietnamesischen Beziehungen statt. Die Veranstaltung fiel mit dem 75. Jahrestag des Beginns der Wirtschaftsbeziehungen zwischen diesen beiden Ländern zusammen.

Zu den prominentesten Gästen zählten in diesem Jahr der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim und der chinesische Vizepräsident Han Zheng. Flankiert von den beiden sprach von russischer Seite Präsident Wladimir Putin auf der EEF-Plenarsitzung am 5. September.

Für den malaysischen Premierminister Anwar Ibrahim war es der erste Besuch in Russland. In seiner Rede auf der Plenartagung sprach er nicht nur über die Wirtschaft, sondern ging auch auf die Bedeutung der russischen Literatur und insbesondere von Autoren wie Fjodor Dostojewski und Pjotr Tolstoi für das kulturelle Erbe der Menschheit ein. Anwar trat damit in die Fußstapfen von Indiens Narendra Modi, Chinas Präsident Xi Jinping, Nordkoreas Kim Jong Un, Indonesiens Präsident Joko Widodo und Myanmars Armeegeneral Min Aung Hlaing, die sich seit dem Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine vor mehr als zwei Jahren mit Putin getroffen haben. Viele asiatische Staats- und Regierungschefs haben sich von der Verurteilung Putins durch den Westen und den Anschuldigungen wegen angeblicher Kriegsverbrechen nicht beeindrucken lassen.

Anwar, ein Ex-Häftling aus politischen Gründen, der von einigen als Exzentriker angesehen wird, hat seit seinem Amtsantritt im Jahr 2022 eine blockfreie Politik verfolgt. Anwar sagte, Malaysia wolle auf keinen Fall gezwungen sein, zwischen zwei Blöcken zu wählen, wenn es darum gehe, um Investitionen zu werben und die Wirtschaft zu fördern. Nach Angaben des malaysischen Außenministeriums war Russland 2022 der achtgrößte Handelspartner Malaysias neben den europäischen Ländern mit einem Gesamthandelsvolumen von 3,1 Milliarden Dollar.

In seiner Begrüßung der Forumsteilnehmer sagte der russische Staatschef, dass der Einfluss der asiatisch-pazifischen Region in internationalen Angelegenheiten „schnell wächst“ und dass neue Möglichkeiten für eine produktive Zusammenarbeit entstehen, auch innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, der SCO und der BRICS.

„Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um zu bekräftigen, dass Russland für den Dialog mit allen interessierten Partnern in der asiatisch-pazifischen Region offen und entschlossen ist, aktiv mit anderen zusammenzuarbeiten, um ein gerechteres und demokratischeres System internationaler Beziehungen aufzubauen, das auf echter Gleichberechtigung beruht und keinen Platz für Vorschriften, Zwangsmaßnahmen oder Sanktionsdruck bietet“, so Putin.

Putin erklärte auch, die Entwicklung des russischen Fernen Ostens sei die strategische Priorität Russlands für das 21. Jahrhundert. Dies ist sicherlich ein ehrgeiziges Ziel, das sich Russland nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte gesetzt hat. Aber vor dem Hintergrund einer weltweiten Hinwendung zum Osten in Bezug auf Wirtschaft und politisches Gewicht könnte es dieses Mal durchaus realistisch sein.

Zur vollständigen Rede von Präsident Putin am EEF, in englischer Sprache, inkl. gestellte Fragen und Putins Antworten.
Und hier zur deutschen Übersetzung auf Anti-Spiegel (von Globalbridge.ch nicht kontrolliert)

Das EEF findet auf der Insel Russkiy statt, die über eine drei Kilometer lange Hängebrücke mit Wladiwostok verbunden ist.