4. Januar 2017, der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko im militärischen Tarnanzug und mit Maschinenpistole und umrahmt von Soldaten und der US-Senator John McCain, als ehemaliger Kampfjet-Pilot im Vietnamkrieg ein erprobter Russland-Hasser, versichern einander bestes Zusammenhalten. (Foto Poroschenko Facebook)

So führt das Verschweigen von Fakten zu Unwahrheit

Eine Lüge ist eine Falschaussage wider besseres Wissen. Aber auch das Verschweigen von essentiellen Fakten kann in die – gewollte – Unwahrheit führen. Viele grosse Medien wählen im Falle des Krieges in der Ukraine diese Methode, um – gewollt – einseitig zu informieren, ohne dass sie der Lüge bezichtigt werden können. Die Analyse eines Medien-Sachverständigen.

Dass Wladimir Putin, der Präsident der Russischen Föderation, beschlossen hat, die Ukraine militärisch anzugreifen, ist ein Fakt. Dass dieser Beschluss Putins eine Reaktion auf die Politik der USA, Grossbritanniens und ganz generell der NATO war, ist auch ein Fakt. Aber niemand kann die westlichen Medien zwingen, auch diesen Tatbestand zu erwähnen – obwohl sie mit dem konsequenten Verschweigen dieses Fakts – offensichtlich gewollt – die TV-Zuschauer und Zuschauerinnen, die Radio-Zuhörer und Zuhörerinnen, und die Leser und Leserinnen in die Unwahrheit führen.

Um aufgrund von – vermeintlich objektiver – Information eine gewünschte Meinung zu erzeugen, gibt es verschiedene Methoden. Die verbreitetste und wichtigste ist die Auswahl der befragten Experten, die Wahl eingeladener Kommentatoren und die Entscheidung, welche Leserbriefe und Leserkommentare publiziert und welche nicht publiziert werden. Wenn eine Zeitung oder eine Online-Plattform – als Beispiel – zum Thema Ukraine Andreas Umland als «Ukraine-Experten» zu einem Kommentar einladen, dann wissen sie zum voraus, was sie erhalten: einen Text, der das politische und militärische Vorgehen der USA und der NATO gutheisst und alles, was von russischer Seite kommt, als inakzeptable Einmischung und/oder als reine Propaganda abtut – unabhängig, ob Umland dann in den «Blättern für deutsche und internationale Politik», in der NZZ oder auch auf der US-amerikanischen Plattform «History News Network» schreibt, wo auch immer. Das Beispiel Andreas Umland ist insofern eklatant, als man aus der Vita und dem CV und den bisherigen Publikationen dieses Mannes weiss – wissen muss! –, dass er ausschliesslich im einseitig euroatlantischen Interesse kommentiert.

Bei den Experten aus dem Hochschul- und Medienbereich gilt es genauer hinzuhören. Dazu ein Beispiel aus der Schweiz. Das «Echo der Zeit» ist die älteste und beste tägliche deutschsprachige Informationssendung des öffentlich-rechtlichen Radios. Die Sendung verfügt über gegen zwanzig eigene Auslandkorrespondenten, viele davon sind absolut hervorragende Berichterstatter (Die online einsehbare Liste dieser Korrespondenten ist allerdings nicht mehr richtig, es wäre Zeit, sie endlich zu aktualisieren). Wo eine politische und/oder wirtschaftliche Situation durch eigene Leute aber nur ungenügend beleuchtet werden kann, wird regelmässig zum Gespräch mit sogenannten Experten gegriffen, im «Echo der Zeit» besonders oft mit Hochschul-Professoren und -Professorinnen von deutschen Universitäten oder auch etwa mit länderspezifischen Beobachtern der deutschen Stiftung «Wissenschaft und Politik» SWP. Und da beginnt das Problem – das Problem der gezielten Wahl einer zum voraus bekannten Meinung, wie oben geschildert.

Befragt werden aber auch Journalistinnen und Journalisten anderer Medien-Institute. Ein konkretes Beispiel vom 22. August: das Gespräch mit der deutschen Journalistin Sabine Adler.

Von Sabine Adler weiss man als Medien-Kenner, dass sie alles tut, um Russland schlecht zu machen. Nicht zuletzt deshalb wurde ihr 2015 für ihre Berichterstattung über den Euromaidan in Kiev und generell über die Ukraine der Karl-Hermann-Flach-Preis verliehen. Schon ihre damalige Dankesrede für die Preisverleihung spricht Bände. So etwa sagte sie dort, am 20. November 2015, in der Ukraine sei aufgrund der Maidan-Proteste und der Vertreibung des ordentlich gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch – der tatsächlich so korrupt war wie seine Vorgänger und auch seine Nachfolger – eine «wirkliche Zivilgesellschaft» entstanden. (Dies allerdings ganz im Gegensatz zu ihrer Aussage in einem Artikel am 21. Februar 2015. Dort wörtlich: «Nur wenig geändert hat sich an der ungebrochenen Macht der Oligarchen, an der Korruption, am Fortbestand der alten Strukturen.» So schnell ändern Journalistinnen und Journalisten zuweilen ihre Meinung.) Sabine Adler erzählte in ihrer Dankesrede von der Einflussnahme Russlands auf den Maidan, erwähnte aber mit keinem Wort die Einflussnahme der USA, wo die USA über ihre Diplomatin Victoria Nuland doch immerhin eingestanden haben, schon vor dem Euromaidan fünf Milliarden Dollar für die politische Einflussnahme in der Ukraine ausgegeben zu haben, und wo der höchst prominente US-Senator John McCain, Kampfjet-Pilot-Veteran aus dem Vietnam-Krieg, doch persönlich auf dem Rednerpult auf dem Maidan aufgetreten war und die Bevölkerung zu weiteren Protesten ermuntert hat, und wo genau jener Mann – Arsenij Jazenjuk – dann neuer Ministerpräsident wurde, der von der US-Delegierten Victoria Nuland als «unser Mann» vorgeschlagen wurde. Einen Druck gegen die Ausübung der russischen Sprache bestritt Sabine Adler in ihrer Dankesrede – seltsamerweise mit dem Argument „Wer durch die Ukraine fährt, hört überall Russisch». Oder sie sagte den Satz «Das russische Vorgehen in Georgien hat 2008 schon einmal gezeigt, dass Moskau vor Krieg nicht zurückschreckt», ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, dass der damalige Krieg auf Befehl des damaligen Präsidenten von Georgien, Micheil Saakaschwili, begonnen wurde.

Diese Sabine Adler hat jetzt ein neues Buch veröffentlicht, Grund für das Schweizer «Echo der Zeit», mit ihr ein Gespräch zu führen. Und was sagt sie in dem sechsminütigen Gespräch? Die ganze Politik Deutschlands sei seit der Annexion der Krim durch Russland absolut falsch gewesen, dort hätte Deutschland viel härter gegen Russland vorgehen müssen. Kein Wort zum Fakt, dass die überwältigende Mehrheit der Krim-Bevölkerung sich von der neuen, klar nicht auf demokratischem Weg zustande gekommenen Regierung in Kiev nicht mehr vertreten fühlte und eine Abtrennung – eine Sezession – von der Ukraine und eine Wiedervereinigung mit Russland ausdrücklich wünschte. Kein Wort zum dortigen Referendum, dessen Resultat an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigliess. Kein Wort darüber, dass «Kiev» die der Krim 1991 versprochene erhöhte Autonomie nie eingehalten hat, und kein Wort darüber, dass es auch im Völkerrecht ein Recht auf Selbstbestimmung der Völker gibt – oder zumindest gäbe. Nicht was Sabine Adler sagte, waren Lügen, sie darf ja ihre persönliche Meinung zu Russland haben – der hervorragende Film «Der weisse Tiger» lässt grüssen –, aber was sie verschwieg, musste die Zuhörer und Zuhörerinnen in die politische und historische Unwahrheit führen.

Ein zufälliges Beispiel nur? Wir nennen auch ein zweites. Nur einen Tag später befragt das gleiche «Echo der Zeit» für einmal einen Schweizer Professor, den Völkerrechtsspezialisten Oliver Diggelmann von der Universität Zürich. Es geht um die Frage, wieweit die Beschiessung des AKWs Saporischschja wegen des möglichen Austritts von Radioaktivität ein Kriegsverbrechen sei. Die Moderatorin stellt im zweiten Teil des ebenfalls sechsminütigen Gesprächs dann auch die Frage, wie eine mögliche Stilllegung des AKWs zu beurteilen wäre, mit, wie sie wörtlich sagte, «grossen Konsequenzen für die Versorgungssicherheit der Ukraine». Der Völkerrechtsfachmann von der Universität antwortet auf diese Frage, «kritische Infrastruktur, an der das Leben vieler Zivilpersonen hängt, muss verschont werden nach dem humanitären Völkerrecht.» Auch hier wieder: Kein Wort darüber, dass nach der Sezession der Krim die Ukraine (!) der Krim – die ja nach Ansicht von «Kiev» sogar noch eigenes Land und ihre Bewohner ukrainische Staatsbürger waren – nicht nur die Versorgung mit elektrischem Strom gekappt hat, sondern den aus dem Dnepr gespeisten Nord-Krim-Kanal mit einem neu erstellten Damm trockengelegt hat und damit riesige Landwirtschaftsflächen auf der Krim der Vernichtung durch Dürre ausgeliefert hat. Die Wasserversorgung auf der Krim erfolgte vorher zu 85 Prozent aus diesem Kanal, jetzt sollte die Bevölkerung der Krim doch einfach verhungern. Aber weil dieses, gemäss Diggelmann, klare völkerrechtliche Verbrechen von der Ukraine verübt wurde, nicht von Russland, wird es von der Moderatorin einfach totgeschwiegen, auch in einem Radio-Gespräch, wo es als Beispiel unbedingt hätte erwähnt werden müssen.

Der Nord-Krim-Kanal, für das Überleben der Krim-Bevölkerung unabdingbar, wurde von der Ukraine nach der Sezession der Krim einfach stillgelegt. Aber davon spricht niemand, auch wenn es um die «grossen Konsequenzen für die Versorgungssicherheit» von zivilen Menschen geht.

Auch Verschweigen führt in die Unwahrheit

Normale Medien-Konsumenten, selbst relativ kritische, können diese feine Methode der Verbreitung von Unwahrheiten kaum erkennen. Deshalb ist es besonders wichtig – nicht zuletzt im Interesse einer echten, funktionierenden Demokratie –, dass auch alternative Stimmen gehört und gelesen werden. Im deutschsprachigen Raum zum Beispiel die «NachDenkSeiten» und/oder die genau recherchierende Plattform «German Foreign Policy» oder auch «LostinEUROPE», die unabhängige Stimme aus Brüssel. Auch die Plattform «Antispiegel» zu konsultieren ist kein Luxus. Oder eben seit kurzem auch «Globalbridge.ch», die neue Plattform, die versucht, den bewusst verschwiegenen Informationen der nach der US-Geige tanzenden deutschen und Schweizer Mainstream-Medien Raum zu geben. Zum Beispiel neu mit einem wöchentlichen Bericht aus dem Donbass, wo die Menschen seit acht Jahren von ukrainischen Militärs und Milizen beschossen werden. Wo kann man sonst noch darüber lesen?

PS vom 16. September 2022: Ein klassisches Beispiel von gezielter Expertenwahl hat das Schweizer «Echo der Zeit» auch heute wieder geliefert. Die Frage, wer ein gefälschtes Plakat zum Energie-Sparen in der Schweiz lanciert haben könnte, fragte man Julia Smirnova von der Londoner Denkfabrik «Institute for Strategic Dialogue» ISD. Und die Antwort kam, wie eben gewünscht: «vermutlich Russland». Wissen muss man dabei, dass Julia Smirnova seit Jahren gegen Russland polemisiert und zum Beispiel auch für die deutsche PR-Fabrik «Zentrum Moderne Liberale» gearbeitet hat, die, wie man mittlerweile weiss, hochbezahlt Werbung für die deutsche Regierung macht. Zum «Echo der Zeit»-Beitrag hier anklicken.