Das Berlaymont, Sitz der zentralen Administration der Europäischen Kommission, der Hüterin der europäischen Verträge. Von hier gehen Gesetzgebungsverfahren für die EU aus. Die Kommission ist nur der EU als Ganzes verpflichtet, weshalb an den Flaggenmasten keine nationalen Flaggen wehen, sondern nur die der EU – an allen Flaggenmasten.

So bewegt sich die EU an die Peripherie der Welt – freiwillig!

(Red.) Der bekannte tschechische Publizist Ivan Hoffman – im Sozialismus Dissident, nach 1989 einige Jahre für «Radio Free Europe» im Einsatz, danach Journalist, Redakteur und Moderator am staatlichen tschechischen Radio – hat einen kurzen Kommentar zur gegenwärtigen EU-Politik geschrieben. Ivan Hoffman trifft damit ins Schwarze, sein Kommentar soll deshalb auch im deutschsprachigen Europa gelesen werden können. (cm)

Die Welt ist in Bewegung. Das war schon immer so und wird auch immer so sein, aber manchmal ist die Bewegung mit Hoffnung und manchmal mit Angst verbunden. Wir befinden uns jetzt auf einer Sinuswelle (mit Ausschlägen nach oben und nach unten, Red.); gute Dinge gab es, es wird sie in naher Zukunft aber nicht mehr geben. Halten Sie Ihre Hüte (im Sturm) fest, es geht bergab. Die Ursache für den Niedergang einer Gesellschaft ist in der Regel nicht eine schlechte Einschätzung der kommenden Entwicklungen, sondern das Gefühl, die Entwicklung sei triumphal abgeschlossen, die Zukunft sei sicher und gehöre uns, so dass es sinnlos sei, die Zukunft vorherzusagen. Je länger eine Gesellschaft in dieser Selbsttäuschung dahinvegetiert und in der Bedeutungslosigkeit lebt, desto länger dauert es, bis sie wieder auf die Beine kommt. Das gilt nicht nur für die Wiederauferstehung der Realwirtschaft, sondern auch für die Wiederauferstehung des Geistes.

Wären wir in der Vergangenheit nicht zu faul gewesen, die Trends zu erkennen, die unseren gegenwärtigen Niedergang angekündigt haben, wir würden jetzt vielleicht nicht im Niedergang leben. Geopolitisch gesehen sind die Hauptakteure auf dem politischen Schachbrett vorhersehbar, und ihre Handlungen basieren logischerweise ebenso sehr auf Macht und wirtschaftlichen Ambitionen wie auf historischen Erinnerungen und Erfahrungen. China wird das Jahrhundert der Demütigung durch den Westen nicht vergessen. Russland wird die Interventionen des kollektiven Westens unter der Führung von Napoleon und Hitler nicht vergessen. Und die Amerikaner sind unerschütterlich davon überzeugt, dass sie von Gott dazu auserwählt sind, die Welt zu beherrschen.

Das Berechenbare an China ist, dass es die älteste ununterbrochene Zivilisation der Welt ist, die nichts ohne Bezug auf ihre Vergangenheit tut. China ist konservativ, homogen und nach innen gerichtet. Deshalb hat es immer Mauern um sich herum gebaut. Physische Mauern, wie die Chinesische Mauer, kulturelle Mauern, finanzielle Mauern, oder auch andere Mauern, wie in jüngster Zeit, wenn es um das Internet, um künstliche Intelligenz und um Viren geht. China ist nicht aggressiv, aber es weiß, dass es in der Lage sein muss, ‚mit den Wölfen zu tanzen‘.

Russland ist eine berechenbare Supermacht, die weiß, dass sie bereit sein muss, ihre Existenz zu verteidigen. Das kapitalistische Russland, wie auch das frühere sozialistische, sieht realistischerweise einen Krieg vor sich, den es nicht verlieren darf. Darüber besteht ein gesellschaftlicher Konsens, der durch die Unterstützung der Armee und des Präsidenten sichtbar ist. Russland weiß, dass der Westen nur Stärke respektiert. Es ist überzeugt, dass man dem Westen nicht trauen kann und dass er kein ernstzunehmender Handelspartner ist.

Die USA sind geopolitisch auch berechenbar. Ihr nationales Interesse ist es, von der Weltherrschaft zu profitieren. Die Amerikaner haben keine festen Verbündeten, sondern nur feste Interessen. Jeder, den sie nicht unter Kontrolle haben, ist ein Feind oder ein potenzieller Rivale. Die amerikanische Tradition ist eine des Krieges. Die Amerikaner haben praktisch während ihrer gesamten Existenz ununterbrochen Kriege geführt. Die amerikanische Doktrin in Europa besteht darin, die Kombination von deutscher Technologie und russischen Rohstoffen zu verhindern, und in der Weltpolitik darin, die strategische Allianz zwischen Russland und China zu verhindern.

Auf einem so klar definierten Spielfeld war auch das Schicksal der EU gut vorhersehbar. Die EU war nie in der Lage, eine souveräne Geopolitik zu finden, die ein Gegengewicht zum Antagonismus der Großmächte bildet. Die EU hat sich von den Chinesen aus dem globalen Geschäft drängen lassen, hat sich von den Amerikanern in den Krieg in der Ukraine hineinziehen lassen und hat die Türe zu billigen Rohstoffen und einem lukrativen Markt in Russland zugeschlagen. Die EU schaut nur noch einem geopolitischen Spiel zu, in dem die Rivalität der USA mit Russland und China die politische Landkarte der Welt verändert.

Neue Perspektiven dagegen eröffnen sich für Asien, Afrika, die arabische Welt und Südamerika. Europa ist in dieser sich verändernden Welt nur noch für die Peripherie bestimmt. Das Peinliche daran ist, dass die EU nicht von den Großmächten an die Peripherie verbannt wurde. Sie hat es sich selbst so ausgesucht! Wobei es nicht ganz klar ist, warum. Einfach aus Dummheit?

Und zu Tschechien selbst meint der Tscheche Ivan Hoffman:

Übrigens sind wir eine Peripherie in der EU-Peripherie und wir wurden auch nicht von Brüssel dorthin verbannt. Dieser Weg wurde von der Fiala-Regierung gewählt. Und es ist nicht ganz klar, warum …

Zum Original in tschechischer Sprache. Die Übersetzung besorgte Deepl.com, kontrolliert, korrigiert und präzisiert von Anna Wetlinska und Christian Müller.