Sechs Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 74 der deutschen Bundeswehr werden an der Machtdemonstration des Westens im pazifischen Raum teilnehmen. (Foto Airbus)

Es ist einfach unglaublich: Die Bundeswehr eröffnet eine zweite Front

Die deutsche Luftwaffe startet die größte Verlegung ihrer Geschichte in die Asien-Pazifik-Region. Ziele: Beteiligung an Großmanövern, Festigung antichinesischer Militärbündnisse.

BERLIN/SINGAPUR/CANBERRA (Eigener Bericht) – Die deutsche Luftwaffe verlegt zu zwei Großmanövern und mehreren kleineren Kriegsübungen 13 Militärflugzeuge für knapp zwei Monate in die Asien-Pazifik-Region. Bei der Maßnahme (Rapid Pacific 2022), die am Montag gestartet wurde, handelt es sich laut Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz um „mit Abstand die größte Verlegung seit Bestehen der Luftwaffe“. Die deutschen Militärjets beteiligen sich zunächst an den australischen Großmanövern Pitch Black (Luftwaffe) sowie Exercise Kakadu (Marine), bevor sie zu weiteren Übungen bzw. Militärbesuchen nach Singapur, Japan und Südkorea aufbrechen. Laut Gerhartz kann die Maßnahme durchaus als „Machtdemonstration“ („Show of Force“) eingestuft werden. Sie setzt die Asien-Pazifik-Fahrt der Fregatte Bayern (August 2021 bis Februar 2022) fort, der 2023 eine nächste Marineentsendung folgen soll. Im Gespräch ist eine Durchfahrt durch die Taiwanstraße, die das Potenzial hätte, den Konflikt mit China eskalieren zu lassen. Gerhartz legt Wert auf die Feststellung, die Luftwaffe sei in der Lage, parallel an der NATO-Ostflanke und in der Asien-Pazifik-Region zu operieren – gegen Russland und gegen China.

„Schnell und weltweit einsetzbar“

Die Übung Rapid Pacific 2022 hat am Montag mit dem Aufbruch von insgesamt 13 deutschen Militärflugzeugen in die Asien-Pazifik-Region begonnen. Beteiligt sind sechs Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg an der Donau, darüber hinaus vier Transportflugzeuge A400M vom Lufttransportgeschwader 62 aus Wunstorf sowie drei Tankflugzeuge A330 MRTT vom Multinationalen Lufttransportverbund aus Eindhoven (Niederlande), die die sechs Eurofighter unterwegs regelmäßig betanken. Insgesamt sind rund 250 deutsche Militärs involviert. Nach einem ersten Zwischenstopp auf der Luftwaffenbasis Al Dhafra (Vereinigte Arabische Emirate) trafen die Flugzeuge gestern in Singapur ein – keine 24 Stunden nach dem Abflug, wie die Bundeswehr hervorhebt: Man sende damit „das klare Signal, dass die Luftwaffe schnell und weltweit einsetzbar ist“, hatte Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz vorab erläutert.[1] Von Singapur aus werden die Flugzeuge nach Darwin im Norden Australiens verlegt. Einer der Eurofighter steckt freilich vorläufig mit defekter Hydraulik in Al Dhafra fest. Rapid Pacific 2022 ist, wie Gerhartz konstatiert, „mit Abstand die größte Verlegung seit Bestehen der Luftwaffe“.[2]

Zusätzlich werden auch vier Transportflugzeuge A400M vom Lufttransportgeschwader 62 an der Machtdemonstration teilnehmen. (Foto Bundeswehr)

Luftangriffe in größeren Formationen

In Darwin nehmen die deutschen Militärs zunächst am Luftwaffenmanöver Pitch Black („pechschwarz“) teil, das laut Angaben der australischen Air Force am Freitag (19. August) beginnt und bis zum 8. September andauert. Pitch Black wird alle zwei Jahre abgehalten; es handelt sich um das größte Manöver der australischen Luftstreitkräfte mit internationaler Beteiligung. Angekündigt sind in diesem Jahr rund 2.500 Soldaten und etwa 100 Flugzeuge aus insgesamt 17 Staaten – neben den Vereinigten Staaten und Kanada vier aus Europa (Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Großbritannien), die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Indien, zwei aus Ostasien (Japan, Südkorea), fünf aus Südostasien (Thailand, Singapur, Malaysia, Indonesien, die Philippinen) sowie Australien und Neuseeland. Laut Angaben der australischen Air Force nimmt Frankreich auch mit Einheiten aus seiner Pazifikkolonie Neukaledonien teil.[3] Geübt werden laut Angaben der deutschen Luftwaffe nicht nur defensive Operationen, sondern auch Luftangriffe „in größeren Formationen“; die deutschen Eurofighter werden, heißt es, für Luftkämpfe („Luft-Luft-Rolle“) wie auch für Angriffe auf Ziele am Boden („Luft-Boden-Rolle“) eingesetzt.[4]

Marineoperationen auf höchstem Niveau

Ist die deutsche Luftwaffe – wie die Luftwaffen Japans und Südkoreas – erstmals in Pitch Black involviert, so beteiligt sie sich ebenfalls zum ersten Mal am größten Marinemanöver Australiens, an der Exercise Kakadu. Diese findet vom 12. bis zum 25. September vor der Küste Nordaustraliens statt; angekündigt sind über 3.000 Soldaten mit 19 Schiffen und 34 Flugzeugen aus 25 Staaten, darunter neben Deutschland nicht zuletzt Japan und Indien. Trainiert werden unterschiedlichste Operationen bis hin zu Kampfhandlungen auf höchstem Eskalationsniveau.[5] Die Aufgabe der Luftwaffe soll laut Angaben der Bundeswehr sein, Kriegsschiffe verbündeter Staaten aus der Luft zu schützen.

Eine Machtdemonstration

Abschließend wird sich das deutsche Luftwaffengeschwader laut aktuellem Planungsstand aufteilen. Nach dem Ende der Exercise Kakadu sollen drei Eurofighter in Singapur gemeinsame Übungen mit den dortigen Luftstreitkräften durchführen; drei weitere werden gemeinsam mit einem Tank- und einem Transportflugzeug nach Japan verlegen, ein anderes Transportflugzeug wird zu einem Kurzbesuch nach Südkorea fliegen.[6] Für Anfang Oktober ist dann der Rückflug nach Deutschland geplant. Luftwaffeninspekteur Gerhartz kündigt an, einen der drei Eurofighter auf dem Weg nach Japan persönlich zu steuern, um die besondere Bedeutung der Operation hervorzuheben. Gerhartz räumt ein, die gesamte Aktion könne durchaus als „Machtdemonstration“ („Show of Force“) verstanden werden.[7]

Militärblock gegen China

Mit Rapid Pacific bzw. mit der erstmaligen Teilnahme an Pitch Black und an der Exercise Kakadu beginnt die Bundeswehr ihre Aktivitäten in der Asien-Pazifik-Region zu verstetigen. Im August vergangenen Jahres war die Fregatte Bayern zu einer ersten großen Asien-Pazifik-Fahrt aufgebrochen, von der sie im Februar dieses Jahres zurückkehrte.[8] Für 2023 hat die deutsche Marine eine weitere Asien-Pazifik-Fahrt angekündigt; die Rede ist diesmal von der Entsendung zweier Kriegsschiffe, womöglich im Rahmen einer multinationalen Formation. Ende vergangenen Jahres teilte der damalige Marineinspekteur Kay-Achim Schönbach mit, er werde dafür die Fahrt durch die Taiwanstraße empfehlen.[9] Dabei geriete die deutsche Marine in einen unmittelbaren Konflikt mit der Volksrepublik, die die Taiwanstraße als exklusiv chinesisches Gewässer begreift. Besonderen Wert legt die Bundeswehr bei ihren Asien-Pazifik-Aktivitäten auf eine intensive Militärkooperation mit denjenigen vier Staaten, die ihre Zusammenarbeit mit der NATO kontinuierlich ausbauen – mit Japan und Südkorea, Australien und Neuseeland.[10] Damit verfestigt sich ein westlicher Militärblock rings um China im großen Machtkampf gegen die Volksrepublik.

„Kein Entweder-Oder“

Dies geschieht, während die Bundeswehr sich gleichzeitig in Ost- und Südosteuropa mit geballter Macht gegen Russland in Stellung bringt. Dazu trägt auch die Luftwaffe bei. So war das Taktische Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg an der Donau, das aktuell Eurofighter nach Australien entsendet, zuletzt im Februar und im März dieses Jahres federführend bei der Luftraumüberwachung der NATO in Rumänien („enhanced Air Policing South“). Zum 1. August haben vier Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 71 aus Wittmund und ein Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 31 aus Nörvenich auf dem estnischen Luftwaffenstützpunkt Ämari die Sicherung des Luftraums über den baltischen Staaten übernommen – für insgesamt neun Monate.[11] Luftwaffeninspekteur Gerhartz teilt dazu mit, die Luftwaffe könne gleichzeitig an der NATO-Ostflanke und im Pazifik operieren, „mit mehreren parallel zu erfüllenden Aufträgen“ zugleich: „Für uns gibt es kein Entweder-Oder!“[12] Da nach allgemeiner Überzeugung zur Zeit die Kriegsgefahr nicht nur in Ost- und Südosteuropa, sondern auch in Ostasien steigt, nimmt damit das Risiko einer deutschen Verwicklung in einen an zwei Fronten geführten Weltkrieg zu.

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Anmerkung der Redaktion: Die Headline – «Es ist einfach unglaublich» – hat die Redaktion Globalbridge.ch formuliert. Die Zahlen in den eckigen Klammern verweisen auf die Fussnoten in der originalen Veröffentlichung dieses Artikels, die hier eingesehen werden kann.