Plakate für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020

Die Wahlen in den USA sind legal – aber sind sie auch legitim?

(Red.) Darf es auch einmal philosophisch sein? Mit Zitaten sogar des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre? Unser Autor Patrick Lawrence beschreibt das heutige US-Wahlsystem, bei dem das Geld die wichtigste Rolle spielt und das die Wünsche der Reichen zum Erfolg führt. Das System ist legal, aber nicht legitim – und mit unserer Teilnahme helfen wir – unfreiwillig – es zu legitimieren. (cm)

Neulich las ich von Penny Pritzker, dem Spross der berühmt-berüchtigten reichen Chicagoer Familie und überschwänglichen, aber anspruchsvollen Gönnerin der Politiker, die sie persönlich bevorzugt. Penny Pritzker war in den Nachrichten, weil Präsident Biden sie gerade zur Aufseherin über die privaten Investitionen in der Ukraine ernannt hat, sobald – theoretisch – der Wiederaufbau des Landes beginnt. 

Die Pritzkers sind mehr als einmal unter heftigen Beschuss geraten, weil sie die Beschäftigten der Hyatt-Hotelkette, an der sie die Aktien-Mehrheit halten, grob und grausam ausbeuten. Penny Pritzker, die persönlich etwas mehr als 3 Milliarden Dollar wert ist, war bereits während Barack Obamas erster Präsidentschaftskandidatur 2008/09 in den Nachrichten präsent. Sie leitete die Finanzabteilung seiner Kampagne. Und sie war verbittert, als Obama es ablehnte, sie zur Handelsministerin zu ernennen, ein Amt, das sie ihrer Meinung nach rechtmäßig erworben hatte, denn zu diesem Zeitpunkt fragte sich die Gewerkschaftsbewegung, was zum Teufel der neue Präsident mit jemandem zu tun hatte, der eine so schändliche Vergangenheit hat. 

Obama überließ Penny Pritzker 2013 schließlich das Handelsressort, dann, als er der Meinung war, dass der Weg nun frei war. Es ist schon absurd genug, dass ein ehemaliger Gemeindeverwalter, der in seiner Siegesrede im November 2008 Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“ zitierte, jemanden wie Penny Pritzker in einer hohen Kabinettsposition hat. Aber das ist nicht der Grund, warum ich Penny Pritzker erwähne. Ich erwähne sie wegen eines einzigen Satzes in der Ausgabe der New York Times vom 15. Juli 2012. „Ohne Penny Pritzker“, so schrieben zwei ihrer politischen Reporter mit erfrischender Ehrlichkeit, „wäre Barack Obama wahrscheinlich nie in den Senat der Vereinigten Staaten oder zum Präsidenten gewählt worden.“

Nimm dir Zeit!

Wenn du ein wenig Zeit brauchst, um über die Auswirkungen dieser Behauptung nachzudenken, nimm sie dir: Ich habe es getan. 

Und dann habe ich über all die Jahre hinweg über die Berichterstattung nachgedacht, in der das Geld als unabdingbare Voraussetzung für unsere Wahlpolitik so zur Norm wurde, dass es den meisten von uns gar nicht mehr auffällt. Eine Reform der Wahlkampffinanzierung war lange Zeit ein Thema unter den US-Amerikanern und auch auf dem Capitol Hill. Aber jedes Mal, wenn irgendeine Einschränkung beschlossen wurde, erfuhren wir kurz darauf, dass es bereits einen Weg gab, sie zu umgehen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas über eine Reform der Wahlkampffinanzen gelesen habe. Wenn wir heute die Wahlkampfberichterstattung lesen, geht es – ganz ungeniert und sachlich – darum, wie viel Geld dieser oder jener Kandidat zusammengesammelt hat und wie er oder sie im Vergleich zu seinen oder zu ihren Gegnern dasteht.

In der amerikanischen Politik tummeln sich viele Penny Pritzkers, um es für einmal anders auszudrücken. Manchmal sind sie still hinter den Kulissen, manchmal stehen sie gerne im Scheinwerferlicht, und manchmal ist es ihnen egal, ob sie sichtbar oder unsichtbar sind. Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass wir uns vor Augen halten, dass es die Penny Pritzkers unter uns sind, die unsere Politik kontrollieren und damit unser Land regieren. Die Mainstream-Presse erinnert uns jedes Mal daran, wenn sie uns erklärt, wie diese Leute – im Namen des demokratischen Prozesses – ihren Willen durch ein legales, aber eben undemokratisches Verfahren durchsetzen.

Nächstes Jahr steht wieder eine Wahl an – wie üblich wird sie als „make-or-break“, (entscheide-oder-verliere) „the contest of a lifetime“ (Wettbewerb eines ganzen Lebens) oder ähnliches angekündigt. Und es ist wichtig, diese nackten Tatsachen im Hinterkopf zu behalten, wenn wir überlegen, was wir am 5. November 2024 tun werden. Für wen werde ich stimmen? Weniger als die Hälfte der wahlberechtigten US-Amerikanerinnen und Amerikaner hat sich diese Frage im Jahr 2020 gestellt: «Pew Research» berichtete im vergangenen November, dass die Zahl bei 47,5 Prozent lag – und das war ein großer Sprung im Vergleich zu den Vorjahren. Das bedeutet, dass sich die Mehrheit der wahlberechtigten Amerikaner und Amerikanerinnen vor drei Jahren nicht gefragt hat, für wen sie ihre Stimme abgeben soll. Sie haben schon vor dieser Frage entschieden, dass sie nicht wählen werden. Und sie gingen nicht wählen.

Ich stehe zu den 52,5 Prozent. Ich habe mein ganzes Leben lang keinen Sinn darin gesehen, wählen zu gehen. Ich habe einmal gewählt, 1996, und ich habe schnell erkannt, dass das ein Schandfleck in meiner Bio ist. Nachdem ich meine Meinung zum Wählen hier und da in diesen Kommentaren erwähnt habe, immer nur am Rande, ist es an der Zeit, dieses Urteil genauer zu erläutern. 

Darum gehe ich nicht wählen

Im Jahr 2016, als ich bei Salon veröffentlichte, schrieb ich eine Kolumne, in der ich erklärte, warum man (1.) bei der kommenden Wahl nicht für Donald Trump stimmen konnte, (2.) man nicht für Hillary Clinton stimmen konnte und daraus folgte, dass es (3.) niemanden gab, für den man stimmen konnte, ohne auf eine Drittpartei oder eine Protestwahl zurückzugreifen.

Ich schickte einen Entwurf der Kolumne an einen lieben Freund, den ich Peter nenne, weil sein richtiger Name … Peter ist. Peter war sofort am Telefon, um mich vor mir selbst zu warnen. Du kannst das nicht in der Zeitung sagen, versicherte er. Es wird deine Glaubwürdigkeit zerstören. Du wirst entlassen werden. Das geht zu weit über das hinaus, was die Leute für akzeptabel halten. 

Das war das Jahr der 52,5 Prozent. Die 52,5 Prozent haben sich mit ihren Urteilen über unseren politischen Prozess nicht sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Aber jetzt, so stelle ich fest, ist es viel akzeptabler, diese Gedanken in der Öffentlichkeit zu äußern. Der Grund dafür ist mit Sicherheit die tiefgreifende Korruption unserer politischen Klasse. Es ist eine Frage der Entrüstung der Massen.

Meine Überlegungen, die ich über viele Jahre als Wahlbeobachter angestellt habe und die ich Peter erklärt habe, scheinen mir nicht besonders kompliziert zu sein, zumindest nicht in ihren oberflächlichen Aspekten. Wählen heißt, den Prozess zu unterstützen, bei dem man seine Stimme abgibt, und das kann ich nicht tun. Ich möchte nicht, dass mein Name auf einem so betrügerischen Wahlverfahren wie dem US-amerikanischen steht. Ich lehne es ab, an einem Ritual teilzunehmen, bei dem die Penny Pritzkers die einzigen sind, deren Stimmen zählen. 

Seit der lächerlichen «Citizens United»-Entscheidung aus dem Jahr 2010, als der Oberste Gerichtshof entschied, dass Firmen und Organisationen in puncto Diskretion die gleichen Rechte wie Einzelpersonen haben, ist es einfach so: Meine Stimme heisst Nicht-Stimme, und auch das ist eine völlig legitime Stimme. Nach der Wahl von Donald Trump gingen viele Menschen, die für Hillary Clinton gestimmt hatten, mit Plakaten herum, auf denen stand: „Nicht mein Präsident!“ Das war in meinen Augen reine Selbstgefälligkeit. Sie hatten an der Wahl teilgenommen. Und aufgrund dieser Beteiligung war Donald Trump tatsächlich ihr Präsident. Wären diese Menschen intellektuell reifer und insgesamt ehrlicher zu sich selbst gewesen, hätten sie akzeptiert, dass sie genauso viel Verantwortung für Trumps Wahl tragen wie diejenigen, die für ihn gestimmt haben, weil sie die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bestätigt haben. 

Anders ausgedrückt: Nur wenn mehr von uns wählen, indem sie nicht wählen, und nur wenn wir eine kritische Masse erreichen, die den Prozess diskreditiert, haben wir eine Chance, unsere absurden Umstände zu überwinden. Und Achtung: Übersehe nicht den Optimismus, der sich hinter meinem scheinbaren Pessimismus verbirgt. 

Die psychologische Erklärung

Im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass die Frage, ob wir wählen oder nicht, eine tiefgreifende psychologische Dimension hat. In Anbetracht der wahren Natur des Systems ist das Wählen eine Art Demütigung, eine Herabsetzung unserer Individualität, ja sogar ein versteckter Angriff auf das, was von unserer Selbstachtung übriggeblieben ist. Ich frage mich, ob diese psychologischen Auswirkungen nicht Teil des Systems sind. Das einzige Mal, dass ich 1996 gewählt habe, war es für Bill Clinton, als er in einer weiteren entscheidenden Wahl gegen Bob Dole antrat. Zwei Jahre später schickte Clinton einen Marschflugkörper in die einzige pharmazeutische Fabrik Somalias, damit die Leute nicht mehr an seine jugendliche Libido und an die Vergnügungen mit „dieser Frau“ Monica Lewinsky denken. Ich fühlte mich betrogen, verraten, manipuliert, gedemütigt und insgesamt über den Tisch gezogen. Ich fühlte mich überfallen und verletzt – ein innerer Zustand, der weit über die praktische Frage hinausgeht, ob man wählen oder nicht wählen sollte. Und wenn man verraten oder manipuliert wird, gibt es irgendwo in der Geschichte einen Verräter oder Manipulator.  

Ein Leser erinnerte mich kürzlich an einen Aufsatz, den der französische Philosoph und Publizist Jean-Paul Sartre 1973 in «Les Temps Modernes» schrieb, der Zeitung, die er nach dem Krieg mitbegründete, mitherausgab, mitverfasste und eine Zeit lang wie ein Zeitungsjunge auf den Straßen von Paris verkaufte. Gott segne ihn! Ich hatte „Élections, piège à cons“ („Wahlen, eine Falle für Dummköpfe“) schon vor langer Zeit gelesen. Aber es passiert mir nicht selten, dass ich etwas lese, bevor ich es richtig verstanden habe, und erst beim erneuten Lesen erschließt sich mir die Bedeutung. So war es auch bei „Wahlen, die Idiotenfalle“, wie ich den Titel übersetze. Wieder einmal lassen mich Jean-Paul Sartres Beobachtungsgabe und die Schärfe seines Verstandes in Ehrfurcht fast erstarren. 

Die Unterscheidung, die Sartre trifft, um seine Argumentation aufzubauen, liegt zwischen dem Legalen und dem Legitimen. Sie sind nicht das Gleiche. Das Wahlsystem, durch das unsere Penny Pritzker die Richtung unserer Nation bestimmt, ist legal. Sie und andere verstoßen nicht gegen das Gesetz, wenn sie Kandidaten, Ämter oder andere Dinge kaufen, die gerade im Angebot sind, oder wenn sie die Wahlmöglichkeiten der Wähler auf die von ihnen bevorzugten Kandidaten beschränken. Aber dieses System, wie wir es haben, ist nicht legitim. Legitimität, schreibt Sartre, „entsteht hier und dort aus der wirklichen Einheit der Volkskräfte“. In Abwandlung der Redewendung, die vor fünfzig Jahren in der französischen Linken üblich war, können wir von einer legitimen Politik sprechen, wenn wir uns spontan und als «wir selbst» versammeln, um unsere gemeinsamen Interessen direkt und so wie sie sind, zum Ausdruck zu bringen.

Jean-Paul Sartre veröffentlichte „Élections, piège à cons“ kurz vor den Parlamentswahlen, die am 4. und 11. März 1973 stattfanden. Diese Wahlen wurden als bedeutsam angesehen. Frankreich war nach den Ereignissen von 1968 immer noch verunsichert. Es gab zahlreiche Bündnisse und Spaltungen, da die französische Linke die Gaullisten herausforderte. In diesem Zusammenhang formulierte Sartre die Sache so: „Wenn wir morgen zur Wahl gehen, werden wir wieder einmal die legale Macht durch die legitime Macht ersetzen.“

Sartre beginnt seine Untersuchung der modernen Wahlen mit dem Jahr 1789, als die französischen Grundbesitzer zum ersten Mal das Wahlrecht erhielten. Zwei Jahre später verabschiedete die Nationalversammlung das Chapelier-Gesetz, benannt nach Guy le Chapelier, der es entworfen hatte. Dieses Gesetz verbot Zünfte, Gewerkschaften und Gesellenbruderschaften, brüderliche Organisationen jeglicher Art, etwas grob gesagt. Die besitzenden Klassen stimmten nur für sich selbst; die Besitzlosen hatten nicht nur kein Stimmrecht, sondern es war ihnen auch gesetzlich verboten, sich in Gruppen zusammenzuschließen, um sozusagen auf der Straße eine direkte Demokratie auszuüben. 

Legal und legitim sind nicht das gleiche

Hier wird deutlich, wie und warum Jean-Paul Sartre zwischen dem Legalen und dem Legitimen unterschied. Es gibt eine direkte Verbindung ­­– so denke ich es jedenfalls – zwischen dem Chapelier-Gesetz bzw. seinem Zweck und dem, was passiert, wenn ein Wähler an einer modernen Wahl teilnimmt. Sartres Begriffe dafür sind zwei. Die Wählerinnen und Wähler werden „atomisiert“, sie werden zu den unzusammenhängenden Wesen, wie sie Bildhauer Alberto Giacometti in seinen berühmten Bronzen dargestellt hat. Und sie sind sozialisiert (bei Patrick Lawrence: „serialisiert“). Wir werden zu anonymen Mitgliedern von Gruppen gemacht, die uns keine eigene Identität mehr geben und uns keine Möglichkeit geben, uns selbst zu behaupten. Stattdessen sind wir nur Einheiten in einer Serie. Die „Serialisierung“ ist in der Tat ein Ersatz für eine legitime Organisation. Der Wähler handelt als Mitglied verschiedener „Kollektive“, schreibt Sartre: 

«Aber die Kollektive sprechen ihn als Mitglied einer Serie an (die Serie der Zeitungskäufer, Fernsehzuschauer usw.). Er wird im Grunde genommen mit allen anderen Mitgliedern identisch und unterscheidet sich von ihnen nur durch seine Seriennummer. Wir sagen, dass er in die Serie aufgenommen wurde…. An diesem Punkt ist das serielle Denken in mir geboren…»

Um dies auf den Linoleumboden unseres Lebens zu übertragen, hier ist Jean-Paul Sartre über den Akt des Wählens: 

«Die Wahlkabine im Foyer einer Schule oder eines Rathauses ist das Symbol für alle Verratshandlungen, die der Einzelne an der Gruppe, der er angehört, begehen kann. Sie sagt jedem Menschen: „Niemand kann dich sehen, du kannst nur auf dich selbst schauen; du wirst völlig isoliert sein, wenn du deine Entscheidung triffst, und danach kannst du diese Entscheidung verbergen oder darüber lügen.“ Mehr braucht es nicht, um alle Wählerinnen und Wähler, die den Saal betreten, zu potenziellen Verrätern aneinander zu machen. Misstrauen vergrößert die Distanz, die sie voneinander trennt. Wenn wir gegen die Atomisierung kämpfen wollen, müssen wir zuerst versuchen, sie zu verstehen.»

Sartre präsentiert einen subtilen Fall – politisch subtil, psychologisch subtil. Aber es gibt nichts Subtiles am Schicksal derjenigen, die den tristen Vorhang beiseite ziehen und einen Kandidaten oder eine Partei unterstützen, hinter der sie stehen. Sie werden zu abstrakten Wesen, zu Ziffern. In dem Universum, das sie betreten haben, ist Penny Pritzker die Einzige, die einen Namen hat. Sie wählen nicht für ihre eigenen Interessen, sondern für die Interessen einer Partei – zum Beispiel für die Interessen von Penny Pritzker. Die Wählerinnen und Wähler sollen denken, dass sie gemeinsam mit anderen mit gleichen Interessen handeln, aber die politischen Parteien sind, um es mit Sartres Worten zu sagen, nur Simulationen von legitimen Organisationen. Auf diese Weise wird die legitime Macht des Einzelnen hinter diesen Vorhängen zerstört: 

«Wenn ich wähle, verzichte ich auf meine Macht, also auf die Möglichkeit, sich mit anderen zu einer souveränen Gruppe zusammenzuschließen, die keine Repräsentanten braucht. Indem ich wähle, bestätige ich die Tatsache, dass wir, die Wählerinnen und Wähler, immer andere sind als wir selbst und dass niemand von uns jemals die Sozialisierung (die „Seriality“) zugunsten der Gruppe verlassen kann…. Für den „seriellen“ Bürger bedeutet Wählen zweifelsohne, eine Partei zu unterstützen. Aber noch mehr bedeutet es, für das Wählen zu stimmen … das heißt, für die politische Institution zu stimmen, die uns in einem Zustand der machtlosen Sozialisierung („Serialisierung“) hält.»

Sartres geduldige Auseinandersetzung mit einem der zentralen Rituale des politischen Lebens in modernen Demokratien hat etwas Exquisites. Und ich sage „moderne Demokratien“, Plural, denn mir scheint, dass der Wahlbetrug in den USA am weitesten fortgeschritten ist, aber er ist keineswegs auf die USA beschränkt. Soweit ich das beurteilen kann, handelt es sich hier um ein Phänomen, das typisch für den Westen ist. 

„Indem ich wähle, bestätige ich meine institutionalisierte Machtlosigkeit“, schreibt Sartre gegen Ende seines «Temps Modernes». Ich wünschte, ich müsste ihn nicht zitieren, um einen Standpunkt zu erklären, den viele – in den USA sagen wir 47,5 Prozent – wahrscheinlich ablehnen würden. Ich wünschte, wir alle würden in einem Gemeinwesen leben, in dem wir uns in legitimen Gruppen und Organisationen nach unseren eigenen Vorstellungen zusammenschließen, in dem unsere Stimmen zählen und in dem die Regierenden nach unserem Willen und unter unserer Leitung handeln. Aber das tun wir nicht. Und es ist immer das Beste, die eigenen Umstände zu erkennen, um konstruktiv über sie hinauszugehen.  

Wenn ich schreibe, dass ich nicht wählen gehe, meine ich nicht einfach, dass ich mich bei dieser oder jener Wahl enthalten werde. Wahlenthaltung ist durchaus auch eine Bestätigung und Bekräftigung meiner Loyalität gegenüber dem Prozess. Ich meine vielmehr, dass die Verweigerung der Stimmabgabe ein Akt an sich ist. Um uns als echte Mitglieder unseres Gemeinwesens zu behaupten, müssen wir mehr tun, als nicht zu wählen. Aber schon mit diesem ersten Schritt haben wir ein legales, aber illegitimes System abgelehnt. Wir haben uns aus der Serie verabschiedet, „de-serialisiert. “ 

Zu Patrick Lawrence’s Originalmanuskript in US-englischer Sprache. Die Übersetzung besorgte Christian Müller.