Hat sich die Stimmen einfach als südländischer «Simpatico» geholt: der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis. (Foto Christian Müller)

Die Schweiz hätte DIE Chance!

In den vergangenen Wochen haben in der Schweiz die Wahlen für die beiden Parlamentskammern, den Nationalrat und den Ständerat, stattgefunden. Am 13. Dezember wählt dann die vereinigte Bundesversammlung die fix auf sieben festgelegten Regierungsmitglieder, genannt Bundesrat. Für den Ende Jahr zurücktretenden SP-Bundesrat, Alain Berset, muss ein Ersatz gewählt werden, die anderen sechs Bundesräte werden, wie es die Tradition vorgibt, bestätigt – oder aber, auch das hat es ausnahmsweise schon gegeben, sie können auch abgewählt werden. Drei von den sechs Verbleibenden hätten es denn auch verdient, aus politischen Gründen in die Wüste geschickt zu werden!

Eine reale Chance, die Quittung für die nicht erfüllten Erwartungen zu erhalten, hat Außenminister Ignazio Cassis. Er hätte eigentlich schon gar nicht gewählt werden dürfen, denn damals, im Jahr 2017, als aus Gründen der Tradition wiedermal ein Tessiner Bundesrat werden sollte und die Liberalen einen Kandidaten vorschlagen durften, gab es in der Person von Laura Sadis eine deutlich besser qualifizierte Frau, auch aus der Partei der Liberalen, wie benötigt, mit eigener Politerfahrung sowohl auf kommunaler, kantonaler wie auch nationaler Ebene, wenn auch innerhalb der Partei ein µ linker positioniert als Cassis. Aber es durfte vor allem keine Frau sein, denn man brauchte das Argument «Frau» bei den nächsten BR-Wahlen, um die wenig beliebte Liberale Karin Keller-Sutter aus St. Gallen dann reinbringen zu können. Anna Wanner, die Inland-Verantwortliche der meistgelesenen Schweizer Zeitungsgruppe CH-Media, machte bei Ignazio Cassis einen Heimbesuch, liess sich von dem «Simpatico» mit Musik bezirzen und empfahl ihn anschließend in ihrer Home-Story als ein politisches «Must». Ignazio Cassis wurde gewählt und blieb, was er schon vorher war: ein unausstehlicher Opportunist. (Siehe dazu auch hier.) Wie er als gebürtiger Italiener mit seiner Staatsbürgerschaft umging – als italienischer Staatsbürger kaufte er sich in der Schweiz schon mit 15 Jahren ein, weil er in Italien damals ein ganzes Jahr Militärdienst hätte leisten müssen, in der Schweiz aber nur 17 Wochen, und auch im Militär landete er in der Militär-Musik –, darauf zurückzukommen ist unnötig. Selbst für die Schweizer Neutralität hatte er vor einem Jahr eine Idee, um möglichst Vielen zu gefallen, er erfand die «Kooperative Neutralität», grundsätzlich neutral, aber im Zweifelsfall eben doch mit dem Westen. Doch lassen wir das. Er gehört jetzt ganz einfach abgewählt.

Bundesrätin Karin Keller-Suter, engagiert sich gerne zugunsten der globalen Finanzwelt

Abgewählt zu werden verdient auch die bereits erwähnte Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die, als erwartungsgemäß wieder die Liberalen bei einer Bundesratsersatzwahl an der Reihe waren, nur eine Chance hatte, weil sie, was zu dem Zeitpunkt zahlenmässig gefordert war, eine Frau war. Aber sind Frauen einfach besser? Gerade in letzter Zeit ist bekannt geworden, wie sie sich im November 2020 gegen die sogenannte Konzernverantwortungsinitiative erkennbar engagiert hatte, deren Bevölkerungs-Zustimmung sie zwar nicht verhindern konnte, aber über das Nein etlicher Klein-Kantone das ebenfalls erforderliche sogenannte Stände-Mehr sie tatsächlich verhindern konnte. Dank ihr können Dutzende von globalen Konzernen mit Geschäftssitz in der Schweiz immer noch Steuer- und andere Gesetzesvorteile in der Schweiz zulasten Anderer missbrauchen. Dick Martys lebenslanger Kampf für mehr Gerechtigkeit und mehr Menschenrechte auf dieser Welt hat diese – letztlich undemokratische – politische Ablehnung wahrlich nicht verdient. 

Aber auch wer diese traurige Story nicht mitbekommen hat, dass aber Karin Keller-Suter diejenige war, die jetzt unter Einsatz einer gigantischen Staatsgarantie die Großbank Credit Suisse aus dem Dreck zog und auf Empfehlung der US-amerikanischen Finanzindustrie deren Verkauf an die verbleibende, noch größere UBS einleitete, ist wenigstens erkannt worden. Allein schon was man weiß genügt: Diese Dame verdient nicht, Bundesrätin zu bleiben. Auch Bundesrätinnen sind dem Wohl der Bevölkerung verpflichtet, nicht den globalen Konzernen und den Banken.

Die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd liebt US-Kampfjets und vertraut NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Aber auch eine zweite Frau ist fällig, in die Frühpension geschickt zu werden: Viola Amherd, die Schweizer Verteidigungsministerin von der Partei «Die Mitte». Als gegen das 6-Milliarden-Budget für neue Kampfflugzeuge das Referendum ergriffen wurde und nur sehr knapp mit 50,1 % der Abstimmenden angenommen wurde, galt noch die These, es sei noch nicht evaluiert, welche Kampfjets gekauft werden sollten. Zur Diskussion standen F/A-18 E/F Super Hornet von Boeing in den USA, F-35A von Lockheed Martin in den USA, Rafale B von Dassault in Frankreich, Eurofighter von Airbus, BAE-Systems und Leonardo, produziert in Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien, und schließlich Gripen E von Saab in Schweden. Nach dem äusserst knappen Ja wurde allerdings bekannt, dass Ministerium-intern bereits klar war, dass die US-Kampfjets F-35 gekauft werden sollten. Das bewog sich betrogen fühlende Referendumsengagierte zur Annahme, wenn der Entscheid zugunsten des F-35 bereits vor der Abstimmung bekannt gewesen wäre, hätte es zu einem Ja gereicht, und man beschloss, Unterschriften für ein neues Referendum zu sammeln. Und was tat Viola Amherd? Sie unterschrieb den unterschriftsbereiten Kaufvertrag mit den USA aufgrund des 50,1%-Abstimmungsergebnisses so schnell wie möglich, wodurch das neue Referendum sinnlos wurde und abgeblasen wurde. Ein korrekt-demokratisches Verhalten?

Noch mehr ins Gewicht allerdings fällt, dass Bundesrätin Viola Amherd als Verteidigungsministerin alles unternimmt, um die Schweizer Armee näher an die NATO zu bringen. Auch in diesem Bereich hat sie bereits Verträge unterschrieben, des Inhalts zum Beispiel, dass die Schweizer Flugwaffe mit den NATO-Flugwaffen gemeinsame Manöver durchführen soll. Hat sie dazu jemals die Schweizer Bevölkerung befragt?

Und genau deshalb hat sich Viola Amherd auch erlaubt, als Parteimitglied der «Mitte» öffentlich der SP die Berner Regierungsrätin Evi Allemann zur Wahl in den Bundesrat zu empfehlen. Der Grund dazu liegt auf der Hand: Von Evi Allemann weiß man, das  auch sie für enge Zusammenarbeit mit der NATO votiert.

So eine Verteidigungsministerin ist für die Schweiz untragbar. Auch sie muss durch Verweigerung einer Wiederwahl aus der Schweizer Regierung verabschiedet werden.

Die Chance, dass die drei Schweizer Regierungsmitglieder Ignazio Cassis, Karin Keller-Sutter und Viola Amherd verabschiedet werden, was absolut legal möglich und auch legitim wäre, hält sich allerdings in Grenzen. Auch in der Schweiz geht es in der obersten Polit-Etage vor allem um Macht, und um diese zu erhalten oder gar ausbauen zu können, gibt man wenn nötig auch inakzeptablen Kandidatinnen und Kandidaten die Stimme. Après moi le déluge, nach mir die Sintflut, dopo di me il diluvio.