Die (deutsche) Tagesschau, Screenshot

Der öffentlich-rechtliche (deutsche) Rundfunk ist am Ende

In diesen Tagen ist in Deutschland ein Buch erschienen, das man unbedingt lesen muss: «Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende. Aber ein Ende ist nicht in Sicht.» Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam haben sich die Mühe genommen, Hunderte von Fehlleistungen des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den letzten Jahren zu sammeln und genau zu dokumentieren. Und sie haben zudem die Aufsichtsorgane des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland unter die Lupe genommen und sie zeigen jetzt auf, dass da vor allem kassiert, aber kaum seriös gearbeitet wird. Hochinteressant, faktenreich – und dazu erst noch ein Lesevergnügen.

Worum geht es denn? Lesen Sie doch einfach die ersten paar Seiten:

Das Ritual
Feierabend. Sechserpack und Knabberzeug auf dem Couchtisch. Fernseher an. In der Wunderlampe flimmert ein Reklamespot für Heimwerker. Gleich 20 Uhr. 
Gongschlag. 
Blick ins abgedunkelte Nachrichtenstudio. 
Grafik, eingeblendet: Tagesschau.
Sprecherin aus dem Off:
»Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.« 
Panorama-Aufnahme vom Studio, langsam aufhellend. tagesschau. Grafik bleibt stehen. 
Sprecherin aus dem Off:
»Heute im Studio: (zum Beispiel) Jens Riewa.« 
Sprecher (zum Beispiel) Riewa, Nahaufnahme, Blick in die Kamera: »Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau.«

Früher wahrten die Sprecher Distanz. Nach dem Trailer »Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau« sagten sie:  »Guten Abend, meine Damen und Herren«, und lasen die erste Meldung vor. Heute biedern sie sich erst einmal an. Dass Sie selber lesen können, genügt offensichtlich nicht; gleich zweimal innerhalb weniger Sekunden wird Ihnen beigepult, dass jetzt die Tagesschau kommt. Der Sprecher begrüßt Sie mit »guten Abend« und erklärt, dass er Sie begrüßt. Zur Tagesschau.

Damit das auch sitzt. Zweck der Übung: Sie sollen sich persönlich angesprochen fühlen, daher die folgenden Informationen vorbehaltlos aufnehmen und sich nicht davon irritieren lassen, dass Ihr Denken ideologisch eingehegt wird.

Ach, Sie trinken gar kein Bier, sondern Grünen Oolong-Tee? Auch recht. Trotzdem – der Nachrichtensprecher legt ja schon los – können Sie, der vermeintlich souveräne Zuschauer, nur noch: 
– schnell ins eigene Gedankenkino flüchten, 
– wegzappen oder 
– die Wunderlampe ausschalten. 

Sonst setzen Sie sich hochkonzentrierter Meinungsmache in der Echokammer des USA-NATO-EU-BRD-Wertewestens aus. Denn: Was Ihnen die ARD-aktuell (oder ein anderer öffentlich-rechtlicher Nachrichtenanbieter) garantiert nicht ins Wohnzimmer bringt, ist ein zweifelsfrei seriöses Informationsangebot an durchweg sachlichen, um Objektivität bemühten Nachrichten. Betonung auf »durchweg«. Manchmal kommt es nämlich vor, dass der Redaktion ARD-aktuell doch etwas halbwegs Brauchbares durch den transatlantisch-ideologischen Filter flutscht. Auch eine kaputte Uhr zeigt schließlich zweimal am Tag die richtige Zeit an.

Folgende Meldung vom 12. April 23 war am fraglichen Abend allerdings nicht im Tagesschau-Angebot:
EU-»Friedensfonds« gab gesamtes Budget für Kämpfe in der Ukraine aus (SNA). – Der Europäische Friedensfonds hat sein gesamtes Budget, das bis zum Jahr 2027 eingeplant war, in einem Jahr »zur Förderung der Feindseligkeiten« in der Ukraine verwendet. … Das Geld sei ursprünglich für die »sogenannte Förderung der Sicherheit aller Regionen der Welt bis 2027« gedacht gewesen. … Insgesamt habe die Europäische Union (EU) rund 13 Milliarden Euro für die Militärhilfe an die Kiewer Regierung bereitgestellt.

SNA-Sputnik, eine russische Nachrichtenagentur, berief sich auf eine Mitteilung des russischen Außenministeriums. SNA-Sputnik ist jedoch aufgrund einer Verfügung der EU-Kommission verboten. Zensur? Laut Grundgesetz findet die bei uns gar nicht statt. Sie wird wohl nur exekutiert, wenn das Grundgesetz gerade nicht hinguckt. Unsere politisch Verantwortlichen können doch nicht den ganzen Tag mit dem Schmöker unterm Arm herumlaufen. Das hat uns CSU-Innenminister Höcherl selig schon 1963 wissen lassen; lang, lang ist’s her. 

Unsere Staatsfunker in Hamburg (ARD, Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland), Mainz (ZDF, Zweites Deutsches Fernsehen), Köln und Berlin (DRadio, Deutschlandradio) befolgen fügsam die EU-Zensurverordnung. Der Artikel 5 unseres Grundgesetzes garantiert zwar die Rundfunkfreiheit, aber das Petersilienblatt auf dem Schweineschnitzel dient ja auch bloß der Dekoration. Als besonders nahrhaft gilt es nicht. Stimmt’s? 

Die Redaktion ARD-aktuell, zuständig für Tagesschau, Tagesthemen, Nachtmagazin, tagesschau.de und Tagesschau24, übt überdies schon seit vielen Jahren Selbstzensur. Sie verarbeitet nämlich ausschließlich Material der westlichen Nachrichtenagenturen: 
– AP (Associated Press, USA, kommerziell, aber unter starker staatlicher Kontrolle) 
– TRI (Thomson Reuters, Kanada, kommerziell) 
– AFP (Agence France Presse, Frankreich, halbstaatlich) 
– dpa (Deutsche Presseagentur, kommerziell, kooperiert mit AP) 
– sid (Sport Informationsdienst, kommerziell). 

Nicht bezogen werden Agenturen aus Russland (ITAR-TASS, Interfax, APN), China, (Xinhua, CNS), Indien (Asian News International unter anderem), Afrika (SAPA unter anderem) und Lateinamerika (teleSUR unter anderem). (Auch Al Jazeera müsste genutzt werden. Red.)

Die Konsequenz: selbst verschuldete Einseitigkeit. Die Nachrichtengestaltung trieft vor eurozentristischer Arroganz und USA-höriger Gefolgschaftstreue. 

Nun unterhalten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwar weltweit eigene Studios, unter anderem in Moskau und in Brüssel. Sie hätten füglich auch ohne SNA-Sputnik berichten können, dass die EU das Geld aus dem Friedensfonds als Schmiermittel für die Rüstungsindustrie missbraucht; sie hätten ergänzen können, dass auch die korrupten Führungsfiguren des Nazi-affinen Gewaltregimes in Kiew mit einem Großteil der internationalen Rüstungshilfe die eigene Tasche füllen, voran Präsident Selenskyj selbst. 

Tagesschau & Co. ließen jedoch brav die Finger von dieser heißen Information. Obwohl die Zweckentfremdung von 13 Milliarden Euro unbestreitbar von öffentlichem Interesse war (und ist) und für die Meinungsbildung des deutschen Publikums bedeutsam gewesen wäre. 

Schein und Sein 

Müssen Sie, mündige Zuschauer, sich dergleichen mediale Bevormundung gefallen lassen? Von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, für die Sie monatlich erkleckliche Beiträge zu zahlen haben? Nein, selbstverständlich können Sie auf dermaßen gesiebte Informationsangebote verzichten und sich anderweitig unterrichten. Den vollen Rundfunkbeitrag müssen Sie trotzdem abdrücken. 

Der Evangelische Pressedienst urteilte einmal, demokratische Gesellschaften seien auf freie und rationale Meinungsbildung angewiesen: »Zu diesem Prozess sollen die öffentlich-rechtlichen Medien durch ihre Verpflichtung auf ausgewogene Vielfalt, durch Verlässlichkeit, hohe journalistische Standards und Unabhängigkeit beitragen. … Die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nach wie vor gut, nur entspricht er in der Praxis nicht immer dieser Idee.« 

Nicht immer. Ganz sicher nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erweist sich vielmehr als hocheffektives Machtinstrument, mit dem »herrschende Meinung« hergestellt wird. Er gewährleistet unserer politischen Führung und dem Geldadel die Deutungshoheit über alles, was das Staatsvolk betrifft und bewegt. Er bestärkt das »Wir-Gefühl«, die Guten zu sein und immer auf der richtigen Seite zu stehen. Zweifel an dieser Schein-Realität lässt er nicht aufkommen. 

Früher berichteten öffentlich-rechtlich bestallte Rundfunk- und Fernsehjournalisten, was die Oberen in Politik und Wirtschaft sagten. Heute vermittelt die öffentlich-rechtliche Anstaltsjournaille, was Sie zu denken haben. Auf dieser Steigerungsstufe sind Nachrichten ideologisch gesteuert. 

(Ende Zitat aus dem ersten Kapitel des Buches.)

Ist denn all diese beissende Kritik an der Tagesschau mehr als nur der Frust der beiden Autoren, die nolens volens den deutschen Rundfunk mitfinanzieren müssen?

Ja, es ist mehr, denn jetzt kommen in ihrem Buch Dutzende von konkreten Fällen, was wann gesagt wurde und was die Realität war. Ich als Schweizer Historiker und kritischer Journalist zumindest habe das Buch in einem Zug durchgelesen. Und habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass vor allem auch die den deutschen Rundfunk kontrollierenden Instanzen einen absolut lausigen Job machen.

Das Buch kommt zur richtigen Zeit – gerade auch für die Schweiz!

Zum zweiten Mal ist in der Schweiz von Blocher-SVP-nahen Kreisen eine Initiative gestartet und mit genügend Unterschriften in Bern eingereicht worden, wonach die Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks – Fernsehen und Radio SRF – dramatisch reduziert werden soll: von jetzt 335 Franken pro Haushalt und Jahr auf 200 Franken. Die Initianten werden für die bevorstehende Diskussion in diesem deutschen Buch, obwohl eben Deutschland betreffend und nicht die Schweiz, etliche gute Tipps finden. Und, als Beispiel nur, von SRF absolute Transparenz fordern, welche Programme an externe Firmen outgesourct – an andere Firmen ausgelagert – sind und zu welchem Preis. In Deutschland machen die privaten Firmen mit diesen Programmen phantastische Gewinne.

Wobei es, dies meine persönliche Meinung, gute Gründe gibt, bei der kommenden Volksabstimmung zu diesem Thema in der Schweiz diese Initiative trotzdem abzulehnen, denn SRF ist immer noch offener und weniger einäugig, als es die vier großen, absolut dominierenden privaten Schweizer Medienkonzerne Tamedia, Ringier, CH-Media und NZZ sind. Doch dazu auf Globalbridge.ch zu gegebener Zeit genauere Infos.

Das Buch von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam «Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende» kann ab sofort bezogen werden, in Deutschland und auch in der Schweiz, zum Beispiel hier.

Siehe dazu auch die Rezension dieses Buches auf Seniora.org.