Brief aus Moskau – über die ukrainischen Medien des Hasses
(Red.) Was gestern noch stimmte, ist heute bereits anders. Die US-amerikanische YouTube-Besitzer-Firma, der Medienkonzern Google LLC, hat gestern den YouTube-Kanal von Scott Ritter gesperrt. Scott Ritter, ein ehemals hoher Offizier in der US-Navy, ist ein stets aktueller und sehr gut informierter Kommentator des Krieges in der Ukraine und macht oft auf die Schwächen der ukrainischen Armee und auf die Stärken der russischen Armee aufmerksam. Jetzt ist er der wohl erste US-Bürger, dem der Zugang auf YouTube gesperrt worden ist – offensichtlich aus politischen Gründen. – Im neusten Brief aus Moskau beschreibt Stefano di Lorenzo, wie die ukrainischen Medien unaufhörlich gegen Russland hetzen und wie die Russen und Russinnen damit umgehen. (cm)
In Europa und in den USA wird der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, die „doofen“ Russen würden in einer Informationsblase leben. Die russische Zensur steure in dem Land rücksichtslos und flächendeckend jedes Wort, sogar jeden Gedanken. Aus diesem Grund seien die Russen hermetisch von der Welt der Wahrheit abgeschirmt. Wir haben an anderer Stelle aber bereits gesehen, dass die russische Zensur möglicherweise nicht so effizient ist.
In Russland sind die Beiträge auf YouTube, die für viele eine immer wichtigere Informationsquelle sind, von der allmächtigen russischen Zensur nicht betroffen. Von den USA gesperrt darauf sind ja höchstens russische Autoren, die auch auf anderen Wegen les- oder hörbar sind. Sogar ukrainische Kanäle kann man in Russland auf YouTube schauen. Neulich sah ich, wie ein älterer Herr im Bus laut, ohne Kopfhörer, irgendeine Sendung auf einem ukrainischen Sender anschaute. Die Leute, die neben ihm saßen, konnten ebenfalls alles mithören. Es war alles ziemlich nervend, nicht nur wegen des Mangels an Höflichkeit, im Bus alle anderen Mitfahrenden zu stören. Die Sendung schien auch auf vollem Hetzkurs zu gehen, die Sprache war heftig und aggressiv. Und trotzdem sagte keiner der Mitfahrenden im Bus etwas. Vielleicht hatte einfach niemand wirklich Lust, mit einem älteren Herrn in der Öffentlichkeit einen Streit anzufangen.
Es war eh eher ein seltener Fall. Es gibt heute in Russland nicht viele Menschen, die mit der ukrainischen journalistischen Rhetorik der letzten Jahre etwas anfangen können. Und das wohl aus gutem Grund. Man kann die eigene Regierung nicht mögen, man kann mit bestimmten Sachen im eigenen Land nicht ganz zufrieden sein. Aber das ukrainische Fernsehen und die ukrainischen Medien im Allgemeinen sind von einer solch extremen rhetorischen Aggressivität nicht nur gegenüber der russischen Regierung, sondern gegenüber dem russischen Volk im Allgemeinen geprägt. Den Russen ist das einfach zu viel. Für jeden russischen Menschen mit einem Schimmer Selbstachtung ist das nicht nur ein zweifelhaftes Vergnügen, es erfordert auch schlicht zu harte Nerven.
Leider machen die ukrainischen Medien nicht immer einen sehr glaubwürdigen Eindruck. Hier ein Beispiel aus den letzten Tagen. UNIAN ist die größte ukrainische Nachrichtenagentur, eine Art ukrainische dpa. In einem vor ein paar Tagen veröffentlichten Beitrag wird ein Ausschnitt aus einer Sendung mit der berühmten russischen Moderatorin Olga Skabeeva gezeigt, einem der bekanntesten Gesichter des russischen Fernsehens. Der Titel des Videos lautet: „Es macht mir Angst: Skabeevas Gesicht muss gesehen werden! Olga ist schockiert über die russischen Verluste“. Trockene Journalistik sieht anders aus. In dem Clip sagt die russische Moderatorin: „Es macht mir Angst, ich bin schockiert über die Zahl von 284.000 Todesanzeigen, und das nur in den sozialen Medien.“ Die ukrainische Nachrichtenagentur behauptete nun, die russische Journalistin spreche über die Zahl der russischen Opfer. Stattdessen aber sprach sie über die Verluste der Ukraine, wie aus mehreren Artikeln aus der russischen Presse klar wurde, zum Beispiel hier. (Hier ist die ganze Sendung zu sehen. Ab Minute 4:30 spricht die Moderatorin über die ukrainischen Verluste.) Dies ist nur eines der auffälligsten und krassesten Beispiele für Fake News. Das sogenannte Debunking, wie das heute genannt wird, das Aufdecken der falschen Info, war diesmal sehr leicht. Und doch sind es laut ukrainischen und jenen westlichen Medien, die das ukrainische Narrativ einfach nachplappern, immer die anderen, die Russen, die ständig nur Fake News produzieren.
Die sensationelle Nachricht von UNIAN wurde denn auch von mehreren ukrainischen Medien aufgegriffen. Zum Beispiel hier. Dieses primitive Maß an Manipulation kann sicherlich kein Vertrauen erwecken. Aber in diesem Fall handelt es sich leider nicht um einen Einzelfall, sondern um ein System.
Anderthalb Millionen nutzlose Menschen
Vor einigen Jahren erregte ein Video in Russland und bei denjenigen, die sich für ukrainische Angelegenheiten interessieren, großes Aufsehen. In diesem Video ist ein ukrainischer Journalist namens Bogdan Butkewitsch zu sehen. Ein Journalist wie viele andere, kein Superstar des ukrainischen Fernsehens, aber ein Gesicht, das der ukrainischen Öffentlichkeit seit mindestens einem Jahrzehnt bekannt ist. In dem Skandalclip meinte der ukrainische Journalist: „Das Donbass ist schlimm überbevölkert mit Leuten, die für niemanden von Nutzen sind. Glauben Sie mir, ich weiss, was ich sage. Wenn wir, als Beispiel, den Bezirk Donezk nehmen, da sind ungefähr 4 Millionen Einwohner. Zumindest 1,5 Millionen von denen sind total überflüssig. […] es gibt dort eine Kategorie Leute, die müssen einfach umgebracht werden“. (Globalbridges.ch hat vor ein paar Tagen darüber berichtet.)
In einem anderen Interview stellte sich Bogdan Butkewitsch – mit einem großen Lächeln vor der Kamera – dann total überrascht und schockiert, dass er nach seinem Aufruf zum Massenmord eine Lawine negativer Nachrichten und sogar Morddrohungen erhalten hatte. Der Angreifer gab sich als Opfer aus, man habe ihn einfach nicht richtig verstanden.
Die Worte von Bogdan Butkewitsch kamen noch vor dem Massaker von Odessa vom 2. Mai 2014. Dieser Massenmord trug dazu bei, die ukrainische Gesellschaft noch extremer zu vergiften. Als das Video viral ging, wiesen ukrainische PR-Organisationen und westliche Journalisten, die sich ständig bemühen, ein makelloses und positives Bild der Ukraine zu schaffen, die Aussage schnell als Fälschung zurück: eine typische Fälschung der stets bösartigen und verlogenen russischen Propaganda. Es sei schlichtweg unmöglich, in der neuen post-revolutionären und prowestlichen Ukraine so etwas zu sagen. Oder vielleicht doch? Der Westen scheint sich in sein eigenes Fantasiebild der Ukraine verliebt zu haben, in eine Ukraine, die in der Realität nicht existiert.
Eine solche entmenschlichende Rhetorik war leider in der Ukraine kein Einzelfall. Nehmen wir ein weiteres Beispiel einer solchen völkermörderischen Hetze, diesmal von ein paar Jahren später. Während einer Veranstaltung in Dnepropetrowsk sagte der ukrainische Blogger Swjatoslaw Stepkin (bekannt als Gorkij Luk, „bittere Zwiebel“) von der Bühne aus: „Mein Wunsch wäre es, dort alles mit Napalm zu überfluten, damit in fünf Jahren da Raps wächst“. In dem Video hört man, wie einige Zuschauer nach diesen Worten klatschten.
Die Ukraine hat jahrelang gefühlt, dass sie sich im Krieg mit Russland befand. Kriegsrhetorik war zur Gewohnheit schon lange vor Februar 2022 geworden. Man denke an die euphorischen Reaktionen einiger ukrainischer Politiker auf das Massaker von Odessa. Massengewalt, leider nicht nur verbal, war in der Ukraine spätestens seit 2014 zur Normalität geworden. In der postrevolutionären Mythologie wurde Gewalt zu einem legitimen Mittel zur Ausübung politischer Macht.
In diesem Zusammenhang sei an einen Bericht der «London Review of Books» aus dem Jahr 2014 mit dem Titel „Why not kill them all?“ von Keith Gessen erinnert. Diese Lektüre sollte denjenigen empfohlen werden, die immer noch an das Märchen des ukrainischen Humanismus glauben. An das Märchen der kleinen ukrainischen Demokratie, die angegriffen wurde, nur weil sie frei und demokratisch leben wollte. „Alle Feinde des Fortschritts an einem Ort, alle Verlierer und Verstorbenen: Wäre es nicht besser, das Problem einfach ein für alle Mal zu lösen? Wäre es auf lange Sicht nicht eine bessere Lösung, so viele wie möglich zu töten und den Rest für immer in Angst und Schrecken zu versetzen? Das habe ich von angesehenen Leuten in Kiew gehört. Nicht von den Nationalisten, sondern von Liberalen, von Fachleuten und Journalisten. Alle bösen Menschen waren an einem Ort – warum nicht alle töten?“, so schrieb damals der amerikanische Schriftsteller. Das Ziel des „Fortschritts“ und der Integration mit dem Westen war für einige „liberal“ gesinnte Ukrainer so wichtig, dass man sich dafür nicht zurückhalten sollte, andere Menschen, selbst unter seinen eigenen Landsleuten, zu töten.
Sogar der im Westen heiliggesprochene Regisseur Oleg Sentsov behauptete, es sei notwendig, die Gebiete des Donbass zurückzugewinnen und dabei sich keine großen Sorgen um die Menschen dort zu machen, denn die Bewohner des Donbass und der Krim seien mit den Interessen der neuen Ukraine unvereinbar. „Ich habe immer gesagt, dass wir für Gebiete kämpfen sollten, nicht für Menschen. Selbst wenn wir Superpropaganda einsetzen und 50 Prozent der Menschen, die derzeit auf der Krim leben, sagen, dass sie in die Ukraine zurückkehren wollen und bereit sind zu wählen, wird das nichts ändern. […] Bei Putin funktioniert Diplomatie nicht, bei der Regierung, die nach dem Zusammenbruch des Putin-Regimes kommen wird, wird sie wichtig sein. Wir müssen danach streben, dieses System zu zerstören. Die einzige Option für die Rückgabe unserer Gebiete – den Donbas und die Krim – ist nicht nur ein vollständiger Regimewechsel, sondern auch eine Änderung der politischen und territorialen Struktur Russlands.“
Bloß keinen Frieden mit Russland!
Die Ukrainer scheinen heute sehr kämpferisch gesinnt. Die meisten von ihnen seien nicht bereit, jetzt mit Russland Verhandlungen zu führen. Einerseits kann man die Ukrainer heute vielleicht verstehen, nach anderthalb Jahren Krieg und Bombardierung eines großen Teils des ukrainischen Territoriums. Doch in der kollektiven ukrainischen Wahrnehmung begann der Krieg mit Russland — nicht gegen ukrainische Separatisten, sondern gegen Russland selbst — nicht im Jahr 2022, sondern bereits im Jahr 2014. Eine kollektive Wahrnehmung, die von den ukrainischen Medien kunstvoll geprägt wurde, die dann auch seit 2014 die Kriegspropaganda-Rhetorik nie aufgegeben haben. Auf diese Weise wurden oft die Minsker Waffenstillstandsvereinbarungen als abscheuliches Zeichen der Kapitulation dargestellt, eine Schande für die Interessen des Landes.
Die sogenannte Steinmeier-Formel, genannt nach Frank-Walter Steinmeier, damals deutscher Außenminister, hatte Wahlen im Donbass vorgesehen. Doch in der Ukraine sprach man über die Steinmeier-Formel im Fernsehen nur mit Schaum vor dem Mund. Und viele Ukrainer gingen auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren.
Jeder Kompromissversuch mit Russland führte zu Anrufen gegen Appeasement, gegen ein zweites München und mehrere neue Chamberlains. Im Jahr 2019 gewann Selenskyj die Wahl, indem er gegen die von Poroschenko geführte Partei des Krieges auf eine Kampagne des Friedens setzte. Es war seine wichtigste Botschaft, der Frieden. Die Ukrainer wählten Selenskyj mit großem Abstand. Sie schienen müde vom Kriege zu sein. Doch die Illusionen, dass Selenskyj etwas Konkretes tun könnte, um den Konflikt im Donbass zu lösen, zerplatzten bald. Der Konflikt mit Russland war der neue modus vivendi der neuen Ukraine und des ganzen politischen Diskurses.
Gegen den „dekadenten“ Westen
Auch heute noch unterhält Bogdan Butkewitsch die Ukrainer auf verschiedenen ukrainischen Fernsehsendern und auf seinem YouTube-Kanal. Sehr interessant für westliche Zuschauer ist ein Video aus dem letzten Jahr, in dem Butkewitsch seine heftige Unzufriedenheit mit Amnesty International und dem gesamten „dekadenten“ Westen zum Ausdruck bringt.
Amnesty International hatte die gravierende Frechheit, einen Bericht zu veröffentlichen, in dem das Kriegsverhalten der Ukraine kritisiert wurde. Der Westen habe sich laut Butkewitsch einer Kultur unterworfen, die versuche, die Wahrheit beider Seiten eines Konflikts zu verstehen. Für Bogdan Butkewitsch ist das eine höchst bedauerliche Sache, die er aus der Höhe seiner moralischen Überlegenheit mit voller Wut denunzieren will.
Es sind Stimmungen, die bereits lange vor Februar 2022 in der ukrainischen Gesellschaft vorherrschten. Eine ausgewogene Darstellung der Ereignisse im Donbass galt als Luxus, den die neue Ukraine, die nicht nur gegen Russland, sondern gegen die russische Welt der russischen Sprache und Kultur kämpfte, sich nicht leisten wollte und konnte.
Seit der Maidan-Revolution sind der Aktivist oder der patriotische Volontär, die die Justiz selbst in die Hand nehmen, zu neuen Heldenfiguren in der Ukraine geworden. Dieser unbeugsame Held ist vom Feuer der Revolution und des Kampfs gegen Russland getrieben und er verhängt Strafen nach den Gesetzen des Krieges. Krieg ist eine heilige Sache und duldet keine Neutralität oder gar Rücksichtsnahme gegenüber dem Feind, der immer vor der Tür steht. Denn in den letzten Jahren hatte sich das neue kollektive Bewusstsein der Ukraine im Krieg gebildet. Und das auch mithilfe der Medien, die aus Hetze ein ganz normales journalistisches Werkzeug machten.
Die Lust der Russen und Russinnen, ukrainische Medien zu konsultieren, hält sich mittlerweile in Grenzen. In Anbetracht der ukrainischen Hetze gegen alles Russische ist das durchaus verständlich.
Zum Autor: Stefano di Lorenzo ist 1982 in Milano geboren, hat dort Germanistik und Anglistik studiert und ist dann nach Deutschland umgezogen, wo er in Berlin zusätzlich Amerikanistik mit Schwerpunkt Wirtschaft und Politik studiert hat. Heute lebt er in Moskau und erlebt vor Ort, wie der kollektive Westen mit allen Mitteln versucht, Russland schlecht zu reden.