Die vom italienischen Architekten Michele De Lucchi entworfene gedeckte Fussgängerbrücke in Tiflis verbindet seit 2010 die Altstadt mit dem Rike-Park. Sie wurde «Friedensbrücke» getauft ... (Foto Sven Müller)

Der Traum von der gewaltsamen Öffnung des Gordischen Knotens

In jüngster Vergangenheit brachte das Gesetz über ausländische Agenten Georgien wieder in die Schlagzeilen und zeigte, dass dessen Probleme keineswegs gelöst sind. Der Konflikt in dem kleinen Land im Südkaukasus, der 2008 in einem fünftägigen Krieg gipfelte, beinhaltet sämtliche Elemente, die wir auch im Konflikt in und um die Ukraine finden und wohl auch in zukünftigen Konflikten im postsowjetischen Raum noch finden werden: Nationalismus, die Suche nach nationaler Identität, Oligarchen, nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, Korruption, Geopolitik und weitere.

Die Ereignisse des August 2008 sind außerordentlich gut aufgearbeitet (1) und bieten eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich Überlegungen zum Spannungsfeld zwischen Völkerrecht und militärischer Operationsplanung zu machen. Nach Kriegsende beauftragte der Europarat die Independent International Fact-Finding Mission on the Conflict in Georgia IIFFMCG unter der Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini mit einer Untersuchung der Umstände des Kriegsausbruchs. Diese Kommission legte im September 2009 einen umfangreichen Bericht vor, der zahlreiche westliche Medien, welche im Jahr davor sofort Russland der Aggression beschuldigt hatten, zwang, ihre reißerischen Stories zu korrigieren (2). 

Komplexe Probleme und erfolglose Politiker aller Couleur

Im Südkaukasus sind die Verhältnisse komplex, die Probleme zahlreich und die Konflikte alt. Die Region ist ein Flickenteppich aus verschiedenen Ethnien, Religionen, Sprachen und Kulturen. Hierbei macht Georgien, das mit knapp 70’000 qkm fast so groß ist wie Irland, keine Ausnahme (3). Dort leben gut zwei Dutzend Volksgruppen, die in ebenso vielen Sprachen sprechen. Seit dem 4. Jahrhundert ist Georgien christianisiert, aber im äußersten Westen, in Adscharien, stellen Muslime eine signifikante Minderheit dar.

Karte: Georgien: Ethnien und administrative Grenzen
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung (4)

In der Nachbarschaft von drei großen Imperien gelegen – Russland, der Türkei und Persien (Iran) – erlebte das Land viel Fremdbestimmung. Nach langen Kriegen wurde das Land im Jahr 1864 Teil des zaristischen Russlands und blieb es bis zur Oktoberrevolution. Nach drei Jahren der Unabhängigkeit wurde Georgien 1921 in die Sowjetunion integriert. Die Roten Zaren im Moskauer Kreml vermochten die Probleme Georgiens bis zum Ende der Sowjetunion nie zu lösen, weil Fragen von Nationalität, Religion und Kultur in ihrer Gedankenwelt einfach nur eine untergeordnete Bedeutung besaßen. So hatte der aus Georgien stammende Josef Stalin 1931 der Sowjetrepublik Abchasien den Status der autonomen Republik wieder entzogen und sie in die georgische Sowjetrepublik eingegliedert (5). Nicht viel anders verhielt es sich mit den kommunistischen Statthaltern in Tiflis: Noch zu Zeiten der Sowjetunion beschloss die Regierung der Sowjetrepublik Georgien 1989 unter dem harmlosen Titel „Programm für die georgische Sprache“ ein Gesetz, das auf die Änderung der demographischen Verhältnisse in den Regionen der nationalen Minderheiten Georgiens abzielte, indem ethnische Georgier in diese umgesiedelt werden sollten. Um diese Politik auch militärisch abzusichern, sollten ausschließlich aus ethnischen Georgiern bestehende militärische Formationen aufgestellt werden. Es ist wenig überraschend, dass diese Bemühungen in den betroffenen Gebieten mit Argwohn beobachtet wurden (6).

So kann es auch nicht überraschen, dass sich schon in der Endphase der sowjetischen Herrschaft in Georgien Zusammenstöße zwischen Angehörigen verschiedener Volksgruppen ereigneten, genauso wie im benachbarten Aserbaidschan und in Armenien auch. An den zugrundeliegenden Problemen krankt die Region heute noch.

Unabhängigkeit – aber die Probleme blieben bestehen

Auch liberale, westlich geprägte Geister, die nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung ihrer Teilrepubliken an die Macht kamen, bekundeten Mühe mit den komplexen Fragen von Nationalität, Religion und Kultur. Prominentes Beispiel hierfür war der Schriftsteller und Oppositionelle Swiad Gamsachurdia, der 1991 erster Staatspräsident des unabhängigen Georgiens wurde. Nach Amtsantritt wurde sein Regiment rasch autoritär und nationalistisch. Die Volksgruppen, die sich nicht von seinen Vorstellungen überzeugen ließen, diffamierte er als ungebildete Wilde, die man aus dem Land vertreiben müsse. Außenpolitisch ging er auf Konfrontationskurs mit Russland. Der neu entstandene Staat blieb schwach und verschiedene Warlords begannen das Land unsicher zu machen (7). Schon ein Jahr nach seiner Machtübernahme wurde Gamsachurdia durch einen Militärputsch gestürzt und er flüchtete erst nach Armenien und dann nach Tschetschenien. 

Auch die Präsidentschaft des aus Georgien stammenden, ehemaligen sowjetischen Außenministers Edward Schewardnadse blieb insgesamt glücklos. Georgien erlebte in jenen Jahren eine Krisenperiode – wie fast alle postsowjetischen Staaten – mit enormen wirtschaftlichen und politischen Problemen: Von 1991 bis 1994 sank das Bruttosozialprodukt um 70 Prozent. Das Land erlebte eine Hyper-Inflation, die 1992 bei 1’339 Prozent jährlich lag. Auch in Georgien rissen sich ehemalige Parteifunktionäre, die sogenannte Nomenklatur, profitable Staatsbetriebe für einen Spottpreis unter den Nagel. Die so reich gewordenen Oligarchen schufen mafiöse Strukturen und verhinderten zusammen mit korrupten Beamten die dringend notwendigen Strukturreformen in der Wirtschaft (8). 

Blaupause Adscharien?

Um die Abspaltung der Provinz Adscharien zu verhindern, hatte Gamsachurdia noch vor dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion 1991 den adscharischen Oligarchen Aslan Abaschidse als Statthalter in Adscharien eingesetzt. Der Löwe von Batumi (9) schuf sich rasch sein eigenes kleines Königreich, in welchem die Zentralregierung in Tiflis bald nicht mehr viel zu sagen hatte und das er immer autokratischer zu regieren begann. Er gewährte dem georgischen Zoll keinen Zugang mehr zum Hafen von Batumi, führte keine Steuern an die Zentralregierung mehr ab und begann, eigene bewaffnete Kräfte aufzustellen. Schewardnadse vermochte den Despoten nicht unter Kontrolle zu bringen.

Nachdem Schewardnadse am 23. November 2003 durch die sogenannte „Rosenrevolution“ gestürzt worden war, kam der Oppositionsführer Micheil Saakaschwili an die Macht, doch auch er vermochte das Problem vorerst nicht zu lösen. Erst als Abaschidse durch Massenproteste in Batumi unter Druck kam, konnte ihn der russische Außenminister Igor Ivanov von einem gewaltsamen Vorgehen gegen die Demonstranten abhalten und zur Aufgabe bewegen. Dadurch brachte die georgische Regierung Adscharien wieder unter ihre Kontrolle. Militärische Drohgebärden der georgischen Regierung hatten sicherlich auch ihren Beitrag dazu geleistet (10). 

Problemherde: Abchasien …

Aber Adscharien war nicht die einzige Provinz Georgiens mit Sezessionsgelüsten. Im georgischen Bürgerkrieg der Jahre 1992 bis 1993 drohte nicht nur die Abspaltung von Adscharien, sondern auch von Abchasien. Am 14. August 1992 marschierten georgische Truppen in Abchasien ein und brachten bis zum 18. August auch die Hauptstadt Suchumi unter ihre Kontrolle. Rasch mischten sich aber externe Kräfte in den Konflikt ein: Am 22. August 1992 forderte die Konföderation der Kaukasusvölker, die zuvor schon die Sezession Tschetscheniens von Russland unterstützt hatte, ihre Mitglieder auf, Abchasien zu unterstützen (11). Auf der Gegenseite kämpften ukrainische Nationalisten der UNA-UNSO für die Georgier (12). Mit russischer Unterstützung gingen die Abchasen im Herbst erfolgreich in die Gegenoffensive und eroberten bis September 1993 das Land zurück. Danach ebbten die Kampfhandlungen ab, aber ein Waffenstillstand kam erst am 4. April 1994 dank Vermittlung der UNO zustande. Er sollte durch eine Peacekeeping Force aus 1’500 russischen Soldaten und durch eine UN-Beobachtermission, die United Nations Observer Mission in Georgia (UNOMIG) überwacht werden. Im Verlauf des Kriegs hatten beide Konfliktparteien ethnische Säuberungen betrieben und hunderttausende Menschen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben (13).

… und Südossetien

Eine weitere Sezession drohte dem jungen georgischen Staat in Südossetien. Nach drei Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens in den Jahren 1989, 1990 und 1991 und zwei ungültig erklärten Volksabstimmungen brach zwischen Südossetien und Georgien ein Sezessionskrieg aus, der im Juni 1992 mit dem von Russland vermittelten Waffenstillstand von Dagomys bzw. Sochi endete (14). Mit diesem Abkommen wurden eine gemeinsame Kontrollkommission und die Joint Peacekeeping Forces Group (JPKF), geschaffen. Unter russischem Kommando stehend, bestand die JPKF aus georgischen, russischen sowie nord- und südossetischen Truppen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte sich bereit, den Waffenstillstand zu überwachen und bei Bedarf zwischen den Kontrahenten zu vermitteln. 

Karte: Einsatzräume der JPKF
Quelle: International Crisis Group (15), Bearbeitung Autor

Saakaschwili mit Zuckerbrot und Peitsche

Durch den Waffenstillstand von Sochi verblieben Teile Südossetiens de facto unter georgischer Kontrolle, aber das reichte Tiflis offenbar nicht. Nach seiner Machtübernahme 2004 machte Micheil Saakaschwili von Anfang an klar, dass die Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens einer seiner Hauptanliegen war und nahm eine Politik auf, die auf die Wiedererlangung der Kontrolle über alle abtrünnigen Provinzen abzielte. Am 22. September 2004 präsentierte er der UNO-Vollversammlung einen entsprechenden Plan. Parallel dazu wurden die Planungen an einer Militäroperation weitergetrieben und die georgischen Streitkräfte massiv ausgebaut (16). Offenbar war Saakaschwili schon damals bereit, eine Doppelstrategie von Zuckerbrot und Peitsche gegen die abtrünnige Region zu betreiben (17).

Beflügelt durch den Erfolg in Adscharien mag Saakaschwili geglaubt haben, er könne nun mit der Unterstützung des Westens auch das kleine Südossetien und später vielleicht sogar Abchasien wieder unter Kontrolle bringen, auch gegen den Willen Russlands und notfalls mit Gewalt. Mit polizeilichen Mitteln versuchte Saakaschwili in der Folge, die Kontrolle über Südossetien wiederzuerringen: Im Mai 2004 errichteten die Georgier weit im Innern Südossetiens einen Polizeikontrollpunkt und verlegten Spezialeinheiten und Truppen des Innenministeriums dorthin, um das Gebiet zu isolieren. In der Folge kam es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Georgiern und Südosseten (18). Schon im Juli wurde daraufhin das Moskauer Protokoll vereinbart, das eine Entmilitarisierung Südossetiens vorsah: Mit Ausnahme der Peacekeeper sollten alle militärischen Kräfte aus der Provinz abziehen.

Recht auf Sezession?

Ob die Südosseten und auch die Abchasier ein Recht auf Sezession aus dem Verband des 1991 neu entstandenen georgischen Staats hatten, ist unter Völkerrechtlern ebenso umstritten wie das Recht auf Sezession generell. Dass die Südosseten aber die Beachtung ihrer Minderheitenrechte einfordern können, ist kaum zu bestreiten. Mit der Beachtung von Minderheitenrechten bekundeten die Machthaber in Tiflis aber wiederholt ihre Mühe. Im Gegenzug gegen die „Georgisierung“ vergaben die russischen Behörden großzügig russische Pässe an die Bewohner Südossetiens, was in der Tagliavini-Kommission auf Kritik stiess. Die Politik der „Passporizatsiya“ stelle einen Verstoß gegen das Prinzip der guten Nachbarschaft dar und einen Eingriff in die Souveränität der betroffenen Länder. 

Bei Südossetien, das nach dem Zerfall der Sowjetunion nie unter der faktischen Kontrolle der georgischen Regierung in Tiflis stand, handelte es sich schon 2008 zweifellos um ein stabilisiertes de facto Regime, das von einigen wenigen UNO-Mitgliedsstaaten sogar als unabhängiges Land anerkannt wird. Das bedeutet, dass es dieselben Pflichten zu erfüllen hat, aber auch dieselben Rechte genießt, wie jedes andere Land auch. Dazu gehört das Recht auf Selbstverteidigung (19). Obwohl international nicht anerkannt, hatte die südossetische Regierung das Recht, völkerrechtlich bindende Verträge abzuschließen (20). Das müsste sich eigentlich auch auf den Abschluss militärischer Bündnisse beziehen, zum Beispiel mit dem benachbarten Russland. Heute sind es ja gerade die NATO-Mitgliedsstaaten, die immer gerne auf das Recht der freien Bündniswahl pochen.

Die Krise Anfangs August 2008

Auslöser der Ereignisse vom Sommer 2008 war die diplomatische Anerkennung des Kosovo, der sich ohne Einverständnis Serbiens unabhängig erklärt hatte (21). Im Gegenzug drohte Russland seinerseits mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens. Der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew hob deshalb Handelsbeschränkungen zwischen Russland und Südossetien auf, was westlicherseits als erster Schritt zur Annexion interpretiert wurde (22). 

Schon Anfang Juli hatte ein Anschlag auf Dimitri Sanakoev, den gegenüber Tiflis loyalen Chef der südossetischen Gegenregierung, und die Ermordung eines südossetischen Polizeioffiziers zweitägige Mörserduelle ausgelöst (23). Am 31. Juli wurden bei einem Bombenanschlag auf eine georgische Polizeipatrouille sechs Beamte verletzt (24). Danach brachen heftige Kämpfe zwischen georgischen und südossetischen Truppen aus, bei denen auf beiden Seiten mehrere Soldaten getötet wurden (25). Im Verlauf dieser Kämpfe beschoss die georgische Artillerie die südossetische Hauptstadt Zchinwali (auch Tskhinvali geschrieben), wobei drei Zivilisten ums Leben kamen. In Russland machten sich Freiwillige auf, um die südossetische Seite zu unterstützen. 

Unter der Bezeichnung „Kavkaz-2008“ (Kaukasus-2008) hatten russische Truppen vom 15. Juli bis 2. August 2008 im Militärbezirk Nordkaukasus nahe der russisch-georgischen Grenze und im Schwarzen Meer groß angelegte Übungen durchgeführt, an denen offiziell etwa 8’000 russische Soldaten teilnahmen. Diese Übung war Teil einer Reihe von Signalen, mit denen Moskau klarmachte, dass es eine georgische Militäroperation in Südossetien nicht tolerieren würde (26).

Krieg

In der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008 begann schließlich die georgische Armee, die Zchinwali mit Mörsern, Haubitzen und Mehrfachraketenwerfern zu beschießen. Am Morgen des 8. August 2008 stieß die georgische Armee mit zwei verstärkten Brigaden in Richtung Zchinwali vor. Bis 14:30 Uhr brachten diese nach eigenen Angaben gegen den Widerstand südossetischer Milizen die Stadt unter Kontrolle. Danach riefen die Georgier einen „humanitären Waffenstillstand“ aus, der es den Bewohnern von Zchinwali erlauben sollte, die Stadt zu verlassen. Im Verlauf der Kämpfe waren auch die russischen Peacekeeper unter Beschuss geraten und hatten Verluste erlitten, was Russland als einen der Hauptgründe für sein militärisches Eingreifen anführte (27).  

Karte: Georgischer Angriff auf Südossetien, 8. August 2008
Quelle: d-maps.com (28), Ergänzungen Verfasser

In New York beantragte die russische Delegation am 8. August umgehend eine außerordentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrats. In Abchasien beschloss der nationale Sicherheitsrat in einer Sondersitzung die Verlegung von Truppen an die Grenze zu Georgien und die Entsendung von 1’000 Kriegsfreiwilligen nach Südossetien. Im Verlauf des Tages alarmierte der russische Generalstab die Truppen im Militärbezirk Nordkaukasus, sowie Luftlandetruppen, von denen einige eben erst aus dem Kaukasus an ihre Heimatstandorte zurückgekehrt waren. Russische Vorausabteilungen durchquerten rasch den Roki-Tunnel, welcher Russland und Südossetien miteinander verbindet, und sicherten die Brücke bei Didi Gupta. Am Abend begann der russische Gegenangriff, der die georgische Armee zum Rückzug aus Südossetien zwang. In den darauffolgenden Tagen verfolgte die russische Armee die Georgier, unter denen zeitweise Panik ausbrach, über die Provinzstadt Gori hinaus, bis der russische Präsident Dmitri Medwedew am 12. August die Einstellung der Kampfhandlungen anordnete (29). Die 2’000 georgischen Soldaten der 1. Infanterie-Brigade, welche als Teil der Koalitionsstreitkräfte im Irak eingesetzt waren und am 11. August durch US-amerikanische Transportmaschinen eiligst in ihre Heimat zurückgeflogen wurden, kamen zu spät (30). Der georgische Feldzug endete in einem Fiasko.

Karte: Russischer Gegenangriff
Quelle: Quelle: d-maps.com (31), Ergänzungen Verfasser

Bohrende Fragen nach dem Fiasko

Im Nachhinein stellten sich der Regierung in Tiflis und ihren westlichen Verbündeten unangenehme Fragen. Die Frage beispielsweise, inwieweit die US-amerikanische Unterstützung zugunsten Georgiens die Regierung Saakaschwili ermutigt habe, eine militärische Lösung des Konflikts um Südossetien zu priorisieren, ist gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Lage in Osteuropa von Bedeutung (32). Es kursieren Vermutungen, dass Teile der US-Regierung einen Krieg zwischen Georgien und Russland wünschten, während andere Quellen behaupten, die US-Administration habe die georgische Regierung vor einem gewaltsamen Vorgehen gewarnt (33). 

Ein alter Dampfer macht Völkerrecht

Das Recht auf Ausübung der Selbstverteidigung wird in der völkerrechtlichen Praxis nach den sogenannten Caroline-Kriterien beurteilt, die zuweilen auch als Webster-Formel bezeichnet werden. Sie gehen auf einen Zwischenfall im Dezember 1837 zurück, als britische Truppen von Kanada aus auf die US-amerikanische Seite des Grenzflusses Niagara vordrangen, um den US-Dampfer „Caroline“ in Besitz zu nehmen und zu zerstören. Zuvor hatten Freiwillige aus den USA an Aufständen in Kanada teilgenommen und sich zwischenzeitig wieder auf US-Gebiet zurückgezogen, wo sie sich sicher wähnten. Die US-Regierung erwies sich als unfähig, die Unterstützung der Aufständischen durch Sympathisanten zu unterbinden. Die britische Regierung betrachtete den Angriff auf die Caroline, bei welchem es auf US-amerikanischer Seite zwei Todesopfer gegeben hatte, und die Zerstörung des Schiffs als legitimen Akt der Selbstverteidigung. Im Verlauf des diplomatischen Noten- und Briefwechsels zeigte es sich, dass zwischen Amerikanern und Briten Einigkeit herrschte in Bezug auf grundlegende Kriterien für die Feststellung legitimer Selbstverteidigung: Die Caroline-Kriterien setzen hierfür eine unmittelbare, überragende Notwendigkeit zur Selbstverteidigung voraus, die keine Wahl der Mittel und keine Zeit zu weiterer Überlegung lässt. Die ergriffenen Maßnahmen dürfen nicht abwegig oder exzessiv sein (34).

Selbstverteidigung oder Aggression?

Im Licht der Caroline-Kriterien stellt sich an erster Stelle die Frage der Notwendigkeit des Einsatzes der Streitkräfte und damit nach einer militärischen Bedrohung:

Im Juli 2008 war an der Grenze zwischen Südossetien und Georgien in der Tat eine Situation entstanden, die für die georgische Regierung inakzeptabel war. Angesichts der Zusammenstöße und der Artillerieduelle entlang der Provinzgrenze musste man in Tiflis in der Tat befürchten, dass die georgischen Grenzorgane die Kontrolle über die Grenze verlieren könnten, womit Freischärler, aber auch Kriminelle buchstäblich offene Türen fänden, um in die Region Gori einzusickern. Eine Rückverlegung der Grenzkontrollen in einen Raum außerhalb der Kampfzone war kaum möglich, denn dadurch wären mehrere georgische Dörfer preisgegeben worden. Gerade in der Nachbarschaft zu einer seit Jahren unruhigen Provinz hatte die georgische Regierung aber ein berechtigtes Interesse daran, den Grenzraum unter Kontrolle zu halten. Der Einsatz von Militär zur Verhinderung von Infiltrationen und zum Schutz der Grenzbeamten wäre angemessen gewesen.

Es war sicherlich unannehmbar, dass die Mörser- und Artillerieduelle zwischen südossetischen Milizen und der georgischen Armee weitergingen und einen mehrere Kilometer breiten Geländestreifen entlang der Grenze zum Kampfgebiet machten. Es musste etwas unternommen werden und Streitkräfte waren zur Beendigung dieses inakzeptablen Zustands das am besten geeignete Mittel. Angemessener wäre nach den Feuerüberfällen südossetischer Truppen auf Grenzdörfer aber georgisches Konterfeuer mit überlegenen Artillerieverbänden oder gegebenenfalls ein terrestrischer Stoß in die Stellungsräume der südossetischen Artillerie gewesen. Die georgischen Aktionen gingen aber weit über dieses Ziel hinaus. Vielmehr lässt der Beschuss der Einrichtungen der südossetischen Regierung im Zentrum von Zchinwali darauf schließen, dass die georgische Führung beschlossen hatte, die Gunst der Stunde zu nutzen und die ausgebrochenen Scharmützel als Vorwand für eine großangelegte Invasion zu nutzen (35). Für den terrestrischen Angriff hatte das georgische Oberkommando zuvor das Gros der Armee im Raum Gori zusammengezogen. Das muss vorgängig geplant und logistisch vorbereitet gewesen sein und kann somit nicht als Reaktion auf die Attentate auf Sicherheitskräfte und die Artillerieduelle im Juli und August dargestellt werden (36). Mit der Invasion in Südossetien durch das Gros der zur Verfügung stehenden Streitkräfte überschritt Georgien definitiv die Grenze der legitimen Selbstverteidigung. Das hält der Bericht der IIFFMCG auch explizit fest: 

„… it can be said that the air and ground offensive against Tskhinvali on the basis of the order given by President Saakashvili was not proportionate and therefore the use of force by Georgia could not be justified as self-defence“ (37)

Vielmehr hatte die Regierung Saakaschwili beschlossen, das Problem Südossetien militärisch zu lösen und der Zeitpunkt schien ihr geeignet zu sein. Für so ein Vorgehen gab es aber keine Rechtfertigung, solange das Waffenstillstandsabkommen von Sochi und das Moskauer Protokoll in Kraft blieben. Keine der Konfliktparteien hatte diese zuvor in Frage gestellt.

Alternative Handlungsoptionen für Tiflis

Langfristig war für den Fall einer Anerkennung von Südossetien durch die russische Regierung absehbar, dass die südossetischen Behörden den Abzug georgischer Truppen aus dem Land fordern und allenfalls versuchen würden, diese gewaltsam zu vertreiben. Eine Handlungsoption der georgischen Regierung hätte folglich darin bestehen können, die leicht bewaffneten georgischen Peacekeeper so zu verstärken, dass die auch einem massiven Angriff widerstehen konnten. Diese, auf die Bewahrung des völkerrechtlich und politisch akzeptierten Zustands abzielenden Maßnahmen hätten Georgien auch die Berechtigung gegeben, von der russischen Regierung ihrerseits Maßnahmen zur Bewahrung des Waffenstillstands von Sochi zu fordern. 

Karte: Alternative für Georgien durch Verstärkung und Schutz seiner Peacekeeper
Quelle: Google Maps (38), Ergänzungen Verfasser

Die Streitkräfte Südossetiens mit ihren vier oder fünf leicht ausgerüsteten, aktiven Bataillonen waren wohl kaum eine ernsthafte Bedrohung für die georgische Garnison im wenige Kilometer jenseits der Grenze liegenden Gori. Und mit dem Abschluss des russischen Militärmanövers „Kavkaz 2008“ am 2. August war auch eine unmittelbar bestehende Gefahr vorerst gebannt. Damit kann die Regierung Saakaschwili auch keine Putativnotwehr geltend machen (39). 

Das Hauptproblem für die georgische Regierung war der Status von Südossetien als de facto Regime, mit allen Pflichten, aber auch Rechten, die ein Staat als Völkerrechtssubjekt verfügt. Die Unterminierung der Legitimation der de facto Regierung in Zchinwali hätte folglich einen der zentralen Bemühungen einer georgischen Strategie zur Re-Integration von Südossetien in den georgischen Staat sein müssen. 

Das zweite große Problem bei der Wiedererlangung der Kontrolle über das Gebiet der abtrünnigen Provinzen zu erlangen, war die Unterstützung, welche Russland diesen leistete (40). Wenn Russland hätte damit aufhören sollen, dann hatte Tiflis der politischen Führung Russlands ein Entgegenkommen in anderen Fragen in Aussicht stellen müssen. Permanente anti-russische Rhetorik gehörte bestimmt nicht in diese Kategorie. Saakaschwili hat seine militärische Intervention diplomatisch ungenügend vorbereitet. Der Traum von der gewaltsamen Öffnung des Gordischen Knotens erfüllte sich nicht. 

Clausewitz und die Idee des Diktatfriedens

Mit seinem Versuch einer handstreichartigen, gewaltsamen Lösung hat Micheil Saakaschwili die Türe für eine politische Lösung des Problems wohl auf Jahrzehnte zugeschlagen (41). Auch eine deutsche Initiative erlitt durch den georgischen Angriff Schiffbruch (42). Realistische Aussichten für eine erfolgreiche Reintegration Südossetiens in den georgischen Staat bestehen auf absehbare Zeit wohl nicht.

Besonders bedenklich ist, dass die Schuldfrage offenbar keinen Einfluss auf die Beitrittsaspirationen Georgiens zur NATO hat (43). Derzeit sind in der Region Südkaukasus geopolitische Verschiebungen in Gang und es sind Bestrebungen sichtbar, die Region als Brückenkopf für einen Krieg gegen den Iran und gegen Russland zu nutzen (44). Das beinhaltet die Gefahr, dass die Region in einem Krieg verheert und die dortigen Staaten zerschlagen werden, vor allem wenn weiterhin Nationalismus als Grundlage für deren Existenz dienen soll.

Wegen des Vorstoßes, den abchasische und russische Truppen im Verlauf des Konflikts ins Kodori-Tal und nach Zugdidi unternahmen, sowie wegen des Stoßes russischer Truppen aus Südossetien in Richtung Tiflis kritisierte die IIFFMCG die russische Seite. Das ist grundsätzlich legitim, denn auch die in legitimer Abwehr einer Aggression befindliche Partei ist nicht frei in der Wahl ihrer Mittel und darf keine exzessiven Maßnahmen ergreifen. Andererseits gebietet ganz allgemein die Vorsicht die Fortsetzung von Operationen eines Verteidigers, bis zu dem Punkt, an welchem der Aggressor die Motivation oder die Fähigkeit zur Fortführung der Aggression verliert. Ferner ist zu erwägen, wie weit die abwehrende Seite gehen darf, um zu verhindern, dass der Aggressor eine Waffenruhe zur Reorganisation seiner Kräfte und Bereitstellung zu einem erneuten Angriff nutzt. Solche Erwägungen gehen allerdings über den Bericht der Tagliavini Kommission hinaus. Sie sind auch im Clausewitzianischen Denken, welches gerade im angelsächsischen Raum heutzutage eine bestimmende Rolle spielt, nicht enthalten. Dort endet ein Krieg mit dem Sieg einer Partei und einem Diktatfrieden. Der Schlüssel dazu ist das Wehrlosmachen des Gegners durch Zerschlagung seiner Streitkräfte (45).

Gebrannte Kinder mit der Ölkanne in der Hand

Die Ereignisse in Georgien im August 2008 zeigen, wie enorm viel Fingerspitzengefühl in Zukunft von georgischen Regierungen verlangt werden wird, wenn sie das Land zusammenhalten wollen. Wer dieses Fingerspitzengefühl nicht aufzubringen vermag, lässt die Probleme besser ruhen, solange er nicht durch äußere Umstände zum Handeln gezwungen ist. Tiflis bräuchte höchst qualifizierte Beratung und keine Rechthaberei, aber aktuelle westliche Regierungen zeigen ihre Kompetenzen derzeit eher bei letzterem. Umso mehr erstaunt, wie schnell westliche Regierungen heutzutage mit Protesten und Verurteilungen zur Hand sind. In anderen Regionen der ehemaligen Sowjetunion sind die Probleme übrigens ähnlich komplex – auch in der Ukraine. 

Im Lichte des Kurswechsels, den weite Teile der westlichen Medien nach Erscheinen des Berichts der Tagliavini-Kommission zu vollziehen gezwungen waren, verwundert es, wie leicht sich genau dieselben Medienhäuser heute wieder tun, die Welt in Schwarz und Weiß, Gut und Böse einzuteilen. Wer sich schon einmal die Finger verbrannt hat, sollte nicht immer wieder Öl ins Feuer schütten. 

Angesichts der Komplexität der Probleme und der Vielfalt von völkerrechtlichen Regeln und Präzedenzfällen überrascht es, dass die Integration politischer und völkerrechtlicher Leitlinien in die Operationsplanung in der Ausbildung an Militärakademien keinen größeren Stellenwert genießt (46). Die Suche nach dem Zentrum der Kraftentfaltung in einem gegnerischen System, das es nach der Doktrin des US-Colonel Warden zu zerschlagen gilt, stellt heute den Standard dar und ist wohl der Weg vor Kriegsverbrechertribunal (47).

(Der Artikel entstand im Anschluss eines Vortrags des Verfassers vor Offizieren der Deutschen Bundeswehr in Altötting Bayern im November 2023.)

Anmerkungen: 

  1. Problematisch und einseitig abgestützt  ist namentlich der englischsprachige Wikipedia-Artikel; siehe „Russo-Georgian War„, online unter https://en.wikipedia.org/wiki/Russo-Georgian_War. Vgl. „Eine Chronologie des russisch-georgischen Konflikts“, in Russland Analysen Nr. 169, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa19.09.2008, S. 8 – 11, online unter https://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen169.pdf. Eine chronologische Darstellung der Kampfhandlungen zwischen Russland und Georgien im August 2008 findet sich bei Anton Lavrov: Timeline of Russian-Georgian Hostilities in August 2008, in: Ruslan Pukhov (Hrsg.): The Tanks of August, Centre for Analysis of Strategies and Technologies, Moskau 2010, S. 37 – 76, in englischer Sprache online unter http://www.cast.ru/files/The_Tanks_of_August_sm_eng.pdf
  2. Siehe Bericht der Independent International Fact-Finding Mission on the Conflict in GeorgiaReport, Band I, o.O., September 2009, online unter https://www.mpil.de/files/pdf4/IIFFMCGCG_Volume_I2.pdf, Band II, online unter https://www.mpil.de/files/pdf4/IIFFMCGCG_Volume_II1.pdf, Band III, online unter https://www.mpil.de/files/pdf4/IIFFMCGCG_Volume_III1.pdf. Zusammenfassungen und Schlüsselaussagen bei Reinhard Veser: Georgien hat den Krieg begonnen, bei Frankfurter Allgemeine, 30.09.2009, online unter https://m.faz.net/aktuell/politik/ausland/untersuchungskommission-georgien-hat-den-krieg-begonnen-1854145.amp.html, und „EU-Bericht: Georgien hat Krieg mit Russland begonnen“, bei Reuters, 30.09.2009 online unter https://www.reuters.com/article/russland-georgien-eu-zf-20090930-idDEBEE58T0KH20090930. Siehe auch „Schlüsselpassagen aus dem Tagliavini-Bericht“, bei EU.Info Deutschland, 30.09.2009, online unter https://www.eu-info.de/dpa-europaticker/159630.html
  3. Inkl. Abchasien und Südossetien. 
  4. Online unter https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/54599/georgien/
  5. Die Verfassung der Sozialistischen Sowjetrepublik Abchasien findet sich online unter http://www.rrc.ge/law/konst_1926_10_27_ru.htm.  
  6. Siehe Dennis Sammut, Nikola Cvetkovski: The Georgian-South Ossetia Conflict (Confidence-Building Matters. Nr. 6). VERTIC, London 1996, S. 10, online unter http://www.vertic.org/media/Archived_Publications/Matters/Confidence_Building_Matters_No6.pdf#page=11.
  7. Siehe „Georgien, Bürgerkrieg und Wirtschaftskollaps“, bei MDR Geschichte, 11.07.2016, online unter https://www.mdr.de/geschichte/archiv/georgien-buergerkrieg-wirtschaftskollaps-sowjetunion-100.html. Über die Osseten urteilte Gamsachurdia wie folgt: „Осетины испугались, и это вполне логично, так как они — преступники… Осетины — необразованные, дикие люди.“ (Die Osseten hatten Angst, und das ist ganz logisch, denn sie sind Kriminelle… Die Osseten sind ein ungebildetes, wildes Volk). Siehe С.М. Маркедонов: Земля и воля Звиада Гамсахурдиа, bei Институт Политического и Военного Анализа/Institute for Political and Military Analysis, 29.07.2013, online unter http://www.ipma.ru/publikazii/etnosotn/1008.php, in russischer Sprache.
  8. Siehe „Georgien, Bürgerkrieg und Wirtschaftskollaps“ bei MDR Geschichte, 11.07.2016, online unter https://www.mdr.de/geschichte/archiv/georgien-buergerkrieg-wirtschaftskollaps-sowjetunion-100.html
  9. Sein Vorname Aslan bedeutet türkisch Löwe. 
  10. Siehe Marietta S. König: Statt „eingefroren“ nun brandheiß: Konfliktlösung in Georgien nach dem Machtwechsel, in: Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik IFSH (Hrsg.), OSZE-Jahrbuch 2006, Baden-Baden 2007, S. 91-104, online unter https://ifsh.de/file-CORE/documents/jahrbuch/06/Koenig-dt.pdf, S. 92. Vgl. Bericht der IIFFMCG, Bd. II, a.a.O., S. 11f. 
  11. Siehe Светлана Червонная: Абхазия-1992; Посткоммунистическая вандея, bei Наша Абхазия, 26.01.2006, online unter https://abkhazeti.info/war/2006012625576883383764.php, in russischer Sprache. 
  12. Siehe Anton Shekhovtsov, Andreas Umland: Analyse; Die Entstehung des ukrainophonen parteiförmigen Rechtsextremismus in der Ukraine der 1990er, bei Bundeszentrale für politische Bildung, 13.06.2012, online unterhttps://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/138428/analyse-die-entstehung-des-ukrainophonen-parteifoermigen-rechtsextremismus-in-der-ukraine-der-1990er/
  13. Einen umfangreichen Bericht dazu verfasste Human Right Watch: Georgia/Abkhazia: Violations of the Laws of War and Russia’s Role in the Conflict, in: HRW Arms Project Reports. Band 7, Helsinki, März 1995, online unter https://www.hrw.org/reports/pdfs/g/georgia/georgia953.pdf
  14. Wortlaut des Abkommens von Sochi bzw. Dagomys vom 24.06.1992: Соглашение „О принципах урегулирования грузино-осетинского конфликта“ in russischer Sprache bei Charta Caucasica online unter http://www.caucasica.org/docs/detail.php?ID=1329&PHPSESSID=85ce24d286e083a2941a5edb041f4078, in Englisch unter https://peacemaker.un.org/sites/peacemaker.un.org/files/GE%20RU_920624_AgreemenOnPrinciplesOfSettlementGeorgianOssetianConflict.pdf
  15. Siehe „Battle for the South Ossetia, August 2008„, bei All World Wars, online unter https://www.allworldwars.com/Battle%20for%20the%20South%20Ossetia%20August%202008.html
  16. Vgl. Vyacheslav Tseluiko: Georgian Army Reform under Saakashvili prior to the 2008 Five-Day-War, in: Ruslan Pukhov (Hrsg.): The Tanks of August, Centre for Analysis of Strategies and Technologies, Moskau, 2010, S. 15 – 33, in englischer Sprache online unter http://cast.ru/files/The_Tanks_of_August_sm_eng.pdf. . 
  17. Siehe Marietta S. König, a.a.O., S. 99f. „Im Zuge seiner Bemühungen, die internationale Gemeinschaft stärker in die Konfliktlösung einzubinden, stellte Präsident Saakaschwili am 21. September 2004 vor der VN-Vollversammlung einen Dreistufenplan zur Lösung des Südossetien- und des Abchasienkonflikts vor“, der nie detaillierter ausgearbeitet wurde. Vgl. auch Uwe Halbach: Der »Süd-Ossetien-Krieg«: Die regionale Dimension, in Russland Analysen Nr. 169, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa19.09.2008, S. 2 – 4, online unter https://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen169.pdf.
  18. Siehe Marietta S. König, a.a.O., S. 92f
  19. Siehe Otto Luchterhandt: Völkerrechtliche Aspekte des »Georgien-Krieges« (2008), in Russland Analysen Nr. 169, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa, 19.09.2008, S. 5 – 7, online unter https://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen169.pdf. „Ebenso nämlich wie Süd-Ossetien als »stabilisiertes de facto-Regime« einerseits an das allgemeine Gewaltverbot der UN-Charta gebunden ist und von diesem Verbot (auch) gegenüber Georgien geschützt wird, kann es andererseits das »naturgegebene« Selbstverteidigungsrecht (inherent right) und daher auch Hilfe von außen für sich in Anspruch nehmen“.
  20. Siehe Luchterhandt, a.a.O.: „Zwar war Süd-Ossetien zu diesem Zeitpunkt formell ein Teil des georgischen Staates, aber Georgien war auch ihm gegenüber an das allgemeine Gewaltverbot gebunden, denn dieses schützt nach herrschender Meinung auch »stabilisierte de facto-Regime«, d. h. staatsähnliche Gebilde mit partieller Völkerrechtsfähigkeit.“ und „Georgien hat durch den Angriff auf Süd-Ossetien außerdem seinen 1992/1996 vertraglich übernommenen Verzicht auf Gewaltanwendung gebrochen“. Vgl. Meike May: Die Anerkennung von De-facto-Staaten – völkerrechtliche Überzeugung oder sicherheitspolitische Interessen? Ein Vergleich zwischen den Fällen Abchasien, Südossetien und Kosovo. Bei Kieler Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 52, März 2022, online unter https://www.ispk.uni-kiel.de/de/publikationen_neu/kieler-analysen-zur-sicherheitspolitik/2022/KAzS_52_May_Die%20Anerkennung%20von%20De-facto-Staaten%20-Final%20Version-%2028.03.2022.pdf. „Das Völkerrecht erkennt stabilisierte De-facto-Regime als partielle Völkerrechtssubjekte an. Als solche sind sie durch das Gewaltverbot (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta) und das Interventionsverbot (Art. 2 Abs. 7 UN-Charta) vor einer gewaltsamen (Wieder-)Eingliederung geschützt“, und „De-facto-Staaten sind zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge befugt“. 
  21. Siehe „Georgia not planning to recognise Kosovo-minister„, bei Reuters, 18.02.2008, online unter https://www.reuters.com/article/latestCrisis/idUSL18159629/ und „Kosovo’s proclaimed independence provokes mixed responses from international community„, bei Xinhua, 17.02.2008, online unter http://news.xinhuanet.com/english/2008-02/18/content_7620326.htm
  22. Siehe „EU concerned at Russian moves on Abkhazia„, bei Reuters, 10.03.2008, online unter https://www.reuters.com/article/asiaCrisis/idUSL10832593. Georgien hat die Unabhängigkeit des Kosovo übrigens bis heute nicht anerkannt.
  23. Siehe „Three Injured in Attack on Georgian Convoy in S.Ossetia„, bei Civil Georgia, Tbilisi, 03.07.2008, online unter https://old.civil.ge/eng/article.php?id=18674?id=18674. Vgl. Bericht der IIFFMCG, Bd. II, a.a.O. S. 204f. Vgl. zum Verlauf der Krise Anton Lavrov, a.a.O., S. 44 – 46.
  24. Siehe „Georgia Says its Armored Vehicle Blown Up„, bei Civil Georgia, Tbilisi, 07.08.2008, online unter https://old.civil.ge/eng/article.php?id=18924. Vgl. Bericht der IIFFMCG, Bd. II, a.a.O., S, 207f. 
  25. Siehe „Georgia reports ‘large-scale battles’ in rebel region„, bei Agence France-Presse, 07.08.2008,“, online unter  http://news.yahoo.com/s/afp/20080807/wl_afp/georgiasossetiarussiaunrestbattle_080807131144 und „Цхинвали подвергся артобстрелу, заявляет Миноброны Южной Осетии“ bei RIA Novosti, 07.08.2008, online unter https://ria.ru/20080807/150168004.html. Vgl. Bericht der IIFFMCG, Bd. II, a.a.O., S, 208.
  26. Siehe Bericht der IIFFMCG, a.a.O., Bd. II, S. 207f. Vgl. Anton Lavrov, a.a.O., S. 44f.
  27. Siehe Anton Lavrov, a.a.O., S. 46 – 48 und zum Verlauf des georgischen Angriffs auf Zchinwali S. 50 – 55. 
  28. Quelle: d-maps.com, online unter https://d-maps.com/carte.php?num_car=26408&lang=de
  29. Zum Ablauf der Kämpfe vom 7. bis zum 10. August siehe IIFFMCGH, Bd. II, a.a.O., S. 209 – 211. Vgl. „Chronik des Krieges in Südossetien“, bei RIA Novosti, online unter http://de.rian.ru/analysis/20080819/116140896.html. Vgl. auch Anton Lavrov, a.a.O., S. 49, zur Alarmierung der russischen Armee, S. 51, zur Besetzung der Brücke von Gufti durch russische Truppen am 08.08.2008 und S. 55 – 57, zum beginnenden Gegenangriff der Russen. 
  30. Siehe Anton Lavrov, a.a.O., S. 47 und 64. 
  31. Quelle: d-maps.com, online unter https://d-maps.com/carte.php?num_car=26408&lang=de
  32. In einem Interview mit dem Tagesspiegel im März 2022 hat die georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili den Krieg in der Ukraine mit jenem in Georgien 2008 verglichen. Siehe ihren Eintrag bei Twitter:https://twitter.com/Tagesspiegel/status/1504471254392209415
  33. Siehe Gideon Rachman: Did Dick Cheney want to start a war with Russia? in: Financial Times. 19.02.2010, online unter https://www.ft.com/content/3189c20b-251d-3345-a475-0d9093a98567 und Ben Smith: U.S. pondered military use in Georgia, bei Politico, 02.03.2010, online unter https://www.politico.com/story/2010/02/us-pondered-military-use-in-georgia-032487. Vgl. Uwe Halbach: Der »Süd-Ossetien-Krieg«: Die regionale Dimension, in Russland Analysen Nr. 169, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa19.09.2008, S. 2 – 4, online unter https://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen169.pdf. Vgl. auch Peter Finn: A Two-Sided Descent Into Full-Scale War, bei Washington Post Foreign Service, 17.08.2008, online unter https://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/08/16/AR2008081600502_pf.html
  34. Siehe Monika Polzin: Hat das Völkerrecht die (Atom-)Waffen gestreckt? Nordkorea und ein potentieller Militärschlag der USA, bei Verfassungsblog, 2017/9/13, online unter https://verfassungsblog.de/nordkorea-und-ein-potentieller-militaerschlag-der-usa/#:~:text=Webster%2DFormel%20aus%20dem%20Jahre,moment%20for%20deliberation.%E2%80%9D).. 
  35. Siehe Wolfgang Richter: „Er war eher auf die Zerstörung der politischen Entscheidungs- und Kommunikationszentren der südossetischen Behörden gerichtet als auf Feuerunterstützung für georgische Truppen“.
  36. Siehe Brian Rohan: Saakashvili „planned S. Ossetia invasion“, bei Reuters, 14.09.2008, online unter https://www.reuters.com/article/wtMostRead/idUSLD12378020080914. Vgl. Wolfgang Richter: „Der Beschuss [der Stadt Zsinwali] war durch die offene Feldlagerung von Munition bei den Feuerstellungen logistisch gut vorbereitet worden“ und „Der endgültige Befehl des Präsidenten am 7. August um 23.35 Uhr löste lediglich die massive Feuereröffnung und den Angriff der Streitkräfte aus, die bereits im Feld in Gefechtsordnung zum Angriff bereit standen und sich schon in Gefechtsberührung mit südossetischen Kämpfern befanden. Offensichtlich waren ihre logistischen und taktischen Vorbereitungen, auch die an der Frontlinie, weit vorher begonnen worden.“
  37. Siehe Bericht der IIFFMCG, Bd. II, a.a.O., S. 251.
  38. Zu den georgisch kontrollierten Grenzgebieten bei Akhalgiri/Leningor bis Kareltkari, Sidani, Artsevi, Eredvi, Avnevi, Lopani und Karzmani bestanden direkte Straßenverbindungen und von diesen aus weitere in die weiter im Inneren Südossetiens gelegenen Gebiete von Kulbits – Disevi, Vanati – Zonkari, Mamita – Kekhvi und Nuli. Die Kontrolle des Gebiets Mamita – Kekhvi hätte gleichzeitig die Kontrolle der Achse Dzhava – Tskhinvali erlaubt. Die Verbindungen zu diesen Gebieten offenzuhalten wäre eine sinnvolle Antwort nach einer Unabhängigkeitserklärung Südossetiens gewesen, die einen Bruch des Waffenstillstands von Sochi dargestellt hätte. Danach hätte die georgische Regierung einen Abzug der russischen Peacekeeper fordern können, deren Anwesenheit in Tskhinvali dann gegenstandlos gewesen wäre. Ein Stoß in die Stadt Tskhinvali war in einem derartigen Szenario sinnlos.
  39. Zum Begriff der Putativnotwehr (Sachverhaltsirrtum) siehe Marc Thommen: Strafrecht I, Unterrichtsgrundlage der Universität Zürich, online unter file:///C:/Users/USER/Downloads/0809_StGB_AT_I_2015_Wahrung_berechtigter_Interessen_Notwehr.pdf. Art. 13 des schweizerischen Strafgesetzbuchs: „Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat“. Zur österreichischen Rechtsauffassung und -praxis siehe Rechtsinformationssystem des Bundes, online unter https://www.ris.bka.gv.at/JustizEntscheidung.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20061218_OGH0002_0140OS00073_06A0000_000&IncludeSelf=False: „Putativnotwehr liegt vor, wenn der Handelnde sich irrtümlich angegriffen wähnt, ohne es in Wahrheit zu sein, dh eine Situation annimmt, die ihn, läge sie wirklich vor, zu seinem Tun aus dem Grunde der Notwehr berechtigen würde“.
  40. Zu solchen Bestrebungen siehe Bericht der IIFFMCG, Bd. II, a.a.O., S. 115f.
  41. Siehe Tara Bahrampour: Georgians Question Wisdom of War With Russia, President’s Future At Stake, Some Say, bei The Washington Post, 09.09.2008, online unter https://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/09/08/AR2008090802449.html. Vgl. Marietta König: „Stattdessen greifen die vornehmlich jungen und kriegsunerfahrenen neuen Machthaber in Tiflis immer wieder übereilt auf als Polizeiaktionen getarnte halbmilitärische Aktionen zurück“, a.a.O., S. 103
  42. Siehe Uwe Halbach: Der »Süd-Ossetien-Krieg«: Die regionale Dimension, in Russland Analysen Nr. 169, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde/Forschungsstelle Osteuropa19.09.2008, S. 2 – 4, online unter https://www.laender-analysen.de/russland/pdf/Russlandanalysen169.pdf
  43. Siehe „Nato-Chef: Südossetien-Bericht ohne Folgen für Beitrittsperspektiven Georgiens“, bei RIA Novosti, 07.10.2009, online unter http://de.rian.ru/world/20091007/123394811.html
  44. Siehe „CONPLAN 4567 Caspian Guard – Common Training Scenario„, bei Global Security.org, online unter https://www.globalsecurity.org/military/ops/caspian-guard-cts.htm. Vgl. James Marson, Julian E. Barnes: After Multiple Invasions, the U.S. Army Is Getting Tired of Liberating Atropia, bei The Wall Street Journal, 11.09.2017, online unter https://www.wsj.com/articles/after-multiple-invasions-the-u-s-army-is-getting-tired-of-liberating-atropia-1505144872. Der Verfasser selbst hat dieses Szenario an einer Übung der NATO miterlebt.
  45. Siehe Carl von Clausewitz: Vom Kriege; hinterlassenes Werk des Generals Carl von Clausewitz, Berlin 1832–1834 (hrsg. von Marie von Clausewitz). Erstes Buch: Über die Natur des Krieges. Im Zweiten Kapitel davon, „Zweck und Mittel im Kriege“, lässt Clausewitz sich darüber aus. Eine elektronische Version des Werks findet sich online unter https://clausewitzstudies.org/readings/VomKriege1832/Book1.htm#1-8
  46. Der Verfasser konnte in seiner Ausbildung im Hinblick auf seinen Einsatz als Chef der Operationsplanung der Schweizer Armee weder in der Schweiz noch an NATO-Akademien entsprechende Lektionen genießen. 
  47. John A. Warden ist der Schöpfer der modernen Luftangriffsdoktrin, welcher mittlerweile die Luftstreitkräfte der NATO-Staaten huldigen. Seine Hauptwerke sind: Success in Modern War: A Response to Robert Pape’s Bombing to Win, Security Studies, Winter (9) 1995, S. 87–93, online unter https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/09636419708429345The Air Campaign, Planning for Combat, Washington, D.C. 1988, online unter https://apps.dtic.mil/sti/pdfs/ADA259303.pdfThe Gulf War: How WWII Lessons Influenced Planning and Execution in From Total War to Total Victory, in: Cantigny Military History Series, March 1995, S. 277-286. The New American Security Force, Airpower Journal, Fall (13) 1999, online unter https://www.airuniversity.af.edu/Portals/10/ASPJ/journals/Volume-13_Issue-1-4/1999_Vol13_No3.pdfThe Enemy as a system, in: Airpower Journal, Spring 1995, S. 41-55, online unter https://www.airuniversity.af.edu/Portals/10/ASPJ/journals/Volume-09_Issue-1-Se/1995_Vol9_No1.pdfAir Theory for the Twenty-First Century, online unter http://www.airpower.maxwell.af.mil/airchronicles/battle/chp4.html, in: Barry R. Schneider, Lawrence E. Grinter: Battlefield of the Future, 21st Century Warfare Issues, in: Air War College Studies in National Security No. 3, Maxwell Air Force Base, Alabama, September 1999, online unterhttps://www.airuniversity.af.edu/Portals/10/CSDS/Books/battlefield_future2.pdf, S. 103-124.