Mit einem Russland-freundlichen Buch quer durch Deutschland
Ich lebe seit 32 Jahren als Journalist in Moskau und schreibe für deutsche Medien. Anfang Februar fuhr ich zwei Wochen mit meiner Frau Swetlana, einer Russin, mit dem Auto durch Deutschland, um mein Buch „Mein Weg nach Russland. Erinnerungen eines Reportes“ auf Lesungen vorzustellen. In dem Buch geht es auch um meine Familie und um meinen Vater, der nie bereut hat, dass er am Überfall auf Russland 1941 beteiligt war.
Bei den Diskussionen mit den Teilnehmern der Lesungen wurde deutlich, dass es eine große Neugier gibt, zu erfahren, wie die Menschen in Russland heute leben und denken. Aber ich spürte aber auch eine große Ratlosigkeit darüber, wie man mit der von den großen deutschen Medien angestachelten Russophobie in Deutschland umgehen kann. Mir scheint, Russophobie und Kriegsangst halten uns gefangen, als seien wir von einer Schlange hypnotisiert. Für mich ist klar, nur mit beharrlicher Aufklärung können wir die Kriegstreiber stoppen.
Ausgebuchte Veranstaltungen in Berlin
Eine Lesereise zu organisieren, war für mich neu. Ich hatte keine Kontakte zu Veranstaltern. Und wie findet man einen Raum? Ich hatte gehört, wie schwer es in Deutschland ist, Räume für Russland-freundliche Veranstaltungen zu finden. Auch hatte ich Angst, dass es zu Störungen von Ukraine-Fanatikern kommt. Von einem guten Bekannten in Berlin bekam ich den Tipp, mich an die Gruppe „der andere Blickwinkel“ zu wenden. Diese Gruppe veranstaltet regelmäßig in einem Raum für 60 Personen in Berlin-Mitte politische Diskussionsveranstaltungen. Schließlich hatte ich Udo Kriegsmann – einen Aktivisten dieser Gruppe – am Telefon. Wir vereinbarten für den 2. Februar die Auftaktveranstaltung der Lesereise im Veranstaltungsort „der Raum“ in der Rungestraße 20. Mit einer Rund-Mail informierte die Gruppe „Der andere Blickwinkel“ über die Lesung und bat Interessenten, sich anzumelden.
Nun passierte etwas Überraschendes. Je näher der Termin rückte, desto mehr Anmeldungen kamen, und kurz vor dem 2. Februar bat mich Udo Kriegsmann, an dem Ort in Berlin-Mitte noch eine zweite Lesung zu machen. Das war möglich, weil wir am Mittag des 1. Februar mit dem Flugzeug in Berlin ankamen und der Abend des 1. Februar noch nicht verplant war.
Am Abend des 1. Februar war der Saal in der Rungestraße – wie auch einen Tag später – voll. Da es am ersten Abend keine Lautsprecheranlage gab, musste ich laut sprechen. Dieser Umstand, die Anstrengungen der Anreise und das dramatische Thema – eine Erzählung darüber, wie ich mit meinen Vater 1997 ein Dorf vor Moskau besuchte, wo er im Winter 1941 als Soldat der Wehrmacht stationiert war – führten dazu, dass ich immer wieder unterbrechen musste, weil mir die Tränen kamen. Gabriele Gysi – welche am ersten Abend moderierte – hielt mir in diesen Sekunden immer ein Glas Wasser hin, was mir half, wieder den Faden zu finden. (Globalbridge.ch hat darüber berichtet, siehe hier.)
Die beiden Lesungen in Berlin verliefen ruhig und in freundlicher Atmosphäre. Die am meisten kritische Frage von den Zuhörern war, ob Russland sich mit dem Krieg in der Ukraine nicht selbst mehr schadet als nützt.
Viele Teilnehmer der Lesung kannten einander. „Wir sind eine Blase“, wurde am Rande der Veranstaltung gewitzelt. Es war für mich offensichtlich, dass diejenigen, welche unter der antirussischen und Kriegs-Hetze leiden, sich in der Rungestraße wohlfühlten.
Entspannte Debatte in bayerischem Städtchen
Auf einen ganz anderen Menschenschlag traf ich in der nordbayerischen Stadt Paffenhofen, wo ich am 3. Februar zusammen mit Ala Goldbrunner von den „NachDenkSeiten“ aus meinem Buch las.
Zu der Veranstaltung im Hofbergsaal – direkt im Stadtzentrum – kamen 90 Personen. Das war keine „linke“ oder „Russland-freundliche“ Szene wie in Berlin und später Hamburg, sondern es waren vorwiegend einfache Bürger, welche vermutlich die Gelegenheit nutzten, mal einen Journalisten zu erleben, der in Moskau lebt und arbeitet.
Veranstalter war der Verein „Freundschaft mit Valjevo“. Der Verein wurde 1999 unter dem Eindruck der Bombardierung serbischer Städte gegründet. Der Verein ist in Pfaffenhofen durch seine Arbeit bekannt. Die Lesung hatte der Verein gut vorbereitet. In dem Städtchen mit seinen 27.000 Einwohnern waren Stellschilder aufgestellt worden, mit denen für die Lesung geworben wurde.
Auf der Lesung wurden sehr unterschiedliche Fragen gestellt. So wollten Zuhörer wissen, wie wir von Russland nach Deutschland gekommen sind. Ich antwortete: „Über Athen.“ Eine Frau fragte, ob ich nicht Angst habe, dass ich bei „den Russen“ in Misskredit komme, weil ich nach Deutschland gefahren bin. Ich verneinte die Frage. Es wurde gefragt, wie die Russen zu Gorbatschow stehen. Ich sagte, dass die meisten Russen Michail Gorbatschow und Boris Jelzin für Staatszerfall und soziale Verelendung in den 1990er Jahren verantwortlich machen.
Mehrere Personen, die mit Russen Kontakte haben, stellten Fragen zur Praxis Soldaten-Mobilisierung und was heute in Russland als „politisch verdächtig“ verfolgt wird.
Mein Ansatz bei den Lesungen war nicht die große Politik. Ich begann die Lesung mit einer Erzählung über die Beziehung mit einer Moskauerin, die ich 1994 in der U-Bahn kennenlernte. Ich las dann eine Erzählung über eine Reise mit meinem Vater 1997 in das Dorf vor Moskau, wo er als Soldat der Wehrmacht stationiert war und davon träumte, mit der Wehrmacht über den Roten Platz zu marschieren. Es folgte eine Erzählung über eine Familie in Kiew, bei der ich 1992 länger lebte und über meine Probleme mit deutschen Redaktionen, die schon in den 1990er Jahren versuchten, meine Berichterstattung in eine bestimmte Richtung zu lenken.
„Warum wird die Blockade von Leningrad totgeschwiegen?“
Am 7. Februar las ich mit Ala Goldbrunner in Leipzig im „Felsenkeller“. 70 Zuhörer waren gekommen. Während der Veranstaltung – die überwiegend von älteren Personen besuchte wurde – merkte ich, wie stark die emotionalen und biographischen Bezüge der Ostdeutschen zu Russland noch sind. Viele der Anwesenden hatten in der Sowjetunion studiert oder gearbeitet oder hatten in der Schule die russische Sprache gelernt.
Veranstaltungsleiter Hartmut Kästner von der Leipziger Bürgerinitiative „Gute Nachbarschaft mit Russland“, stellte in seinem Einleitungswort aber fest, „es ist ein Abdriften unserer Mentalität und unserer Beziehungen zu Russland festzustellen. Die Jugend lernt das nicht mehr und hat in dieser Hinsicht keine Erlebnisse mehr. Und unsere Parteien, inclusive der Parteien, die eigentlich dem linken Spektrum angehören, tun nichts oder viel zu wenig, um eine Verständigung mit Russland herbeizuführen, und tun viel zu wenig, um dem Russenhass entgegenzutreten, der sich bei uns in einer ungeahnten Weise breit macht.“
Ein Teilnehmer der Lesung in Leipzig, der von 1969 bis 1974 in Leningrad studiert hatte, erklärte, wie sehr er betroffen sei, dass das offizielle Deutschland den diesjährigen 80. Jahrestages des Endes der deutschen Hungerblockade gegen Leningrad mit einer Million Toten am 27. Januar mit Schweigen überging. Der Teilnehmer erzählte, er nähme bis heute an Absolvententreffen der ehemaligen Leningrader Studenten teil. Als Deutscher sei er bei diesen Treffen „nicht der Faschist“.
Eine andere Teilnehmerin erklärte, sie sei wütend, weil die Stadt Leipzig die Umbenennung des General-Watutin-Prospektes in Kiew in Roman-Schuchewytsch-Prospekt mitfinanziert habe. Roman Schuchewytisch war Oberbefehlshaber der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), die im Zweiten Weltkrieg an der Seite der deutschen Wehrmacht kämpfte. Unter Führung des Sowjetgenerals Watutin wurde Kiew 1943 von der Nazi-Wehrmacht befreit. Andere Teilnehmer erzählten, dass in Leipzig Denkmäler und Straßen, die mit der Sowjetunion zu tun haben, verschwinden oder von der Umbenennung bedroht sind.
„Du hast dich das ganze Leben an deinem Vater abgearbeitet“
Am 8. Februar las ich mit Ala Goldbrunner in meiner Heimatstadt Hamburg, wo ich mit Unterbrechungen die ersten 38 Jahre meines Lebens verbracht habe. 120 Zuhörer saßen im große Saal des Rudolf-Steiner-Hauses am Mittelweg.
Zu Beginn der Lesung bedankte sich Veranstaltungsleiter Udo Fröhlich vom Hamburger Gesprächskreis der „NachDenkSeiten“ bei der Leitung des Rudolf-Steiner-Hauses, dass der Saal zur Verfügung gestellt worden war, was ja angesichts des politischen Klimas in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist.
Auf mich wirkte das Publikum in meiner Heimatstadt steif, obwohl es nach meinen Beiträgen Zwischenapplaus gab. War das die norddeutsche Zurückhaltung oder hatte diese Steifheit etwas mit der Corona-Zeit zu tun? Haben die Menschen in Deutschland heute Angst, sich in der Öffentlichkeit ungezwungen zu verhalten, weil der Nachbar in der Sitzreihe einen vielleicht später als „Putin-Freund“ verpetzt?, fragte ich mich.
Vielleicht hätte eine Musikeinlage geholfen, die Stimmung etwas aufzulockern, so wie bei der Lesung in Frankfurt am Main, wo Ernesto Schwarz, ein bekannter Straßen-Künstler, ein Friedenslied und zwei russische Lieder zur Gitarre sang, was belebte und ein paar anwesende Russen zum Mitsingen animierte.
Immerhin wurden in Hamburg 46 Bücher von mir verkauft und viele baten, dass ich das Buch signiere. Bei diesen Signierungen konnte ich ein paar persönliche Worte wechseln. Das war für mich angenehmer, als von Vorne zum Publikum zu reden.
Warum hast Du Dich Dein ganzes Leben an Deinem Vater abgearbeitet?, fragte am Ende der Hamburger Veranstaltung Holger Griebner vom Hamburger Forum, das Mitveranstalter der Lesung war. Eine ähnliche Frage wurde auch auf der Lesung in Bremen gestellt. Ich antwortete, dass es für mich nur zwei Wege gab, entweder so zu werden, wie mein konservativer Vater, oder aber dass ich einen völlig anderen Weg einschlage.
„Die Rote Armee wird in Deutschland kaum noch erwähnt“
Am 9. Februar ging es dann nach Nordrhein-Westfalen. In Aachen las ich – zusammen mit Ala Goldbrunner – im „Welthaus“. Der Saal war mit einem Transparent geschmückt. Darauf stand auf Deutsch und Russisch, „Frieden ist nur möglich mit und nicht gegen Russland.“
Der Veranstaltungsleiter Walter Schumacher erklärte, dass das Transparent von einer Gruppe von zwölf Leuten aus Aachen auf einem Marsch in Moskau am 9. Mai 2019 getragen wurde. Es war der Marsch des „Unsterblichen Regiments“, der seit 2012 jedes Jahr in Moskau stattfand. Bei dem alljährlichen Marsch tragen Angehörige von Sowjetsoldaten die Porträts ihrer Großväter, die gegen die deutsche Wehrmacht gekämpft haben. Walter Schumacher berichtete, „ich war mir nicht sicher, ob das mit unserer Teilnahme gut geht. Aber ich bin in meinem Leben noch nie so häufig freundlich begrüßt worden wie von den Russen auf dieser Demonstration.“
Die Diskussion in Aachen wurde eingeleitet mit dem Beitrag einer Teilnehmerin, die darauf hinwies, dass Bärbel Bas, die Präsidentin des deutschen Bundestages, in diesem Jahr bei der Gedenkveranstaltung zur Befreiung von Auschwitz nicht erwähnt hatte, dass es die Rote Armee war, die Auschwitz am 27. Januar 1945 befreite. Auch habe der Bundestag es dieses Jahr nicht fertiggebracht, der Hungerblockade von Leningrad zu gedenken. „Ist das nicht eine bewusste Geschichtsklitterung unserer Parlamentarier?“, fragte die Teilnehmerin.
Ich antwortete auf den Beitrag der Teilnehmerin, „Leningrad liegt weit weg. Auschwitz liegt näher und in Polen. Das kann man nicht einfach totschweigen.“ Die Bundesregierung – so führte ich weiter aus – habe in den letzten Jahren jüdische Blockadeopfer in St. Petersburg finanziell unterstützt. Das sei höchst fragwürdig, denn die Bundesregierung nehme nicht das sowjetische Volk als Kriegsopfer insgesamt in den Blick, sondern man picke sich von deutscher Seite Gruppen in der russischen Gesellschaft heraus, die man unterstützt, wie zum Beispiel russische Juden und russische Liberale.
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko vom „Bündnis Sarah Wagenknecht“, der an der Veranstaltung in Aachen teilnahm, erklärte, die Rote Armee werde in Deutschland „immer weniger“ erwähnt. „Die Hungerblockade von Leningrad ist in Deutschland kaum bekannt. Sie wird ausgeblendet. Man passt im Grund genommen Geschichtsbilder einer geopolitischen Situation an.“ Hunko erklärte, er sei auch bestürzt gewesen, dass die jüdische Vertreterin bei der Gedenkveranstaltung im Bundestag die Rote Armee zwar als Befreierin von Ausschwitz erwähnte, gleichzeitig setzte sie aber den 7. Oktober 2023 mit der Judenvernichtung durch der Nazis gleich.
Warum sind die Russen gegenüber den Deutschen nicht nachtragend?
Auf der Lesung in Aachen ging es auch um das Verhältnis von Deutschen und Russen zueinander. Ein Teilnehmer in Aachen erzählte, dass er bei Russen keine Feindseligkeit gegenüber den normalen Deutschen spüre, trotz des Vernichtungskrieges, den die Wehrmacht in der Sowjetunion führte. Eigentlich müssten die Russen eine unterschwellige Feindseligkeit gegen die Deutschen haben. Dass das nicht so sei, hänge wohl damit zusammen, dass die Russen eine Parallele zu den Deutschen sehen. Russen und Deutsche lebten in einer Diktatur. Der Unterschied sei aber, „dass die Russen zwischen der Obrigkeit und dem normalen Volk unterscheiden. Die Russen wissen, dass die Russenfeindlichkeit von der deutschen Obrigkeit angestachelt wird.“
Ich erklärte, dass es in Russland absolut keine Deutschfeindlichkeit gibt und dass ich mich in Russland als Deutscher nicht bedroht fühle. In den russischen Medien wird die Hauptkritik gegen Biden und das Pentagon geführt.
Außerdem führte ich aus, dass die Menschen in Ostdeutschland nicht so anfällig sind für Russophobie, weil es in der DDR künstlerisch wertvolle Filme gab, welche den Ostdeutschen ermöglichten, den Zweiten Weltkrieg mit den Augen der Sowjetbürger zu sehen. Ich verwies auf den DDR-Film „Die Abenteuer des Werner Holt“, die Verfilmung eines gleichnamigen Romanes https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Abenteuer_des_Werner_Holt von Dieter Noll.
Eine Teilnehmerin in Aachen erzählte von einer Literatur-Gruppe, an der sie teilnahm. Dort schilderte ein Teilnehmer, wie er in Russland gelitten habe. Die ganze Gruppe fühlte mit dem Mann mit, dabei war er als Soldat und Eroberer in Russland gewesen. Die Teilnehmerin in Aachen fragte, „der Hass gegen die Russen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Wie kommt das?“ Ich antwortete, „die Russophobie taucht in Deutschland immer wieder aufs Neue auf. Als Geschäftsbeziehungen erwünscht waren, hat man die Russophobie runtergefahren und Verbindung mit Russland aufgenommen. Und als man dann die Nato an die Grenze von Russland vorschieben wollte, hat man Russland wieder isoliert. Die Russophobie ist wie ein Ballon, der immer wieder aufgeblasen wird.“
Andrej Hunko: „Gibt es in der deutschen Elite eine Spaltung?“
Gegen Ende der Lesung in Aachen fragte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, wie die unterschiedlichen Signale einzuschätzen seien, die zum Krieg in der Ukraine aus Deutschland und den USA kommen. „Wird es eine weitere Eskalation geben oder wird man beidrehen?“ Als ungewöhnliche Signale wertete Hunko, dass Armin Coerper, Moskau-Korrespondent des ZDF, für eine Reportage nach Mariupol geschickt wurde, was es seit 2018 nicht mehr gegeben hatte. Das sei „kein Zufall“, dass jemand vom ZDF in die „Volksrepublik Donezk“ fahren darf, sagte Hunko.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen war nach der Darstellung von Hunko einer der schärfsten Kriegstreiber. Vor der Münchner Sicherheitskonferenz habe Heusgen sich aber für „Minsk-3“ – also eine Verhandlungslösung – ausgesprochen. Auf die Frage von Hunko antwortete ich, dass die westlichen Eliten von Anfang an das Ziel hatten, einen dauernden Konfliktherd vor Russlands Grenze zu schaffen, um Russland zu schwächen. Vielleicht seien die Äußerungen von Heusgen oder die ZDF-Reportage aus Mariupol auch ein Zugeständnis an die Teile der deutschen Öffentlichkeit, die noch nicht „kriegsbereit“ sind und der man noch irgendetwas anbieten muss, damit sie das Vertrauen in das politische System in Deutschland nicht verlieren.
Ich wies auch darauf hin, dass es sehr wichtig ist, dass die Friedensfreunde die Informationsblockade über die Zustände in der Ukraine durchbrechen, dass wir Geld sammeln müssen, um Veranstaltungen zu organisieren und Übersetzungen von Original-Dokumenten und Interviews mit Ukrainern und Russen ins Deutsche übersetzen zu können. Wir müssen Zeugenaussagen über Menschenrechtsverletzungen und die Verfolgung der Opposition in der Ukraine veröffentlichen.
Sind die USA und England an allem schuld?
Bremen war am 12. Februar die letzte Station meiner Lesereise. Dort gab es eine spannende Debatte über die Rolle der Propaganda und die Rolle von England und den USA im Ukraine-Krieg. Ein Zuhörer erklärte, es gäbe inzwischen historische Erkenntnisse, dass das englische Imperium und das US-Imperium den ersten, den zweiten und den jetzt beginnenden dritten Weltkrieg angezettelt und aus dem Hintergrund auch finanziert haben. Die Kriegspropaganda in den Weltkriegen „war vom US-Imperium erwünscht. Oder ist es wirklich in der deutschen Seele verankert, dass sie die Russen hassen müssen?“
Ich antwortete: „Ich habe nie gesagt, dass der Russenhass in der deutschen Seele verankert ist. Aber jedes Volk befindet sich nun mal in einer geopolitischen Lage. Deutschland liegt in Europa und östlich von uns gibt es ein Land mit Rohstoffen. Deutschland hat nicht so große Kolonien gehabt wie England und Frankreich. Deshalb wird in der Linken schon lange diskutiert, dass die räumliche Lage Deutschlands ein Grund ist für den deutschen´Drang nach Osten´.“
Weiter sagte ich, „dass die englischen Konzerne Schuld sind an der Russophobie, mag teilweise stimmen, aber ich bin deutscher Staatsbürger und mich interessiert erstmal, was macht unsere Regierung, wie äußert sie sich, wo lenkt sie die Geldströme hin. Ich glaube, jede Regierung ist für ihre Taten verantwortlich. Und es sind ja deutsche Staatsbürger, die in der deutschen Regierung sitzen, keine Engländer und auch keine Amerikaner. Und jetzt, wo North-Stream 2 gesprengt wurde und das nicht untersucht wird, hat man schon den Eindruck, dass große Teile der deutschen Elite zu 110 Prozent amerikanische und englische Interessen vertreten.“
Angst unter den Russen in Deutschland
Eine Teilnehmerin, die aus der ehemaligen Sowjetunion nach Bremen übergesiedelt war, schüttete in einem sehr emotionalen Beitrag ihr Herz aus. Die Dame erzählte, sie sei in Deutschland im universitären Bereich und Anfang der 2000er Jahre auch im deutschen Schüleraustausch mit Russland tätig gewesen. Die gebürtige Russin erzählte, dass sie es oft erlebt habe, dass sich Deutsche gegenüber Russen überheblich und unsensibel verhalten. Sie brachte einige Beispiele. Als sie an einer deutschen Universität auf einer Veranstaltung den deutschen Russland-Forscher Wolfgang Eichwede zitierte, sagte man ihr, ´Oh, Du hast Eichwede gelesen. Wieso denn das?´ Sie habe geantwortet, dass das während des Studiums in der Sowjetunion ganz normal war. Darauf habe man ihr gesagt, ´Du bist Kommunistin. Ihr musstet euch wahrscheinlich unter Zwang damit beschäftigen.´
Ein anderes Mal als sie mit einer deutschen Delegation an einer Schule in Moskau war, wo eine Gedenkfeier für eine Schulleiterin stattfand, die im Zweiten Weltkrieg fiel, standen alle Russen im Saal zu Ehren der Schulleiterin auf. Doch die deutsche Delegation blieb sitzen.
Schließlich kam die Teilnehmerin auf die russische Community in Deutschland zu sprechen. Die Russen in Deutschland lebten heute „in Angst“. Es sei schwer, Menschen aus dieser Community dazu zu überreden, Veranstaltungen zu besuchen. Viele hätten Angst, „als Russen erkannt zu werden. Ist das nicht schrecklich? Ich wünsche mir sehr, dass Möglichkeiten geschaffen werden, um miteinander ins Gespräch zu kommen.“ Die Teilnehmer der Veranstaltung applaudierten.
Meine Reise nach Deutschland hat mir neuen Antrieb gegeben, in der Aufklärungsarbeit über das, was in Russland passiert und wie die Russen denken und fühlen, nicht nachzulassen.
Die Information des Wiener Verlages Promedia über mein Buch „Mein Weg nach Russland. Erinnerungen eines Reporters“ Mein Weg nach Russland | Promedia VerlagPromedia Verlag (mediashop.at)
Zum Thema Aushungerung der Bevölkerung von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht vor 80 Jahren hier (auf Globalbridge.ch)