Wechselnde Preise in Donezk – und eine Kaufkraft, die mit der Euro-Zone nicht zu vergleichen ist
(Red.) Wo wir Westeuropäer, zum Beispiel wir Schweizer im Tessin beim Biobauer, für 6 Eier 5 Franken (oder also etwa 5 Euros) zahlen, also 83 Rappen oder Eurocents pro Ei, erhält man im Donbass für einen Franken (oder einen Euro) 7, 8 oder sogar mehr Eier. Ein Paradies? Im Gegenteil! Das Einkommen der Menschen dort ist viel tiefer, die meisten Menschen müssen jeden einzelnen Rubel zählen. Bei Preisvergleichen gilt es also immer, an die Kaufkraft einer Währung, an die Preise im Laden und an die Einkommen der Bewohner der Region zu denken. Zurzeit entspricht 1 Franken (oder 1 Euro) etwa 83 Rubel. Unsere Korrespondentin in Donezk schildert, wie dort aber schon eine Preisveränderung um 5 Rubel eine Rolle spielt.
In unserem ohnehin schweren Kriegsalltag gibt es ein jahrelanges Problem des Verhältnisses der Preise in der DVR zu denen in Russland, genauer: in Moskau. Nachdem unsere Landsleute aus verschiedenen Regionen Russlands zurückgekehrt waren, berichteten sie stets über die dortigen Preise und so konnten wir sie mit unseren vergleichen. Und wie es sich herausstellte, waren die Preise auf Grundnahrungsmittel wie Eier, Fleisch, Wurst, Milchprodukte dort in Moskau sogar niedriger, als hier bei uns. Natürlich waren wir empört: Wieso waren die Preise in der Hauptstadt Moskau niedriger als bei uns, in der Stadt, wo Kriegshandlungen stattfinden, wo es so gut wie keine funktionierenden Betriebe und Werke gibt und wo die Bevölkerung nicht so hohe Einkommen hat – im Vergleich mit jeder Region der Russischen Föderation, geschweige denn mit Moskau?! Leider änderte sich seitdem nichts … Wie der Volksmund sagt: „Des einen Tod ist des anderen Brot.“
Wie bekannt steigen die Preise immer vor Festen und Feiertagen. Konzentrieren wir uns daher auf Anfang April, weil am 16. April diesen Jahres die Orthodoxen Ostern feierten. Selbstverständlich gehören zum Osterkorb Eier und Osterkuchen (übrigens, wenn man sie selbst backt, braucht man auch Eier), und so waren die Eierpreise von grösstem Interesse für alle Bewohner des Donbass. Einige Verkäufer begannen schon Anfang April die Preise zu erhöhen. Im ersten Video, das am 4. April 2023 gedreht wurde, kann man sehen, wie die erste Verkäuferin die Preisschilder beseitigt, trotzdem fixierte die Videokamera sie – die Eier kosteten hier 95 Rubel für 10 Stück. Auf die Frage der Reporterin, warum der Preis so hoch sei, antwortet die Verkäuferin nicht und versteckt sich hinter dem Verkaufsstand. Etwas weiter entfernt empören sich die Menschen, weil sie dorthin kamen, um Eier zu kaufen, aber mit leeren Händen wieder rausgehen mussten: Der Preis beträgt sogar 100 Rubel für 10 Eier! Daneben sind Eier aus hiesiger Produktion, der Geflügelfabrik im Proletarier Bezirk von Donezk, für 95 Rubel (10 Eier) erhältlich. Eine Stadtbewohnerin sagt: „Kann man sich Eier für 100 Rubel leisten, besonders wir Rentner? In den Lebensmittelgeschäften, wo die Eier 70 Rubel kosten, geht das noch, aber in der nächsten Woche werden sie noch mehr kosten!“ Die Journalistin wendet sich an die Verkäuferin: „Die Menschen beschweren sich und sagen, der Preis sei zu hoch.“ Darauf reagiert die Verkäuferin: „Ich meine, dass es ein normaler Preis ist.“ Die Reporterin präzisiert, ob das Eier aus der Proletarier-Geflügelfabrik seien, was die Verkäuferin bestätigt und hinzufügt, die Verkäufer würden auf den Lieferpreis noch 15 Prozent aufschlagen. (So die Verkaupsspanne in der DVR; A.d.A.) Auf die Bitte der Reporterin, die Lieferscheine vorzulegen, antwortet die Verkäuferin, diese gäbe es noch nicht. In diesem Fall war es unmöglich zu erfahren, zu welchem Preis die Eier geliefert wurden und ob die Verkäufer wirklich 15 % davon aufschlagen.
An dem Ort, wo die Eier am billigsten waren, für nur 83 Rubel, erklärte die Verkäuferin Tatjana, dass sie sie laut dem vorgelegten Lieferschein am 29. März 2023 für 72 Rubel von derselben Proletarer-Geflügelfabrik erhalten habe, dazu kämen noch die 15 Prozent, sodass der Gesamtpreis 82 Rubel und 80 Kopeken, also 83 Rubel betrug. (Es gibt keine Kopeken in der DVR, alle Preise werden immer aufgerundet; A.d.A.) Genauso berechnete Tatjana noch den Gesamtpreis für eine andere Eiersorte, die sie für 78 Rubel erhielt, plus 15 Prozent, was 89,70.- ausmachte, also insgesamt 90 Rubel betrug. Die Verkäufer wussten damals noch nicht, ob die Preise erhöht würden, darüber war ihnen beim Einkauf nichts gesagt worden. Aber die Käufer glaubten eh nicht, dass die Preise auf diesem Niveaus verharren würden. „Sie sollten billiger werden, so hoffen wir, aber dann denke ich mir: Nein, es steht ein Fest vor der Tür, d.h. sie werden natürlich steigen, aber was willst du machen? Ob die Eierpreise auf dem Markt billiger werden? Kaum! Dort ist alles teurer“, so eine Rentnerin. Im Büro für Preisbildung wurde die Frage nach den Eierpreisen besprochen. Der erste stellvertretende Regierungsvorsitzende Rustam Mingasow erklärte auf seiner Seite im Internet: Der Eierpreis wird sich nicht erhöhen und der empfohlene Höchstpreis bleibt wie zuvor: 7 Rubel pro Stück. Auch gibt es keinen Mangel an Eiern. Der Eierdurchschnittspreis betrug auf dem Markt 85 Rubel. Weiter wird dieser Preis mit dem in einem Supermarkt, wo es für diese Ware ein rotes Preisschild gibt (D.h. sozialer Preis, nach dem die Waren billiger verkauft werden; A.d.A.), verglichen. Die Meinungen der Verkäuferinnen: „70 Rubel ist ein guter Preis!“, „Die Preise sind etwas höher geworden, das ist in Ordnung. Auf dem Markt kaufte ich sie für 110 Rubel!“
Sehr oft werden die Preise in der DVR mit denen in Rostow-am-Don verglichen. Ein Käufer nahm die Eierpreise in einem Rostower Supermarkt auf. Da kann man sehen, dass 10 Stück Eier in Eierpappe 102 Rubel kosten und in Plastikverpackung 93 Rubel. Dort gibt es auch rote Preisschilder, für 10 Eier in Eierpappe macht der soziale Preis 92 Rubel aus. Aber leider kosten 10 Stück Eier sogar nach diesen niedrigeren sozialen Preisen in Rostow 22 Kopeken weniger als in Donezk! Da entsteht wieder die logische Frage, die leider rhetorisch zu bleiben scheint: „WARUM?“
Trotzdem sah ich im Supermarkt in meiner Umgebung am Vorabend von Ostern Preisschilder für Eier, auf denen 95 Rubel für 10 Stück geschrieben stand – das war schon wirklich zu hart, weil es doch kein Markt war und allem Anschein nach für die Betreiber des Supermarktes keine Gesetze gelten.
Platz № 2 belegten die Mehlpreise, weil viele Frauen es traditionell vorziehen, die Osterkuchen zu Hause selbst zu backen: Erstens sind solche Osterkuchen viel leckerer und zweitens ist es preisgünstiger. Es sei auch bemerkt, dass man in den Supermärkten Mehl sowie verschiedene Graupen nicht nur in Packungen, sondern auch nach Gewicht kaufen kann. Da kostete ein Kilo Mehl 23 Rubel – das war der billigste Mehlpreis. Im April betrugen die Mehlpreise für eine 2-Kilopackung 57-60 Rubel in Supermärkten und bis 75 Rubel auf dem Markt. Es ist immer preisgünstiger, in den Supermärkten einzukaufen, weil es dort für einige Waren rote Preisschilder und manchmal Sonderangebote gibt.
Bei der Beratung mit der Regierung der Russischen Föderation am 21. April 2023, die dem Thema „Entwicklung der neuen Regionen“ gewidmet war, sagte Wladimir Putin, die Einkommen der Donezker seien bescheiden, die Preise dagegen seien sehr hoch, sogar höher als im Gebiet Rostow. Er machte diese Aussage auch gegenüber dem DVR-Oberhaupt Denis Puschilin. Und, oh Wunder: Seitdem gab es positive Veränderungen!
Als ich diese Woche einige Supermärkte besuchte, warteten auf mich positive Veränderungen: Im Supermarkt „Respublikanskij“ kosteten 10 Stück Eier schon 65,50.- Rubel anstatt 75 Rubel in der vorigen Woche! Am billigsten war die Ein-Liter-Flasche Öl „Mak Maj“ im Supermarkt „Moloko“: 114 Rubel im Unterschied zu dem in den Supermärkten „Awos‘ka“, „Respublikanskij“, „Obzhora“, wo sie 128 Rubel kostete. Ein Kilo Zucker kostete in allen vier Supermärkten 58 Rubel (vor einem Jahr kostete 1 Kilo Zucker 100 Rubel!; A.d.A.) und ein Kilo Reis 76 Rubel. Der Preis für 1 Kilo Buchweizen betrug 56 Rubel im „Awos‘ka“, 58 Rubel im „Obzhora“ und je 65 Rubel im „Respublikanskij“ und „Moloko“. In allen vier Supermärkten kostete eine Fünf-Liter-Flasche Trinkwasser 68 Rubel. Ein Kilogramm Hähnchen kostete je 162 Rubel im „Moloko“ und „Respublikanskij“ und je 165 Rubel im „Obzhora“ und „Awos‘ka“. Im „Respublikanskij“ sind im Mai kein Mehl und kein Zucker nach Gewicht zu kaufen, vielleicht weil Ostern schon vorbei sind – eigentlich war es im letzten Jahr auch so.
Ich möchte hinzufügen, dass es schon seit mindestens einem Jahr sowohl in den Supermärkten als auch auf den Märkten keine Geflügel-Nebenprodukte (Hühnermagen, Hühnerherzen und Hühnerleber) mehr gibt. Aber andererseits gibt es mehr Fisch im Angebot, darunter auch neue Fischsorten, wie z.B. Grenadierfisch. Manchmal lässt die Qualität von Obst und Gemüse zu wünschen übrig: Alte Äpfel zum Beispiel kosten doch 86 Rubel. Einige Saisonlebensmittel wie älterer Kohl, der für die Zubereitung von Kohlrouladen verwendet wird, sind nicht zu kaufen. Aber jungen Kohl für Salat und Borsch kann man schon finden. Im Moment gibt es überall Obst und Gemüse aus dem Treibhaus: Gurken für 125 Rubel das Kilo, Tomaten für 180 Rubel, Zucchini für 75-100 Rubel, Auberginen für 150 Rubel, Paprika für 160 Rubel.
Wir hoffen sehr, dass wir keine wirtschaftlichen Probleme haben werden. Das wichtigste ist natürlich immer noch, dass der Krieg hoffentlich bald zu Ende ist!