Was immer die NATO behauptet: de facto führt sie in der Ukraine Krieg gegen Russland
Die NATO-Länder, insbesondere die USA, UK und Deutschland, unterstützen die Ukraine mit Geld, mit viel Geld, vor allem aber auch mit Waffen, mit Munition, mit der Ausbildung ukrainischer Militärs – in der Ukraine und auch auf eigenem NATO-Boden, mit Beratern und Instruktoren vor Ort in der Ukraine und mit einer unbekannten Anzahl Söldner. Und noch immer behauptet die NATO, am Krieg nicht beteiligt zu sein. Die Realität ist eine ganz andere.
Kleine Vorbemerkung als Aktualisierung vom 3. Oktober:
«Die Ukraine will nun doch wieder in die Nato, und zwar möglichst schnell. Interessant ist die Begründung – sie stellt das Bündnis bloß.
Präsident Selenskyj sagte, die Ukraine habe de facto “bereits Kompatibilität mit Standards der Allianz bewiesen. Sie sind für die Ukraine real – real auf dem Schlachtfeld und in allen Aspekten unserer Interaktion. Wir vertrauen uns gegenseitig, wir helfen uns gegenseitig, und wir beschützen uns gegenseitig. Das ist die Allianz.“
Damit sagt Selenskyj ganz unverblümt, dass die Nato “real” in der Ukraine aktiv ist, und dass die Ukraine nach Nato-Standards kämpft. Er räumt mit dem Versteckspiel von Nato-Generalsekretär Stoltenberg auf, der immer noch so tut, als sei die Atlantische Allianz keine Kriegspartei und als stünde ein Beitritt nicht zur Debatte.» (Aus Lost in EUrope vom 3. Oktober)
Ab hier von Christian Müller:
Seit dem Jahr 2014, als die auf dem Kiewer Maidan wütenden Proteste mit massiver Unterstützung der USA zum Staatsstreich führten und der ordentlich gewählte Staatspräsident Wiktor Janukowitsch nur wenige Montate vor Neuwahlen abgesetzt und vertrieben wurde, haben Militärberater vor allem aus den USA der Ukraine geholfen, das Land militärisch aufzurüsten. Das Ziel war, die von der Ukraine unterzeichneten Verträge von Minsk II vergessen zu machen und die abtrünnigen Provinzen Luhansk und Donezk mit Gewalt zurückzuerobern. Die Einflussnahme der NATO auf die Armee der Ukraine war sichtbar. So etwa wurden die Armee-Hierarchie-Stufen der NATO angeglichen und die Offiziere mussten Englisch lernen. Und als Russland im Dezember 2021 aufgrund immer neuer Bedrohungen der NATO – zum Beispiel Raketenbasen in Polen und Rumänien und immer gigantischere Manöver direkt an der russischen Grenze – eine Sicherheitsgarantie verlangte, lehnten beide angesprochenen Militärmächte, die USA und die NATO, in aller Form ab. Das führte am 24. Februar zum Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Russland gegen die Ukraine, de facto aber ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland – auf dem Rücken der Ukrainer.
Was aber tut die NATO seit dem 24. Februar 2022?
Gerade wieder vor ein paar Tagen haben die USA das 21. militärische Hilfspaket für die Ukraine beschlossen. Seit der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten bis am 15. September 2022 haben die USA – gemäss einer Meldung von Aussenminister Antony Blinken – 15,8 Milliarden Dollar an Militär-Hilfe an die Ukraine freigegeben. Zu den gelieferten Waffen gehörten insbesondere die Mehrfach-Raketenwerfer Himars, davon bisher zwölf Stück, wie aus inoffiziellen Quellen zu vernehmen ist. Die genauen Daten – Waffen, Munition, andere «Hilfen» – können hier eingesehen werden.
Keine Beteiligung der NATO am Krieg in der Ukraine?
Zweitgrösster militärischer Unterstützer der ukrainischen Streitkräfte sind das Vereinigte Königreich UK. Die neue Premierministerin Liz Truss am 20. September 2022 in einer Medienmitteilung der Regierung: «Das Vereinigte Königreich ist bereits der zweitgrößte militärische Geber für die Ukraine und hat bis 2022 2,3 Mrd. Pfund (2,6 Milliarden Euro, Red.) zugesagt. Seit 2015 (also schon seit sieben Jahren vor dem Einmarsch der Russen. Red.) haben wir 27.000 Angehörige der ukrainischen Streitkräfte ausgebildet (!), und im letzten Jahr haben wir Hunderte von Raketen, fünf Luftabwehrsysteme, 120 gepanzerte Fahrzeuge und über 200.000 Stück nicht-tödliche militärische Ausrüstung bereitgestellt. In der vergangenen Woche fand der größte kommerzielle Munitionstransport auf der Straße seit dem Zweiten Weltkrieg statt, als weitere Zehntausende von aus dem Vereinigten Königreich gespendeter Artilleriemunition an die Frontlinien in der Ukraine geliefert wurden. Die genaue Art der militärischen Unterstützung des Vereinigten Königreichs im Jahr 2023 wird auf der Grundlage des Bedarfs der ukrainischen Streitkräfte festgelegt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie Ausrüstung wie das u.a. vom Vereinigten Königreich an die Ukraine gelieferte Multiple Launch Rocket System umfassen wird, das entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Ukraine in den letzten Tagen mehr als 3.000 Quadratkilometer Territorium zurückgewinnen konnte.»
Keine Beteiligung der NATO am Krieg in der Ukraine?
Deutschlands Militärische Unterstützung für die Ukraine
Aber auch weitere NATO-Mitglieder unterstützen die ukrainischen Streitkräfte massiv. In einem offiziellen Dokument der Bundesregierung findet sich – ein weiteres Beispiel nur – die folgende Liste:
• 24 selbstfahrende Flugabwehrkanonen GEPARD*
• 67 Kühlschränke für medizinisches Material
• Gegenbatterieradarsystem COBRA*
• 4000 Runden üben Munition für selbstfahrende Flugabwehrkanonen
• 54 M113 gepanzerte Personaltransporter (Systeme Dänemarks, von Deutschland finanzierte Upgrades)*
• 53.000 Schuss Munition für selbstfahrende Flugabwehrkanonen
• 20 Laser-Zielbezeichner*
• 403.000 vorverpackte Militärmahlzeiten bereit
• 3000 Panzerabwehrwaffen Panzerfaust 3 mit 900 Schussvorrichtungen
• 14.900 Panzerabwehrminen
• 500 Mann tragbare Luftverteidigungssysteme STINGER
• 2700 Mann-tragbare Luftverteidigungssysteme STRELA
• 10 selbstfahrende Haubitzen Panzerhaubitze 2000 einschließlich Anpassung, Training und Ersatzteile (gemeinsames Projekt mit den Niederlanden)
• 21,8 Millionen Schuss Munition für Schusswaffen
• 50 Bunker-Buster-Raketen
• 100 Maschinengewehr MG3 mit 500 Ersatzläufen und Verschlussblöcken
• 100.000 Handgranaten
• 5.300 Sprengladungen
• 100.000 m Sprengkabel und 100.000 Zünder
• 350.000 Zünder
• 10.500 Projektile 155 mm
• 10 Anti-Drohnen-Geschütze
• 14 Anti-Drohnen-Sensoren und Störsender
• 100 Auto-Injektor-Geräte
• 28.000 Kampfhelme
• 15 Paletten Militärkleidung
• 280 Fahrzeuge (LKW, Kleinbusse, Geländefahrzeuge)
• 100 Zelte
• 12 Generatoren
• 6 Paletten Material für die Entsorgung explosiver Munition
• 125 Ferngläser
• 1200 Krankenhausbetten
• 18 Paletten medizinisches Material, 60 OP-Leuchten
• Schutzkleidung, OP-Masken
• 10.000 Schlafsäcke
• 600 Schutzbrillen
• 1 Hochfrequenzsystem
• 3000 Feldtelefone mit 5.000 Kabeltrommeln und Tragegurten
• 1 Feldlazarett (gemeinsames Projekt mit Estland)
• 353 Nachtsichtbrille
• elektronische Anti-Drohnen-Geräte
• 165 Feldgläser
• medizinisches Material (unter anderem Rucksäcke, Kompressionsverbände)
• 38 Laser-Entfernungsmesser
• Diesel und Benzin (laufende Lieferungen) *
• 10 Tonnen AdBlue*
• 500 medizinische Gazen
• MiG-29 Ersatzteile*
• 30 geschützte Fahrzeuge*
• 80 Pick-up-Trucks*
• 7.944 tragbare Panzerabwehrwaffen RGW 90 Matador
• 3 multiple Raketenwerfer MARS mit Munition
• 6 mobile Dekontaminationsfahrzeuge HEP 70 einschließlich Dekontaminationsmaterial
• 10 HMMWV (8x Bodenradarfähigkeit, 2x Jamming/Anti-Drohnen-Fähigkeit) *
• 3 gepanzerte Bergungsfahrzeuge*
• 7 Funkstörsender*
• 8 mobile Bodenüberwachungsradare und Wärmebildkameras*
• 4 mobile, ferngesteuerte und geschützte Minenräumsysteme*
• 8 elektronische Anti-Drohnen-Geräte*
• 1 Hochfrequenzeinheit mit Ausrüstung
… und weiter im Takt, immer noch Deutschland:
Militärische Unterstützung für die Ukraine bei der Planung/Ausführung
• Ersatzteile für schweres Maschinengewehr M2
• 167.000 Schuss Munition für Schusswaffen
• 12 Tanktransporter Traktor M1070 Oshkosh*
• 12 elektronische Kommunikationsscanner/Störersysteme*
• Feldkrankenhaus (Rolle 2)*
• 20 Raketenwerfer 70 mm auf Pick-up-Trucks mit 2.000 Raketen*
• 1592 Projektile 155 mm*
• 255 Vulcano-Projektile 155 mm*
• 60.200 Runden Munition 40mm*
• 6 Gabelstapler*
• 40 Frequenzbereichserweiterungen für Anti-Drohnen-Geräte*
• 12 gepanzerte Bergungsfahrzeuge*
• 30 MG3 für gepanzerte Bergungsfahrzeuge
• 10 (+10 als Option) autonome Oberflächenschiffe*
• 14 LKW-Traktorzüge und 14 Sattelanhänger*
• 2 Traktoren und 4 Anhänger
• 43 Aufklärungsdrohnen*
• 10 geschützte Fahrzeuge*
• 1 Dekontaminationssystem für Fahrzeuge
• Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM*
• 100.000 Erste-Hilfe-Kasten*
• 5032 tragbare Panzerabwehrwaffen für Menschen
• 200 Lastwagen*
• 24 Anti-Drohnen-Systeme*
• 16 Brückenverlegepanzer BIBER (BEAVER)*
• 3.000 Projektile 155 mm
• 6 selbstfahrende Flugabwehrkanonen GEPARD, darunter ca. 6.000 Schuss Munition*
Dazu der offizielle Text: «Der Gesamtwert der von der Bundesregierung ausgestellten Einzellizenzen für die Ausfuhr von Militärgütern im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 12. September 2022 beläuft sich auf 733,631 Millionen EUR. Der Gesamtlizenzwert umfasst die oben aufgeführten Waren, soweit ihre Ausfuhr den Lizenzanforderungen nach deutschem Außenhandelsrecht unterliegt. Dies ist nicht bei allen oben aufgeführten Waren der Fall. Um die Bearbeitung bestimmter Lieferungen zu beschleunigen, hat die Bundesregierung auch bestimmte Lizenzierungsverfahren gelockert, z. B. in Bezug auf militärische Schutzgüter. Diese Lieferungen sind auch nicht im Gesamtlizenzwert enthalten. Die für gebrauchtes Material der Bundeswehr angegebenen Werte basieren auch auf aktuellen Werten, die deutlich niedriger sein können als die entsprechenden Werte für Neu- oder Ersatzwaren. Der Gesamtlizenzwert umfasst die Waren, unabhängig davon, wie ihre Beschaffung und Lieferung finanziert wurden. Aus Sicherheitsgründen gibt die Bundesregierung erst dann weitere Angaben an, wenn die Ware geliefert wurde.
* Lieferungen aus Industrieaktien, die aus deutschen Mitteln für den Aufbau von Sicherheitskapazitäten finanziert werden. Einige der Lieferungen erfordern Upgrades oder Produktionen sind im Gange; auch Schulungsmaßnahmen finden statt.» (13. September 2022)»
Zum offiziellen Dokument der Bundesregierung als PDF siehe hier.
Um sich besser vorstellen zu können, um was für Waffen es sich bei dieser militärischen Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte geht, siehe ein Video, in dem die US-amerikanischen Himars und die europäischen Mars II Raketenwerfer vorgestellt werden. Hier anklicken.
Und all dies ist immer noch keine Beteiligung der NATO am Krieg in der Ukraine?
Und das sind erst die USA, UK und Deutschland …
Auch etliche weitere NATO-Mitglieder haben der Ukraine schon Waffen und Munition geliefert, darunter Polen, die Tschechische Republik, Spanien, etc etc. Und es gibt zusätzliche Unterstützung der NATO für die Ukraine, die in den offiziellen Dokumenten nicht aufgeführt sind. Der Militär-Spezialist der Neuen Zürcher Zeitung NZZ, Georg Häsler, erklärt in der NZZ vom 20. September 2022, warum die ukrainischen Streitkräfte in den letzten Tagen im Gebiet Charkiv erfolgreich waren. Darin finden sich die folgenden drei Passagen:
«Die ukrainische Armee verfügt dank einer engen Zusammenarbeit mit der Nato in diesem Bereich über einen entscheidenden Vorteil gegenüber den russischen Angreifern. Kiew profitiert von den Daten der westlichen Satelliten, Kampfjets und Aufklärungsdrohnen.»
«Die ukrainische Armee kann über ihre westlichen Artilleriesysteme hochpräzise Munition über eine Distanz von bis zu 70 Kilometern verschiessen.»
«Die Ukraine betreibt ein britisches Command-and-Control- System, das eine Vernetzung der Führungsinstrumente ermöglicht. Damit lassen sich die Nato-Sensoren und die westlichen Waffensysteme verbinden.»
Und auch das ist immer noch keine Beteiligung der NATO am Krieg in der Ukraine?
Die Realität ist eine andere
Formal hat die NATO Russland den Krieg (noch) nicht erklärt. Die Realität aber ist, dass die NATO bereits am Krieg mit Russland aktiv beteiligt ist – und nicht erst seit dem 24. Februar 2022: mit Beratern und Instruktoren vor Ort, mit «Söldnern» vor Ort, mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten vor Ort und in mehreren NATO-Ländern, mit gigantischen Lieferungen von Waffen – auch schweren Waffen und modernsten Panzern! – und von Munition in allen Kalibern, und auch mit der direkten Zusammenarbeit im Bereich der elektronischen Kommunikation und Zielfindung für die Raketen.
Wundert es da, wenn Russland heute Morgen, 21. September 2022, eine neue Etappe im Krieg angekündigt hat?