Blick in die Gießerei Kraszwetmet (Foto Ulrich Heyden)

Trotz Sanktionen: Russische Goldproduktion weiter gefragt. Ein Besuch in Sibirien.

(Red.) Was der Westen einfach nicht wahrhaben will: Trotz all der Sanktionen des westlichen Staaten läuft die Wirtschaft in Russland gut und zum Teil sogar besser als vor den Sanktionen. Der deutsche Journalist, der seit vielen Jahren in Moskau lebt, hatte Gelegenheit, eine Gold-Verarbeitungsfirma in Sibirien zu besuchen. Hier sein Bericht. (cm)

Nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine herrschte in der russischen Gold-fördernden und -weiterverarbeitenden Industrie zunächst eine gedrückte Stimmung, denn es war unklar, wie man angesichts von Sanktion weiter auf dem Weltmarkt exportieren und Geschäfte abwickeln kann. Die Lage hat sich aber beruhigt. Die Unternehmen haben neue Absatzwege und Wege gefunden, weiterhin Geschäfte abzuwickeln. Russland gehörte 2023 mit einer Jahresförderung von 310 Tonnen nach China (370 Tonnen) und mit Australien (310 Tonnen) zu den weltweit größten Förderländern. 

Besuch in der Schatzkammer

Im Rahmen einer vom russischen Außenministerium organisierten Journalistenreise hatte ich die Gelegenheit, das Gold-verarbeitende Unternehmen Kraszwetmet in der sibirischen Stadt Krasnojarsk zu besuchen. Kraszwetmet reinigt im Auftrag von meist privaten russischen Unternehmen, die Gold fördern, das Edelmetall und verarbeitet es zu Goldbarren oder auch Juwelier-Ware weiter. 2020 verarbeitete das Unternehmen 200 der insgesamt 350 Tonnen in Russland weiterverarbeitetem Gold. 

Der Besuch in dem Unternehmen, das 1939 gegründet wurde und 1947 die ersten Goldbarren produzierte, war eindrucksvoll. Beim Gang durch das moderne Unternehmensgebäude passierten wir alle paar Minuten eine Sicherheitsschleuse, die nur unser Führer öffnen konnte. Die Leiterin der Juwelier-Abteilung des Unternehmens, Anna Panasjura, erklärte, der Produktionsprozess werde mit über tausend Kameras überwacht. 

Wir sahen einen ganzen Saal mit Maschinen, die aus Golddraht zarte Goldketten fertigten, an die Frauen an einer Stempelmaschine den Verschluss anklemmten. 

Man zeigte uns auch die Gießerei, in der Gold-Barren gegossen werden. An dem Gieß- und Abkühlvorgang sind etwa zehn Personen beteiligt. Drei Männer in silbernen Schutzanzügen, welche die Hitze mindern sollen, stehen um eine Vorrichtung, in der zehn Formen für Goldbarren liegen. Ein Arbeiter führt einen mit flüssigem Gold gefüllten Bottich über die zehn Formen und gießt sie nacheinander voll. Die Füllmenge prüfen die Gießer mit Augenmaß, wie uns der Direktor des Unternehmens, Michail Djagiljew, später erklärte. Im Produktionsprozess sei der Faktor Erfahrung besonders wichtig.

Nachdem die Goldbarren abgekühlt sind, wird in einer weiteren Abteilung mit einer automatisch gesteuerten Maschine eine Gravur in die Barren eingehämmert. Zu sehen ist auf dem Barren dann die Qualitätsangabe „99,99 Prozent“, der Name des Herkunftslandes „Rossija“ und die Seriennummer. Schließlich konnten wir auch selbst elf Kilogramm schwere Goldbarren im Wert von 775.000 Euro in den Händen halten und uns für ein Erinnerungsfoto fotografieren lassen.

Erfahrung ist das Wichtigste im Produktionsprozess 

Die Gießer verdienen zwischen 600 und 700 Euro im Monat. Das ist nicht viel, aber die Lebenshaltungskosten in Krasnojarsk sind etwas niedriger als in Moskau. Wie uns Unternehmens-Direktor Djagiljew, ein Mann mit langen Haaren und randloser Brille, berichtete, braucht man, um im Unternehmen eingestellt zu werden, keine Berufsausbildung. Die Arbeiter werden drei Monate lang in der Fabrik ausgebildet. Mehr als die Hälfte der Arbeiter hätten aber eine höhere Ausbildung, meinte Djagiljew. Im technologischen Zentrum des Unternehmens arbeiteten zudem 50 hochqualifizierte Mitarbeiter mit Hochschulabschluss.

Kraszwetmet ist eines der führenden russischen Unternehmen im Bereich der Reinigung von geschürftem Gold. Das Unternehmen hat insgesamt 3.400 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten. Die Aktien des Unternehmens befinden sich zu hundert Prozent in der Hand der Gebietsverwaltung von Krasnojarsk.

Anfang 2024 kaufte Kraszwetmet die in Russland ansässige auf Anlagenbau spezialisierte deutsche Firma ThyssenKrupp Industrial Solutions. Der Kaufpreis ist nicht bekannt. Die aufgekaufte deutsche Firma hat ihren Sitz in der Stadt Dserschinsk, 400 Kilometer östlich von Moskau. 

Goldbarren werden ohne Mehrwertsteuer verkauft

Die Bedeutung von Gold nimmt in Russland zu, denn das Edelmetall ist neben Immobilien einer der sichersten Anlagemöglichkeiten. Die Geringverdiener kaufen sich ein Goldkettchen. Die Gutverdiener Goldbarren unterschiedlicher Größe. 

2023 kauften russische Privatpersonen etwa 95 Tonnen Gold. Am populärsten seien zur Zeit Goldbarren mit einem Gewicht von 100 Gramm (Wert 7.100 Euro), schreibt das Internetportal Lenta.ru. Bei der russischen Bank Tinkoff kann man Goldbarren auch Online kaufen und sich nach Hause bringen lassen. 

Gold ist seit der russischen Invasion in die Ukraine in Russland zu einem wichtigen Wertmittel geworden. Das Internet-Portal Lenta.ru schreibt, „Für die Russen sind Goldbarren eine alternative Währung geworden und in den Banken gibt es teilweise schon ein Defizit an Goldbarren.“ 

Seit Januar 2024 kann man bei Russlands größtem Goldförderer Polyus auch Wertpapiere kaufen, die an den Goldpreis gebunden sind.

Der Kreml reagierte sehr schnell, als im Frühjar 2022, nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, der Rubel-Kurs ins Schwanken kam. Anfang März 2022 erließ Wladimir Putin einen Erlass, gemäß dem die Mehrwertsteuer von 20 Prozent beim Kauf von Gold abgeschafft wird.  

Der russische Staat wollte den Bürgern eine Möglichkeit geben, ihr Geld sicherer zu machen. Russen können nun Goldbarren auch mit ins Ausland nehmen und sie dort verkaufen. „Delowaja Rossija“, eine Organisation kleiner und mittlerer Unternehmen, schlug allerdings vor, den Export von Goldbarren nur noch bis zum Wert von 10.000 Dollar zu genehmigen. So eine Regelung erschwere Kapitalflucht und Geldwäsche.

Verkauf von Juwelier-Ware steigt

Nach Angaben russischer Medien ist der Markt für Juwelier-Ware aus russischem Gold 2023 um 18 Prozent gewachsen. Angeblich kaufen Russen Juwelier-Ware als Geldanlage oder über einen Kredit mit dem Ziel, die Juwelier-Ware später wieder zu verkaufen.

Die Leiterin der Juwelier-Abteilung des Unternehmens Kraszwetmet, Anna Panasjura, meinte, da der Goldpreis stark gestiegen sei und die einfachen Bürger den Kauf von Juwelier-Ware mit Krediten finanzieren, sähen sich die Gold-verarbeitenden Unternehmen gezwungen, immer leichtere Ketten zu produzieren. 

Auch in Russland gibt es eine gewisse Verunsicherung, wie sich die Wirtschaft weiterentwickelt. Gold gilt deshalb auch dort als sicherer Wert – und wer keine Goldbarren zu kaufen vermag, kauft sich wenigstens eine Goldkette, die später wieder als Geldwert verkauft werden kann. Hier im Unternehmen Kraszwetmet werden deshalb auch Goldkettchen produziert. (Foto Ulrich Heyden)

Wie die realen Verkaufszahlen des Gold-Verarbeiters Kraszwetmet sind, ist nicht bekannt. Über die Goldgewinnung und Verarbeitung werden seit 2022 vom russischen Finanzministerium und der Union der russischen Gold-Industriellen keine Zahlen mehr veröffentlich. Die Gold-Industrie sei heute „einer der am meisten geheimen Wirtschaftszweige im Land“, schreibt die Internetzeitung Lenta.ru

Russische Gold-Verarbeiter spüren den Druck aus dem Westen 

Seit 2022 sind die russischen Betriebe, die Gold und andere wertvolle Metalle verarbeiten, starkem Druck aus dem Westen ausgesetzt. Im August 2022 verhängte die EU und die Schweiz ein Importverbot für Gold aus Russland.  Die Abrechnungssysteme zwischen  Russland und  westlichen Banken funktionierte nicht mehr. Und die russische Zentralbank kauft von inländischen Gold-Firmen keine Barren zu Weltmarktpreisen mehr an. 

Die Londoner Börse können die russischen Gold-Verarbeiter nicht mehr nutzen. Das Unternehmen Кraszwetmet in Krasojarsk und andere Gold-Verarbeiter fielen im November 2023 wegen „enger Beziehungen zum Kreml“ und angeblicher Versorgung des russischen Militärs unter britische Sanktionen

Aber die russischen Gold-Verarbeiter fanden bald neue Wege für den Export ins Ausland. Die britischen Sanktionen stellten für Kraszwetmet und andere Gold-Verarbeiter „keinen Wendepunkt“ dar, weil es „Druck schon seit 2022 gab“, erklärte die Presseabteilung von Kraszwetmet. Die Gold-Verarbeiter hätten sich schon seit 2022 „auf die neuen Realitäten eingestellt“ und „ihre Produktion sogar gesteigert“. 

Russlands größter Goldförderer von EU-Sanktionen betroffen

Russlands größter Goldförderer ist das Unternehmen Polyus. Weltweit gehört es zu den fünf größten Goldförderern. 2020 hatte das Unternehmen 20.000 Mitarbeiter. Neuere Zahlen liegen nicht vor. 2023 konnte das Unternehmen seine Gold-Förderung um 14 Prozent erhöhen

Das Unternehmen Polyus befindet sich in privater Hand. Bis April 2022 gehörten 76,34 Prozent der Unternehmens-Aktien dem Unternehmer Said Kerimow. Doch offenbar, um möglichen Sanktionen der EU auszuweichen, reduzierte Kerimow seinen Aktien-Anteil am Unternehmen auf 46,35 Prozent, indem er 29,99 Prozent seiner Aktien an den Unternehmer Achmet Palankojew verkaufte

Doch den EU-Sanktionen entging Said Kerimow damit nicht. Am 8. April 2022 erschien der Name „Said Kerimow“ auf einer Liste von 217 einflussreichen Russen, gegen welche die EU Sanktionen verhängt hatte. Im April und Mai 2023 verhängten auch Großbritannien und die USA Sanktionen gegen Kerimow.

Spitzen-Abnehmer für russisches Gold: Vereinigte Arabische Emirate, Türkei und China

Wie auch bei Öl und Gas aus Russland wirken die 2022 verhängten Sanktionen des Westens gegen Russland nur sehr begrenzt. Die russischen Gold-Exporteure fanden neue Kanäle für Lieferungen ins Ausland. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Hongkong und Saudi-Arabien. Russland lieferte 2023 88 Tonnen Gold für 5,6 Milliarden Dollar nach Hongkong und steigerte damit seine Lieferungen in die Stadt auf das Fünffache, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax. 

Die britische Nachrichtenagentur Reuter meldete, Russland habe 2022 116 Tonnen Gold in die Arabischen Emirate, die Türkei und China exportiert, davon allein 75,7 Tonnen im Wert von 4,3 Milliarden Dollar in die Vereinigten Arabischen Emirate. 

Die Schweiz drosselte Goldimporte russischer Herkunft erst im März 2024

Kurios ist die Haltung mancher westlicher Länder zu den Sanktionen. Die Schweiz kostete alle Möglichkeiten aus, trotz dem EU-Embargo, dem sich das Alpenland angeschlossen hatte, weiter Gold russischer Herkunft zu importieren. Die Schweiz importierte weiter über Drittländer Gold russischer Herkunft, das Russland noch vor dem Embargo verlassen hatte. So war Russland mit 63 Tonnen 2023 noch der sechsgrößte Gold-Lieferant der Schweiz. Doch Ende März 2024 drosselte die Schweiz den Goldimport russischer Herkunft drastisch

Wie man sieht, sperrt sich die Lebensrealität gegen die Logik der Sanktionen. Vermutlich kann Russland den Verlust des Absatzmarktes in Europa durch erhöhte Lieferungen in die Arabischen Emirate, die Türkei und China voll kompensieren. 

Der Autor des Beitrags, Ulrich Heyden, mit einem 11 kg schweren Goldbarren: Wert gut 775.000 Euro!