Steve Witkoff, Trumps Schattenaußenminister
(Red.) Steve Witkoff, der Sonderbeauftragte des US-Präsidenten für Gespräche mit Moskau, ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Hinter den Vorwürfen wird deutlich, dass viele, von Kiew über London bis Washington, keine Normalisierung der US-amerikanisch-russischen Beziehungen wünschen. Und selbst wenn sie dies nicht verhindern können, wollen sie die Bemühungen des Weißen Hauses, den russisch-ukrainischen Konflikt im Interesse des „Trump’schen Amerika“ beizulegen, auf jeden Fall bremsen. Der ungarische Journalist Gábor Stier hat Infos aus dem nächsten Umfeld von Trump. (cm)
Steve Witkoffs Äußerungen gegenüber Tucker Carlson Ende März, gefolgt von seinen Gesprächen mit Donald Trump, haben in westeuropäischen und Teilen der US-amerikanischen Öffentlichkeit für Verwirrung und Empörung gesorgt. Insbesondere seine laut der Nachrichtenagentur Reuters geäußerte Ansicht, dass eine Übergabe der vier von Russland bereits verfassungsmäßig abgetrennten Regionen in der Ost- und Südukraine erwogen werden sollte, stieß auf Kritik.
Laut Trumps Sondergesandtem besteht Russland darauf, die Kontrolle über die vier Regionen zu erlangen, die in einem Referendum für einen Anschluss an Russland gestimmt haben – Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson –, und die Annahme dieser russischen Bedingung würde uns einem Friedensabkommen näherbringen.
Dieser Vorschlag wurde von dem anderen US-Sondergesandten, Keith Kellogg, der in erster Linie mit der Ukraine in Kontakt steht, laut Reuters entschieden zurückgewiesen, mit dem Argument, dass Kiew dies nicht akzeptieren würde. Das stimmt, aber die Ukraine würde eigentlich keine von Trumps Ideen akzeptieren, ist aber auch nicht in der Lage, sie abzulehnen.
Sabotage der US-Pläne
Kiew spielt derzeit darauf, mit Hilfe der Briten und den „Willigen“ vor allem den weiteren russischen Vormarsch zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, während es gleichzeitig taktische Ziele verfolgt und Angriffe auf russisches Territorium in der Tiefe fortsetzt. Dabei könnte Kiew sogar in Friedrich Merz einen neuen Verbündeten finden. Der Kernpunkt ist, die US-Pläne zu sabotieren, in der Hoffnung, dass Trump eines Tages von der Bildfläche verschwindet. Bis dahin könnte es möglich sein, sein Team zu spalten und jemanden zu finden, der die westeuropäischen/ukrainischen Interessen vertritt.
Es gibt jedoch keinen wirklichen Kandidaten für diese Rolle, da Außenminister Marco Rubio, der zuvor andere Ansichten geäußert hat, auf Trump hört, und der mögliche oberste Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz nicht zum inneren Kreis des Präsidenten gehört und die Signal-Affäre seine Position geschwächt hat. Es bietet sich Keith Kellogg an, dessen Ansichten sich von Witkoffs unterscheiden, der aber dennoch loyal zu Trump ist. Das erklärt auch, warum er in dem Reuters-Material und dann im westlichen globalistischen Narrativ als Gegenpol so prominent auftauchte.
Die unterschiedlichen Vorstellungen der beiden Sonderbeauftragten traten in mehreren Punkten deutlich zutage. So verurteilte Kellogg zuletzt den russischen Raketenangriff auf Sumy, der auch zivile Opfer forderte, entschieden, während Witkoff dazu schwieg. Allerdings präsentierte auch Kellogg einen Plan, der – obwohl er dies dementierte – auf eine Teilung der Ukraine abzielte. Dieser Plan ist in die Vorstellung einer Aufteilung Berlins in Kontrollzonen im Jahr 1945 verpackt. Im Grunde akzeptieren jedoch sowohl Kellogg als auch Witkoff die neuen Realitäten in der Welt und an den ukrainischen Fronten. Ziel ihrer Überlegungen ist es unter anderem, die westliche öffentliche Meinung auf die Akzeptanz dieser nüchternen Realitäten vorzubereiten. Ein weiterer Faktor für die Vorstellung der unterschiedlichen Pläne ist der Druck des Weißen Hauses auf die Verhandlungspartner, einen Waffenstillstand zu erreichen.
Ratlosigkeit in Washington
Witkoff, der seit Jahrzehnten mit Trump befreundet ist und ihm bereits während seiner ersten Amtszeit in diplomatischen Angelegenheiten effektiv geholfen hat, steht den Vorstellungen des Präsidenten erkennbar näher. Die oben erwähnte Kontroverse sowie die in den letzten Wochen verlangsamten Friedensbemühungen zeigen, dass die USA keine ausgereifte, entschiedene Vorstellung davon haben, wie ein allgemeiner und stabiler Waffenstillstand erzwungen werden kann.
Auch die direkt oder indirekt an diesem Prozess beteiligten Parteien spüren dies. So ermutigt die Ratlosigkeit in Washington die europäischen „Willigen“, die Trumps Vorstellungen ohnehin ablehnend gegenüberstehen und ständig eine Art Verrat des Weißen Hauses befürchten und kein Interesse an einem schnellen Erfolg Washingtons haben, ihre eigenen Interessen mit aller Kraft durchzusetzen. Diese Interessen zielen darauf ab, die Ukraine zu stärken und Russland weiter zu schwächen, wobei sie an den früheren Vorstellungen des Westens festhalten. Ihre Fähigkeiten behindern sie dabei zwar erheblich, aber sie haben bereits so viel erreicht, dass sie die ukrainische Führung ermutigen und Wolodymyr Selenskyj sich weiterhin Trump widersetzt und das als „Vereinbarung über Seltene Erden“ bekannt gewordene Abkommen bisher nicht unterzeichnet.
Gleichzeitig betont Kiew taktisch klug, dass es den Waffenstillstand unterstützt und akzeptiert, während es versucht, Moskau für die Verzögerung verantwortlich zu machen. Es tut alles, was es kann, um Trumps Team gegen Moskau auszuspielen.
Aber Kiew stichelt auch gegen Washington. Zuletzt ging Selenskyj so weit, das Weiße Haus in einer Erklärung in der CBS-Sendung „60 Minutes“ – eine US-Sendung, die bereits auf Kriegsfuß mit Trump steht – zu beschuldigen, das russische Narrativ zu akzeptieren. Erleichtert wird ihm dies dadurch, dass der westliche Informationsraum grundlegend von diesen Narrativen dominiert wird, die die Vorstellungen Londons, Paris‘ und Kiews widerspiegelt.
Auch Moskau eilt nicht und versucht, das Beste aus der Situation herauszuholen. Es achtet darauf, dass die Verhandlungen nicht abgebrochen werden und demonstriert damit seine konstruktive Haltung. Gleichzeitig ist es aber entschlossen, seine Interessen durchzusetzen. Im Rahmen des teilweisen Waffenstillstands im Schwarzen Meer versucht Moskau zum Beispiel, die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen, die den Zugang russischer Agrarprodukte zum Weltmarkt verhindern. Das ist verständlich, denn insgesamt ist Russland trotz seiner Probleme in einer viel besseren Position als die Ukraine.
Taktik des Weißen Hauses
Es macht Trump auch deutlich, dass Moskau, wenn ein stabiler Frieden erreicht wird, den USA geopolitisch und wirtschaftlich viel mehr zu bieten hat als die Ukraine. Putin und Trump sind sich darin einig, dass sie lieber über die künftige Zusammenarbeit als über den Weg zum Frieden sprechen, weil es dort viel mehr gemeinsame Interessen gibt.
Aus dem Gesagten wird deutlich, dass in der aktuellen Situation neben Trump auch Witkoff in den Mittelpunkt der Kritik geraten ist, von London über Paris bis hin zu den US-Demokraten und republikanischen „Falken“. Damit wird versucht, Witkoff in den Hintergrund zu drängen, und gleichzeitig wird ignoriert, dass er im Wesentlichen Trumps Vorstellungen umsetzt. Auch die Aufteilung des Postens des Sonderbeauftragten war eher ein taktischer Schachzug des Weißen Hauses. Kellogg wurde in Moskau aufgrund seiner früheren Aussagen zu Recht als zu russlandfeindlich angesehen, und Trump erkannte, dass seine Haltung die Verhandlungen nur verlangsamt hätte.
So wurde der ursprünglich für den Nahen Osten zuständige Sonderbeauftragte Witkoff mit der Aufgabe betraut, mit Moskau und, soweit nötig, mit Kiew zu verhandeln, während Kellogg, der in diesen Kreisen besser akzeptiert ist, die ukrainische und europäische Linie vertritt. Beide haben die Aufgabe, die jeweils andere Seite aufzuweichen, und dies erfordert verständlicherweise unterschiedliche Mittel. Aufgrund des Verlaufs der Verhandlungen – vor allem muss man sich mit Moskau einigen – verschwand Kellogg für eine Weile vom Radar, um jetzt in dem Reuters-Material wieder aufzutauchen.
Darüber hinaus erklärt sich die Kampagne um Witkoff auch durch Machtkämpfe innerhalb der US-Elite. Im Umfeld von Trump kristallisieren sich derzeit drei Meinungszentren in Bezug auf die Bewältigung des ukrainisch-russischen Konflikts heraus: das Außenministerium, Kellogg und Witkoff. Das Außenministerium beschäftigt sich derzeit hauptsächlich mit technischen Angelegenheiten – Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen, Immobilien, direkte Flugverbindungen usw. – oder damit, dass Witkoff unter Missachtung diplomatischer und sicherheitspolitischer Protokolle Kirill Dmitrijew, den Sonderbeauftragten Putins für Investitionen und internationale Wirtschaftsangelegenheiten, nicht in seinem eigenen Haus, sondern im Weißen Haus zum Abendessen empfängt.
Daher kann derzeit dem Wunsch eines russlandfeindlichen Flügels der Republikaner, Rubio anstelle von Witkoff einzusetzen, nicht entsprochen werden. Denn Witkoff, der Trump seit Jahrzehnten als Bauunternehmer kennt, versteht vollkommen, was der Präsident will, und betrachtet die Verhandlungen mit Russland durch die Brille des „Trump’schen Amerika“. Dieses spürbare, bedingungslose Vertrauen, das Trump ihm entgegenbringt, sorgt bei Witkoff allerdings auch für eine Angriffsfläche.
„Schattenaußenminister“ Witkoff
Der Präsident hat ihn mit der Vermittlung zunächst in Gaza, dann im russisch-ukrainischen Konflikt betraut, und zuletzt hat er die US-Delegation bei den Gesprächen mit dem Iran im Oman geleitet. In Washington wird er daher nicht zufällig bereits als „Sonderbeauftragter für alles“ („envoy to everything“) bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass er, wie schon bei dem Zustandekommen der Abraham-Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten, äußerst energisch auftritt, aber überlastet ist. Ihm wird aber auch vorgeworfen, dass die russischen und iranischen Diplomaten erfahrene und gewiefte Verhandlungspartner seien und so Witkoff und sein Team ihren Willen aufzwingen könnten.
Hinter der Kritik verbirgt sich auch der Unmut darüber, dass Witkoff im Wesentlichen ein „Schattenaußenminister“ ist, und viele würden die Diplomatie gerne wieder im Außenministerium angesiedelt sehen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, dass die alten Hasen des Außenministeriums in Trumps erster Amtszeit den vom Vorstandsvorsitzenden von ExxonMobil zum Außenminister aufgestiegenen Rex Tillerson innerhalb eines Jahres auf diese Weise ausgebootet haben.
Hinter diesen Angriffen wird aber auch deutlich, dass es selbst in Washington noch viele Gegner einer Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen gibt. Und natürlich auch Neid, denn Witkoff hat gute Chancen, wenn auch nicht sofort, Erfolge in den Beziehungen zu Russland und zum Iran zu erzielen, und das wäre die eigentliche Antwort für die Zweifler und Missgönner.
Der Beitrag ist zuerst auf dem ungarischen Fachportal Moszkvater erschienen. Er wurde von Éva Péli für Globalbridge ins Deutsche übersetzt.