Die verantwortliche Autorin des Jahresberichts der Bundeswehr, Dr. Eva Högl, geboren am 6. Januar 1969, ist seit 25. Mai 2020 Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Von 2009 bis 2020 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, direkt gewählt im Wahlkreis Berlin-Mitte. Von 2013 bis 2020 war sie Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig für die Bereiche Inneres und Recht.

So verhindern Fledermäuse die Kriegstüchtigkeit der deutschen Bundeswehr …

Die fast sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit kann einen schon auch mal erschrecken. Etwa wenn man daran denkt, mit welcher Gründlichkeit die deutsche Wehrmacht 1941 in Weißrussland die Bevölkerung von über 400 Dörfern ausgerottet hat. Aber jetzt gibt es ein Dokument zur heutigen deutschen Bundeswehr, dessen Gründlichkeit gelegentlich auch Grund zum Schmunzeln gibt. Da wird gründlich erklärt, was zur von Verteidigungsminister Boris Pistorius geforderten deutschen «Kriegstüchtigkeit» noch alles fehlt …

Ja, der Jahresbericht 2023 der sogenannten «Wehrbeauftragten» Dr. Eva Högl – Deutscher Bundestag Drucksache 20/10500 – ist musterhaft gründlich. Ein Beispiel aus dem 175-seitigen Bericht:

«Solche und andere Verzögerungen bei Bauvorhaben bergen nicht selten das Risiko, das* damit weitere verknüpfte Projekte ins Wanken geraten und so eine Kettenreaktion verursachen. Von einem entsprechenden Beispiel erfuhr die Wehrbeauftragte im Rahmen eines Truppenbesuchs beim Panzerpionierbataillon 4 in Bogen: Die Truppe in der dortigen Graf-Aswin-Kaserne wartet dringend auf den Neubau von Unterkunftsgebäuden. Voraussetzung für den Baubeginn ist jedoch die Fertigstellung des neu zu errichtenden Waffenkammergebäudes. Hierfür ist wiederum der Abriss des in dem Baufeld befindlichen Altgebäudes erforderlich. Dem standen allerdings bis Herbst des Berichtsjahres die Schutzzeiten für Fledermäuse entgegen, die sich nach Angaben des Ministeriums im Dachstuhl des Gebäudes eingenistet hatten.» (* Schreibweise im Original, Red.)

Wie wunderbar ist es doch, wenn ein paar Fledermäuse den Bau eines Truppenunterkunftshauses zu verhindern wissen!

Aber nicht nur Fledermäuse haben einen Einfluss auf die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr, auch Eidechsen zum Beispiel können einen Einfluss haben. Wörtlich aus dem Bericht: «Der Fund von unter Naturschutz stehenden Zauneidechsen machte am Marinefliegerstützpunkt Nordholz den Bau von Schutzzäunen mit einer Gesamtlänge von elf Kilometern nötig, um die Kriechtiere absammeln und in Ersatzhabitate umsiedeln zu können. Nach der Vergrämung (sic!) von 357 Eidechsen im Berichtsjahr bleibt der nächste Sommer abzuwarten. Dadurch verzögern sich die Bauarbeiten für dringend benötigte Hallen und Flugbetriebsflächen noch mindestens bis Ende 2024.»

Und weiter geht’s mit einer schwierigen Entscheidung, die zu fällen es 18 Monate brauchte: «Die Entscheidung zwischen Kunst- und Naturrasen nahm in der Karwendel-Kaserne in Mittenwald bei der Ertüchtigung eines Sportplatzes für die Gebirgs- und Winterkampfschule rund eineinhalb Jahre in Anspruch. Innerhalb dieser Zeit hatten sich in dort im Bauschutt ebenfalls Zauneidechsen angesiedelt, deren Sichtung dazu führte, dass vorerst weitere Maßnahmen nicht gestattet waren. Nach dem Aufbau eines Schutzzaunes tauchten keine Reptilien mehr auf. Statt im Juni 2020 soll der Sportplatz nun im Oktober 2024 fertig sein.»

Ich liebe die Zauneidechsen …

Aber Spaß beiseite. Natürlich ist auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten und Soldatinnen in diesem Bericht ein Thema. «Insgesamt konnte die Bundeswehr bislang etwa 10.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten, vor allem auf westlichen Waffensystemen, im Orts- und Häuserkampf, im Sanitätsdienst, als Pioniere und infanteristisch, erfolgreich und einsatzorientiert ausbilden. Neben der militärischen Ausbildung ist es den deutschen Ausbilderinnen und Ausbildern auch wichtig, den ukrainischen Kameradinnen und Kameraden das Prinzip der Inneren Führung näher zu bringen. Da sich letztere nach der Ausbildung in Deutschland zurück in der Ukraine im scharfen Konflikt und damit rechtlich gesehen im Krieg befinden, vermitteln ihnen Rechtslehrerinnen und Rechtslehrer der Bundeswehr zudem Grundzüge des Humanitären Völkerrechts. – Der Personalaufwand für die Sicherstellung der Ausbildungsmission ist hoch. Den ukrainischen Soldatinnen und Soldaten steht die doppelte Anzahl von Ausbildungs- und Unterstützungspersonal gegenüber. Aufgrund der Bindung von Personal und Material musste die Truppe diverse eigene Ausbildungsvorhaben verschieben, verkürzen oder ausfallen lassen. Verdrängungseffekte ergaben sich zudem für Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr und Truppenübungsplätze. Insofern ist es erfreulich, dass nach Mitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung durch Priorisierungen in der Trainingsbuchung und durch weitere organisatorische Maßnahmen daraus bisher keine Laufbahnnachteile für Soldatinnen und Soldaten entstanden sind.» 

«Keine Laufbahnnachteile für deutsche Soldatinnen und Soldaten» also, immerhin. Was aber, wenn bei den Soldaten und Soldatinnen trotzdem psychische Probleme auftreten? 

Auch in diesem Punkt ist der Jahresbericht der Bundeswehr gründlich: «Dennoch lag mit durchschnittlich zweieinhalb Jahren die Verfahrensdauer bei den Truppendienstgerichten immer noch eineinhalb Jahre über der den Gerichten vom Bundesverwaltungsgericht zugestandenen Bearbeitungsdauer von einem Jahr. Weitere Beschleunigung könnte die bereits seit längerem geplante Reform der Wehrdisziplinarordnung bringen, weshalb die Gesetzesnovelle nun zügig in den Deutschen Bundestag eingebracht werden sollte. Denn nach wie vor ist der Abbau der zahlreichen oft komplexen Altverfahren mit einer Verfahrensdauer von teilweise acht bis zehn Jahren kritisch. Diese Überlängen belasten nicht nur die Betroffenen psychisch und laufbahnrechtlich, etwa durch ein Beförderungsverbot, sie können auch zu sogenannter maßnahmemildernder Berücksichtigung führen. Das bedeutet, es ergeht eine deutlich mildere Disziplinarmaßnahme, als es gemessen an dem Vorfall angezeigt wäre. Zudem laufen überlange Verfahren dem Sinn und Zweck des Disziplinarrechts zuwider, die Soldatin oder den Soldaten im zeitlichen Zusammenhang zu disziplinieren und zu erziehen.

Truppenpsychologinnen und Truppenpsychologen in der Bundeswehr erfüllen ein vielfältiges Aufgabenspektrum: von der Führungsberatung der jeweils zuständigen militärischen Vorgesetzten über Unterricht und Training zu psychologischen Themen, die Vor- und Nachbereitung von Auslandseinsätzen und die Einzelfallberatung von Soldatinnen und Soldaten sowie deren Angehörigen bei persönlichen oder dienstlichen Problemen bis hin zur Krisenintervention. Die Zeitenwende und die damit in Art und Umfang verbundenen Aufträge werden zunehmend durch eine hohe – auch psychische – Belastung gekennzeichnet sein. Insoweit sollte die Bundeswehr rechtzeitig Sorge dafür tragen, in ausreichendem Umfang Dienstposten für Truppenpsychologinnen und -psychologen vorzuhalten.»

Ende Zitat.

Die kurz angetönten möglichen psychischen Probleme der Soldaten und Soldatinnen führen automatisch auch zum Punkt der Seelsorge. Sind die Soldaten und Soldatinnen denn auch empfänglich für eine Seelsorge? Eine besonders interessante Stelle besagt, wörtlich: «Nach Auskunft Verteidigungsministeriums waren im Berichtsjahr rund 66 Prozent aller Soldatinnen und Soldaten einer Glaubensrichtung zuzuordnen, während sich etwa 44 Prozent keiner Glaubensrichtung verbunden fühlten.» Aha, das Verteidigungsministerium geht von 66 Prozent Gläubigen und von 44 Prozent Ungläubigen aus. Interessant! 66 und 44 ergibt 110. Hat die Bundeswehr also 110 Prozent Soldaten und Soldatinnen? Oder haben 10 Prozent der befragten Soldaten und Soldatinnen bei der Umfrage beide Häuschen angekreuzt: bei «gläubig» und bei «ungläubig»? 

Der Globalbridge-Redaktion liegen zwei Versionen dieses Bundeswehr-Jahresberichtes vor: eine «Vorabfassung» und die definitive Fassung. Der hier zitierte Satz ist in beiden Versionen identisch. Hat die verantwortliche Wehrbeauftragte Dr. Eva Högl, die ja so einen Rechnungsfehler des Verteidigungsministeriums hätte übersehen können, keine administrative Hilfskraft, die die «Vorabfassung» des Jahresberichtes nochmals hätte durchlesen können?

Und ob! Das ist das Büro der Wehrbeauftragten Dr. Eva Högl:

Nach Recherchen von Globalbridge bedeuten «RR» Regierungsrat, «MDg» Ministerialdirigent, «WB» Wehrbereich, «MRn» Ministerialrätin, «MR» Ministerialrat, «RDn» Regierungsdirektorin und «RD» Regierungsdirektor, Irrtum vorbehalten. Bei so viel Personal ist es natürlich verständlich, dass die «Vorabfassung» des Bundeswehr-Jahresberichts von keiner Hilfskraft nochmals gelesen wurde, weil ja vermutlich schon ein Kollege oder eine Kollegin es getan hatte. Da wird auch verständlich, dass bei der Formulierung «Nach Auskunft Verteidigungsministeriums» das fehlende Wort «des» nicht entdeckt wurde. 

Aber wir wollen hier nicht kleinlich sein und unseren Hinweis auf diesen echt gründlichen Jahresbericht nicht noch mehr in die Länge ziehen. Nur noch ein Punkt: die Ethik. Es dürfte für die 68 Militär-Seelsorger der katholischen Kirche und die 107 Militärseelsorger der evangelischen Kirche ja nicht ganz einfach sein, entgegen dem urchristlichen Gebot «Du sollst nicht töten» die 181.514 Soldaten und Soldatinnen (Stand 31. Dezember 2023) trotzdem für ihre Arbeit zu motivieren. Vielleicht deshalb ist in diesem Jahresbericht 2023 auch «Ethik» ein im Inhaltsverzeichnis erwähnter Punkt. Und was kann man dort lesen? Wörtlich: 

«Die Bundeswehr legt im Sinne der Inneren Führung großen Wert auf eine klare und vor allem verantwortungsbewusste Führung durch die Vorgesetzten. Dies umfasst neben der Förderung von Teamarbeit und Kameradschaft auch eine konstruktive Kommunikation auf allen Ebenen sowie insbesondere die Einhaltung ethischer Grundsätze.» Und etwas weiter unten auf den 175 Seiten des Jahresberichts dann die Information, wo diese «ethischen Grundsätze» nachgelesen werden können. Wörtlich: «Als Grundlage für die Ethische Bildung in der Truppe soll künftig eine Vorschrift dienen. Bedauerlicherweise hat sich deren ursprünglich für Anfang 2023 erwartete Einführung verzögert. So lag die Vorschrift zum Zeitpunkt der Berichtserstellung noch der Hausleitung des Verteidigungsministeriums zur Billigung vor. Es wäre gut, wenn dieses zentrale Grundlagendokument, welches das Fundament für die Persönlichkeitsbildung unserer Soldatinnen und Soldaten legt, nun alsbald veröffentlich wird.»

 Wenn die Entscheidung, wie weiter oben erwähnt, zwischen Kunst- und Naturrasen bei der „Ertüchtigung eines Sportplatzes“ einer militärischen Kampfschule 18 Monate gedauert hat, wie lange wird es dauern, bis die «ethischen Grundsätze» der Bundeswehr ausformuliert sind?

Schaumermal.

PS: Bitte den Bundeswehr-Jahresbericht 2023 streng vertraulich behandeln. Er darf auf keinen Fall in die Hände der Russen kommen. Die russischen Spione könnten sonst auf die Idee kommen, auf weiteren Kampfschulplätzen der deutschen Bundeswehr Zauneidechsen auszusetzen …

Zur «Vorabfassung» des Bundeswehr-Jahresberichts 2023 und zur definitiven Fassung des Jahresberichts.