Schön Händchenhalten am WEF in Davos: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Bundesrätin Viola Amherd, die mit ihrer Armee für die Sicherheit der WEF-Teilnehmer sorgt.

So tritt die Schweizer Verteidigungsministerin die Schweizer Neutralität mit Füßen

Die Neutralität der Schweiz ist Jahrhunderte alt und hat die Schweiz von mehreren Kriegen verschont. Und weil die Schweizer Neutralität auch international anerkannt und geschätzt wurde, hat die Schweiz bei internationalen Konflikten schon oft auch als willkommene Vermittlerin einen Beitrag zum Frieden leisten können. Der Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd allerdings geht das alles – man verzeihe den Ausdruck – einfach «am Arsch vorbei». Sie propagiert und fördert eine enge Zusammenarbeit mit der NATO. Ohne des Volkes Meinung dazu einzuholen!

Viola Amherd, seit 2019 Mitglied der siebenköpfigen Schweizer Regierung, leitet das Departement VBS – Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport.

Eine ehrliche Politikerin?

Man darf zweifeln. Gegen den Bundesbeschluss der beiden Schweizer Parlamentskammern vom 20. Dezember 2019, für den Kauf neuer Kampfjets für die Schweizer Armee als Budget 6 Milliarden Schweizer Franken zu bewilligen, wurde erfolgreich das Referendum ergriffen, worauf es zu der dann notwendig gewordenen Volksabstimmung kam. Welche Kampfjets gekauft werden sollten, war, wie es hieß, immer noch in der Evaluation. Zur Diskussion standen F/A-18 E/F Super Hornet von Boeing in den USA, F-35A von Lockheed Martin in den USA, Rafale B von Dassault in Frankreich, Eurofighter von Airbus, BAE-Systems und Leonardo, produziert in Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien, und schließlich Gripen E von Saab in Schweden.

Das Ergebnis der Volksabstimmung war eines der knappsten in der Geschichte der Schweiz: 50,1 % oder 1’605’700 Stimmen sagten Ja zum Kauf neuer Kampfjets, 49,9 % oder 1’597’030 Stimmen sagten Nein. Die Differenz lag bei über 3,2 Millionen Abstimmenden bei 8670 Stimmen. Aber, so die Schweizer Regierung damals: Abgestimmt ist abgestimmt. 

Erst nach der Abstimmung gab das VBS bekannt, die Evaluation sei abgeschlossen, der «Sieger» aus der Evaluation sei der F-35, jener Kampfjet notabene, der im Gegensatz zu anderen fähig ist, auch Atombomben zu transportieren – weshalb er übrigens auch von Deutschland bevorzugt wird. 

Das wiederum bewegte die Kampfjet-Gegner, erneut aktiv zu werden, zumal die Abstimmung auch genau am Tag des Kriegsbeginns in Armenien stattfand, am 27. September 2020, einem Krieg, der in kürzester Zeit zeigte, dass heutzutage nicht Kampfjets einen Krieg entscheiden, sondern die Qualität und die Anzahl der Drohnen. Ausserdem wurde ruchbar, dass der Evaluationsentscheid pro F-35 intern schon vor der Abstimmung gefällt worden war, aber absichtlich noch nicht bekanntgegeben wurde, um jene Zweifler, die Kampfjets aus Europa noch akzeptieren mochten, einen Kauf eines US-Jets aber ablehnen würden, nicht noch zu einem Nein zu motivieren. Dabei muss man wissen, dass der Hersteller eines Kampfjets aufgrund der eingebauten Systeme jeden Jet per Knopfdruck aus der Ferne innerhalb Minuten grounden, also ausser Betrieb setzen kann. 

Und was machte die fromme Viola «am Herd»? Um diese Diskussionen abzuwürgen, unterzeichnete sie den Kaufvertrag mit den USA und mit Lockheed Martin in aller Eile, argumentierend, dass sonst der Preis steige. Damit war das Thema vom Tisch. Demokratie à la Viola Amherd aus dem Kanton Wallis.

 Und was hat man in Bern, der Schweizer Hauptstadt, aus dieser Geschichte gelernt?

Nichts. 

Jetzt, am 21. September 2023, setzte das VBS-Ministerium folgende Mitteilung auf die offizielle Website der Schweizer Exekutive. Wörtlich:

«Partnerschaft für den Frieden: Die Ziele der Kooperation zwischen der Schweiz und der Nato für 2023 und 2024 sind festgelegt.»

Bern, 21.09.2023 – Die Schweiz und die Nato haben die Ziele ihrer Zusammenarbeit für die Jahre 2023 und 2024 in einem nicht rechtsverbindlichen Dokument, dem «Individually Tailored Partnership Programme» (ITPP), definiert. Der Abschluss dieses ITPP erfolgt im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (PfP) und trägt zur Umsetzung der Absicht des Bundesrates bei, die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik zu stärken.

Die Schweiz nimmt seit 1996 an der Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace, PfP) teil. Die PfP ist ein Programm für die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Nato und den einzelnen Partnerstaaten. Sie ermöglicht Partnerstaaten wie der Schweiz, eine massgeschneiderte Zusammenarbeit mit der Nato im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu verfolgen. Für die Schweiz ist die PfP ein Instrument, dank dem sie nach ihren Bedürfnissen und Interessen mit den Staaten in ihrem regionalen Umfeld zusammenarbeiten und zur Stabilität und Sicherheit in ihrem Umfeld beitragen kann. Die Teilnahme an der PfP ist mit der Neutralität der Schweiz vereinbar.

Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Nato 2023 und 2024

Die gesamte Kooperation zwischen der Schweiz und der Nato erfolgt im Rahmen der PfP. Der Bundesrat legt jeweils die thematischen Schwerpunkte und die Prioritäten dieser Kooperation fest, letztmals im März 2022. Auf dieser Grundlage erarbeitet die Schweiz dann gemeinsam mit der Nato für zwei Jahre ein nicht rechtsverbindliches Dokument mit der Bezeichnung «Individually Tailored Partnership Programme» (ITPP). 

Das ITPP für den Zeitraum von 2023 bis 2024 wurde kürzlich fertiggestellt. Es umreisst die Zielsetzungen der Kooperation. Formuliert werden sowohl allgemeine Ziele, wie die Fortsetzung des politischen Dialogs, als auch spezifischere, wie die Entwicklung der Zusammenarbeit in den Bereichen neue Technologien und Innovation; Resilienz; Förderung der Frauen, des Friedens und der Sicherheit (Women, Peace and Security, WPS); Abrüstung; Nonproliferation sowie Cyberabwehr. Mehrere Ziele betreffen die Stärkung der Interoperabilität, zum Beispiel bei der Luftwaffe oder den Kommunikationssystemen. Zudem ist vorgesehen, die Beteiligung der Schweiz an den Kompetenzzentren der Nato (Centres of Excellence) zu verstärken und Stabsoffiziere in Nato-Strukturen zu entsenden. 

Mit dem militärischen Angriff auf die Ukraine hat Russland die Grundlagen für eine regelbasierte Friedensordnung in Europa zerstört. Das ITPP trägt vor diesem Hintergrund zur Umsetzung der Absicht des Bundesrates bei, die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik unter Wahrung der Neutralität (sic!) zu verstärken, wie dies im Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 festgehalten ist, der vom Bundesrat am 7. September 2022 verabschiedet wurde.»

(Ende der offiziellen Nachricht des VBS.)

Und das alles läuft unter dem Namen «Partnerschaft für den Frieden». Wo und wann hat die NATO schon etwas für den Frieden geleistet?

Die neutrale Schweiz strebt «Interoperabilität» mit der NATO an!

Das Wort «Interoperabilität» – international unter «Interoperability» bekannt – heisst nichts Anderes, als dass eine Armee eng mit der NATO zusammenarbeiten kann und soll. Oder, um ein konkretes Beispiel zu nennen, genau das, was die NATO über Jahre erfolgreich mit der ukrainischen Armee betrieben hat: gleiche Kaliber bei der Munition, gleiche Kaderstufen im Offiziers-Korps, mindestens eine gemeinsame Sprache (in der Ukraine z.B. Englisch), gleiche Kommunikationssysteme, gemeinsame militärische Manöver, etc. etc. Im französischsprachigen Dokument zu dieser Entscheidung des VBS kommt das Wort «interopérabilité» zehn Mal vor!

Und was hat das mit unserer Schweizer Neutralität zu tun? Nichts, gar nichts. Es ist der gelebte Bruch mit der historisch gewachsenen Neutralität. Sprich: Lasst doch endlich auch uns Schweizer und Schweizerinnen nach den Vorgaben der USA Politik betreiben! Horribile dictu! Es ist einfach grauenhaft!

Was aber können wir gegen diese demokratie- und neutralitätsfeindliche Politik unserer Verteidigungsministerin tun?

Vor allem eines: die gegenwärtige Unterschriften-Sammlung der Neutralitätsinitiative unterschreiben! Hier gibt es die Unterschriften-Formulare!

Schneller wirksam wäre die Abwahl dieser Dame anlässlich der Bundesratswahlen am kommenden 13. Dezember. Aber darauf besteht leider keine Hoffnung, zumal die Partei, die sie in den Bundesrat reingebracht hat, die sogenannte «Die Mitte» – früher die CVP, die «Christlichdemokratische Volkspartei» – bei den Parlamentswahlen am 22. Oktober vielleicht sogar zur drittstärksten Partei der Schweiz aufsteigt, mit künftig vielleicht sogar zwei statt bisher nur einem Mitglied im siebenköpfigen Bundesrat.

PS: Wo sind übrigens die Stadt und der Kanton Genf, die durch diese NATO-affine Politik des gegenwärtigen Schweizer Bundesrates ihren internationalen Ruf als idealen – weil eben neutralen! – Verhandlungsplatz in kürzester Zeit verlieren werden? Schon jetzt ist das IKRK daran, in Genf Hunderte von Arbeitsplätzen abzubauen …