Selenskyj in Washington: Es wird immer absurder!
Auch wenn US-Präsident Joe Biden in etlichen Punkten in der Kritik steht, für seine Strategie, die USA als alleinige Weltmacht mit Geld und Waffen zu erhalten und sogar noch zu festigen, hätte er keinen besseren Supporter finden können als den ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj. «Your money is not charity, it’s an investment in the global security!» So rief Selenskyj es in den Saal der vereinigten beiden US-Parlamente Senat und Repräsentantenhaus – und erntete damit eine Standing Ovation. Und die EU und auch die Schweiz sehen zu und wollen auch zehn Monate nach Kriegsbeginn noch nicht begreifen, wer die Verlierer dieser US-amerikanischen Außenpolitik sein werden.
Wer die Ukraine kennt, von etlichen Reisen in verschiedene Regionen, wer Bekannte in der Ukraine hat, ebenfalls in verschiedenen Regionen – inklusive im Donbass, der seit acht Jahren vom ukrainischen Militär beschossen wird! – und wer auch russische und ukrainische Publikationen konsultiert, der kann auch zehn Monate nach Beginn des dortigen Krieges nur den Kopf schütteln. Noch wenige Monate vor Kriegsbeginn hat der Europäische Rechnungshof einen Bericht über die Ukraine erstellt, in dem er darauf aufmerksam machte, dass in der Ukraine jedes Jahr zig Milliarden US-Dollar durch die große und kleine Korruption einfach verschwinden! Die Ukraine ist schon vor dem Februar 2022 vom zweitärmsten zum ärmsten Land Europas geworden, weil eine Handvoll hochkriminelle ukrainische Oligarchen das Land ausbeuten und unzählige Leute aus der Administration regelmässig öffentliches Geld in die eigene Tasche abzweigen. Die USA haben mit Milliarden-Einsatz den Putsch auf dem Kiever Maidan im Jahr 2014, die Vertreibung des demokratisch gewählten damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch angezettelt und unterstützt und mitentschieden, wer in die darauf folgende Regierung kommt – Neonazis inbegriffen. Die USA und die NATO haben seit 2014 die ukrainische Armee «beraten», wie die das nennen – sprich: mit Waffen ausgerüstet und die Truppen zu deren Einsatz ausgebildet.
Die deutsche Bundeskanzlerin hat mittlerweile eingestanden, dass sie die Vereinbarungen von Minsk II nur unterschrieben hat, um der Ukraine Zeit zu verschaffen, ihr Land aufzurüsten. Und offensichtlich hat sie im Jahr 2008 den Beitritt der Ukraine zur NATO verhindert, nicht etwa aus «Freundschaft» zu Russland, sondern im Gegenteil, um einen Krieg gegen Russland von der Ukraine aus zu ermöglichen, ohne dass es ein Krieg eines NATO-Landes sein würde – mit dem Risiko eines dritten Weltkrieges. Russland militärisch anzugreifen, mit Kriegsopfern nur auf ukrainischer Seite, dieses Konzept war ebenso brillant wie teuflisch. Und Putin war – damals – noch so naiv, den Mitunterzeichnern der Vereinbarungen von Minsk II Glauben zu schenken: Er glaubte noch daran, mit den in Minsk beschlossenen Vereinbarungen dem Donbass die Chance zu geben, mit mehr Autonomie – zum Beispiel mit dem Recht, die russische Sprache zu sprechen und zu pflegen – in der Ukraine zu verbleiben. Das Vertrauen Russlands zu Deutschland dürfte mit Merkels Geständnis für mehrere Jahrzehnte zerstört sein. Zu Recht.
Selenskyj hilft Joe Biden, den Krieg in die Länge zu ziehen
Die Rede Selenskyjs vom dem versammelten US-Kongress ist ein weiteres Ereignis, das in die künftigen Schulbücher eingehen wird. «Your money is not charity, it’s an investment in the global security!», «Ihr Geld ist nicht eine Spende aus Barmherzigkeit, es ist ein Investment in die globale Sicherheit!» – Dieser Satz verrät Selenskyjs direkte Abhängigkeit von der US-Aussenpolitik deutlicher als alles Bisherige. Die USA und die NATO haben schon Dutzende von Angriffskriegen durchgeführt, in Vietnam, in Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan, und und und, mit Hunderttausenden von Kriegsopfern! Und wenn die USA jetzt weitere Milliarden in Form von Geld und hochmodernen Waffen an die Ukraine liefern, dann ist das, gemäß Selenskyj, ein «Investment» in die Sicherheit der Welt! In die «Sicherheit» der Welt! Heute, wo das US-Militärbudget für 2023 mit fast 900 Milliarden US-Dollar so hoch ist, wie die Militärbudgets der nächstgrößten Militärbudgets der Welt zusammen, China und Russland inbegriffen. Jeder Bürger und jede Bürgerin dieser Welt, die ein paar Jahre in die Schule gegangen sind und lesen können, wissen, dass es den USA um nichts Anderes geht als um die Macht, um die Weltherrschaft, nicht nur, aber nicht zuletzt mit dem dahinterstehenden Ziel, die Weltwährung des Dollar und das neoliberale Wirtschaftssystem zu erhalten, in dem die Armen arm gehalten werden und das Geld aufwärts fließt, aufwärts zu den Reichen.
Auch die europäischen Medien sind begeistert
Und wie haben die deutschsprachigen Medien auf Selenskyjs Rede im US-Kongress reagiert? Zwei Abschnitte des Berichts des USA-Korrespondenten der CH-Media-Zeitungen in der Schweiz – ja, sogar in der Schweiz! –seien hier, stellvertretend für viele andere, zitiert:
«Weil selbst Biden viel Zeit benötigte, um aus diesem Positionsbezug die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, fällt die amerikanische Unterstützung für die Ukraine nun umso entschlossener aus. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Kiew ohne Washington verloren wäre – auch weil sich die Regierungen in Berlin oder Frankreich in den vergangenen Monaten zu zögerlich und zu widersprüchlich verhalten haben. Dabei kommt es Biden entgegen, dass Selenski nicht wie ein ex-kommunistischer Funktionär daherkommt, sondern wie eine moderne Führungskraft. Welcher andere Staatsgast würde es sich wagen, im Weissen Haus ohne Krawatte aufzukreuzen?»
«Die Ukraine tritt in Washington nicht mehr, wie in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als Bittsteller auf. Dem selbstbewussten Selenski ist es gelungen, die bilateralen Beziehungen mit den USA auf ein neues Fundament zu stellen. Seit Kriegsausbruch vor etwas mehr als 300 Tagen, sagte der ukrainische Präsident diese Woche während eines Auftrittes mit Biden im Weissen Haus, habe eine ‹neue Phase› begonnen: ‹Wir wurden echte Partner und Verbündete.›»
Und was ist mit Europa?
Für die USA ist dieser Krieg nicht nur gut, weil Russland geschädigt werden kann, ohne dass US-Bürger und -Bürgerinnen zu Tode kommen und die Ukrainer bereitwillig die Kriegsopfer «liefern». Dieser Krieg ist für die USA auch gut, weil damit auch Europa, die EU, geschädigt wird. Die bereits in Gang gekommene Rezession in einigen EU-Staaten ist nicht die Folge des Krieges in der Ukraine, sondern die Folge der Sanktionen der EU gegen Russland! Das wird in den europäischen Medien zwar ziemlich konsequent falsch wiedergegeben, aber es ist bereits in Zahlen aktenkundig. Ist doch super! Die USA können ihr mit Fracking gewonnenes Flüssiggas in die EU verkaufen, teuer für die EU, profitabel aber für die USA.
Russland wird diesen Krieg nicht verlieren. Aber bei der gegenwärtig vor allem von den USA und von Großbritannien betriebenen Eskalation könnte Russland vielleicht doch noch in Versuchung kommen, nicht nur Militär und Faschisten zu bekämpfen und zivile Ziele möglichst zu schonen – sie als Kollateralschäden in Kauf zu nehmen, war schon bisher unumgänglich – , sondern so, wie es die deutsche Wehrmacht damals ab 1941 vorgemacht hat, tatsächlich einen Vernichtungskrieg zu führen.
Der Dezember des Jahres 2022, Angela Merkels Geständnis, dass sie Minsk II nie einhalten wollte und dass sie 2008 die Aufnahme der Ukraine in die NATO verhindert hat, nicht aus Rücksicht auf Russland, sondern um einen Krieg beschränkt von der Ukraine aus gegen Russland führen zu können, ohne damit einen NATO-Russland-Krieg und damit auch einen Dritten Weltkrieg zu riskieren, und die Rede Wolodymyr Selenskyjs im US-Kongress, dieser Dezember 2022 hat Vieles transparent gemacht. Es wird immer abstruser, Putin oder gar die Russen für diesen Krieg alleinverantwortlich zu machen. Die Abonnemente jener Medien, die immer noch von der «unprovoked invasion» – vom unprovozierten Angriffskrieg – reden, darf man mit gutem Grund auslaufen lassen.