Anlass zu fröhlichem Lachen? Deutschland wird die Ukraine mit Geld und Waffen so lange unterstützen, wie es nötig ist. Vlnr: der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius. (Bild Reuters, aus «Profil» übernommen.)

Russland muss den westlichen Mangel an Angst endlich beseitigen

(Red.) Es ist ein Paradox, aber die Realität: Die Politiker wissen, dass der amtierende US-Präsident Joe Biden mehr und mehr der Senilität verfällt und dass Donald Trumps künftige Beschlüsse oft irrational sein werden, dass aber Wladimir Putin ein absolut rationaler und auch besonnener Geist ist und dass, genau deshalb, der Einsatz von Nuklearwaffen von russischer Seite nicht erfolgen wird. Mit der Folge, dass der Westen im Krieg in der Ukraine immer intensiver mitmischelt, nicht nur mit Geld und immer gefährlicheren und wirksameren Waffen, sondern mehr und mehr auch mit direktem Know-how und dem Einsatz von eigenen Leuten – in „zivilen Klamotten“, wie das abgehörte Gespräch der deutschen Generäle verraten hat. In einem Artikel in der russischen Zeitschrift «Profil» plädiert der bekannte russische Politologe Dmitri Trenin deshalb dafür, sich so zu verhalten, dass der Westen wirklich wieder Angst haben muss, wenn er sich weiterhin so benimmt. (cm)

Der Zusammenbruch der Hoffnungen auf einen ukrainischen Sieg über Russland hat bei Amerikanern und Europäern nicht zur Bereitschaft geführt, sich aus diesem Konflikt „wegzuschleichen“. Stattdessen gibt es eine neue Welle der Mobilisierung der Eliten des kollektiven Westens zur Konfrontation mit Moskau. Die Hoffnungen wurden ersetzt durch Befürchtungen. Was passiert, wenn Russland in der Ukraine einen Sieg erringt und Trump die amerikanische Wahl gewinnt? Das ist die große Angst der herrschenden liberalen Spitze des atlantischen Blocks von 2024.

Die Reaktion der westlichen Eliten ist nur äußerlich nervös. In Wirklichkeit ist sie systemisch. In Europa wurde eine mächtige Kampagne zur Vorbereitung auf einen Krieg mit Russland gestartet. Trotz offensichtlicher Ungereimtheiten und offensichtlicher Unlogik wird die These, dass „Putin nicht in der Ukraine Halt machen wird“ und dass die NATO-Länder – das Baltikum und Polen – bald von einer russischen Invasion bedroht sein werden, hartnäckig und nicht ohne Erfolg vertreten. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen: Was, wenn Trump den neuen „Opfern der russischen Aggression“ nicht hilft? Und selbst wenn eine solche Aggression in den kommenden Jahren nicht stattfindet, soll, wie gesagt wird, die Wahrscheinlichkeit eines NATO-Krieges mit Russland mittelfristig steigen.

Die strategische Antwort auf die so formulierte Herausforderung wurde bereits genannt. Es handelt sich um eine dringende Wiederherstellung der Schlagkraft, der Kampffähigkeit und der Kampfbereitschaft der europäischen Armeen, um die Umstellung der militärisch-industriellen Komplexe der NATO-Länder auf Kriegsmodus, um eine weitere militärische Integration innerhalb des Blocks und um eine immer engere Verknüpfung von NATO und EU. Eine Reserveoption – für den Fall, dass die USA in die Isolation gehen – ist die Ausarbeitung von Möglichkeiten zur Bildung eines europäischen Militärbündnisses mit einer nuklearen Komponente. Für die Führung bietet sich Paris als Garant an.

Diese Angelegenheit ist nicht auf Rhetorik beschränkt. Die größten NATO-Manöver seit dem Kalten Krieg («Steadfast Defender») wurden natürlich im Voraus geplant, aber sie entsprechen dem aktuellen Zeitpunkt. Aufgabe der viermonatigen Manöver ist es nicht nur, das Vorgehen der Streitkräfte der Allianz im Falle eines großen europäischen Krieges zu üben, sondern auch zu versuchen, Russland einzuschüchtern, unter anderem durch die Simulation von Atomschlägen tief in seinem Hoheitsgebiet. Taktisch gesehen sollen die Übungen auch dazu dienen, einige russische Kräfte und Mittel von der Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Strategischen Verteidigungsstreitkräfte abzulenken.

Bereits in diesem Jahr haben die USA Abkommen mit Finnland und Schweden geschlossen, um das Territorium dieser neuen NATO-Mitglieder für militärische Zwecke nutzen zu können. Man hat sich auf ein „militärisches Schengen“ geeinigt, einen ungehinderten logistischen Korridor für den Transfer von NATO-Truppen und militärischer Ausrüstung von der Atlantikküste bis zu den Grenzen Russlands und Weißrusslands. Nach einer 15-jährigen Pause wird auch die Rückkehr der US-Atomwaffen nach Großbritannien vorbereitet. Finnlands neu gewählter Präsident spricht sich dafür aus, den Transport von US-Atomwaffen durch sein Land zu erlauben.

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Das Verhalten der europäischen Nachbarn zwingt uns [Russland] dazu, die ungenügend ernsthafte Haltung ihnen gegenüber, die sich in der UdSSR während des Kalten Krieges herausgebildet hatte, zu korrigieren. Ja, Europa ist Amerikas Vasall, und das Bewusstsein der herrschenden Kreise der EU ist vom Atlantizismus durchdrungen. Aber daraus folgt nicht, dass die Europäer Russland in der Ukraine nur aus Bosheit bekämpfen. Die herrschenden europäischen Globalisten haben ihre eigenen Gründe, sich mit uns anzulegen. Es geht nicht um vorgetäuschte Ängste vor einer russischen imperialen Expansion – das ist meist nur Rhetorik. Und es geht auch nicht so sehr um Ideologie oder die historischen Komplexe, die an die Oberfläche gekommen sind. Schuld an der Situation ist der Einfluss ihrer eigenen Propaganda und ihrer Emotionen.

Europas globalistische Eliten haben sich selbst eingeredet, dass ein Sieg Moskaus in der Ukraine ein schwerer Schlag für ihre wichtigsten institutionellen Werte wäre: für die Europäische Union und die NATO. Deshalb bringen sie, ohne Rücksicht auf den Schaden für die nationalen Interessen ihrer Länder, absichtlich schwere wirtschaftliche Opfer zugunsten – wie immer in einer kritischen Situation – höherer politischer Ziele. Die rasante Deindustrialisierung Deutschlands, die nicht nur mit dem Einverständnis, sondern auch mit aktiver Unterstützung der deutschen Führung stattfindet, ist das deutlichste Beispiel dafür.

Aber das ist nicht die Hauptsache. Das Wichtigste ist, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs zum ersten Mal seit 1945 psychologisch nicht durch die Angst vor der russischen Macht oder vor Atomwaffen eingeschränkt sind. Sie haben einen Weg gefunden, Russland indirekt zu bekämpfen, nämlich durch die Unterstützung der Ukrainer. Trotz der schweren Verluste an der Front und der Massenflucht von Einwohnern aus dem Land verfügt die Ukraine immer noch über erhebliche Mobilisierungsressourcen, und die ukrainischen Streitkräfte kämpfen hart. Die großen europäischen Länder zögern noch immer, reguläre Truppen in die Ukraine zu entsenden, aber sie haben die Möglichkeit, zu diesem Zweck Freiwilligentruppen aufzustellen. Der springende Punkt dabei ist, dass die Europäer darauf zählen, dass Moskau im Ukraine-Konflikt keine Atomwaffen einsetzen wird.

Die NATO, die über ein stärkeres wirtschaftliches Potential, technologische und finanzielle Fähigkeiten verfügt als wir [Russland], setzt auf einen langwierigen Krieg, der letztendlich zur Erschöpfung der Ressourcen Russlands, zur Erhöhung seiner militärischen Verluste, zur Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage und zu wachsenden sozialen Spannungen im Lande führen dürfte. Wenn es Moskau unter diesen Bedingungen nicht gelingt, die Ziele der militärischen Spezialoperation zu erreichen, wird es tatsächlich eine Niederlage erleiden, was schwerwiegende Folgen für die politische Situation im Lande haben wird. Die „Optimisten“ in Europa hoffen immer noch auf den Zusammenbruch des bestehenden politischen Regimes der Russischen Föderation und die anschließende Umgestaltung des Staates nach Wunsch des Westens. So könne das jahrhundertealte „russische Problem“ Europas endlich gelöst werden.

In der gegenwärtigen Situation muss man erkennen, dass die traditionelle russische Herangehensweise an die westliche Politik in Form der Ausnutzung der Widersprüche zwischen einzelnen Ländern nicht mehr funktioniert. Europa und der Westen als Ganzes sind heute so stark gegen uns vereint wie nie zuvor. Weder 1812 (beim Einmarsch Napoleons, Red.), noch 1941 (beim Einmarsch Hitlers, Red.), noch während des Kalten Krieges war die antirussische Front in Europa so geschlossen. Heute gibt es unter den europäischen Ländern nicht nur keine Verbündeten oder Sympathisanten Moskaus, es gibt auch keine Länder mehr, die Russland gegenüber neutral sind. Finnland und Schweden sind der NATO beigetreten; Österreich, Irland und die Schweiz haben sich den antirussischen Sanktionen angeschlossen. Unser befreundetes Serbien und die Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina sind stark vom Westen abhängig und haben wenig Handlungsspielraum. Die etwas andere ungarische und die slowakische Politik wird von ihrem Wunsch angetrieben, Brüssel Zugeständnisse abzuringen, nicht von Sympathie für Russland. Diese Politik entwickelt sich zwar, aber in recht engen Grenzen und hat noch keine strategische Bedeutung erlangt.

Es ist auch wichtig zu verstehen, dass die traditionellen geopolitischen und geoökonomischen Faktoren, die Europa nach dem Zweiten Weltkrieg stabilisiert haben, ihre Bedeutung verloren haben. Bildlich gesprochen sind die Sicherheitsvorkehrungen gegen größere Konflikte in Europa „ausgebrannt“. Frankreich hat das Konzept des alternativlosen Dialogs mit Moskau, an dem Paris während des Kalten Krieges festhielt, endgültig aufgegeben. Und Deutschland hat sich bereit erklärt, die Energieverbindung mit Russland zu kappen, die ein halbes Jahrhundert lang eine wesentliche Säule der russisch-deutschen Beziehungen und eine der wichtigsten Säulen der Entspannungspolitik war. Infolgedessen ist die militärische und politische Lage in Europa derzeit durch ein hohes Maß an Instabilität gekennzeichnet.

Wir [in Russland] sind es gewohnt, uns über die derzeitigen europäischen Führer lustig zu machen. Aber das bringt nichts. Es gibt zwar manchmal erstaunliche Charaktere auf der Bühne, aber die Autoren und Regisseure des sich entwickelnden Dramas sind klug, raffiniert und ganz und gar nicht lustig. Unterschätzen Sie nicht die Möglichkeiten, die diese haben. Die EU hat eine halbe Milliarde Einwohner und ein BIP, das mit dem der USA vergleichbar ist. Das Potenzial des militärisch-industriellen Komplexes der europäischen Länder ist beträchtlich. Großbritannien und Frankreich sind Atommächte und, wie wir heute hören, kann der Einsatz ihrer Atomstreitkräfte auch erweitert werden. Die französischen Streitkräfte sollen von einer nationalen Abschreckung gegen nukleare Angriffe in ein Nukleararsenal der Europäischen Union umgewandelt werden, während die britischen Streitkräfte als Ersatz für den nuklearen Schutzschirm der US-NATO dienen sollen – für den Fall, dass Trump beschließt, diesen Schutzschirm zurückzufahren, wenn er Präsident wird.

Ja, die gesellschaftspolitische Lage in Europa ist instabil. In einigen Ländern – vor allem in Deutschland und Frankreich – bildet sich eine konservative Gegenelite heraus, die eine nationale Agenda gegen die herrschenden Globalisten durchsetzt. Die Chancen, dass diese Kräfte in den kommenden Jahren an die Macht kommen, sind jedoch gering. Außerdem sollten rechtsnationalistische Parteien nüchtern und ohne Illusionen bewertet werden. In Italien hat sich die Partei des derzeitigen Premierministers Meloni (Meloni verlangt diese männliche Form! Red.) problemlos in den NATO-EU-Mainstream eingefügt. In Polen ist die globalisierungskritische Regierung der «Partei Recht und Gerechtigkeit» seit acht Jahren an der Macht und stimmt in vielen Fragen nicht mit Brüssel überein, mit Ausnahme der für uns wichtigsten: der Haltung gegenüber Russland. In Finnland ist der Chef der örtlichen Rechten, der den Vorsitz im Parlament übernommen hat, ein glühender Russenhasser.

Ja, Trump ist in der Lage, die Wahl zu gewinnen und erneut im Weißen Haus zu sitzen. Bis dahin kann natürlich noch alles passieren. Die Europäer bereiten sich bereits darauf vor, ohne Trump oder sogar gegen Trump zu handeln: in Koalition mit der Demokratischen Partei der USA. Teilweise haben wir das bereits 2017-2020 gesehen. Damals hatten der Westen und Russland jedoch nur eine politische Auseinandersetzung. Jetzt aber ist es eine offen militärische – wenn auch indirekte – Konfrontation. Der Einsatz hat sich dramatisch erhöht, parallel zur Zunahme der allgemeinen Unsicherheit und der potenziellen Risiken.

Die Schlussfolgerung aus all dem ist: Der Konflikt zwischen Russland und Europa wird sich nicht von selbst „auflösen“ und wird nicht in einem Kompromiss enden. Selbst nach dem Ende der Sonderoperation in der Ukraine wird Moskau in den nächsten 10-15 Jahren oder sogar noch länger keinen „Frieden“ mit der EU haben. Eine neue Norm für die Beziehungen wird auf der Grundlage der Ergebnisse erstens der laufenden militärischen Konfrontation und zweitens der Veränderungen, die in Russland und möglicherweise auch in Europa stattfinden werden, gebildet werden. Wir müssen die Entwicklungen in unseren westlichen Nachbarländern genau beobachten und unsere Hand am Puls von Europa haben. Gleichzeitig müssen wir aber auch verstehen, dass Europa als Partner für uns mindestens eine Generation lang nicht mehr relevant ist.

Für Russland auch eine Chance

Das ist keine Tragödie. Ganz im Gegenteil, diese Situation wird uns [Russland] zugutekommen. In der Vergangenheit hat die Annäherung an Westeuropa die innere Entwicklung Russlands in verschiedenen Bereichen – Industrie und Landwirtschaft, Wissenschaft und Technologie, Kultur und Kunst – beeinflusst. Jetzt hingegen wird die Entfremdung von der Europäischen Union – die, wie wir betonen möchten, vom Westen initiiert wurde! – die weitere Entwicklung Russlands zwangsläufig fördern. Die Kluft zu Europa wird größer, und Russland wird stärker. Wir haben begonnen, Dinge zu tun, von denen uns der Eurozentrismus früher ablenkte – Sibirien und den Fernen Osten zu entwickeln, die Zusammenarbeit mit dem sich dynamisch entwickelnden Asien und anderen vielversprechenden Regionen der Welt zu verstärken.

Es wird keinen dauerhaften Frieden in Europa geben, aber es gibt auch keine fatale Unvermeidbarkeit eines Krieges. Ein massiver NATO-Angriff auf Russland ist nicht das wahrscheinlichste Szenario. Die Angst vor einem Atomkrieg hat sich weitgehend gelegt, aber die Europäer scheinen auch nicht selbstmordgefährdet zu sein. Die Gesellschaften akzeptieren im Allgemeinen die Rhetorik der Eliten, aber ohne Begeisterung. Die Gefahr lauert in den Provokationen des Westens, mit denen die Reaktion Moskaus vor der nächsten Eskalationsrunde getestet werden soll.

Die Amerikaner machen sich unsere eher zurückhaltende Haltung gegenüber den immer dreisteren Angriffen auf Russland und russische Bürger zunutze, um die Eskalationsspirale weiter zu drehen. Es sollte klar sein, dass für einige einflussreiche Kräfte in den USA ein regionaler Krieg in Europa unter Einsatz von Atomwaffen, der sowohl den Feind (Russland) als auch den Konkurrenten (die EU) gleichzeitig schwächt, im Prinzip akzeptabel ist. Die Warnungen Moskaus, dass ein solcher Krieg unweigerlich auch Amerika treffen würde, werden als leere Panikmache empfunden. So kann eine übermäßige Zurückhaltung unsererseits den Gegner ermutigen und zu einem katastrophalen Frontalzusammenstoß führen.

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Die Eskalationsspirale des Westens muss durchbrochen werden. Eine erste allgemeine Antwort auf die Veränderungen in der strategischen Ausrichtung des Westens ist im Prinzip gegeben. Es wurden bereits Beschlüsse gefasst, die russischen Streitkräfte erheblich zu vergrößern, die Militärbezirke Leningrad und Moskau wiederherzustellen und neue militärische Formationen und Verbände zu bilden. Die Integration Russlands und Weißrusslands vertieft sich – im militärischen, rüstungsindustriellen und auch im politischen Bereich. In strategischer Hinsicht bilden Russland und Belarus bereits heute eine Einheit. Die Stationierung russischer taktischer Nuklearwaffen auf dem Territorium der Republik Belarus signalisiert, dass Übergriffe auf die Souveränität und territoriale Integrität des Landes mit aller Entschiedenheit geahndet werden, notfalls auch mit Schlägen gegen NATO-Länder. Das russische Außenministerium hat eine Warnung herausgegeben, dass die Stationierung von F-16 Kampfjets, die der Westen der ukrainischen Luftwaffe überlassen hat, auf NATO-Flugplätzen diese Militär-Basen zu Zielen für russische Angriffe machen wird.

Dies sind die richtigen Schritte, aber es ist ebenso richtig, dass das Erreichen eines militärischen Gleichgewichts bei den konventionellen Waffen mit dem gesamten NATO-Block eine unmögliche Aufgabe ist und, wie die Erfahrung der Sowjetunion gezeigt hat, für die Wirtschaft katastrophal ist. Wir müssen noch weiter gehen, indem wir die strategische Abschreckung stärken, sie aktiv und präventiv gestalten – das heißt, katastrophale Entwicklungen verhindern. Russlands Hauptgegner muss erkennen, dass seine eigenen Werte in Europa bereits gefährdet sind. Die EU-Staaten sollten sich darüber im Klaren sein, was mit ihnen geschieht, wenn ihre immer stärkere Verwicklung in den Ukraine-Konflikt zu einer direkten Konfrontation zwischen der NATO und Russland führt.

Kaliningrad und die Krim verdienen besondere Aufmerksamkeit. Jeder Versuch der NATO, die russische Exklave zu blockieren, würde eine Demonstration der Bereitschaft Moskaus zum Einsatz von Atomwaffen erfordern. Eine solche Demonstration könnte eine vorzeitige Aufhebung des Moratoriums für Atomwaffentests und anschließende Tests beinhalten. Um die Sicherheit der Krim und Sewastopols zu erhöhen, könnte eine Flugverbotszone über den an die Krim angrenzenden Gewässern des Schwarzen Meeres ausgerufen werden. Westliche UAVs (Unmanned Aerial Vehicles, Red.), die sich in dieser Zone befinden, sollten zerstört werden.

Das Konzept der strategischen Abschreckung, das in Russlands Außenstrategie umgesetzt wird, trägt eindeutig noch die Handschrift einer vergangenen Ära. Es konzentriert sich darauf, einen nuklearen Angriff auf Russland oder eine massive bewaffnete Invasion unseres Landes zu verhindern. Dies ist eine Aufgabe von extremer, außergewöhnlicher Bedeutung, und sie ist von Dauer, solange es Atomwaffen gibt. Im gegenwärtigen Umfeld besteht die dringende Aufgabe auf europäischer Ebene jedoch darin, günstige äußere Bedingungen für einen Sieg in der Ukraine zu schaffen. Die – oft geheuchelte – Angst der Europäer vor unserem Sieg muss in eine echte Angst vor den Folgen ihrer Versuche, uns zu behindern, umgewandelt werden.

Dazu müssen wir die politisch-strategische Initiative ergreifen und von der Abschreckung, d.h. der faktischen Reaktion auf die Aktionen des Gegners, zu dessen effektiver Einschüchterung übergehen. Eine glaubwürdige Abschreckung erfordert logischerweise die Entschlossenheit, die Drohung in die Tat umzusetzen. Das ist beängstigend. Aber die Erfahrung des Kalten Krieges zeigt, dass der Frieden zwischen Großmächten, die sich in einem unversöhnlichen Konflikt befinden, nur auf Angst beruhen kann. Der westliche Mangel an Angst ist [für Russland] tödlich und muss daher überwunden werden, bevor es zu spät ist.

Dmitri Trenin ist Forschungsdirektor des Instituts für Weltmilitärökonomie und -strategie an der Higher School of Economics; leitender Forscher am Internationalen Sicherheitszentrum der IMEMO RAS.

Zum Originalartikel in der russischen Zeitschrift «Profil». Die Übersetzung erfolgte mit Deepl.com, kontrolliert, korrigiert und präzisiert von Anna Wetlinska.