Robert Menasse: «Die EU sollte der Schweiz beitreten.»
(Red.) Ja, es stimmt. Es gibt Dinge, die sind in der Schweiz tatsächlich besser als in den umliegenden Ländern. Schokolade zum Beispiel, sofern sie wirklich in der Schweiz produziert worden ist. Oder der Käse, wenn man einmal vom französischen Brie absieht, der eh besser ist als alle Schweizer Weichkäse. Aber nun hat Robert Menasse, der bekannte österreichische Essayist, der sich seit Jahren publizistisch für eine stärkere Europäische Union engagiert, noch einen weiteren Vorteil der Schweiz entdeckt: die schweizerische direkte Demokratie und das in der Schweiz praktizierte Kompetenzsystem der sogenannten Subsidiarität: das System, in dem die politischen Entscheidungskompetenzen immer so tief angesetzt werden wie möglich – wo immer möglich auf Gemeindeebene, gegebenenfalls auf Kantonsebene, und nur wo absolut unumgänglich auf Staatsebene, also in Bundesbern. (cm)
In einem Interview mit Esther Schneider, das auf der Basler Plattform «bajour» erschienen ist, findet sich die folgende Passage:
Esther Schneider: Nicht nur Symbolpolitik ist in deinem Roman («Die Erweiterung», Red.) ein Thema, auch der Nationalismus und die Gefahr, die von ihm für die Europäische Union ausgeht. Was wäre dein Rat?
Robert Menasse: Die EU ist der Versuch, ein nachnationales Europa herzustellen. Die grossen Fortschritte sind nicht selbstverständlich. Also macht euch bewusst, dass alles in kleinen Schritten erkämpft werden muss und voller Widersprüche ist. Die EU ist noch unvollendet, ein Fragment und sie ist bedroht. Also lasst euch bitte verzaubern vom Glanz der Idee und lasst euch nicht verführen von den Nationalisten.
Esther Schneider: Die Schweiz liegt mitten in Europa, ist aber nicht in der EU. Was könnte die EU-skeptische Schweiz beitragen?
Robert Menasse: Mein Rat an die Schweiz ist folgender: Sie sollte die EU einladen, in die Schweiz einzutreten. (lacht)
Esther Schneider: Im Ernst?
Robert Menasse: Ja, das ist kein Scherz. Die Schweiz könnte ihre Erfahrungen und all das, was sie im Kern ausmacht, in die EU einbringen. Die Schweiz ist vielsprachig, multikulturell, föderalistisch und radikaldemokratisch. Der Kanton ist wichtiger als die Nation. Also die Schweiz erfüllt schon jetzt im Kleinen, was man sich für die EU wünscht. Das ist doch ein guter Vorschlag.
(Ende Auszug aus dem Interview Esther Schneider / Robert Menasse)
Sollte sich in der EU tatsächlich jemand dafür interessieren, wie die Schweiz politisch funktioniert, dem seien diese beiden Informationen zur Lektüre empfohlen:
ch.ch, so funktioniert die Schweiz (inkl. eine Erklärung, wie das System der Subsidiarität funktioniert).
Dreimal Demokratie: gefährdet und neu gefordert (Beitrag von Christian Müller)