Der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin bei ihrem Treffen in Moskau. (AP / Sergei Karpukhin) Dazu die Bildunterschrift von «Deutschlandfunk» am 21.3.2023: «Der chinesische Präsident hält sich zu einem Staatsbesuch in Russland auf. Zum Auftakt des dreitägigen Besuchs betonten Xi und Putin die engen Beziehungen ihrer Länder. Putin sagte, die Zusammenarbeit helfe dabei, die grundlegenden Prinzipien der Weltordnung und der Multipolarität zu stärken. China und Russland trügen gemeinsam zu internationaler Fairness und Gerechtigkeit bei.»

Peking und Moskau „Rücken an Rücken“ gegen die USA

In den letzten zwei Jahrzehnten sind die Militärausgaben Chinas schneller gewachsen als seine Wirtschaft. Die chinesische Militärtechnologie wird immer besser. Bereitet sich China auf einen Krieg vor? Welche Rolle spielt Taiwan dabei? Wie ist Chinas Verhältnis zum Nachbarland Russland? Über diese und andere Themen hat Eva Péli mit dem ungarischen Ex-Botschafter in China und China-Experten Sándor Kusai gesprochen.

Eva Péli: Herr Botschafter, die Frage einer Lösung des Taiwan-Konflikts ist hochrelevant und komplex. Sehen Sie die Chancen für eine friedliche Wiedervereinigung, ähnlich wie in Deutschland? Was sind die derzeitigen Hindernisse und könnte sich der Trend ändern?

Sándor Kusai: Ich denke, es gibt eine Chance dafür, ich kann aber nicht sagen, wann. Die chinesische Regierung würde anscheinend eine friedliche Wiedervereinigung vorziehen, die für sie günstiger wäre, nach einer allmählichen wirtschaftlichen und sozialen Annäherung und einem Zusammenwachsen. Die taiwanesische Regierung verfolgt eine Politik der verstärkten Eigenständigkeit und lehnt die Ein-China-Politik ab. Sie wird dabei von den USA und ihren Verbündeten, den europäischen Mächten und Japan maßgeblich unterstützt. Sie nehmen in Kauf, dass Taiwan früher oder später einen radikalen Schritt unternimmt, wie zum Beispiel die Erklärung der Unabhängigkeit. Das würde China dazu veranlassen, seine Politik mit Waffengewalt durchzusetzen. Diese Gefahr droht, und zwar ernsthaft. 

Die wirklichen treibenden Kräfte dahinter sind nicht in erster Linie die chinesische Regierung oder die verschiedenen politischen Kräfte in Taiwan, sondern die US-Regierung. Sie sieht in Taiwan das wichtigste Instrument, um China politisch und militärisch unter Druck zu setzen und die Entwicklung Chinas nicht nur mit wirtschaftlichen, zollrechtlichen und anderen Mitteln, sondern auch mit militärischen und politischen Mitteln zu bremsen und zu drosseln. 

Eva Péli: Chinas Beziehungen zu Russland sind durch den Krieg in der Ukraine gestärkt worden und mehrere Experten sind der Meinung, dass die US-Amerikaner mit den Sanktionen ihren eigenen Albtraum, die strategische Allianz zwischen Russland und China, selbst geschaffen haben. In welchen Bereichen sehen Sie dauerhafte chinesisch-russische Interessen und wo sind ihre Grenzen? Welche Gegenleistungen erwartet China von Russland in dieser Beziehung?

Sándor Kusai: Es ist in der Tat richtig, dass sich die Annäherung zwischen China und Russland während des Krieges in der Ukraine beschleunigt hat. Dieser Prozess begann jedoch schon früher. Bereits Mitte der 1990er Jahre näherten sich Russland und China schrittweise immer mehr an, mit dem Amtsantritt von Präsident Putin im Jahr 2000 nahm dieser Prozess an Fahrt auf. Nach 2010, als die USA begannen, neben Russland Druck auf China auszuüben, wurde das Verhältnis deutlich intensiver. Die Russen und die Chinesen pflegen es so auszudrücken, dass die beiden Länder „Rücken an Rücken“ stehen und gegen den Druck von außen kämpfen. Dieses Symbol ist eine recht gute Beschreibung der Realität.

Russland und China haben ein gemeinsames Interesse daran, sich vor dem Druck, dem Einfluss der USA und einem möglichen Regimewechsel sowohl in Russland als auch in China durch die USA zu schützen. Weder Präsident Wladimir Putin noch der chinesische Präsident Xi Jinping wollen eine rosarote Revolution oder eine blaue Revolution oder irgendeine Revolution, die sie stürzt, daher arbeiten sie eng zusammen. So ergänzen sich die beiden Länder beispielsweise in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft. Russland verfügt über enorme natürliche Ressourcen, Energieressourcen, Metalle, Holz, alles, was die schnell wachsende chinesische Wirtschaft braucht. Da die beiden Länder eine lange gemeinsame Landgrenze haben, können diese Materialien aus Russland auf der Schiene und der Straße transportiert werden und nicht nur auf dem Seeweg, wo die US-Flotte sie versenken könnte. 

Darüber hinaus verfügt China heute über eine hochentwickelte Produktions- und Konsumgüterindustrie, die in der Lage ist, nahezu alle von Russland benötigten Technologien und Produkte bereitzustellen. Das sind nicht nur Autos und Mobiltelefone, China produziert auch Werkzeugmaschinen, Roboter, Schiffe, ja es ist heute der größte Schiffsbauer der Welt. Die beiden Volkswirtschaften ergänzen sich gegenseitig, deshalb können sie so reibungslos zusammenarbeiten, auch wenn die USA versuchen, diese Zusammenarbeit durch Sanktionen einzuschränken.

Russland und China sind beides Großmächte, sodass ihre Interessen natürlich nicht genau die gleichen sind. Solange sie aber unter äußerem Druck stehen, haben sie ein Interesse daran, zusammenzuarbeiten, um dem Druck der USA entgegenzuwirken. Dies ist ein sehr bekanntes Muster in der Weltgeschichte unter den Großmächten: Wenn sie von einer äußeren Bedrohung gefährdet sind, ordnen sie ihre sekundären Interessenkonflikte unter, lösen sie oder frieren sie zumindest ein, damit sie sich auf ihre gemeinsamen Interessen konzentrieren können. Wir sehen dies, wenn Russland und China in Zentralasien, in den BRICS und in der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ (SCO) gemeinsam handeln. Dieser Trend wird sich voraussichtlich in den nächsten 10 bis 15 Jahren fortsetzen, auch wenn die langfristige Stabilität der Beziehungen fraglich ist.

China braucht Russland in zweierlei Hinsicht unbedingt. Zum einen muss es seine Bevölkerung sicher mit Rohstoffen, Energie, Nahrungsmitteln und Getreide versorgen können. Dafür ist Russland wegen der gemeinsamen Grenze der beste Partner. Zum anderen geht es um die militärische Unterstützung. Russland verfügt heute über etwa 1700 Atomraketen und mehr als 5000 Atombomben, während China nicht mehr als ein Zehntel davon besitzt. Die Bedrohung Chinas durch die USA wäre also sehr groß, wenn Russland nicht mit China auf gutem Fuß stünde.

Die Taiwan-Frage und die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel beispielsweise bedeuten, dass China im Falle eines bewaffneten Konflikts auf die Unterstützung Russlands zählen kann. Russland garantiert, dass die USA keine Atomwaffen gegen China einsetzen werden, weil Russland dann seine Atomwaffen als Antwort einsetzen würde. Obwohl China wirtschaftlich viel stärker ist als Russland, braucht es Russland sowohl für die Versorgung mit Rohstoffen und Energie als auch für die militärische Sicherheit, für die geopolitische Unterstützung, und dies gleicht das wirtschaftliche Gewichtsgefälle zwischen den beiden Ländern aus. Die Chinesen brauchen die Russen ebenso sehr wie die Russen die Chinesen brauchen. Aus diesem Grund funktioniert die enge russisch-chinesische Zusammenarbeit und ich denke, das wird noch lange so bleiben.

Eva Péli: China ist wirtschaftlich viel stärker als Russland, aber militärisch ist Russland überlegen. Können wir davon ausgehen, dass China in absehbarer Zeit militärisch aufholen wird? Ist es nur eine Frage der Zeit, oder verfolgt China eine andere Politik, eine andere Strategie?

Sándor Kusai: Zum einen gibt es einen strategischen Unterschied zwischen den beiden Ländern. Im russischen Sicherheitskonzept war die militärische Gewalt immer der Hauptakteur, das war seit Iwan dem Schrecklichen (16. Jahrhundert) so, und das ist in der russischen Politik immer noch so. Russland hat keine Angst, seine militärische Macht einzusetzen. Die chinesische Geschichte ist in dieser Hinsicht anders. Seit mehr als 2000 Jahren hat China keine Eroberungs- oder Angriffskriege geführt, sondern vor allem seine wirtschaftliche und technologische Macht eingesetzt, um sein Umfeld zu beeinflussen. Die Handelsmacht China agiert als globaler Wirtschaftsmotor und setzt gezielt auf den Ausbau seiner Handelsbeziehungen, um sein wirtschaftliches Wachstum zu beschleunigen und seinen Einfluss auf der Weltbühne zu stärken. Aber das ändert sich gerade. Vor allem, weil China unter großem militärischem und strategischem Druck der USA steht.

Die chinesische Führung hat erkannt, dass sie ihr Militär ausbauen muss, und sie tut dies mit aller Macht. In den letzten zwei Jahrzehnten sind Chinas Militärausgaben schneller gewachsen als seine Wirtschaft. Während die chinesische Wirtschaft in einem Jahr um neun Prozent wuchs, stieg der chinesische Militärhaushalt um elf Prozent. Die chinesische Militärtechnologie wird immer besser, sodass sie sich der russischen annähern wird. Doch das Aufholen wird bei den Atomwaffen lange dauern, denn die Herstellung von 5000 Atomsprengköpfen und 2000 dazugehörigen Raketen braucht eine lange Zeit. Die Sowjetunion hat dafür mehr als 70 Jahre gebraucht. Daher wird China auf den russischen Militärfaktor dauerhaft angewiesen sein.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt zu berücksichtigen: Chinas militärische Macht ist heute groß, aber wir wissen nicht wirklich, wie viel von dieser militärischen Macht einsatzfähig ist. Das Land hat seit dem Krieg 1979 gegen Vietnam keinen Krieg mehr geführt – seit fast 45 Jahren. Der letzte Krieg dauerte wenige Monate. Seitdem hat die chinesische Armee keine Waffen, keine Bomber in einer realen Situation eingesetzt, keine Manöver durchgeführt, keine Raketen abgefeuert und keine Kriegsschiffe entsandt, lediglich Übungen abgehalten. Wie wir wissen verläuft kein Krieg nach Plan, die Realität auf dem Schlachtfeld weicht immer von der Theorie ab. Dagegen hat die russische Armee mehrere Kriege geführt und ist derzeit in einen militärischen Konflikt verwickelt. Diese Erfahrung der russischen Militärs ist ganz frisch, das ist ihr Alleinstellungsmerkmal in der Welt. Sie wissen am besten, wie man militärische Züge, Kompanien, Regimenter, Divisionen, Operationen anleitet, koordiniert, plant, organisiert und mit Artilleriegranaten versorgt.

So ist die Zusammenarbeit mit der russischen Armee für China von entscheidender Bedeutung. Durch den Transfer militärischer Expertise und wissenschaftlicher Erkenntnisse kann die chinesische Armee ihre Fähigkeiten signifikant stärken und die Lücken in der eigenen militärischen Ausbildung schließen und sich an die Herausforderungen des modernen Schlachtfelds anpassen. Daraus folgt, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Seiten, nicht nur im militärischen Bereich, sehr langsam verändern wird. 

Hinzu kommt, dass China eine typische Handelsmacht ist, während Russland immer in erster Linie eine Militärmacht war und eine andere Mentalität, ein anderes Verhalten an den Tag legt. Um auf die Wirtschaft zurückzukommen: Die beiden Volkswirtschaften ergänzen sich. Ebenso sind die militärische Macht und das militärische Denken der beiden Länder miteinander verzahnt und ergänzen sich in vielen Bereichen. Viele Experten sind der Meinung, dass dies ein negativer Faktor ist. Aber das ist es nicht, solange sie koordiniert und gemeinsam handeln, denn dann passen diese komplementären Elemente wie Teile eines Puzzles zusammen, greifen ineinander und stärken beide Seiten. Wenn sie gut zusammenpassen, sind sie sehr solide und funktionieren gut.

Eva Péli: Ein interessanter Gedanke … Russische Strategen wie Dmitri Trenin und Sergeij Karaganow sagen in ihren Publikationen, dass diese Zusammenarbeit mit China äußerst fruchtbar ist. Allerdings ist Russland sehr vorsichtig, um China nicht zu stark werden zu lassen, zum Beispiel in der Nuklearfrage …

Sándor Kusai: Wie ich schon sagte, sind beide Länder Großmächte und die Interessen der Großmächte sind nie die gleichen. Es kann nie vollkommenes Vertrauen zwischen zwei Großmächten geben, es sei denn, das Kräfteverhältnis ist sehr unterschiedlich, dann wird die eine zum Vasallen der anderen. So wurde Deutschland zu einem US-amerikanischen Vasallen. Die Russen werden auch in Zukunft bestrebt sein, die militärischen und militärtechnischen Kapazitäten, die die Sowjetunion mit großem Aufwand aufgebaut hat, zu bewahren und diesen Vorteil gegenüber China aufrechtzuerhalten. Damit wollen sie die wirtschaftliche und technologische Abhängigkeit von China ausgleichen. So entwickeln die Russen beispielsweise mehrere Typen von Hyperschallraketen, währen die Chinesen zwei Typen haben. 

Die Chinesen sind auch bei der Entwicklung ihrer Nukleartechnologie von den Russen abhängig. Doch keine der beiden Seiten möchte, dass sich diese Situation ändert, denn sie ist für beide Seiten von Vorteil. Sie widersetzen sich dem Druck von außen, indem sie sich gegenseitig verstärken und wie gesagt Rücken an Rücken stehen. Diese Metapher gefällt mir sehr gut. Denken Sie einfach darüber nach … 

Eva Péli: Wir könnten auch sagen, „Schulter an Schulter“ …

Sándor Kusai: Dann würden sie in dieselbe Richtung schauen und gemeinsam kämpfen. Der Ausdruck „Rücken an Rücken“ ist also meiner Meinung nach treffender. Er zeigt einerseits, dass sie sich nicht in allem einig sind, aber er zeigt auch, dass es viel Vertrauen zwischen ihnen gibt. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn ich kehre jemandem den Rücken zu, dem ich vertraue. Die Chinesen sind sehr gut in solchen symbolischen Ausdrücken, weil sie die Realität sehr genau beschreiben.

Eva Péli: Lassen Sie mich Ihnen eine letzte Frage stellen. Die behauptete Präsenz nordkoreanischer Truppen in Russland hat eine ernste Reaktion hervorgerufen …

Sándor Kusai: Ich weiß nicht, was man heute in Deutschland darüber veröffentlichen kann. Ich werde Ihnen meine Meinung sagen, denn in Ungarn bin ich es gewohnt, öffentlich zu sagen, was ich denke. Wahrscheinlich gibt es nordkoreanische Soldaten in Russland, vermutlich im Fernen Osten, 6000 Kilometer von der Ukraine entfernt. Sie trainieren dort, denn die nordkoreanische Armee hat sich seit 1953 nicht mehr im Krieg befunden.

Wir haben bereits darüber gesprochen, dass moderne Militärwissenschaft und moderne Kampfkünste erlernt werden müssen, und die Russen sind derzeit die besten der Welt. Ich denke, wenn es nordkoreanische Offiziere und Beobachter gibt, dann befinden sie sich irgendwo auf russischem und nicht auf ukrainischem Territorium. Schließlich besteht zwischen den beiden Ländern ein Vertrag über eine allumfassende strategische Partnerschaft. Da es die Ukraine war, die Kursk angegriffen hat, und nicht umgekehrt, und Kursk russisches Territorium ist, wäre es rechtlich völlig in Ordnung, wenn sich dort Nordkoreaner aufhalten würden. Aber ich glaube nicht, dass dort Soldaten aus Nordkorea kämpfen.

Wenn jemand behauptet, dass es welche gibt, dann handelt es sich meiner Meinung nach um eine so genannte Desinformationsoperation, wie sie die Geheimdienste betreiben. Es wird bereits seit über sechs Wochen behauptet (Anm. Red.: zum Zeitpunkt des Interviews), zwei Wochen bevor Präsident Joe Biden den Ukrainern grünes Licht für den Abschuss von Langstreckenraketen auf Russland gab. Das ist der Vorwand. Diese nordkoreanischen Soldaten sind genau das, was Saddam Husseins chemische Waffen vor dem Irak-Krieg waren. Dann haben die US-Amerikaner Satellitenfotos gezeigt, später hat der US-Außenminister zugegeben, dass die Fotos gefälscht waren. Drei Jahre lang suchten UN-Experten nach dem Ende des Irak-Kriegs nach diesen chemischen Waffen und fanden keine Spur davon.

Seit Wochen hören wir von den nordkoreanischen Soldaten, aber wir haben keine echten Beweise gesehen. Wir haben Videomaterial gesehen, das in jedem Filmstudio gedreht werden kann. Wir haben abgehörte Funksprüche gehört, die jederzeit von jedem in einem guten Tonstudio aufgenommen werden können. Doch wenn der US-Geheimdienst einmal gelogen hat, kann er jederzeit wieder lügen.

Erinnern wir uns an das alte Sprichwort, das die deutschen Leserinnen und Leser sicher kennen: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“. Mein Rat an alle Zeitungsleser, Fernsehzuschauer, Menschen, die Kriegsgeschichten, Kriegsnachrichten verfolgen, ist, sich immer an dieses Sprichwort zu erinnern: Glaubt nichts, bevor ihr nicht 125-prozentige Beweise seht! Bis dahin lügen immer beide Seiten.

Eva Péli: Am ersten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine legte China einen Zwölf-Punkte-Friedensplan vor, um eine Lösung des Konflikts zu finden. Darin wurden ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen gefordert, die leider nicht zu einem Ergebnis geführt haben. Welche Rolle kann China bei den bevorstehenden Friedensgesprächen spielen?

Sándor Kusai: Soweit ich das beurteilen kann, versucht die chinesische Diplomatie auch heute noch, den heißen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Es liegt in Chinas Interesse als Handelsmacht, dass es zwar Konfrontation, Rivalität und Wettbewerb gibt, aber keinen bewaffneten Konflikt. Die Chinesen kämpfen nur dann mit Waffen, wenn es unausweichlich ist, ansonsten nutzen sie wirtschaftliche Mittel, um ihre Ziele zu erreichen. 

Wenn wir uns den ersten chinesischen Friedensplan aus dem Jahr 2022 oder den brasilianisch-chinesischen Friedensplan aus dem Jahr 2023 ansehen, sehen wir, dass es sich um schöne, allgemeine, vereinbarte Prinzipien handelt, die aber keine konkreten, präzisen Richtlinien zu ihrer Umsetzung enthalten. Das liegt daran, dass China versteht, dass Russland die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO als Sicherheitsbedrohung ansieht. Peking ist sich darüber im Klaren, dass Russland seine nationale Sicherheit notfalls mit Waffengewalt verteidigen wird. Deshalb konfrontiert China Russland nicht, sondern spricht vom Frieden wie von einer Art „göttlichem Segen“. Aber es sagt nicht, dass die Russen sofort aufhören sollen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen, sondern dass sich die Parteien an den Verhandlungstisch setzen und das Problem dort lösen sollen. Der Friedensplan enthält vage Formulierungen, die im Prinzip klar, verständlich und akzeptabel sind, aber in der Praxis müssen sie mit Inhalt gefüllt werden, und China scheint diese konkrete Aufgabe nicht auf sich nehmen zu wollen. 

Eva Péli: Herr Botschafter, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zum interviewten Experten: Dr. Sándor Zoltán Kusai: Außerordentlicher Professor, Katholische Universität Pázmány Péter. Unabhängiger Experte für internationale Beziehungen und China, Wirtschaftswissenschaftler. Ehemaliger Botschafter Ungarns in China, der Mongolei und der Demokratischen Volksrepublik Korea.

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