Nord-Stream-Anschlag – zum Glück gibt es die NachDenkSeiten
(Red.) Es ist ein internationaler Skandal: Da wird eine Pipeline zum Transport von russischem Gas nach Deutschland mit einem Sprengstoffanschlag zerstört. Der Sabotage-Akt wird mithelfen, dass Deutschland und andere europäische Länder in eine echte Wirtschaftskrise geraten. Aber die territorial involvierten Staaten Schweden und Dänemark und das wirtschaftlich am meisten betroffene Deutschland sind zwar daran, nach den Urhebern des Sabotage-Aktes zu suchen, aber sie verweigern dazu jede Information. Und die deutschen Medien schweigen – vermutlich weil auch sie mit gutem Grund davon ausgehen, dass es die USA waren, die, wie von Joe Biden und Victoria Nuland öffentlich angekündigt, diesen Sabotage-Akt zu verantworten haben, was aber nicht ins geopolitische Medien-Schema «USA und NATO gut, Russland böse» passt. Zum Glück gibt es die deutsche Info-Plattform «NachDenkSeiten», die bei diesem Drecksspiel nicht mitmacht. – Wir erlauben uns ausnahmsweise, den ganzen Beitrag 1:1 zu übernehmen. (cm)
Am 26. September 2022 wurden drei der vier Stränge der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 schwer beschädigt. Nach allgemeiner Experten-Einschätzung ist die Zerstörung eines der teuersten und zentralsten Objekte der kritischen Infrastruktur für die deutsche Energieversorgung auf bewusst durchgeführte Anschläge, die „einer Sprengladung von mehreren hunderten Kilogramm“ entsprachen, zurückzuführen. Auch die Bundesregierung sprach von „gezielter Sabotage“ und einem mutmaßlich staatlichen Akteur. Doch sobald im Parlament nach konkreten Erkenntnissen nachgefragt wurde, blockte die Bundesregierung alles ab und verwies auf „Staatswohl“ sowie „Geheimhaltungsinteresse“. Den NachDenkSeiten liegen jetzt neue Antworten der Bundesregierung zu dem Thema vor. Von Florian Warweg.
Die aktuellen Antworten der Bundesregierung erfolgten in Reaktion auf eine 55 Fragen umfassende Kleine Anfrage (KA) mit dem Titel „Die Anschläge auf die Nord-Stream-Erdgasleitung“. Diese wurde am 1. November vom Bundestagsabgeordneten Eugen Schmidt (AfD) und seiner Fraktion eingereicht. „Beantwortet“ hat die Bundesregierung diese, nach längerer Verzögerung, am 29. November. Dabei verweigert sie die Beantwortung von 18 Fragen mit Verweis auf „Geheimhaltungsinteresse“. Im Wortlaut heißt es dazu:
„Die Erteilung näherer Auskünfte zur Beantwortung der einzelnen Fragestellungen muss allerdings unterbleiben. Denn trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse zum Schutz der laufenden Ermittlungen zurück.“
Bei einer weiteren Anfrage der Linksfraktion zu dem Thema, eingereicht am 7. November unter dem Titel „Anschläge auf die Pipelines Nord Stream 2 und Nord Stream 1“, stehen die Antworten zwar noch aus, aber auch hier ist anzunehmen, dass die Bundesregierung Antworten mit derselben Begründung verweigert.
Nur Linkspartei und AfD zeigen Interesse an Aufklärung
Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass nur die zwei kleineren Oppositionsparteien Linksfraktion und AfD scheinbar Interesse zeigen, diesen historisch einmaligen Sabotageakt aufzuklären und mit parlamentarischen Anfragen diesbezüglich Druck zu machen. Die mit Abstand größte Oppositionsfraktion im Bundestag, die CDU/CSU, hat keine einzige Anfrage oder schriftliche Frage dazu an die amtierende Bundesregierung formuliert. Das erstaunt, immerhin sprechen wir hier von der Zerstörung eines milliardenschweren Energie-Projektes zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, welches federführend von der damaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel vorangetrieben wurde. Die Linksfraktion weist in der erwähnten Anfrage zudem darauf hin, dass mit einer Transportkapazität von jährlich bis zu 110 Milliarden Kubikmetern Erdgas die vier Stränge von Nord-Stream den gesamten Erdgasverbrauch Deutschlands als Industrienation hätten sichern können. 2021 betrug der gesamte bundesdeutsche Erdgasverbrauch 90,5 Milliarden Kubikmeter.
Neben der Union zeigt auch die regierende Ampelkoalition sichtlich kein Interesse an Aufklärung und sagt dies auch ganz offen. Exemplarisch für diese Haltung steht der Redebeitrag des SPD-Bundestagsabgeordneten Timon Gremmels am 28. September für die Koalition im Rahmen einer „Aktuellen Stunde“ aus Anlass der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines:
„Es ist völlig gleichgültig, ob Nord Stream 1 und Nord Stream 2 nun Lecks haben, wie diese Lecks entstanden sind, ob das Anschläge waren, wer hinter den Anschlägen steckt, weil aus der einen Pipeline noch nie Gas gekommen ist und es aus der anderen seit Wochen kein Gas mehr gegeben hat. – Das ist völlig irrelevant. Wir brauchen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 nicht.“
Das muss man erstmal sacken lassen. Der Vertreter der größten Regierungspartei erklärt im Rahmen einer extra einberufenen Aktuellen Stunde im Bundestag wegen eines mutmaßlichen Terroranschlags wortwörtlich:
„Es ist völlig gleichgültig … wer hinter den Anschlägen steckt.“
Die Antworten der Bundesregierung auf die den NachDenkSeiten vorliegenden Anfrage geraten nicht ganz so offen und unverblümt, im Endergebnis ist die Aussage aber dieselbe.
Willkürlicher Gebrauch des Arguments „Geheimhaltungsinteresse“
Wir dokumentieren in Folge alle Fragen, deren Beantwortung die Bundesregierung mit Verweis auf „Geheimhaltungsinteresse“ in der Anfrage verweigert hat. Daraus wird auch ersichtlich, mit welcher Willkür die Bundesregierung die Begründung eines angeblichen „Geheimhaltungsinteresses“ einsetzt:
1. Sind der Bundesregierung die Äußerungen von Prof. Dr. Jeffrey Sachs, Professor an der Columbia University in New York, bekannt, der in einem Live-Interview mit dem internationalen TV-Nachrichtensender Bloomberg davon sprach, es gebe Radaraufzeichnungen, die belegten, dass kurz vor dem Sabotageakt „US-Militärhubschrauber, die normalerweise in Danzig stationiert sind, über dem Gebiet kreisten“ (in dem die mutmaßlichen Anschläge stattfanden), hat sie sich hierzu eine Positionierung erarbeitet, wenn ja, wie lautet diese und welche Schlussfolgerungen hat sie ggf. für sich daraus gezogen?
2: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse und wenn ja, welche über eine eventuelle Sabotage von Nord Stream durch die russische Marinebrigade 561?
3. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Medienbericht zu, dass jede der vier Sprengsätze etwa 500 Kilogramm TNT beinhaltet haben dürfte?
4. Hat sich die Bundesregierung eine Haltung dazu erarbeitet, welcher Akteur bzw. welche Akteure nach ihrer Einschätzung
a) ein Motiv für derartige Anschläge besäßen und/oder
b) die technischen und personellen Möglichkeiten für derartige Anschläge besäßen,
und wenn ja, wie lautet diese ggf.?5. Hat sich die Bundesregierung eine Positionierung zu der Tatsache erarbeitet, dass Gazprom bzw. russische Behörden als Geschädigte nicht an den Untersuchungen beteiligt sind, ist der Bundesregierung bekannt, warum Gazprom bzw. russische Behörden als Geschädigte nicht an den Untersuchungen beteiligt werden, bzw. ist die Bundesregierung dafür eingetreten, dass dies erfolgt oder warum ggf. nicht (bitte ggf. jeweils ausführen)?
6. Sind russische Behörden an die Bundesregierung oder an deutsche Behörden herangetreten, um an den Untersuchungen zu den mutmaßlichen Anschlägen an den Nord-Stream-Leitungen teilzunehmen?
7. Ist der Bundesregierung bekannt, inwiefern russische Behörden ggf. an die dänische bzw. schwedische Regierung herangetreten sind bzw. an Behörden der beiden genannten Staaten, um an den Untersuchungen zu den mutmaßlichen Anschlägen an den Nord-Stream-Leitungen teilzunehmen und welche Antwort ihnen ggf. beschieden wurde (wenn ja, bitte ausführen)?
8. Ist der Bundesregierung bekannt, ob, und wenn ja, inwieweit die Betreibergesellschaften für Nord Stream 1 bzw. 2 an den Untersuchungen beteiligt sind bzw. waren (bitte erläutern)?
9. Welche Untersuchungen vor Ort wurden im Zusammenhang mit den Sabotageakten von welchen Ländern nach Kenntnis der Bundesregierung zu welchen Zeitpunkten bislang angestellt?
10. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Medienbericht zu, dass neben Deutschland, Schweden und Dänemark auch die USA eigene Ermittlungen durchführen?
11. Sind der Bundesregierung ggf. Ermittlungen durch andere Staaten als die in Frage 21. genannten sowie Russland bekannt (wenn ja, bitte ausführen)?
12. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Ermittlungen Russland unternimmt oder ist ihr bekannt, ob die Regierungen Dänemarks bzw. Schwedens bzw. Behörden der beiden genannten Länder mit den russischen Pendants in Kontakt stehen oder warum ggf. nicht und steht die Bundesregierung oder stehen deutsche Ermittlungsbehörden selbst mit diesen russischen Pendants in Kontakt?
12. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Medienbericht zu, dass es einen regelrechten Wettlauf um Beweismaterial gebe oder gegeben habe, das sich womöglich auf dem Meeresgrund befinde und welche Schlussfolgerungen hat sie ggf. daraus gezogen?
13. Hat sich die Bundesregierung eine Haltung dazu erarbeitet, was einer schnellen Aufklärung der Anschläge bislang entgegensteht und wie lautet diese ggf.?
14. Trifft der Medienbericht zu, dass sich in der 41. Kalenderwoche, also rund zwei Wochen nach den Anschlägen, Bundespolizisten in Zusammenarbeit mit der Bundesmarine zu den Tatorten begeben und mit Hilfe einer Unterwasserdrohne Aufnahmen gemacht haben?
a) Wenn ja, war dies der erste Aufenthalt deutscher Ermittler an den Tatorten oder gingen ihnen ein oder mehrere Aufenthalte voraus?b) Wann wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von deutschen Ermittlern ggf. sämtliche Tatorte aufgesucht?
c) Wenn ja, welche Behörden waren daran jeweils beteiligt (bitte aufschlüsseln)?
d) Wenn ja, ist das Bundeskriminalamt in die Untersuchungen eingebunden und wenn ja inwiefern?
15. Kann die Bundesregierung den Bericht der schwedischen Zeitung „Expressen“ bestätigen, dass ein mindestens 50 Meter langer Teil einer Pipeline fehlt?
Bei all den aufgeführten 15 Fragen verweigert die Bundesregierung wie bereits erwähnt jegliche Antwort mit Verweis auf ein angebliches „Geheimhaltungsinteresse“. Was aber soll bitte bei Fragen, ob das BKA in die Untersuchungen eingebunden ist, wann das erste Mal deutsche Ermittler beim Tatort waren, welche Akteure nach Einschätzung der Bundesregierung ein Motiv für den Anschlag hätten oder ob es Kontakte mit russischen Behörden gibt, ein so hohes Geheimhaltungsinteresse rechtfertigen? Und dies wohlgemerkt gegenüber Bundestagsabgeordneten, die eigentlich mit besonderen Fragenrechten zur Kontrolle der Exekutive ausgestattet sind und der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht, Informationsansprüche des Bundestages zu erfüllen.
Bewusstes Missverstehen der Bundesregierung
Wenn die Bundesregierung sich dann doch mal um eine Antwort bemüht, gerät diese meistens völlig nichtssagend oder bewusst trollend.
Beispielhaft sei auf Frage 19 der Anfrage verwiesen. Dort wird gefragt, ob die Bundesregierung bestätigen kann, dass zwei Wochen nach den mutmaßlichen Anschlägen das zum Tatort entsandte Schiff „Mittelgrund“ der Wehrtechnischen Dienststelle 71 zwar Taucher und Sprengstoffexperten an Bord gehabt habe, die jedoch nicht zum Einsatz kamen, weil diese keine Ausrüstung für Tauchgänge in der entsprechenden Tiefe der zerstörten Pipeline mitführten.
Die Antwort der Bundesregierung ist an Unverschämtheit gegenüber der Legislative kaum zu übertreffen:
„An Bord des Mehrzweckbootes MITTELGRUND befanden sich keine Taucher und Sprengstoffexperten der Bundeswehr.“
Die beteiligten Taucher und Sprengstoffexperten waren von der Bundespolizei, was bei strafrechtlichen Ermittlungen auch evident ist, und Fragen nach den Tätigkeiten der Bundespolizei fallen selbstverständlich in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung, im konkreten Fall dem des Bundesinnenministeriums unter Nancy Faeser. Die Frage verweist zudem als Quelle auf einen Bericht des Neuen Deutschlands (ND). Dort steht explizit geschrieben:
„Kurz darauf folgte die »Mittelgrund«. Die gehört zur Wehrtechnischen Dienststelle 71 in Eckernförde, das ist eine Art Forschungs- und Erprobungsanstalt der Bundeswehr. An Bord waren Taucher und Sprengstoffexperten der Bundespolizei, hörte man und auch, dass die nicht zum Einsatz kamen, weil sie nicht die nötige Ausrüstung für einen Tauchgang bis auf eine Tiefe von 70 Metern dabeihatten. Man wundert sich.“
Mal von der Ironie abgesehen, dass die AfD für ihre Anfrage auf Berichterstattung des ND zurückgreift, war es vor diesem Hintergrund völlig eindeutig, dass die Frage auf das Agieren der Bundespolizei abzielte. Der ausschließliche Verweis auf „keine Taucher und Sprengstoffexperten der Bundeswehr“ ist folglich ein bewusstes Missverstehen, um Parlamentariern mit verfassungsrechtlich garantierten Informationsansprüchen keine sachgerechte Antwort geben zu müssen.
In ähnlicher Tonlage erfolgt die Antwort auf die Frage 29, ob das Umweltbundesamt mittlerweile über genauere Abschätzungen zu den Methanaustritten aus den beschädigten Leitungen Nord Stream 1 und 2 verfügt:
„Das Umweltbundesamt hat bisher keine genaueren Abschätzungen über die Methanaustritte aus den beschädigten Nordstream 1- und 2 Pipelines erstellt und plant auch nicht, dies zu tun.“
Kommt Ukraine als Angreifer in Frage? Keine Antwort „aus Gründen des Staatswohls“
Es gibt bei der gesamten Anfrage zu den Nord-Stream-Anschlägen eine einzige Frage, bei der die Bundesregierung ausführlich antwortet. Die Frage lautet: „Warum kommt die Bundesregierung nach erfolgter Güterabwägung zwischen dem Staatswohl und der Aufklärung eines der größten Terroranschläge in Europa mit finanziellen Auswirkungen im Milliarden-Euro-Bereich zu ihrer Ansicht, die Veröffentlichung der Aufklärungsergebnisse sei nicht von erheblichem öffentlichen Interesse (Bundestagsdrucksache 20/4141, Antwort der Bundesregierung auf Frage 2)?“
Die Antwort:
„Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Restriktionen der „Third-Party-Rule“, die den internationalen Austausch von Informationen der Nachrichtendienste betrifft, verwiesen. Die Bedeutung der „Third Party Rule“ für die internationale nachrichtendienstliche Zusammenarbeit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss 2 BvE 2/15 vom 13. Oktober 2016 (Rz. 162–166) gewürdigt. Drucksache 20/4141 – 2 – Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode Vorabfassung – wird durch die lektorierte Version ersetzt. Lägen solche Informationen vor, wären diese evident geheimhaltungsbedürftig, weil sie sicherheitsrelevante Erkenntnisse beinhalten, die unter der Maßgabe der vertraulichen Behandlung von ausländischen Nachrichtendiensten an die deutschen Nachrichtendienste weitergleitet wurden. Ein Bekanntwerden von Informationen, die nach den Regeln der „Third-Party-Rule“ erlangt wurden, würde als Störung der wechselseitigen Vertrauensgrundlage gewertet werden und hätte eine schwere Beeinträchtigung der Teilhabe der Nachrichtendienste des Bundes am internationalen Erkenntnisaustausch zur Folge. Eine mögliche Kenntnisnahme durch Unbefugte würde erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Nachrichtendienste des Bundes mit ausländischen Nachrichtendiensten haben. Würden in der Konsequenz eines Vertrauensverlustes Informationen von ausländischen Stellen entfallen oder wesentlich zurückgehen, entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland. Ein Bekanntwerden der Informationen würde zudem die weitere Aufklärung geheimdienstlicher Aktivitäten in und gegen die Bundesrepublik Deutschland erheblich erschweren. Die in der Bezugsfrage seinerzeit erbetenen Informationen berührten somit derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwogen und das Fragerecht der Abgeordneten ausnahmsweise gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen musste. Selbst eine VS-Einstufung und Hinterlegung der angefragten Informationen bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages war im vorliegenden Fall nicht ausreichend, um der besonderen Sensibilität der angeforderten Informationen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bundes ausreichend Rechnung zu tragen.“
Zum Gesamtverständnis der Antwort und ihrer Implikationen muss man natürlich noch wissen, was sich hinter der in der Frage erwähnten „Bundestagsdrucksache 20/4141“ verbirgt. Diese Bundesdrucksache fasst die Schriftlichen Fragen von Bundestagsabgeordneten und die entsprechenden Antworten der Bundesregierung für die Sitzungswoche ab dem 17. Oktober 2022 zusammen. Frage 2 lautete damals:
„Welche Folgen haben die deutschen Behörden aus dem Hinweis der CIA über ein Szenario gezogen, in dem ein ukrainischer Angriff auf westliche Pipeline-Infrastruktur erfolgen könnte.“
Die Frage beantwortete der Bundesminister beim Bundeskanzler, Wolfgang Schmidt, wie folgt:
„Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu dem Schluss gekommen, dass eine Auskunft zu Ihrer Frage aus Gründen des Staatswohls nicht – auch nicht in eingestufter Form – erteilt werden kann. Die erbetene Auskunft unterliegt den Restriktionen der „Third-Party-Rule“, die den internationalen Austausch von Informationen der Nachrichtendienste betrifft. (…) Dabei ist der Umstand, dass die Antwort verweigert wird, weder als Bestätigung noch als Verneinung des angefragten Sachverhalts zu werten.“
Der geneigte Leser kann daraus seine eigenen Schlüsse ziehen.
Abschließend bleibt festzuhalten: Neben dem aufgezeigten ostentativen Desinteresse an der Aufklärung des mutmaßlichen Sabotageaktes ist auch der völlig inflationäre Verweis auf ein angebliches „Geheimhaltungsinteresse“ durch die Bundesregierung, um so nicht auf legitime Fragen gewählter Volksvertreter zweier Oppositionsparteien eingehen zu müssen, ein veritabler Skandal und einer parlamentarischen Demokratie, der man sich so brüstet, unwürdig.
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(Red.) Dieser Artikel kann selbstverständlich direkt auf der Plattform der NachDenkSeiten gelesen werden, hier anklicken.
Auch die stets lesenswerte Plattform «Anti-Spiegel» hat sich dem Thema angenommen. Sie zeigt auch den spontanen Post des polnischen Politikers Radek Sikorski, Ehemann der US-amerikanischen Journalistin Anne Applebaum und Mitglied des Europa-Parlamentes, der diesen seinen Post allerdings schon nach kurzer Zeit wieder gelöscht hat. Zu bestätigen, dass die USA diesen Sabotage-Akt inszeniert haben, war politisch vielleicht doch nicht so klug …