Nach dem BRICS-Gipfel: Der Rest der Welt will nicht mehr wie der Westen sein
(Red. Stefano di Lorenzo, unser Mann in Russland – in Italien als Italiener geboren, in Deutschland in Germanistik und Amerikanistik ausgebildet, zurzeit in Russland lebend – gibt in seinem vierten Beitrag zum BRICS-Gipfel in Kasan, wo er persönlich anwesend war, einen Überblick über die entscheidenden Veränderungen der globalen Situation. Die Redaktion von Globalbridge kann dazu nur sagen: Danke, Stefano di Lorenzo, dass Du den Überblick suchst und bewahrst, ohne Dich von der einen oder anderen Seite über den politischen Tisch ziehen zu lassen! (cm)
Im Jahr 1990, dem Jahr nach dem annus mirabilis 1989, das den Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa (und den Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Beijing) mit sich brachte, waren die acht größten Volkswirtschaften der Welt, in dieser Reihenfolge: die USA, die Sowjetunion, Japan, Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Italien und Kanada. An neunter Stelle lag der Iran, wenn auch geschwächt nach zehn Jahren Krieg mit seinem Nachbarn Irak. Sieben der acht führenden Länder (alle außer der Sowjetunion) trafen sich seit 1973 regelmäßig, um über das Schicksal der Welt zu beraten; die Gruppe wurde G7 genannt. 1991 löste sich die Sowjetunion auf, die russische Wirtschaft und die der anderen ehemaligen Staaten des kommunistischen Blocks gerieten in Krise, von der sie sich erst einige Jahre später erholen sollten. 1998 meldete Russland den Staatsbankrott. Die G7 regierte die Welt. Die Welt schien dazu bestimmt zu sein, so zu werden wie der Westen. Viele sprachen in aller Ernsthaftigkeit vom Ende der Geschichte. Die Menschheit hatte endlich das ideale Entwicklungsmodell erreicht. Für die G7 führte wirtschaftliche Macht unweigerlich auch zu politischer Macht. Und der größte Teil der Welt schien davon überzeugt oder zumindest bereit zu sein, dies zu akzeptieren.
Die Rückkehr der Geschichte
Fünfunddreißig Jahre später kann eine solche Vorstellung zumindest bizarr erscheinen. Heute sprechen nicht einmal die radikalsten und besessensten Verfechter des amerikanischen Exzeptionalismus vom Ende der Geschichte, von einem neuen amerikanischen Jahrhundert. 1990 war die Wirtschaft Chinas kleiner als die Brasiliens, eines Landes mit einer weitaus geringeren Bevölkerung, das nicht gerade für seine wirtschaftlichen Leistungen bekannt war. Heute sieht das Ranking der größten Volkswirtschaften der Welt ganz anders aus. Betrachtet man das nominale BIP, d. h. ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus in den einzelnen Ländern, so sind die Vereinigten Staaten mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von fast 30 Billionen Dollar nach wie vor die größte Volkswirtschaft der Welt, doch wird ihre Führung von China angefochten, dessen Bruttoinlandsprodukt etwa 18 Billionen Dollar beträgt (IWF-Daten), wobei China schneller wächst. Unter den zehn führenden Ländern befinden sich auch die anderen G7-Länder sowie Indien (auf Platz fünf) und Brasilien (auf Platz zehn).
Betrachtet man die Größe der Volkswirtschaften der Welt zu Kaufkraftparitäten, ergibt sich aber ein ganz anderes Bild. Viele Wirtschaftswissenschaftler sind der Ansicht, dass das Preisniveau in den verschiedenen Ländern berücksichtigt werden muss, um die wahre Größe einer Volkswirtschaft zu berechnen. Hier wird das mit einem Beispiel erklärt, das extrem vereinfacht ist, aber die Idee verdeutlichen kann. Wenn es in einem Land (Land A) nur ein Unternehmen gibt und dieses Unternehmen 10.000 Wurstbrötchen herstellt, die es für 5 Euro pro Stück verkauft, beträgt das Bruttoinlandsprodukt des Landes 50.000 Euro (dies ist eine extreme Vereinfachung). Wenn in einem anderen Land (Land B) die gleichen 10.000 Brötchen (auf dem heimischen Markt) für 1 Euro pro Stück verkauft werden, beträgt das Bruttoinlandsprodukt nur 10.000 Euro. Land A wäre dann fünfmal reicher als Land B. In Wirklichkeit sind die beiden Länder, wenn man den Preisunterschied berücksichtigt und davon ausgeht, dass die Wurstbrötchen von vergleichbarer Qualität sind, gleich reich, da sie jährlich die gleiche Menge an Reichtum produzieren — 10.000 Wurstbrötchen, die in einem Land für 5 Euro und in einem anderen für 1 Euro verkauft werden.
Gemessen an der Kaufkraftparität sind heute die Länder mit den größten Volkswirtschaften der Welt: China, die USA, Indien, Japan, Deutschland, Russland, Brasilien, Indonesien, das Vereinigte Königreich und Frankreich. Es folgen die Türkei, Mexiko, Italien, Südkorea und Spanien. Das BIP Chinas ist fast siebenmal so hoch wie das Deutschlands, das Indiens dreimal so hoch. Angesichts dieser Tatsachen erscheint die Vorstellung, dass die G7, die Gruppe der reichsten Länder der Welt vor 35 Jahren, sich das Privileg anmaßen könnte, die Regeln für die internationale Ordnung festzulegen, als Anachronismus. Wie bereits von vielen festgestellt wurde, verfügen die BRICS-Länder, die einst als „Schwellenländer“ galten, heute zusammen über eine größere Wirtschaftskraft als die G7-Länder.
Die Welt bewegt sich viel schneller und überraschend, als unser Bewusstsein es wahrnehmen kann. Aus diesem Grund scheinen das kollektive Gespräch und die öffentliche Meinung zwangsläufig immer weiter hinter dem tatsächlichen Lauf der Geschichte zurückzubleiben. Das Bewusstsein eines Einzelnen oder einer Gesellschaft hat Schwierigkeiten, komplexe Realitäten zu verstehen und sie in das alte System des Wissens, das wir mit uns herumtragen, einzupassen. Deshalb sind oft neue Generationen nötig, um sich an neue Realitäten anzupassen — nicht, dass diese neuen Generationen nicht viel von den Vorurteilen ihrer Eltern mit sich herumtragen (selbst wenn sie den Gedanken entsetzlich finden), aber sie haben zumindest ein paar Jahre mehr Zeit, um sich der neuen Realitäten bewusst zu werden.
Vieles war anders
1945 war Europa nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden zerstört. Die Vereinigten Staaten produzierten 50 Prozent des weltweiten BIP — auch dank der starken Impulse der Kriegsindustrie — und erklärten sich zum Sieger des Krieges und zum Befreier Europas. Die Welt trat nun in eine neue Ära ein, die zur neuen Normalität, zum natürlichen Zustand der Dinge werden sollte. Europa, die Wiege der westlichen Zivilisation und das politische Zentrum, von dem aus riesige Kolonialreiche gesteuert worden waren, ging aus dem Krieg stark geschwächt, untergeordnet und geteilt hervor. Die Sowjetunion war, trotz ihres Sieges an der Ostfront, erschöpft. China hatte einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg hinter sich, zu dem noch die Zerstörung durch die japanische Besatzung hinzukam. Heute ist die Sowjetunion Geschichte, aber Russland ist mit einer relativ modernen Wirtschaft auferstanden, die überraschenderweise einer Flut von Wirtschaftssanktionen standgehalten hat. China hat die Exzesse der maoistischen Kulturrevolution hinter sich gelassen, in kurzer Zeit verwandelte es sich von einer Fabrik für billige, aber nicht hochwertige Produkte in eine technologische Supermacht, die den Westen in vielen Technologien überholt hat. Was gestern als normal empfunden wurde, entspricht selten der Normalität von morgen.
Die europäische und amerikanische Industrialisierung im 19. Jahrhundert hatte es dem Westen ermöglicht, eine immense Macht über den Rest der Welt zu erlangen. Bis dahin war die Wirtschaft Chinas und Indiens mit der Europas vergleichbar gewesen. Europa wurde von den Chinesen jahrhundertelang als marginales und rohes Randgebiet betrachtet. Im 19. Jahrhundert begann für China das so genannte „Jahrhundert der Demütigung“, das von den Traumata der Opiumkriege und der Niederschlagung des Boxeraufstands durch eine Koalition europäischer Mächte im Jahr 1900 geprägt war. Dies sind immer noch offene Wunden im kollektiven Bewusstsein der Chinesen.
Im 21. Jahrhundert ist die Industrialisierung nicht mehr nur ein Privileg des Westens; neben China und Indien haben sich auch viele andere Länder, insbesondere in Asien, industrialisiert. China und Indien haben damit den Platz in der Welt zurückerobert, den sie vor der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts innehatten, als die Hierarchien der Weltmächte neu definiert wurden. Aber heute ist Industrie nicht mehr gleichbedeutend mit Wohlstand. Im Gegenteil, die Länder der ersten Welt sind diejenigen, die sich deindustrialisieren und ihre Produktionsaktivitäten verlagert haben, um Kosten zu sparen und ihre Gewinne zu maximieren.
Doch der Reichtum im Westen konzentriert sich zunehmend in den Händen einiger weniger. In den Vereinigten Staaten sind die Reallöhne seit der Präsidentschaft von Ronald Reagan in den 80er Jahren nicht mehr gestiegen. Das ist einer der Hauptgründe für die große Unzufriedenheit in der amerikanischen Gesellschaft, nicht die Tatsache, dass die Amerikaner plötzlich vom bösartigen Genie Donald Trumps hypnotisiert worden sind. Heute blicken viele mit Nostalgie auf die Ära Reagan zurück. Reagan mag damals eine umstrittene Figur gewesen sein, aber im Laufe der Zeit wurde er zum Mythos. Seine Wirtschaftsrevolution, die so genannte Reaganomics, die massive Steuersenkungen für Reiche und eine drastische Kürzung der Sozialausgaben des Staates (nicht aber der Militärausgaben) vorsah, legte zusammen mit den Reformen der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, seiner Zeitgenossin, das Paradigma der neoliberalen Ära, in der wir noch heute leben: Ein auf das Unverzichtbare reduzierter Staat; der Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes, der immer weiß, wie die Ressourcen am besten zu verteilen sind; die Idee, dass die Armen vielleicht an den Reformen leiden könnten, aber auf der anderen Seite werden sie einen Anreiz erhalten, hart zu arbeiten, und am Ende wird es mehr Wohlstand für alle geben. Die Reformen von Reagan und Thatcher wurden als Wiederbelebung der Wirtschaft für den Anfang einer neuen Zeit des Wohlstandes verkauft. Aber sie waren schließlich eine Reaktion auf die schwere Wirtschaftskrise der 70er Jahre, die vor allem mit dem plötzlichen Anstieg der Ölpreise zusammenhing, von dem der gesamte Westen betroffen war. Es handelte sich um notwendige Reformen, es gab keine Alternative, so sagte man, denn der Markt habe seine unerbittlichen Gesetze: Die Wirtschaft alleine bestimme die Politik.
Aber eine stagnierende Lebensqualität und die Tatsache, dass ein Großteil des in den letzten Jahrzehnten erwirtschafteten Reichtums nicht in der Gesellschaft umverteilt wurde, haben im Westen eine desillusionierte Generation hervorgebracht, die sich mit der Tatsache abgefunden zu haben scheint, dass sie trotz des technischen Fortschritts und eines theoretisch weitaus höheren BIP als vor vierzig Jahren wirtschaftlich schlechter dastehen wird als ihre Eltern. Der magische Dreiklang Haus, Auto, Job (mit festem Arbeitsplatz), das Symbol für ein erfolgreiches Leben, für ein voll verwirklichtes Leben, für den demokratischen bürgerlichen Traum, der allen zugänglich ist, die ihn wollen und bereit sind, hart dafür zu arbeiten, erscheint vielen heute als Schimäre. Der neoliberale Kapitalismus hat gezeigt, dass er die soziale Basis, die ihn möglich gemacht hat, wirklich zerstören kann. Der Rest der Welt fragt sich, warum er dieses Modell als einziges ideales Modell für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ansehen sollte.
Die Alternative
Paradoxerweise war es gerade die Verlagerung von Industrien aus westlichen Ländern in asiatische Länder, die den Grundstein für eine alternative Weltordnung legte. Die Zeiten, in denen man von einer perfekten Symbiose zwischen der amerikanischen Wirtschaft, die Dienstleistungen und Finanzprodukte herstellt, und China, das sich damit begnügt, billige Arbeitskräfte für die Massenproduktion hochentwickelter amerikanischer Technologieprodukte zur Verfügung zu stellen, scheinen jedoch längst vorbei zu sein. China hat die kritische Masse an Know-how erreicht, um viele westliche Konkurrenten, die noch vor kurzem auf China herabblickten, zu überholen. In Amerika und Europa wird China nicht mehr nur als ein kollektiver Arbeiter gesehen, der nur seine eigene Arbeitskraft verkaufen kann und daher für das System harmlos ist, sondern als „Systemkonkurrent“.
Es ist zu einem Klischee geworden, zu behaupten, dass die westlichen Gesellschaften heute polarisiert sind, in zwei Lager geteilt, die nicht mehr wissen, wie sie miteinander reden sollen. Wenn man auf die Selbstwahrnehmung der westlichen Welt schaut, lassen sich die beiden Lager vereinfacht wie folgt beschreiben: 1) Der Westen steht für alles Gute in der Welt, für universelle Aufklärungsprinzipien wie Freiheit, Demokratie, Gleichheit, aber auch für Fortschritt und Wohlstand. In einem Satz: „Wir sind die Guten“. Trotz aller Probleme sei im Westen auch heute noch „alles gut“. Wer den Westen kritisiert, kritisiert letztlich die Prinzipien von Freiheit und Demokratie, die der Westen auch heute noch nahezu perfekt verkörpert. Das zweite Lager hingegen sind diejenigen, die sagen: „Im Westen ist etwas faul“ und mit dem, was aus dem Westen geworden ist, sowohl in der Innen- als auch in der internationalen Politik, höchst unzufrieden sind.
Diese Spaltung zeigte sich auch in der Art und Weise, wie die Menschen und Medien in Europa und Amerika über den jüngsten BRICS-Gipfel sprachen, der vom 22. bis 24. Oktober in Kasan, Russland, stattfand. Bei dieser dreitägigen Veranstaltung kamen Staats- und Regierungschefs aus mehr als 30 Ländern zusammen, darunter China, Indien, Brasilien und die Türkei, um nur einige zu nennen. Für die einen war der Gipfel nichts weiter als ein Spektakel, inszeniert von dem stets bösartigen Präsidenten Putin, der wie immer den Westen ärgern wollte. Für die anderen bedeutete der BRICS-Gipfel die historische Abkehr von einer amerikanisch geprägten Welt, die auf den vom Westen etablierten Regeln beruht, einer Vormachtstellung, die der Westen nicht mehr aufrechterhalten könne. Beide Arten des Diskurses erwiesen sich letztlich eher als Karikaturen und Spiegel der Spaltung des Westens denn als nüchterne Beschreibung des Gipfels von Ländern, die sich als Alternative, aber nicht als Opposition zum Westen darstellen wollen.
China und die BRICS-Staaten im Allgemeinen haben klar gemacht, dass sie nicht die Beziehungen zum Westen abbrechen wollen, dass sie keine Konfrontation suchen. Vielmehr wollen sie eine Alternative zur westlichen Vorherrschaft schaffen, die den heutigen Zustand der Welt widerspiegelt und nicht den von 1989 oder gar 1945. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union gehören mit einem Handelsvolumen von 783 Mrd. bzw. 664 Mrd. weiterhin zu den wichtigsten Handelspartnern Chinas, und China weist gegenüber beiden einen großen Handelsüberschuss auf. Zum Vergleich: Chinas Handelsvolumen mit Russland beträgt 240 Milliarden, mit Brasilien 181 Milliarden und mit Indien 136 Milliarden. China hat keine großen Anreize, seine Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen zu verderben.
Muss eine Konfrontation sein?
Für einige muss die westliche Weltordnung um jeden Preis verteidigt werden, selbst wenn dies bedeutet, wegen der Ukraine mit Russland oder wegen Taiwan mit China in einen Krieg zu ziehen. Aber man kann ja den Aufstieg anderer nicht für immer verhindern. Eine amerikazentrierte Welt ist schon eine Sache der Vergangenheit. Es ist selbstverständlich eine Realität, die viele im Westen nur schwer akzeptieren können — vor allem die herrschenden Klassen, die größten Nutznießer der heutigen Weltordnung. Aber im Rest der Welt sieht man keinen Grund, aus einer Weltordnung, in der man sich nicht vertreten fühlt, einen Fetisch zu machen. Man kann nicht ständig von Demokratie reden und dann anderen ihre Stimme verweigern. Wenn man den Idealen, die man ständig predigt, nicht gerecht wird, ist es nur natürlich, dass andere früher oder später darin eine gewisse Heuchelei sehen.
Natürlich wird eine neue Welt nicht an einem Tag erschaffen. Oft bedarf es einer Krise, um Veränderungen herbeizuführen. Wie der Zweite Weltkrieg, der zur amerikanischen Weltordnung führte, auch wenn diese vom kommunistischen Block balanciert war. Erst nach einer großen Krise kommt es zu den tektonischen Verschiebungen, die große Veränderungen bringen. Ansonsten wird die Trägheit der Hegemonie der Mächtigen, die an den Privilegien der Welt von gestern festhalten, immer die Oberhand gewinnen. Die Hoffnung ist, dass es sich bei dieser Krise im Übergang von einer amerikazentrierten zu einer multipolaren Welt um eine „kalte Krise“ handeln wird.
Aber ein Konflikt zwischen den von China und Russland angeführten BRICS-Staaten („die alternative Weltordnung“) und dem von den USA angeführten westlichen Block ist nicht unbedingt notwendig. Die BRICS-Länder haben sich bisher gegenüber dem Westen weitaus versöhnlicher gezeigt als der Westen gegenüber ihnen. Die BRICS erkennen die G20 als das wichtigste internationale Forum an.
In einem anderen möglichen Szenario könnte sich der Aufstieg der BRICS verlangsamen. Die BRICS-Länder könnten in ihrem unaufhaltsamen Wachstum in dem stecken bleiben, was Ökonomen als „Falle des mittleren Einkommens“ bezeichnen, wenn eine wachsende Wirtschaft aus der Armut herausgekommen ist, aber aus vielen Gründen den großen Sprung nicht schafft. Abgesehen von der New Investment Bank, einer lobenswerten aber bis jetzt bescheidenen Initiative, waren die BRICS andererseits nicht in der Lage, Institutionen zu schaffen, die eine Reihe von Absichten in die Realität umsetzen können.
Messianismus ist heute sicherlich keine Eigenschaft, die normalerweise als positiv gesehen wird. Aber nach der Qualität der Kommentare rund um den BRICS-Gipfel zu urteilen, würde man sagen, dass der westliche Messianismus nicht wirklich verschwunden ist. Trotz aller Seminare über Kolonialstudien, trotz vieler Kampagnen für die Sensibilisierung gegen eine uralte rassistische Denkweise und vieler anderer schönen Dinge. Das westliche Modell gilt immer noch als überlegen und als das einzige, das wirklich ein menschenwürdiges Leben garantieren kann. Das Problem dabei ist, dass ein großer Teil der Welt nicht mehr so zu denken bereit ist. (Zu Recht, wie die Redaktion von Globalbridge.ch meint. Red.)