Klimapolitisches Trauerspiel auf der Weltbühne

Die 29. Weltklimakonferenz (COP) in Baku endete mit grosser Ernüchterung. Die Länder des Globalen Südens forderten von den Industriestaaten weit mehr Geld, als ihnen jetzt zugesagt wurde. Sie sollen nun bis 2035 jährlich 300 Milliarden Dollar bekommen, weniger als ein Drittel als ursprünglich verlangt. Die armen Länder fühlen sich enttäuscht und vom reichen Norden ungerecht behandelt. Obwohl die Folgen der Erderwärmung immer bedrohlicher werden, steht Klimaschutz derzeit nicht mehr oben auf der weltpolitischen Agenda. Zudem verkommen die grossen Konferenzen immer mehr zur Profilierung autokratisch regierter Regimes, die eigentlich kein Interesse an der Einsparung fossiler Energieträger haben. Die internationale Klimapolitik braucht daher dringend eine Neuausrichtung. 

Groteskerweise fand die COP 29 in diesem Jahr in Aserbaidschan statt. Die ehemalige Sowjetrepublik lebt  heute zu 90 Prozent vom  Öl und Gas. Seit 21 Jahren regiert Präsident Ilham Alijew dort das 10-Millionen-Volk mit harter Hand. Politische Gegner wandern hinter Gitter, Medienfreiheit ist ein Fremdwort, und Klimaaktivisten dürfen nicht demonstrieren.

Alijew war es auch, der im Vorfeld der COP 29 verkündete, dass „Öl und Gas ein Geschenk Gottes“ seien. Kein passendes Motto für eine globale Veranstaltung, die den Klimaschutz ohne fossile Energien zum Erfolg führen will! Scharf kritisierte Alijew auch Frankreich, weil es die bewaffnete Annexion der armenischen Exklave Berg-Karabach durch Aserbaidschan im vergangenen Jahr verurteilt hatte. Daraufhin verzichtete die französische Umwelt- und Energieministerin auf einen Besuch in Baku.

Die COP entwickelt sich immer mehr zu einem politischen Ränkespiel. Nationale, blockbezogene, ökologisch einseitige und rein wirtschaftliche Interessen haben Vorrang vor griffigen und dennoch konsensfähigen Massnahmen für den Klimaschutz. Die Konferenz ist denn auch ein Tummelplatz tausender Funktionäre, unzähliger NGOs, und gewiefter Finanzspezialisten. Hochrangige Politiker mächtiger Staaten sind selten anwesend.

Wesentliche Fortschritte wurden an den bisherigen COPs (nüchtern betrachtet) nicht erzielt. Das im Pariser Abkommen festgelegte langfristige Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad seit Beginn der Industrialisierung ist gemäss neusten Daten bereits überschritten und könnte nur durch eine massive Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre erreicht werden – ein extrem kostspieliges und unrealistisches Unterfangen.

Der Klimawandel ist schon heute spürbar: Weltweit nehmen Wetterextreme wie Wirbelstürme, Starkregen und längere Hitzeperioden zu. Die Folgen sind unter anderem verheerende Überschwemmungen, zerstörerische Erdrutsche und weit verbreitete Wasserknappheit.

Hauptverursacher sind die Industriestaaten mit ihren hohen Treibhausgasemissionen, besonders betroffen sind jedoch die Länder des Globalen Südens. Diese fordern daher eine angemessene Entschädigung zur Vermeidung und Beseitigung der immensen Schäden, nämlich mindestens 1‘000 Milliarden (1 Billion) Dollar pro Jahr. Derzeit kommt nur ein Zehntel dieser Summe in den Entwicklungsländern an. Zudem weigern sich bis jetzt die bevölkerungsreichsten Staaten Indien und China zu zahlen, da sie sich selbst als Entwicklungsländer betrachten. 

An der COP29 in Baku, notabene im Nationalstadion einquartiert, waren die Verhandlungen über diese finanzielle Unterstützung ein zentrales und umstrittenes Thema. Es ging um sehr viel Geld. Die teilweise turbulenten Verhandlungen zogen sich bis in die Nacht auf den Sonntag (24.11.) hin.Schliesslich einigte man sich auf Zahlungen bis 2035 von jährlich 300 Milliarden Dollar, weniger als ein Drittel der  geforderten Summe. Die armen Länder drückten denn auch ihre grosse Enttäuschung aus und nannten das Schlusspapier eine „optische Illusion“, die der enormen Aufgabe nicht gerecht werde.

Der Klimaschutz ist in der politischen Priorität hinter andere drängende Probleme wie Kriege und Migration zurückgefallen. Lippenbekenntnisse zur Reduktion von Treibhausgasen und zum Ausbau erneuerbarer Energien gibt es genug, aber keine wirksamen Massnahmen. Es wird abgewartet, auch die Schweiz ist hier kein Musterknabe.

Was dabei sträflich übersehen wird, sind die hochgefährlichen klimatischen Kipppunkte, die bei einer übermässigen Erwärmung noch in diesem Jahrhundert eintreten könnten. Die Gletscher würden relativ rasch verschwinden und die Ozeane sich so stark erwärmen, dass sich die bestehenden Meeresströmungen stark verändern könnten – mit unabsehbaren, katastrophalen Auswirkungen weltweit.

Solche durchaus plausiblen und wissenschaftlich untermauerten Szenarien sind den Machthabern in Ölstaaten wie Aserbaidschan (COP 29), den Vereinigten Arabischen Emiraten (COP 28) und Ägypten (COP 27) wohl kaum bewusst. Mit ihrer unterschwelligen Klimaskepsis tragen diese Protagonisten dazu bei, dass die Klimakonferenzen zunehmend ein groteskes Schauspiel bieten. Die fossile Energielobby kann dort zwar vordergründig ihr Image aufpolieren, spielt aber auf der Weltbühne eine doppelzüngige und heuchlerische Rolle – im Gleichschritt mit einer für Teile der Menschheit überlebenswichtigen Herausforderung, die sie eigentlich aus Eigeninteresse ablehnt. Zu diesem einflussreichen Kreis gehört auch der designierte US-Präsident Donald Trump.

Die internationale Klimapolitik müsste deshalb formell neu gestaltet werden, um tatsächlich eine spürbare Wirkung zu erzielen.

Informationen zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und Aserbaidschan im Global-Bridge-Beitrag „Tanken bei Socar …“
Und siehe auch diese Informationen auf Globalbridge.ch zu SOCAR
(von Christian Müller)