Frieden braucht Wahrheit: Auch der Westen betreibt inzwischen gezielte Desinformation.
(Red.) Es ist Fakt: Die Ungleichverteilung von Vermögen und Kapital wird immer extremer. Günther Moewes macht darauf aufmerksam, dass die zunehmende Ungleichheit auch die Medienlandschaft betrifft: Immer mehr große Medien sind in den Händen immer weniger Eigentümer, was zu immer mehr Propaganda zugunsten derer Interessen führt. (cm)
Schon in meinem Buch «Arbeit ruiniert die Welt» von 2020 beschrieb ich im Vorwort und auf Seite 51 eine der Ursachen der allgemeinen Desinformation: «Die immer monströsere Ungleichverteilung beschränkt sich nicht nur auf Kapital und Vermögen. Sie dehnt sich auf alle Lebensbereiche aus. Etwa auf die organisierte Nichtbeachtung des Einzelnen: In Mainstream-Medien und ‹sozialen› Netzwerken genießen aufgeblasene Scheinpromis eine Überbeachtung, deren gesellschaftlichen Sinn oder Vorbildcharakter man vergeblich sucht. Auf der anderen Seite wird den sozial Abgehängten so lange das letzte Selbstwertgefühl geraubt, bis sie in ihrer sozialen Vereinsamung Amok, Terrorismus und Herostratentum anheimfallen und sich die verweigerte Beachtung gewaltsam verschaffen.» Das ist heute Alltag im Westen: in den USA, mehr und mehr auch in Europa. Zuletzt in Prag. Sogar in Schulklassen während des Unterrichts. Über diese Gewalt wird dann in den Medien so lange überinformiert, bis sich immer mehr Nachahmer finden. Über die wahren Ursachen und den Zusammenhang von Ungleichverteilung, Gewalt und Krieg wird dagegen organisierte Desinformation betrieben. Beharrlich verschwiegen wird auch, dass die Waffenlieferungen an díe Ukraine natürlich alle von der Bevölkerung bezahlt werden und so einen Großteil der Teuerung verursachen. Ebenso das US-Fracking-Gas, das nicht nur teurer ist als das russische Gas, sondern auch weitaus schädlicher als Kohle. Denn es besteht zu 98 % aus dem extrem klimaschädlichen Methan, von dem laut Expertenschätzung bis zu 30 % bei Verflüssigung, Umfüllen, Transport und Entflüssigung an die Atmosphäre verloren gehen. Das berichtete ausnahmsweise der Sender Phoenix.
Diese organisierte „Desinformation hat inzwischen gewaltige Formen angenommen. Sie zerstört das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik“, sagt der renommierte Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Sahra Wagenknecht spricht von einem „verengten Meinungskorridor“. Deutschland ist im Pressefreiheitsranking aus den Top 20 geflogen. Laut «Forsa» glauben inzwischen 40 % der Deutschen, dass man in Deutschland nicht mehr sagen dürfe, was man denke. Und das Handelsblatt schreibt: „Medienauflehnung: Jeder vierte Deutsche glaubt nicht mehr an dieses System“. Das alles stärkt im Westen ständig die Rechtspopulisten.
Auch die Ursachen des Ukrainekriegs unterliegen dieser Desinformation: Putin hatte in mehreren Noten an NATO und USA berechtigte Sicherheitszusagen verlangt: Kein NATO-Beitritt der Ukraine. Das heißt: keine US-Atomraketen 410 km vor Moskau. Als die Sowjetunion 1962 Atomraketen auf Kuba, also 1800 km vor Washington, stationieren wollte, hätte Kennedy glatt den dritten Weltkrieg riskiert, wenn Chruschtschow nicht eingelenkt hätte. Putins Noten dagegen wurden vom Westen nicht beantwortet und verschwiegen. Verschwiegen wurde auch, dass die USA, im Gegensatz zu Putin, ständig das Minsk-Abkommen brachen, sei es durch Manöver, „humanitäre“ Waffenlieferungen oder Milliarden an rechte Parteien in der Ukraine. Putin fühlte sich getäuscht, auch durch belegte Zitate von Biden, Merkel und Stoltenberg. Selbst, als Putin dann Wochen vor Kriegsbeginn für alle sichtbar mit dem Aufmarsch vor der Ukraine begann, hätte der Westen den Krieg noch immer mit wenigen Sätzen vermeiden können. Ebenso kurz nach Kriegsbeginn, als Israels Exministerpräsident Naftali Benett auf Selenskyjs Bitte hin in Moskau und Kiew den Entwurf eines Waffenstillstands-Abkommens hatte erarbeiten lassen. Der wurde von den USA und Großbritannien abgelehnt. Wohl auch aus Verärgerung darüber, dass sie als Nicht-EU-Mitglieder nicht am Minsk-Abkommen beteiligt worden waren. Fragte man, was sich nach den stehenden Ovationen für Putin 2001 im Deutschen Bundestag denn plötzlich so verändert habe, hieß es, Putin habe sich verändert. Die Frage, ob sich nicht vielleicht die früheren „Friedens-Parteien“ von Willy Brandt, Petra Kelly und Antje Vollmer verändert hätten, löste Empörung aus. Wieder entstand auf beiden Seiten das Gut-Böse-Schema, aus dem fast alle Kriege hervorgehen.
Diese Desinformation setzt sich im Gaza-Krieg auf beklemmende Weise fort: Typisches Beispiel: „US-Universitäten sind von einer Welle des Judenhasses ergriffen“ (Die Welt, 17.12.23). Kritik am Netanjahu-Regime wird ständig gezielt in „Antisemitismus“ umgedeutet. Im TV hat die Desinformationswelle auch sicher etwas mit dessen Abhängigkeit von der US-Unterhaltungsindustrie zu tun. Gegner sind immer die Indianer. In Wirklichkeit sind die Täter immer die Medienkonzerne und Politiker und die Opfer immer die Bevölkerungen.
Die Bemühungen um Wahrheit liegen dagegen in Deutschland unter 10 %. Da man ja nicht alle Zeitungen liest, fallen vor allem zwei positive Beispiele ins Auge: Erstens: „Hass für ein Jahrhundert“ (SPIEGEL 42/2023). Dort wird u.a. die „Nakba“ beschrieben, die „große Flucht“ von 1,5 Millionen Palästinensern nach Jordanien 1947 nach der Staatsgründung von Israel. Damals war ich zwölf Jahre alt und in Deutschland wurden auf Druck der Alliierten erstmals die Leichenberge und Erschießungen der Juden in Wochenschauen und Illustrierten gezeigt. Das hat unsere ganze Kindheit überschattet. Gas und Erschießungen blieben den Palästinensern zwar erspart. Sie verloren aber entschädigungslos ihre Felder, Grundstücke, Häuser und Wohnungen an Israel und fristeten ihr verbleibendes Leben arbeits-, besitz-, staaten- und würdelos in Lagern und Zeltstädten. Damals wurde das noch offen kritisiert, zum Beispiel von Norbert Blüm. Heute stattet das Netanjahu-Regime seine „Siedler“ kostenlos mit Waffen aus, um die „Nakba“ noch einmal mit den Palästinensern im Westjordanland zu wiederholen. Was selbst die USA kritisieren. Nach dem SPIEGEL-Bericht wartete man gespannt auf den Sturm der Leserbriefe. Es wurde jedoch kein einziger abgedruckt. Warum? Zweites Wahrheitsbeispiel: Das Interview von Bascha Mika mit dem israelischen Buchautoren, Übersetzer und Lyriker Dotan-Dreyfus (Frankfurter Rundschau, 4.12.23).
Der sogenannte Westen, also Europa, Nordamerika, Japan und Taiwan, machen zusammen 16 % der Weltbevölkerung aus. Davon bejahen laut Umfragen durchschnittlich höchstens 50 % die Politik ihrer Regierungen. Das sind also etwa 8 % der Weltbevölkerung. Dieser Anteil geht immer weiter zurück. Der Westen gerät weltweit immer weiter in die Minderheit und Isolation. Deutschland wird mittlerweile sogar von Großbritannien und Frankreich als allzu Netanjahu-freundlich kritisiert. Auch die anfängliche Begeisterung für die Waffenlieferungen an die Ukraine lässt wegen der Tausende Opfer und des Risikos eines dritten Weltkriegs immer mehr nach. Und Putin ist trotz all seiner Fehler und Untaten durch alle westlichen Sanktionen in seinem Ansehen bei der russischen Bevölkerung und im globalen Süden eher gestärkt worden.
Trotzdem glauben Selenskyj, der deutsche Kanzler, die heutigen Grünen und Vertreter von NATO und Bundeswehr ernstlich, man könne Russland besiegen. Das glaubte schon Napoleon. Und Deutschland 1941. Deren Motiv war damals Länderfresssucht. Und heute? Da beruht dieser Glaube vor allem auf der vermeintlichen Rüstungsüberlegenheit der USA, die nach 1945 weltweit alle großen Kriege angezettelt und verloren haben. Trotz erlogener Vorwände. Hat das wirklich etwas mit Menschenrechten und „westlichen Werten“ zu tun? Der derzeit beliebteste deutsche Politiker, der sogenannte „Verteidigungsminister“, fordert, man müsse Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen. Nicht etwa „abwehrbereit“ oder „verteidigungstüchtig“. Angesichts der deutschen Vergangenheit ein ungeheuerliches Verlangen.
Tatsächlich beginnen derzeit in den USA und an der FU Berlin Studentenproteste, die – je nach Verlauf der heutigen Kriege – vielleicht eines Tages vergleichbar sein werden mit unseren Vietnamkriegs-Protesten der 68er Jahre. Vergleichbar ist auch die Beschimpfung als „Langhaarige“ und „Terroristen“ durch Politik, Medien und schweigende Mehrheit. Nicht damit vergleichbar ist allerdings die Beurteilung tatsächlicher Terroristen. Heute dagegen sind die Protagonisten der 68er Jahre – wie etwa Rudi Dutschke oder Enzensberger – Helden, denen auch von den derzeitigen Meinungsmachern achtungsvolle Nachrufe gewidmet werden. Auch die Beschimpften von heute werden irgendwann von der Geschichte genau so rehabilitiert werden. Auch Greta Thunberg und die „Klimakleber“.
Fazit: Die „schweigende Mehrheit“ erkennt die Realität immer zu spät. Die Organisatoren der Desinformation nutzen das aus.
Siehe zum Thema Nakba das Interview mit einem direkt Betroffenen (von Karin Leukefeld)
PS der Redaktion Globalbridge.ch: Leider ist auch der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk keine Garantie mehr gegen Propaganda. Das jüngste Beispiel: Die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» bringt einen Artikel des deutschen Militärexperten Nico Lange, in dem dieser die These aufstellt, dass Russland im Falle eines Sieges in der Ukraine auch ganz Westeuropa militärisch zu erobern versuchen werde. Und was macht das «Echo der Zeit», die ehemals beste Informationssendung des Schweizer Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks? Es macht mit Nico Lange ein Interview. Die Kriegstreiberei – die Propaganda zugunsten der Machtpolitik der USA und der NATO – wird immer schlimmer. – Zum Militärexperten Nico Lange, der als Soldat auch freiwillig an völkerrechtswidrigen Einsätzen der NATO teilgenommen hat, siehe auch Globalbridge.ch vom 7. Juni 2023 (von Christian Müller).