General a.D. Harald Kujat sieht eine Chance, in Europa – inklusive Ukraine und Russland! – eine neue Friedensordnung einzuführen.

«Eine Friedensordnung schaffen, in der auch die Ukraine und Russland ihren Platz haben»

(Red.) Einmal mehr ein Interview mit General a.D. Harald Kujat. Der deutsche General im Ruhestand sieht Chancen für eine neue Friedensordnung.

Zeitgeschehen im Fokus: Welche Bedeutung messen Sie dem Treffen Putin-Trump vom 15.  August zu?

General a.D. Harald Kujat: Es war vorhersehbar ein wichtiges, wenn nicht gar ein historisches Treffen, weil es entweder den Weg für Verhandlungen öffnen oder bei einem Scheitern den Krieg eskalieren und mit einer militärischen Niederlage der Ukraine enden würde. Ich war optimistisch, dass Fortschritte als Ausgangspunkt für weitere Gespräche erzielt werden. Im Vorfeld wurde heftige Kritik an Trump geübt, es dürfe ohne die Beteiligung der Ukraine und der Europäer keinen «Deal» geben.

Danach wurde kritisiert, dass es angeblich keine greifbaren Ergebnisse gab. Dabei war klar, dass dem bilateralen, exploratorischen Gespräch zwischen Trump und Putin ein weiteres Treffen unter Beteiligung Selenskyjs folgen sollte.

Inzwischen ist es jedoch ungewiss, ob und wann es überhaupt zu einem Treffen Putin-Selenskyj beziehungsweise Trump-Putin-Selenskyj kommt. Russland fordert ein schrittweises Vorgehen mit einer abgestimmten Tagesordnung und eine sorgfältige Vorbereitung durch vorgeschaltete Verhandlungen auf hoher Ebene. Selenskyj verlangt, dass Russland vor einem Treffen von der Ukraine ausgearbeitete Sicherheitsgarantien akzeptiert. Es gibt deshalb nicht nur Schwierigkeiten, eine Begegnung zustande zu bringen. Auch in der Sache liegen die Positionen noch weit auseinander, so dass auf dem Weg zu einer Friedensvereinbarung noch grosse Hindernisse zu überwinden sind.

Atmosphärisch ist dieses Treffen offensichtlich sehr positiv, offen und konstruktiv verlaufen. Jedenfalls bewertete es Trump mit 10 von 10 Punkten. In wesentlichen Fragen ist angeblich Übereinstimmung erzielt worden. Trump betonte jedoch auch, dass es noch einige schwierige Probleme zu lösen gebe. Es hänge jetzt vor allem von Selenskyj ab, ob Fortschritte erzielt würden.

ZiF: Die Forderung der Koalition der Willigen in Europa war, dass es einen Waffenstillstand vor Friedensverhandlungen geben müsste.

Harald Kujat: Ja, diese Forderung ist auch einer der fünf Punkte, auf die sich einige europäische Staaten vor dem Treffen im Weißen Haus festgelegt hatten. Den Kern dieser Staaten bilden Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Trump hat unmittelbar nach dem Gespräch mit Putin Selenskyj und einige europäische Regierungschefs telefonisch über den Inhalt informiert. Danach publizierte er auf Truth Social, dass er, Putin, Selenskyj und die europäischen Staats- und Regierungschefs sich einig seien, der beste Weg, den Krieg zu beenden, sei ein Friedensschluss, und nicht ein blosses Waffenstillstandsabkommen, das oft nicht hält. Der Bundeskanzler verteidigte zunächst, dass der US-Präsident von der Forderung eines Waffenstillstands als Voraussetzung für Friedensverhandlungen abgerückt sei, und betonte, dass nun sehr viel mehr angestrebt werde, nämlich ein umfassendes Friedensabkommen. Bei dem Treffen am 18. August im Weißen Haus erneuerte er jedoch die Forderung nach einem Waffenstillstand vor Verhandlungen.

ZiF: Hat es einen tieferen Beweggrund, dass das Treffen zwischen Putin und Trump in Alaska stattfand?

Harald Kujat: Von dem Flugplatz, auf dem das Treffen stattfand, wurden im Zweiten Weltkrieg amerikanische Flugzeuge von russischen Piloten in die Sowjetunion überführt. Dabei sind neun Piloten tödlich verunglückt und dort beigesetzt worden. Trump und Putin haben diesen Ort gewählt, der an die damalige Waffenbrüderschaft erinnert, um offenbar perspektivisch die Normalisierung der amerikanisch-russischen Beziehungen, möglicherweise sogar das Entstehen einer neuen Partnerschaft zu signalisieren.

Denn beide sind bestrebt, die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu intensivieren. Es ist deshalb kein Zufall, dass Putin am gleichen Tag ein Dekret unterzeichnete, das die Rückkehr ausländischer Investoren, darunter auch Exxon Mobil, in das russische Öl- und Gasprojekt Sachalin-1 ermöglicht. Beabsichtigt ist auch, die bilaterale strategische Stabilität durch ein breites Spektrum von Rüstungskontroll- und Abrüstungsabkommen zu stärken.

ZiF: Sie erwähnten, der deutsche Bundeskanzler habe zunächst positiv auf Trumps Vorschlag, erst einen Vertrag auszuarbeiten und dann einen Waffenstillstand anzustreben, reagiert. Was hat das für eine Bewandtnis?

Harald Kujat: Trump hat damit einen taktischen Verhandlungsfehler seines Außenministers bei den ersten Gesprächen in Riad korrigiert. Rubio hatte Selenskyjs Forderung nach einem bedingungslosen Waffenstillstand übernommen und öffentlich gemacht, ohne dies zumindest diskret mit den Russen abzustimmen.

Beide Seiten müssen bei den Modalitäten für die Einhaltung des Waffenstillstands übereinstimmen, sonst besteht das Risiko, dass er von einer Seite gebrochen wird, möglicherweise sogar durch eine Provokation der anderen Seite. Deshalb ist es wesentlich erfolgversprechender, mit Friedensverhandlungen zu beginnen.

Wenn sich die Standpunkte im Verlauf der Verhandlungen annähern und die Modalitäten abgestimmt werden, macht es Sinn, einen Waffenstillstand als Zwischenziel zu einem Verhandlungsfrieden zu vereinbaren. Ansonsten besteht das Risiko, dass kaum noch Chancen für einen erfolgreichen Verhandlungsabschluss bestehen, wenn ein Waffenstillstand scheitert.

ZiF: In den Hauptmedien war von der schwachen Diplomatie Trumps zu lesen. Das scheint an der Realität vorbeizuschießen.

Harald Kujat: Während die Europäer dreieinhalb Jahre weder über eine Friedensstrategie als notwendige Ergänzung zur Unterstützung der Ukraine verfügten noch in irgendeiner Weise den Versuch unternahmen, eine Friedensregelung auf diplomatischem Wege herbeizuführen, hatte Trump bereits bei seinem Amtsantritt einen konkreten Plan zur Beendigung des Krieges.

Doch anstatt den Schulterschluss mit unserem engsten Verbündeten zu suchen und ihn zu unterstützen, begannen die Europäer, Gegenpositionen aufzubauen und Bedingungen für Verhandlungen und einen Friedensschluss zu formulieren.

Trump hat seinen Friedensplan den Positionen der beiden Kriegsparteien angenähert, um die Kompromissfähigkeit zu erhöhen, ohne jedoch die Kernelemente aufzugeben. Dazu gehören der neutrale Status der Ukraine, kein NATO-Beitritt, keine fremden Truppen auf ukrainischem Territorium, die Krim bleibt bei Russland, ukrainisches Territorium wird an Russland abgetreten, beziehungsweise es erfolgt ein Austausch von Gebieten.

ZiF: Was hat das zweite Gespräch mit den wenigen europäischen Staaten gebracht?

Harald Kujat: Ein Schulterschluss der Europäer mit dem amerikanischen Präsidenten kam nicht zustande. Das Treffen hat also nicht das gebracht, was Trump erwartet hatte, größere Übereinstimmung und Geschlossenheit auf seinem Weg zu einer Friedensvereinbarung, insbesondere im Hinblick auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine, den Austausch von Territorien sowie der Frage, ob ein Waffenstillstand Voraussetzung für Friedensverhandlungen ist.

ZiF: Es ist blamabel, dass die Europäer nichts Konstruktives vorweisen können …

Harald Kujat: Ja, das ist richtig. Sicherheitsgarantien analog zu Artikel 5 des NATO-Vertrages halte ich nicht für eine hinreichende Lösung. Artikel 5 sagt, ein Angriff auf einen NATO-Mitgliedstaat wird als Angriff auf alle Mitgliedstaaten betrachtet, ohne jedoch zu präzisieren, welche Maßnahmen zur Abwehr des Angriffs getroffen werden müssen. Jeder Mitgliedstaat trifft die Maßnahmen, die er für erforderlich erachtet.

Gleichwohl würde Russ­land eine derartige NATO-Mitgliedschaft durch die Hintertür nicht akzeptieren, die noch dazu durch Absprachen zwischen der NATO und der Ukraine gefestigt werden könnte. Bereits in dem in den Istanbuler Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine weitgehend ausgehandelten «Vertrag über die ständige Neutralität und Sicherheitsgarantien für die Ukraine» vom 15. April 2022 war dagegen vereinbart worden, dass jeder Garantiestaat im Falle eines bewaffneten Angriffs auf die Ukraine Hilfe leisten wird, um deren Sicherheit wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.

Zwar waren dazu von Russ­land und der Ukraine vorgeschlagene Ergänzungen noch strittig, aber durchaus lösbar. Immerhin wurde eine grundsätzliche Übereinstimmung erzielt, die Ausgangspunkt für eine beiderseits akzeptable Neuregelung sein könnte.

In jedem Fall gilt, dass eine Friedensvereinbarung, einschließlich einer Regelung der Sicherheitsgarantien für die Ukraine, als Vertrag zwischen der Ukraine und Russ­land geschlossen wird. Das bedeutet: Sollte die Ukraine auf einer Regelung bestehen, wie sie von den Europäern gefordert und von Russland abgelehnt wird, gibt es keine Friedenslösung. Das gilt insbesondere für die Absicht, Truppen europäischer NATO-Staaten als Rückversicherung in der Ukraine zu stationieren.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein multinationales Kontingent aus französischen, britischen und deutschen Streitkräften im Falle von Kampfhandlungen mit russischen Streitkräften sicherlich nicht den Beistand aller Verbündeten nach Artikel 5 des NATO-Vertrags erhalten würde. Deshalb hofft die sogenannte Koalition der Willigen, dass die USA sich doch noch zu einem substanziellen Beitrag entschließen, sozusagen als Rückversicherung für das Rückversicherungskontingent.

ZiF: In Deutschland wird nun diskutiert, ob die Bundeswehr einen Beitrag zu dem Rückversicherungskontingent der Koalition der Willigen leisten könnte …

Harald Kujat: Ja, angeblich könnte die Bundeswehr einen Beitrag in der Stärke einer Brigade, etwa 5000 Soldaten, bereitstellen. So jedenfalls ein sogenannter Militärexperte. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass drei Kontingente verfügbar sein müssen, das sich im Einsatz befindliche, ein zweites, das gerade den Einsatz beendet hat und ein weiteres, das sich auf den Einsatz vorbereitet. Dazu kommen noch Unterstützungskräfte.

Aber die entscheidende Frage ist doch nicht, ob wir uns an einem derartigen Einsatz beteiligen könnten, sondern ob es in deutschem Interesse ist, das Risiko einzugehen, dass deutsche Soldaten in Kampfhandlungen mit russischen Streitkräften verwickelt werden. Je mehr sich dieser Krieg dem Ende zuneigt, desto irrationaler, abwegiger und unpatriotischer werden die öffentlichen Äußerungen. Es ist bestürzend, dass derartige Wortmeldungen unwidersprochen hingenommen werden.

ZiF: Wie könnten die Sicherheitsgarantien aussehen?

Harald Kujat: Wäre eine Beobachtungsmission der OSZE, wie sie nach dem Minsk II-Abkommen eingerichtet wurde, die man jedoch unter den gegenwärtigen Bedingungen ausschließen muss. Anders verhält es sich mit einem Einsatz einer Uno-Blauhelmtruppe mit einem robusten Mandat nach Artikel VII der Uno-Charta. Wenn sich größere Staaten wie China, Indien, Brasilien und Ägypten an dem Einsatz beteiligen würden, wäre dies eine gute Lösung.

Insbesondere die Teilnahme Chinas hätte einen außerordentlich hohen Stabilisierungseffekt. Diese Option würde auch deshalb Sinn machen, weil die Ukraine in den Istanbuler Verhandlungen den russischen Vorschlag akzeptiert hatte, dass die fünf ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats Garantiemächte für die Sicherheit der Ukraine werden.

ZiF: Man muss auch über die Frage eines Gebietsaustausches sprechen, das hat Trump sehr deutlich gemacht, auch dass Selenskyj sich bei dieser Frage bewegen muss.

Harald Kujat: Selenskyj hat im Weißen Haus nichts dazu gesagt. Er hat jedoch stets jede Form von Gebietsabtretungen kategorisch abgelehnt und die verfassungsrechtliche Unveräußerlichkeit ukrainischen Territoriums betont. Daran scheint sich auch nach dem Gespräch mit Präsident Trump nichts geändert zu haben. Richtig ist, dass die Ukraine nach der Verfassung ein unitärer Staat ist, dessen Territorium unteilbar und unverletzlich ist.

Weder die Regierung noch das Parlament dürfen über territoriale Abtretungen entscheiden. Allerdings ist nach der ukrainischen Verfassung eine Änderung des ukrainischen Staatsgebiets durch ein landesweites Referendum möglich. Übrigens hat Selenskyj bereits vor einiger Zeit die Abtretung ukrainischen Territoriums an Russland für den Fall angeboten, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen wird.

ZiF: Ist schon klar, dass es sich bei den Gebietsabtretungen um die Oblaste Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja handeln wird?

Harald Kujat: Die russische Forderung, dass die ukrainischen Streitkräfte sich aus den noch nicht von Russland eroberten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk zurückziehen, während in Saporischschja und Cherson der Frontverlauf eingefroren und diese Regionen damit Gegenstand der Verhandlungen werden könnten, betrifft einen Sonderfall. Nach dem Sturz von Präsident Janukowitsch im Februar 2014 und den dadurch ausgelösten Protesten in der Ostukraine haben sich die Regionen Donezk und Luhansk zu Volksrepubliken erklärt und dazu am 11. Mai 2014 ein Referendum abgehalten.

Dabei ging es nicht um den Beitritt zu Russland, sondern um eine Erklärung der Eigenstaatlichkeit, also um eine Sezession. Im Minsk II-Abkommen wurde diesen Gebieten 2015 ein Sonderstatus zuerkannt, der jedoch von der ukrainischen Regierung nicht wie vereinbart durch eine Verfassungsänderung realisiert wurde. Am 21. Februar 2022 erkannte Russ­land die beiden Gebiete als unabhängige Staaten an. Allerdings wurden im September 2022 in allen vier Regionen Referenden über den Beitritt zu Russland durchgeführt und als Folge wurden diese am 30. September in die Russische Föderation aufgenommen.

Eine Lösung dieser Frage könnte darin bestehen, dass beide Seiten Kompromisse eingehen, indem Russland die Aufnahme von Donezk und Luhansk in die Russische Föderation rückgängig macht und die Ukraine diese Regionen als eigenständige Volksrepubliken anerkennt. Beide könnten zu Uno-Treuhandgebieten erklärt werden und so kurzfristig die notwendigen Sicherheitsgarantien und mittelfristig die Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung erhalten.

Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Option von den Kriegsgegnern überhaupt erwogen wird. Die verhärteten politischen Fronten und die militärische Lageentwicklung sprechen dagegen.

ZiF: Jetzt stellt sich die Frage, ob die USA tatsächlich bereit sind, sich an einer Sicherheitsgarantie für die Ukraine zu beteiligen oder die Europäer zumindest soweit zu unterstützen, dass sie diese Verantwortung übernehmen könnten…

Harald Kujat: Ich bin skeptisch. Trump hat zwar die Möglichkeit angedeutet, dass die USA einen Einsatz europäischer Truppen in der Ukraine aus der Luft unterstützen würden. Kann sein, dass sie das machen, aber sie werden das allenfalls aus räumlicher Distanz tun, beispielsweise durch satellitengestützte Aufklärungsinformationen. Denn auch ein Einsatz im ukrainischen Luftraum könnte zu einem amerikanisch-russischen Zwischenfall führen, der eine Eskalation auslöst, was beide Großmächte unbedingt vermeiden wollen. Das russische Interesse ist es deshalb seit Mitte der 90er-Jahre, eine Pufferzone, einen Cordon Sanitaire, zwischen der NATO und Russland einzurichten.

Deshalb wurde 1997, in einer Zeit enger politischer Abstimmung und militärischer Zusammenarbeit, mit dem NATO-Russland Grundlagenvertrag ein gemeinsamer Konsultations- und Entscheidungsmechanismus geschaffen, um Krisen und Konflikte beizulegen, bevor sie zu einer direkten Konfrontation eskalieren. Leider wurde diese wichtige Sicherheitsvorsorge suspendiert, als sie am dringendsten gebraucht wurde.

Trump hat Verständnis für Russ­lands strategisches Interesse an einer Pufferzone geäußert. Er will das Verhältnis zu Russland wieder normalisieren und stabilisieren. Die Beendigung des Ukraine-Kriegs ist dafür die entscheidende Voraussetzung.

ZiF: Warum sollen die USA der Ukraine weitere Unterstützung bieten, was zwangsläufig zu einer Verlängerung des Kriegs beiträgt und Trumps Friedensbemühungen offensichtlich im Wege steht?

Harald Kujat: Der amerikanische Vizepräsident J. D. Vance hat unmissverständlich erklärt, «wir sind fertig mit der Finanzierung des Ukraine-Kriegsgeschäfts.» Europa soll eine größere Rolle übernehmen und die Hauptlast des Krieges tragen.

ZiF: Wie ist die Rolle Chinas in der momentanen Phase des Konflikts?

Harald Kujat: China hat bereits im Februar 2023 einen Vorschlag zur Beendigung des Krieges gemacht und dann noch gemeinsam mit Brasilien einen entsprechenden 6-Punkte-Plan veröffentlicht. Danach sollten die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden, wo sie Mitte April 2022 abgebrochen wurden. Putin hat diesen Vorschlag mehrfach als eine gute Grundlage für Verhandlungen bezeichnet. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass damit auch die Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine lösbar wäre.

Es gibt Berichte, wonach EU-Diplomaten mitgeteilt hätten, China sei bereit zur Teilnahme an möglichen Friedenstruppen in der Ukraine – jedoch nur unter der Bedingung eines Uno-Mandats. Allerdings ist diese Aussage offiziell von China zurückgewiesen worden. Der chinesische Staatspräsident hat nun in dieser wichtigen Phase Trump und Putin für den 3. September nach Peking eingeladen.

Ich halte das für eine gute Gelegenheit, das außerordentlich positive Gespräch von Anchorage mit der Moderation Xi Jinpings fortzusetzen und die zwischenzeitlich aufgebauten Hindernisse für Friedensverhandlungen zumindest ansatzweise zu beseitigen. Von diesem Treffen kann man durchaus Fortschritte erwarten, wenngleich eine Friedenslösung nur zwischen Putin und Selenskyj erzielt werden kann.

Es kann nicht hoch genug bewertet werden, dass Trump bestrebt ist, die Beziehungen zu den beiden größten geopolitischen Rivalen der USA, Russland und China, zu verbessern und langfristig politisch, wirtschaftlich und militärisch zu stabilisieren. Die Europäer, insbesondere die europäischen NATO-Staaten, sollten sich frühzeitig darauf einstellen.

Sie müssten sich dann fragen, ob die vorherrschende Bedrohungsperzeption, Russland habe die Absicht und verfüge in wenigen Jahren auch über die Fähigkeiten, die europäischen NATO-Staaten anzugreifen, obwohl es mit dem NATO-Mitgliedstaat USA, unserem engsten Verbündeten, eine strategische Partnerschaft eingegangen ist, dann noch vertretbar wäre.

Auch deshalb sollte es das Ziel der europäischen Regierungen sein, eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts zu fördern, um dann eine kontinentale Sicherheits- und Friedensordnung zu schaffen, in der auch die Ukraine und Russland ihren Platz haben, oder, wie Gorbatschow es einmal formulierte, das «gemeinsame Haus Europa» zu verwirklichen.

ZiF: Herr General Kujat, vielen Dank für das Gespräch.
Interview Thomas Kaiser

General a. D. Harald Kujat, geboren am 1. März 1942, war u. a. Generalinspekteur der Bundeswehr und als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses höchster Militär der Nato. Zugleich amtete er als Vorsitzender des Nato-Russland-Rates sowie des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrates der Generalstabschefs. Für seine Verdienste wurde Harald Kujat mit einer großen Zahl von Auszeichnungen verschiedener Länder geehrt.

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