Hier war sie, diese Palästinenserin, einmal zuhause. Und hierher soll sie zurückkehren können? (Photo Dawoud Abu Alkes)

Ein Tag der Schande!

(Red.) Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Zustimmung zur Resolution 2803 die US-israelische koloniale Machtübernahme des Gaza-Streifens akzeptiert – ja sogar gutgeheißen! Damit hat sich die UNO wie kaum je zuvor für die Anwendung von Gewalt ausgesprochen und sich damit selber für künftige politische Entscheidungen weitgehend delegitimiert. Die Schilderung der Zustände im Gaza-Streifen und in Israel durch eine mit der Situation aus eigener Anschauung vertrauten Berichterstatterin macht deutlich, dass die Hoffnung auf eine friedensvermittelnde Funktion der UNO zur reinen Illusion geworden ist. (cm)

Am 17. November 2025 hat der UN-Sicherheitsrat den „Trump Friedensplan“ für Gaza und den Mittleren Osten als UN-Sicherheitsratsresolution 2803 mehrheitlich angenommen. Lediglich die beiden Veto-Mächte China und Russland enthielten sich der Stimme, was sie in separaten Stellungnahmen erläuterten. Dennoch haben beide Staaten mit ihrer Enthaltung die Zustimmung zu dem von den USA vorgelegten Resolutionstext ermöglicht. Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen Mike Waltz hatte bei der Vorstellung des Textes gedroht: „Jede Stimme gegen diese Resolution ist eine Stimme für die Rückkehr des Krieges.“ Die Palästinenser wurden nicht gefragt.

Kritik an der Resolution kam prompt von zwei der entschiedensten Verfechter bei den Vereinten Nationen für die Rechte der Palästinenser. Craig Mokhiber, seit mehr als 30 Jahren Menschenrechtsanwalt und langjähriger Direktor des New York Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, sprach bei „X“ (vormals Twitter) von einer „fürchterlichen US-Resolution“, die mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen worden sei. „Nicht ein einziges Mitglied des Rates hatte den Mut, die Prinzipien oder den Respekt vor dem internationalen Recht, um gegen diese US-israelische koloniale Ungeheuerlichkeit zu stimmen“, so Mokhiber. Der Resolutionsentwurf sei von der palästinensischen Zivilgesellschaft, den Fraktionen, von Verteidigern der Menschenrechte und des internationalen Rechts überall abgelehnt worden. Der 17. November 2025 sei „ein Tag der Schande für die Vereinten Nationen und für die Regierungen weltweit, die vor dem US-Empire und seinem gewalttätigen israelischen Klientelstaat in die Knie gegangen sind.“ Der Kampf für die Freiheit der Palästinenser werde ungehindert fortgesetzt werden, „mit ihnen oder ohne sie“.

Francesca Albanese, die UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten (OPT), begrüßte in ihrer Presseerklärung am 19.11.2025 zwar, dass der UN-Sicherheitsrat sich mit der Lage der Menschen im Gazastreifen beschäftigt habe. Gleichwohl sei sie „zutiefst irritiert. Trotz der Schrecken der letzten zwei Jahre und der eindeutigen Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs“ habe sich der Rat „nicht auf genau die Rechtsvorschriften (gestützt), zu deren Einhaltung er verpflichtet ist: internationale Menschenrechtsgesetze, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung, Gesetze zur Anwendung von Gewalt, internationales humanitäres Recht und die Charta der Vereinten Nationen.“ Anstatt einen „Weg zur Beendigung der Besatzung“ und einer Garantie des Schutzes der Palästinenser aufzuzeigen, berge die Resolution die Gefahr, die externe Kontrolle über die Regierungsführung, die Grenzen, die Sicherheit und den Wiederaufbau des Gazastreifens zu festigen. Die Resolution verrät die Menschen, die sie angeblich schützen soll.“

Perspektive: Die Teilung des Gazastreifens

Es sind nur wenige Wochen nach der Verabschiedung der neo-kolonialen UN-Sicherheitsratsresolution 2803 vergangen, als mehr darüber bekannt wird, wie sich der „Friedensrat“ unter Vorsitz von US-Präsident Donald Trump die Zukunft von Gaza vorstellt. In den USA wird Berichten zufolge ein Plan für die Teilung des Gazastreifens ausgearbeitet. Trennlinie soll die „gelbe Linie“ sein, die bereits den Gaza-Streifen in je ein Gebiet für die Palästinenser und für die israelische Armee aufteilt. Jenseits dieser „gelben Linie“ soll eine befestigte „grüne Zone“ unter „gemeinsamer israelisch- internationaler Kontrolle“ entstehen. Auf der anderen Seite der „gelben Linie“ soll eine „rote Zone“ für die Palästinenser entstehen, die dort zwischen den Ruinen und ohne wesentlichen Wiederaufbau leben sollen, wie der britische Guardian berichtete.

Die USA planen demnach in den unter israelisch-internationaler Kontrolle stehenden Gebieten die Errichtung von „Alternativen sicheren Gemeinden“, ASC (alternative safe communities). Es sei der „effektivste Weg um zu erreichen, dass Leute so schnell wie möglich in sichere Gebäude einquartiert werden können“, so ein namentlich nicht genannter Sprecher des US-Außenministerium gegenüber dem katarischen Nachrichtensender Al Jazeera.

Jenseits der Kreise, die aus politischen und wirtschaftlichen Interessen an dem Projekt mitarbeiten, gibt es auch Kritik, eben weil der Bau von neuem Wohnraum nur in dem von Israel kontrollierten Teil des Gazastreifens vorgesehen ist, nicht aber in den Gebieten, in denen die rund 2 Millionen von Israel vertriebenen Bewohner des Gaza-Streifens unter verheerenden Bedingungen ausharren. Das Projekt der „Alternativen sicheren Gemeinden“ werde zu einer „dauerhaften Teilung“ des Küstenstreifens führen, so die Kritik in arabischen und europäischen Kreisen. 

Das US-Team findet den Plan richtig, weil er Sicherheit, ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und medizinische Hilfe ermögliche. Das werde die palästinensische Bevölkerung dazu bewegen, die Gebiete des Küstenstreifens zu verlassen, die von der Hamas kontrolliert werden, lautet das Argument. Und das werde dazu führen, dass die Hamas geschwächt und isoliert werde.

Das Konzept ist in der US-amerikanischen Aufstandsbekämpfungsstrategie auch als „Jakarta-Methode“ bekannt. Gemeint ist ein „antikommunistisches Programm“ zur Zerstörung von linken, nationalen und gegen die US-Interessen gerichteten Bewegungen und Parteien, das sowohl in Indonesien als auch in verschiedenen Ländern Lateinamerikas gegen linke, sozialistische, kommunistische Bewegungen angewendet wurde. Diese Bewegungen sind – wie Mao Tse Tung es schon beschrieb – wie Fische auf das Wasser auf die Zivilbevölkerung angewiesen, aus der sie sich im Wesentlichen auch rekrutieren. Um eine solche Bewegung zu vernichten, muss man ihr das Wasser entziehen, in dem sie lebt, die Bevölkerung. Diese vielfach von den USA und ihren Verbündeten praktizierte Aufstandsbekämpfung richtete und richtet sich immer gegen die Zivilbevölkerung. Israel gehört zu den US-Partnern, die genau diese Methode gegen die bewaffneten Organisationen der „Achse des Widerstandes“ Hamas, Hisbollah, die Houthi Bewegung oder in Ländern wie Irak, Syrien und Iran einsetzen. Im Libanon sei schon während des Krieges 2006 die „Dahiye-Doktrin“ angewandt worden, so das israelische Militär. Die israelische Luftwaffe hatte damals massive Angriffe auf die südlichen Vororte von Beirut geflogen, die „Dahiye“ genannt werden, die „außerhalb“ der Stadtgrenze von Beirut liegen und vorwiegend von Anhängern und Angehörigen der Hisbollah bewohnt werden. Das gleiche Konzept wiederholte Israel im Krieg 2014 gegen Gaza und erneut 2024 gegen den Libanon und gegen die Hisbollah. Es wurden vor allem Wohnhäuser angegriffen, um die Zivilbevölkerung zu vertreiben. Eine Art Bestrafung dafür, dass sie den Widerstand, die Hisbollah, unterstützen.

Krieg gegen die Bevölkerung wie im Gaza-Streifen ist erklärte Strategie der israelischen Armee, wie es wiederholt der israelische Verteidigungsminister Israel Katz sagte. Noch Anfang Oktober 2025 drohte Katz der Bevölkerung von Gaza-Stadt mit der Vernichtung. Sollten sie die Stadt nicht umgehend verlassen, werde man sie als Terroristen und Unterstützer des Terrors einstufen – und angreifen. 

Teilung wie Deutschland nach dem 2. Weltkrieg

Die Baumaßnahmen für die von Israel kontrollierten Gebiete des Gaza-Streifens werden vor allem von Jared Kushner, dem Schwiegersohn des US-Präsidenten vorangetrieben. Kushner ist Immobilienhändler und hatte bereits Anfang 2025 öffentlich über Touristenpläne für den Gaza-Streifen nachgedacht. Die von seinem Team entworfenen mindestens zehn Wohnkomplexe sollen „vorübergehend“ 250.000 Palästinenser aufnehmen. Die Auswahl der palästinensischen Familien unterliege strenger Kontrolle, um zu verhindern, dass Mitarbeiter der Hamas-Regierung oder deren Angehörige in den Genuss einer solchen Wohnung kommen könnten. Geworben wird mit Bildung, Arbeit, funktionierender medizinischer Versorgung. Es ist wahrscheinlich, dass die israelische Armee sich nicht aus dem Gebiet zurückziehen wird, solange die Hamas – in der „roten Zone“ – nicht entwaffnet sein wird. Berichten zufolge sollen involvierte Unternehmen bereits mit Aufräum- und Planierarbeiten in dem von Israel kontrollierten Gebiet des Gazastreifens begonnen haben.

Für eine vorgesehene internationale Schutztruppe haben sich bisher lediglich Aserbeidjan und Indonesien gemeldet. Allerdings wollen sie nur die Sicherung „humanitärer Korridore“ übernehmen, die Minenbeseitigung und bei Bedarf wollen sie auch die „Alternativen Sicheren Gemeinden“ in dem Teil des Gaza-Streifens schützen, der von der israelischen Armee kontrolliert wird. Ägypten und Jordanien haben – mit EU-Hilfe – rund 5000 palästinensische Polizisten ausgebildet. Deren Einsatz wird aber von Israel zurückgewiesen, weil man befürchtet, dass damit eine Verbindung zwischen dem Gaza-Streifen und dem von Israel besetzten Westjordanland entstehen könnte.

Der Kushner-Plan für einen Wiederaufbau nur in dem von Israel kontrollierten Gebiet des Gaza-Streifens wird vor allem in arabischen Ländern zurückgewiesen. Auch westliche Diplomaten warnen einem Bericht zufolge vor einer Teilung des Gaza-Streifens und erinnern an die Teilung der deutschen Hauptstadt Berlin nach dem 2. Weltkrieg. Sie warnen vor einer „Berlinification“ von Gaza, heißt es in einem Bericht des Soufan Center.

Sollte der Ausbau sich hinziehen und die israelische Armee sich nicht zurückziehen, werde es mit der Zeit immer schwieriger werden, den Abzug der israelischen Streitkräfte durchzusetzen und den Gaza-Streifen wieder zu vereinen.

Die Lebensgrundlangen der Palästinenser bleiben nachhaltig zerstört

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums (Gaza) wurden seit Beginn der „Waffenruhe“ zwischen Hamas und Israel 347 Palästinenser durch israelische Angriffe getötet, heißt es im Bericht Nr. 199 der UN-Agentur für die Unterstützung der palästinensischen Flüchtlinge, UNRWA. 

Der Bericht trägt Daten über den Zeitraum vom 24. – 30 November 2025 zusammen. Die UN-Organisationen stellen regelmäßig diese Berichte über den Gaza-Streifen, über das besetzte Westjordanland und das besetzte Ostjerusalem zusammen. 889 Palästinenser seien durch die israelischen Armeeangriffe verletzt worden. 596 Leichen wurden aus den Trümmern des verwüsteten Küstenstreifens geborgen. Am 24.11.2025 wurde zudem eine UNRWA-Schule im Flüchtlingslager Jabalia bei einem Angriff durch einen Quadcopter der israelischen Armee beschädigt. Die Schule war ein Notlager für Flüchtlinge geworden, niemand wurde verletzt. 

Die UN-Organisation für Frauen teilte mit, dass die Lage für Frauen extrem schwer sei, zumal mehr als 57.000 Frauen durch den Verlust ihrer Ehemänner und Söhne allein für die Familie zu sorgen hätten. Die Preise seien hoch, die Frauen hätten kein Einkommen und hätten mit Hunger, Angst, wiederholten Vertreibungen und dem kalten, stürmischen und nassen Winterwetter zu kämpfen. Die Notunterkünfte böten kaum Schutz für die Menschen. Die meisten Menschen in Gaza lebten in völlig unzureichenden Unterkünften, heißt es weiter in dem UNRWA-Bericht Nr. 199. Sie lebten in Zelten, selbst gebauten Zelten, unter Planen und teilweise in den Trümmern schwer verwüsteter Gebäude.

UNRWA helfe dabei, die 32 Notunterkünfte in ehemaligen UNRWA-Schulen in Khan Younis und im Zentrum des Gaza-Streifens zu versorgen. Wasser müsse abgepumpt, blockierte Abflüsse müssten gesäubert werden. Zelte müssten repariert werden, man verteile Planen an die Familien. Trotz großer Not würden die Aktivitäten von UNRWA weiter behindert, heißt es im Bericht. Israel blockiere die Grenzübergänge, so dass lebensnotwendige Hilfsgüter nicht in ausreichender Menge zu den Menschen gebracht werden könnten.

Dennoch gäben die Menschen nicht auf. Mehr als 50.000 Kinder engagierten sich im Gaza-Streifen in einem angebotenen Lernunterricht. Gesundheitsdienste würden angeboten, in Gaza-Stadt seien fünf medizinische Einrichtungen aktiv. Diese könnten täglich bis zu 1.800 Patienten versorgen. Impfkampagnen zur Immunisierung der Kinder hätten im November 15.895 Kinder erreicht. UNRWA sei neben UNICEF und WHO mit 32 Teams (von 141 insgesamt) im Einsatz und habe in der letzten Novemberwoche 4,624 Kinder impfen können. Das seien rund 28 Prozent aller Kinder in dem Impfprogramm. 

Systematische Folter an palästinensischen Gefangenen

In einem umfassenden Bericht für den UN-Hochkommissar für Menschenrechte über die Lage palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen haben die UN-Experten des Antifolterkomitees schwere Vorwürfe gegen das israelische Gefängnissystem erhoben. Dabei wird „systematische Folter an palästinensischen Gefangenen“ festgestellt. Ein Vorwurf, den bereits Hunderte freigelassene palästinensische Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer erhoben haben.

Erschütternde Zeugenaussagen hat das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte, PCHR nach der kürzlichen Freilassung von Hunderten palästinensischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen und Gefangenenlagern zusammengetragen. Am 10. November 2025 veröffentlichte PCHR eine Auswahl von Aussagen einer Frau und von drei Männern, die während ihrer Haft sexueller Folter unterworfen waren. Sie wurden vergewaltigt, gewaltsam entkleidet, wurden bei der Folter gefilmt und fotografiert. Für die Folter wurden Flaschen und Schlagstöcke benutzt, offenbar trainierte Hunde wurden auf die Männer gehetzt. Die Frau berichtete von verschiedenen direkten Vergewaltigungen durch die israelischen Soldaten während zwei Tagen, die sie entkleidet und auf dem Bauch liegend mit den Armen an ein Bettgestell gefesselt erleiden mußte.

Ziel der sexuellen Folter in den israelischen Gefängnissen ist die absichtliche psychologische Erniedrigung der menschlichen Würde der Opfer, deren persönliche Identität vernichtet werden soll. Die betroffenen Personen waren im Gaza-Streifen festgenommen worden, ohne dass ihnen etwas vorgeworfen worden war. Die Frau wurde festgenommen, als sie durch eine israelische Polizeisperre ging, ein Mann wurde im Al Shifa-Krankenhaus festgenommen, wo er sich mit seinen Söhnen befand. 

Die Täter sind Soldaten der israelischen Streitkräfte. PCHR betont, dass es sich nicht um einzelne oder isolierte Vorfälle handele, vielmehr hätten hunderte Zeugenaussagen ergeben, dass es eine Politik der systematischen Folterpraxis in den israelischen Gefängnissen und Gefangenenlagern gebe. Diese stehe in direktem Zusammenhang mit dem Völkermord gegen die mehr als 2 Millionen Palästinenser im Gaza-Streifen, so PCHR. Tausende Gefangene aus dem Gaza-Streifen seien in Gefängnissen und in Militärlagern Monatelang festgehalten und gefoltert worden. Die Anlagen seien für internationale Untersuchungskomitees, auch für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, ICRC, nicht zugänglich.

(Red.) Siehe dazu auch das Rücktrittsschreiben von Craig Mokhiber als Leiter des New Yorker Büros des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte (auf Globalbridge.ch)

Globalbridge unterstützen