Duma-Vizepräsident Pjotr Tolstoi: «Europa wird für diesen Krieg mit seiner Wirtschaft bezahlen»
(Red.) Am 4. Dezember 2022 hat Globalbridge.ch auf ein Interview des französischen Fernsehsenders BFM TV mit Pjotr Tolstoi, dem Vizepräsidenten der russischen Duma, aufmerksam gemacht – «So jubeln -zig Tausende von Franzosen dem Russen Pjotr Tolstoi zu» – und auf dieses Interview – in französischer Sprache – verlinkt. Etliche Leser und Leserinnen haben darauf die Redaktion von Globalbridge.ch gebeten, das gut 20-minütige Interview doch zu übersetzen, damit es auch von jenen gelesen und verstanden werden kann, die der französischen Sprache nicht mächtig sind. Die Redaktion hat darauf vom ganzen Interview ein Script machen lassen und dann aufgrund dieses Scripts das ganze Interview übersetzt. Hier also das ganze Interview in deutscher Sprache. (cm)
Moderator BFM TV: Guten Abend, Pjotr Tolstoi. Vielen Dank, dass Sie bei uns sind. Ich hoffe, Sie können uns hören. Ich hoffe, wir können Sie auch hören. Sie sind Stellvertretender Vorsitzender der Duma, dem Unterhaus des russischen Parlaments. Vielen Dank, dass Sie so spät noch live bei uns sind. Ich weiß, dass es für Sie spät ist. Für Sie gibt es noch zwei Stunden, um Moskau zu sehen. Sie haben es gehört und ich sehe, wie Sie in einem Bildschirm reagieren. Sie haben gehört, was gerade auf der Bühne gesagt wurde. Ich wiederhole meine Frage: Warum? Warum hat Ihr Land heute wieder 70 Raketen abgeschossen? Auf elektrische Anlagen, auf eine Entbindungsstation, auf Gebäude auf der Kiewer Seite, wie die Ukraine meldet. Was ist Ihr Ziel?
Pjotr Tolstoi: Unser Ziel ist der Sieg. Das ist ganz klar. Und ich stimme mit der Analyse nicht überein, die Sie in Ihren Diskussionen am Set hatten, weil man die Bombardierungen der NATO, des ehemaligen Jugoslawiens, die Bombardierung des Irak, dabei vergisst. Das ist völlig normal, das sind die legitimen Ziele. Russland zielt nicht auf die Zivilbevölkerung, sondern auf die Infrastruktur der Ukraine. Die Infrastruktur der Ukraine wird zerstört und die Ukraine wird ins 18. Jahrhundert geschickt. Ich stimme mit der Aussage, dass Russland keinen Erfolg auf dem Feld, auf dem Schlachtfeld, hat, keine Raketen hat, nicht überein. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Unser Problem ist, dass man nicht auf die Zivilbevölkerung zielen will. Sonst könnte man mit den Raketen, die wir haben, auf dem Schlachtfeld Dutzende Kilometer des Geländes dem Erdboden gleichmachen. Es gibt genug davon und viel mehr als …..
Moderator: Pjotr Tolstoi, wirklich? Der heutige Tag zeigt es wieder, Sie zielen auf die Zivilbevölkerung. Diese Entbindungsstation, das getötete zwei Tage alte Baby in der Region Saporischja? Was war das militärische Ziel?
Tolstoi: Hören Sie, es gibt im Krieg immer Opfer! Aber es ist heuchlerisch von Ihnen, jetzt über das Baby zu reden. Acht Jahre lang haben Sie nicht gesehen, wie viele Babys in Donezk gestorben sind? Es sind über 200 Babys, die aufgrund der ukrainischen Angriffe auf die Bevölkerung von Donezk während des Bürgerkriegs in der Ukraine gestorben sind. Und das zählen Sie nicht? Das ist nicht nur seltsam, sondern auch nicht ehrlich und objektiv gegenüber Ihren Zuschauern.
Moderator: Aber es ist doch Ihr Land, das seit Monaten die Ukraine bombardiert. Es ist Ihr Land, das zum Beispiel letzte Woche, als es den Vorfall mit der Rakete gab, die auf polnischer Seite niederging, zugegeben hat, dass es tatsächlich eine Reihe von Bombardierungen gab, insbesondere auf die Infrastruktur, die der Zivilbevölkerung dient.
Tolstoi: Hören Sie zu! Alle Bombardierungen, die heute in der Ukraine durchgeführt werden, sind Schläge auf die Energie-Infrastruktur der Ukraine, die so der ukrainischen Armee keine Bewegung mehr ermöglichen. Aber je mehr Sie der Ukraine helfen, desto länger wird dieser Krieg dauern. So einfach ist es. Und Sie werden sehen, dass Russland eh keinen Krieg verlieren kann, weil Atommächte keine Kriege verlieren, wie Sie wissen. Und je schneller wir von diesem Stadium der Zerstörung der Infrastruktur der Ukraine zum Stadium der sogenannten Verhandlungen übergehen, vielleicht nicht mit den Ukrainern, aber mit denen, die die Entscheidungen über das Schicksal der Ukraine treffen, und das ist auch nicht die Europäische Union … Je schneller wir also zum Stadium der Verhandlungen übergehen, desto weniger Opfer wird es geben. Aber in Kriegen gibt es immer Opfer.
Moderator: Zum Stadium, wie Sie es nennen …
Tolstoi: Wenn eine Macht in der Verhandlungsphase ist, gibt es wenigstens weniger Opfer.
Moderator: Wenn Sie sagen, dass eine Atommacht einen Krieg nicht verlieren kann, dann ist das eindeutig eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen, wenn es in der Ukraine schlecht für Sie laufen sollte, was offensichtlich der Fall ist.
Tolstoi: – Nein, ganz und gar nicht, das ist keine Drohung! Wir wollen keine Atomwaffen einsetzen, wie es die Alliierten bei der Bombardierung des ehemaligen Jugoslawiens in den 1990er Jahren getan haben. Damals, als sie Uran in den NATO-Raketen verwendeten, die auf serbischen Boden fielen. Und seitdem haben wir Hunderttausende Serben, die deswegen krank sind. Aber niemand in den Fernsehstudios sagt das, weil es nicht gut für den Westen ist. Es ruiniert das Image des Westens, sehr gut und sehr humanistisch zu sein.
Moderator: Entschuldigen Sie, Pjotr Tolstoi, ich … Ich werde Sie heute Abend beim Wort nehmen. Es ist jetzt 23 Uhr. Sie haben uns gerade erzählt, was im Donbass, in Donezk, vor sich geht. Seit Monaten versuchen unser Sender und andere französische Redaktionen, nach Donezk zu reisen, um zu sehen, was in den von den Russen kontrollierten Gebieten vor sich geht. Wir bekommen nie ein Visum, um in diese Gebiete zu reisen, weil Russland uns den Zugang zu diesen Gebieten verweigert. Warum wird uns das verweigert?
Tolstoi: Den Zugang? Und was erwarten Sie? Sie haben allen Russen die Visa verweigert, Sie haben 11 000 unrechtmäßige Sanktionen gegen mein Land verhängt und Sie erwarten, dass Russland Sie in Donezk empfängt. Sie sind schon ziemlich naiv. Wir werden Sie bald in Kyiw oder an der polnischen Grenze empfangen, aber nicht in Donezk zu diesem Zeitpunkt, denn es herscht Krieg, es gibt Soldaten, es gibt die Verlegung der Armee. Warum glauben Sie, dass Russland wirklich Journalisten aus Ländern, die einen Wirtschaftskrieg gegen unser Land führen, einladen wird, um zu sehen, wie sich unsere Truppen an der Front bewegen? Sie sind echt naiv.
Moderator: Noch einmal, Sie haben diesen Krieg angezettelt, Pjotr Tolstoi.
Tolstoi: Nein, nicht wir haben diesen Krieg ausgelöst, sondern Sie haben diesen Krieg ausgelöst. Denn all die Sicherheitsbedenken, die Russland seit Jahren gegenüber der Europäischen Union, den USA, der NATO usw. geäußert hat, haben Sie ignoriert. Sie, Sie haben es ignoriert. Sie dachten, ok, die Russen, sie haben Frieden und sie haben den Kalten Krieg verloren. Wir können tun, was wir wollen. Wir können die NATO an die Grenze Russlands bringen. Nein, so ist es nicht. Aber keine Sorge, wir wollen jetzt keine Verhandlungen, jetzt, wie Herr Josep Borrell (der für die Aussenpolitik der EU Verantwortliche, Red.) gesagt hat, müssen wir den Krieg auf dem Schlachtfeld gewinnen. Wir werden den Krieg auf dem Schlachtfeld und die Verhandlungen an der polnischen Grenze gewinnen. Wir werden Sie dann auch als Journalisten einladen, um zu sehen, wie sich die Ukrainer innerhalb Russlands fühlen.
Moderator: Pjotr Tolstoi, Sie haben sich in den letzten Monaten zurückgezogen. Ihre Armee hat sich in den letzten Monaten zurückgezogen und ist von Tschernobyl abgezogen. Sie hat es nicht geschafft, Kiew einzunehmen und ist aus Charkiw abgezogen, ist noch vor zwei Wochen aus Cherson abgezogen. Sie ziehen sich zurück und ziehen sich zurück und Sie sagen uns heute Abend, dass Sie so weit gehen werden, dass es das Ziel bleibt, Kiew einzunehmen und damit insbesondere Selenskyj aus dem Amt zu drängen.
Tolstoi: Ja, klar, unser Ziel ist die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine. Es ist das, was Sie über die Zusammenführung der russischen Truppen sagen. Aber was glauben Sie denn? Dass Russland seine Truppen aus Cherson abgezogen hat, weil es Angst vor der ukrainischen Armee hat? Nein, die Truppen müssen vor dem Winter zusammengezogen werden, um die Zivilisten, die in Cherson leben und die mit der russischen Armee gegangen sind, nicht zu gefährden. Und um das Leben unserer Soldaten nicht zu riskieren. Wir sind nicht verrückt. Aber Cherson ist, nach dem Referendum, das vor kurzem dort stattgefunden hat, eine russische Stadt. Aber machen Sie sich keine Sorgen, wir werden nach Cherson zurückkehren, wir werden nach Dnepr kommen, wir werden zweifellos nach Kiew kommen, daran gibt es keinen Zweifel.
Moderator: Sie haben keine Zweifel. Es gibt aber noch ein anderes mögliches Szenario, das ich Ihnen vorstellen möchte. Es ist das, was die Ukrainer nach Cherson machen wollen. Sie haben offensichtlich die Krim im Auge. Sie wollen ihr Land auf der Krim zurückerobern. Wie würden Sie reagieren, wenn die Ukrainer eine militärische Bodenoperation, z. B. auf der Krim starten würden, eine große Operation?
Tolstoi: Wie wir reagieren würden? Es ist ganz einfach. Die Krim war übrigens nie ukrainisch und keine Sorge, die russische Armee hat genug Kraft, um die Ukrainer zurückzudrängen, sowohl in diese als auch in andere Richtungen. Die Ukrainer haben in den letzten Wochen Tausende von Soldaten auf dem Feld verschanzt, weil sie vergeblich versucht hatten, anzugreifen. Und wir unsererseits wollen nicht die schweren Waffen einsetzen, die man verwenden kann, um wirklich, wie ich Ihnen sagte, das Land über Dutzende von Kilometern tief in die Ukraine hinein einfach auszuradieren. Das werden wir nicht tun. Aber wenn es solche Angriffe des ukrainischen Militärs gäbe, die zu den russischen Panzern kommen, wäre das natürlich eine Tragödie für die ukrainische Armee.
Moderator: Sie bereiten sich offensichtlich darauf vor? Auf diesen Angriff? Es gibt Verteidigungslinien, die gebaut wurden. Es gibt Schützengräben, die von den ukrainischen Streitkräften auf der Krimseite gebaut wurden. Bereiten Sie sich auf diesen Angriff vor?
Tolstoi: Wir bereiten uns auf alle Szenarien vor. Aber ich betone, dass wir ganz am Anfang dieses Konflikts mit Ihnen sind. Es geht um viele Jahre. Und es ist ziemlich klar, dass keine Verteidigungslinie in Schützengräben in diesem Konflikt wirklich wichtig ist. Was in diesem Konflikt wichtig ist, ist die militärische Hilfe der NATO für die Ukraine. Es geht darum, dass der ukrainischen Armee amerikanische Sputniks gegeben werden. Das ist wichtig! Und das ist eine Hilfe, für die Sie den Preis bezahlen werden. Es wäre nicht so, wie Sie sagen…
Moderator: Wir werden zahlen? Heisst das, dass Tolstoi uns sagt, dass wir dafür zahlen müssen?
Tolstoi: Sie werden bezahlen. Ich erkläre Ihnen, wie Sie diesen Preis bezahlen werden. Es wird teuer für die europäische Mittelschicht, für die Europäische Union, die in eine Wirtschaftskrise geraten wird, für die Politiker, die heute für die Sanktionen gegen Russland stimmen. Das Europäische Parlament sagt, dass wir ein terroristischer Staat sind, etc. All diese Leute werden auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Und die anderen, die sie in drei Jahren oder in fünf Jahren ersetzen werden, werden in der Schlange stehen, um die Verhandlungen mit Russland zu führen. Vergessen Sie nicht, dass Russland das größte Land in Europa ist. Und wir hatten schon zweimal einen Krieg mit Europa. Das erste Mal endeten wir in Paris und das zweite Mal in Berlin. Wenn ich also sage, dass Kiew unser Ziel ist, dann ist das noch sehr bescheiden. Aber Sie werden den Preis für diese Unterstützung der Ukraine mit Ihrer Wirtschaft bezahlen, indem Sie einmal pro Woche gegen Putin duschen, und mit anderen wirtschaftlichen Folgen: Inflationen, Gaspreise, Strompreise. Ich will es Ihnen jetzt nicht schildern. Sie werden es sehen und wir können in ein paar Monaten auf das Gespräch zurückkommen und schauen, ob ich mich geirrt habe. Vielleicht, aber…
Moderator: Pjotr Tolstoi, eine Frage von einem unserer Gäste, in diesem Fall Guillaume Ancel.
Guillaume Ancel: Sie tragen einen sehr schönen Namen, aber Sie führen einen schmutzigen Krieg. Sie haben Zehntausende von jungen Menschen töten lassen. Haben Sie selbst schon einmal in einem Krieg gekämpft?
Tolstoi: Natürlich habe ich das. Ich habe nicht als Soldat im Krieg gekämpft, aber ich habe als (hier unverständlich. Red.) gekämpft.
Guillaume Ancel: In dem Fall also nicht. Aber …
Tolstoi: … aber ich weiß ich, was Krieg ist. Und Sie haben kein Recht, mir das Leben Zehntausender junger Menschen anzulasten, weil Sie mit Ihrer pseudo-humanistischen Rhetorik bereits Hunderttausende von Menschen auf der ganzen Welt getötet haben. Nicht nur in Libyen, Irak, Afghanistan, sondern auch in Ex-Jugoslawien, etc.
Guillaume Ancel: Sie haben meine Frage beantwortet. Ich wollte nur wissen, ob Sie sich dessen bewusst waren, was Sie abschlachten ließen. Ich verstehe, dass Sie nie in einem Krieg waren. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Sie so eine Rede halten. Vielen Dank.
Tolstoi: Ich bin mir dessen bewusst. Ich bin gerade von der Front bei Svatoru in Belgorod zurückgekehrt. Ich habe unsere Soldaten gesehen. Ich weiß, was Krieg ist. Und ich weiß genau, dass sie nicht für Monate, sondern für Jahre kommen. Bereiten Sie sich also mit all Ihren moralischen Vorwürfen etc. gut vor. Bereiten Sie sich gut vor, denn Sie haben noch Zeit.
Moderator: Aber Pjotr Tolstoi, entschuldigen Sie, ich werde gleich Ulysse Gosset das Wort erteilen, damit wir über Wladimir Putin sprechen können. Es gibt eine Sache, die mich an Ihren Äußerungen heute Abend stutzig macht. Es scheint Sie seltsamerweise zu erfreuen, dass es jahrelang so weitergeht. Dass es auf ukrainischer Seite Leid gibt, aber auch auf russischer Seite, bei Ihnen, sei es unter Ihren Soldaten, sei es unter Ihrer Bevölkerung, wer auch immer heute leidet.
Tolstoi: Hören Sie mal! Und was ist mit den acht Jahren, in denen die Ukrainer auf die Kinder im Donbass geschossen haben? Haben wir nicht gelitten? All die Jahre, in denen die 20 Millionen Russen in der Ukraine diskriminiert wurden, ihrer Sprache beraubt, ihrer Geschichte beraubt, das ist kein Leid? Glauben Sie, dass Russland die Menschen einfach so…
Moderator: Der Donbass, der zur Ukraine gehörte? Sie wollen die Ukraine unter Missachtung aller internationalen Gesetze annektieren? Sie haben die Krim annektiert und werden den Donbass unter Missachtung aller internationalen Gesetze annektieren?
Tolstoi: Nein. Sie haben immer noch die Grenzen in Ihrem Kopf, die durch Stalins Linien gezogen wurden, aber wir sprechen von den Menschen, den Russen, den 20 Millionen Russen, die von den ukrainischen Nationalisten in die Knie gezwungen wurden, seit es die unabhängige Ukraine gibt. Die unabhängige Ukraine, die von Russland seit 20 Jahren mit niedrigen Gaspreisen, der Unterstützung ihrer Souveränität usw. subventioniert wird. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Die Ukrainer denken jetzt, dass sie besetzt sind oder so. Wir werden beweisen, dass das nicht der Fall ist.
Ulysse Gosset: Frage an Sie, Pjotr Tolstoi: Als Wladimir Putin 2014 die Krim annektierte, befand er sich an der Schwelle seiner Popularität. Er war in Russland wirklich sehr beliebt. Heute, mit diesem Krieg im Jahr 2022, einem Krieg, der übrigens nicht als Krieg in der Ukraine bezeichnet wird. Heute ist Putin in Russland, offiziell, in Schwierigkeiten. Er konnte nicht einmal zum G20-Gipfel reisen, um die Russische Föderation zu vertreten. Selbst China warnt vor der Aussicht auf einen Atomkrieg, den es verurteilt. Was ist Ihrer Meinung nach Putins Erfolg in diesem militärischen Abenteuer, das fast überall verurteilt wird und das die Angst vor einer Rückkehr des Krieges nach Europa und nicht nur in die Ukraine weckt?
Tolstoi: Ulysse, danke für Ihre Frage. Ich stimme nicht ganz mit Ihnen überein, wenn Sie von der Isolierung Russlands, der Isolierung und Schwächung Putins usw. sprechen. Das ist eine sehr westliche Sichtweise. Putin nahm nicht am G20-Gipfel teil, weil er eben der einzige Präsident eines Landes ist, das eine Militäroperation durchführt – während der Außenminister sehr gut mit seinen Kollegen aus China, Indonesien, Indien usw. diskutiert hat. Sie haben also eine westeuropäische Sicht, die Sicht, geographisch gesehen, von kleinen Teilen Europas , die aber denkt, dass sie die ganze Welt sind. Nein, das ist es nicht. Putin leidet nicht. Das kann ich Ihnen versichern. Putin leidet nicht und denkt nicht einmal an all diese Ideen, Russland zu boykottieren und zu isolieren.
Ulysse Gosset: Aber denken Sie nicht, dass Putin heute Schwierigkeiten hat, diesen Krieg gegen ein Brudervolk akzeptierbar zu machen, um die russische Propaganda gegen die Ukrainer zu übernehmen, die noch vor einigen Jahrzehnten Teil der ehemaligen UdSSR waren? Hat er nicht Schwierigkeiten, seinen Landsleuten zu sagen: Führt Krieg gegen die Ukrainer? Und ist seine Popularität nicht im Keller? Und wie erklären Sie sich, dass die Auswanderungsbewegung aus Russland nach Georgien und in den Westen die größte ist seit der Revolution 1917?
Tolstoi: Ulysse, ich versichere Ihnen, dass Krieg eine sehr harte Verantwortung und Pflicht für jeden Leader eines jeden Landes ist. Wenn zum Beispiel Frankreich einen Krieg in Afrika führt, ist der französische Präsident vielleicht auch darüber besorgt. Was aber Ihre Illusionen über Putins Popularität angeht, so versichere ich Ihnen, dass das Vertrauen in ihn sogar noch höher ist als zum Zeitpunkt der Rückkehr der Krim nach Russland. Und zweitens sind all diese …
Moderator: Das ist nicht richtig.
Tolstoi: Doch. Und all diese … Sie sprechen von der Auswanderung von Jugendlichen, die Angst haben, und darüber, dass ein paar zehntausend Jugendliche in die Nachbarländer gegangen sind. Die sind vor ein paar Monaten gegangen. Aber die meisten von ihnen versuchen, nach Russland zurückzukehren, weil sie nicht die Mittel gefunden haben, um das Leben in Georgien oder Kasachstan fortzusetzen. Machen Sie sich keine Sorgen.
Moderator: Wir sprechen hier eher von mehreren hunderttausend Menschen. Und, pardon, von einer anderen Zahl auch z.B. über diese Russen, die Geld im Ausland angelegt haben (das sind Zahlen von der russischen Bank). Das geht auch in die Höhe. Wir sind bei 30 Milliarden, die seit Beginn des Krieges im Ausland angelegt wurden. Offensichtlich aus Mangel an Vertrauen in das russische System.
Tolstoi: Nein. Leider sind die Zahlen der Zentralbank über die Finanzplatzierung … es ist … die Zahlen sind so groß, weil wir heute wegen der westlichen Sanktionen keine Möglichkeit haben, Geld in Russland zu tauschen. Diese Zahl ist also sehr groß, aber es sind nicht die Zahlen. Es ist nicht das Geld der Menschen. Es ist das Geld der Unternehmen. Das Geld, das die Unternehmen im Westen halten, um die Kredite und die Kreditzinsen zu bezahlen. Das ist die eine Sache. Und die zweite Sache, Hunderttausende: nein. Sie haben keine Statistiken. Wir haben jeden gesehen, der die Grenze überquert hat. Wir haben die Statistiken. Es geht nicht einmal um Hunderttausende. Das sind also die Dinge, die… ( unverständlich. Red.)
Moderator: Aber einige Länder um Sie herum weisen Statistiken aus, die die 100 000 überschreiten …
Tolstoi: Sie wollen mit den Zahlen schockieren. Aber die Zahlen sind nicht genau. Sie müssen überprüft werden.
Moderator: Pjotr Tolstoi, ich komme noch einmal auf Wladimir Putin zurück. Wir haben heute Abend diese Aussagen von einem der Berater von Volodymyr Selenskyj Herskovitch, der sagt, dass Putin um sein Leben fürchtet, wenn er den Krieg verliert. Zumindest in den Köpfen der Russen bedeutet das, dass es das Ende ist. Das Ende für ihn im politischen Sinne und möglicherweise sogar im physischen Sinne. Hat Putin Angst?
Tolstoi: Meiner Meinung nach gibt es keine Chance, dass Russland den Krieg verlieren wird. Das habe ich Ihnen bereits von Anfang an gesagt. Also hat Putin meiner Meinung nach nichts zu verlieren. Und wir haben diesen Krieg noch nicht einmal begonnen. Wir haben gerade erst mit der militärischen Sonderoperation begonnen, bei der das Leben der Zivilbevölkerung geschützt wird. Das ist das, was wir bis jetzt getan haben. Ich hoffe, dass die Schläge auf die ukrainische Energie-Infrastruktur die Zivilisten, die in den Städten gefangen sind, vielleicht in die Dörfern gehen werden, es wird ihr Leben retten, wenn die russischen Truppen in die Städte einmarschieren. Das ist also (für Sie vielleicht) ein ganz neues Argument.
Moderator: Aber nein, Entschuldigung, auf auf alle Fälle ist es nicht die Reaktion, die man sieht und die uns unsere Reporter vor Ort beschreiben, wenn sie die Bevölkerung befragen, die tatsächlich von der russischen Besatzung befreit wurde, wie es in Kherson in letzter Zeit der Fall war.
Tolstoi: Selbstverständlich haben sie das. Den Reportern vor Ort wurde ja bereits die Akkreditierung entzogen, weil sie Interviews mit Russen geführt haben, die den Abzug der russischen Truppen bedauert haben. Also Ukrainer mit Redefreiheit, Entschuldigung, das ist wirklich ….
Moderator: Aber nur noch eine Sache: Ich habe noch zwei Fragen an Sie, Pjotr Tolstoi. Wir haben heute Abend verstanden, dass Ihr militärisches Ziel nach wie vor die vollständige Eroberung der Ukraine ist. Sie sagen, wir werden nach Kiew gehen. Wir werden bis zur polnischen Grenze gehen. Könnten Sie diese Grenze überschreiten? Könnten Sie diesen Krieg über das Territorium der Ukraine hinaus ausweiten?
Tolstoi: Aber aus welchem Grund?
Moderator: Heisst das also, Sie sagen nein?
Tolstoi: Aber aus welchem Grund?
Moderator: Was ist der Grund dafür? In der Rede, die Sie uns heute Abend gehalten haben, ist der Hass auf die Ukrainer offensichtlich. Aber man hört auch eine klare Opposition gegen die NATO und die Europäische Union in den Reden, die Sie uns heute Abend gehalten haben. Sie könnten versucht sein, weiter als bis zu den polnischen Grenzen zu gehen, zum Beispiel.
Tolstoi: Vielen Dank. Ich möchte nochmals betonen, dass nicht wir die Quelle dieser Opposition sind. Es ist die NATO, es ist die Europäische Union, die heute schwere Waffen in die Ukraine schickt, die zum Beispiel auf russische Städte schießen. Es ist also nicht unsere Schuld. Es ist Ihre Schuld. Das ist die erste Sache. Die zweite Sache ist, dass es natürlich in jedem Krieg einen Moment gibt, in dem man aufhören muss, Verhandlungen zu führen, etc. Aber im Moment ist es meiner Meinung nach nicht der richtige Zeitpunkt. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden nicht in polnisches Gebiet eindringen. Wir werden die Polen für die Europäische Union verlassen. Es wäre schneller vorbei mit den Polen. Und deshalb habe ich keinen Hass auf die Ukrainer.
Moderator: Sie haben eine seltsame Art, sich zu zeigen, die Liebe zu zeigen, die Sie für das ukrainische Volk empfinden, eine letzte Frage, die sich lustig macht.Donc, si vous avez une étrange façon de vous montre, de montrer l’amour que vous portez au peuple ukrainien, une dernière question qui se gaussait.
Tolstoi: Ich bin nämlich halber Ukrainer und ich liebe die Ukraine. Kiew ist die Stadt, in der mein Urgroßvater (Leo Tolstoi, Red.) geboren wurde. Und ich werde Herrn Selenskyj und der ganzen Bande um ihn herum oder den Europäern nicht erlauben, meine Stadt Kiew zu besetzen.
Moderator: Sie haben eine seltsame Art, Ihre Liebe zu den Ukrainern zu zeigen.
Tolstoi: Es ist keine seltsame Art, es ist der Wechsel des politischen Regimes, das von den Europäern unterstützt wird. Also von Ihnen.
Moderator: In einem Land, das nicht das Ihre ist.
Tolstoi: Es ist mein Land ist. Ich bin in diesem Land geboren. Es ist mein Land. Warum ist es nicht unser Land? Sie sprechen von den Grenzen, die von Stalin innerhalb der Sowjetunion gezogen wurden? Und glauben Sie, dass diese Grenzen für die 20 Millionen Russen, die in der Ukraine leben und die immer noch von den ukrainischen Nationalisten unterdrückt werden, von Bedeutung sind?
Ulysse Gosset: Ich möchte trotzdem daran erinnern, dass die Unabhängigkeit der Ukraine mit Boris Jelzin beschlossen wurde, der damals Wladimir Putin sehr nahe stand. Und so ist auch die Russische Föderation zu dem geworden, was sie heute ist. Also eine Frage betreffend Herrn Prigoschin: Haben Sie das Gefühl, dass er seine eigene Partei gründen wird? Ist er eine Bedrohung für den Kremlchef? Sind Sie besorgt über den Machtzuwachs dieses Mannes, der jetzt praktisch eine Privatarmee hat, der über viele Mittel verfügt, sowohl militärische Mittel als auch polizeiliche Mittel und Mittel im Internet? Ist er beunruhigend? Stellt er eine Bedrohung für die Stabilität des Regimes von Wladimir Putin dar?
Tolstoi: Nein, Ulysse. Das ist leider immer noch eine Hypothese, die weit von der Realität entfernt ist. Herr Prigojine, es stimmt, dass er vielleicht Verbindungen zu Bataillonen hat, zu Freiwilligen, die heute an der Front unweit von Donezk kämpfen und viele Polen, amerikanische und englische Söldner getötet haben. All diese Leute, die für die ukrainische Demokratie gegen die Russen kämpfen wollen, nehmen keine Gefangenen. Das ist die eine Sache, die den Hass gegen ihn und all diese etwas seltsamen Hypothesen hervorruft. Ich kenne ihn. Er ist ein sehr tapferer und guter Mann. Es gibt also keinen Grund zu glauben, dass er irgend jemanden bedroht, Putin oder ein Regime der russischen Macht. Machen Sie sich keine Sorgen. Da sind wir sicher.
Moderator: Danke sehr, Pjotr Tolstoi, dass Sie heute direkt bei uns waren.
Zum 20-minütigen Interview auf Youtube, hier anklicken. Alles Französisch, ohne Übersetzung.
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(Red.) Sollten grobe Übersetzungsfehler im Text sein, nimmt die Redaktion Korrektur-Vorschläge gerne entgegen. (cm)