Die zehn Gebote des – modernen – Journalismus
Wer – altersbedingt – in seinen Papieren wühlt, findet nicht selten Schriftstücke, die zu vergessen eine Sünde wäre. Christian Müller, der heutige Herausgeber der Plattform https://globalbridge.ch, hat so ein Papier gefunden: Eine Satire – ja, Achtung: eine Satire! – die im Jahr 2010 in der Publikation «Edito» (vormals «Klartext») erschienen ist. Natürlich musste er dafür von seinen Kolleginnen und Kollegen auch Kritik einstecken. Gefreut hat ihn damals und freut ihn noch heute der Kommentar von Ronnie Grob, heute Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Monat». Doch man lese selbst – und nochmals die Vorwarnung: Achtung Satire!
Die Zehn Gebote des modernen Journalismus
- Beginne deine berufliche Laufbahn möglichst früh, bevor du dich durch eine Fachausbildung thematisch einengst. Schreibend zu lernen, was du verstehen solltest, macht eh mehr Spass, als die zeitaufwendige Aneignung von Wissen im voraus.
- Vergiss die Rechtschreibung und konzentriere dich darauf, das zu schreiben, was dein Chef von dir erwartet. Orthographische Kenntnisse sind reiner Ballast; der Computer korrigiert deinen Text automatisch.
- Formuliere frei. Grammatik war einmal. Was die Journalisten nicht wagten, haben die Werber erfolgreich vorgemacht. Lerne von ihrer aussagekräftigen, prägnanten Schreibe. Zum Beispiel so: Antworten? Nein. Keine. Noch keine. Noch keine? Noch keine! Eben.
- Verwende bewusst zeitgeistige Wörter wie “geil” oder “cool” oder “mega”. Dadurch schaffst du dir das Image eines jungen, lesernahen Reporters. Nichts schadet deinem Image mehr als die Duden-konforme Sprache eines Schullehrers. Du bist ja nicht von gestern.
- Schreibe bildhaft. “Die zartbesaitete Frau musste den mühsamen Gang durch die Instanzen antreten, um auch diese Schlacht im Galopp gewinnen zu können.” So wird ein Text anschaulicher, dramatischer – und erst noch verständlicher.
- Biete Neues. Die heutigen Leser sind neugierig: gierig auf Neues. Das Neue hat deshalb absoluten Vorrang. Aufwendige Abklärungen führen zu Bestätigungen, nicht zu Neuem. Lieber ein neues Gerücht als eine alte Wahrheit.
- Bleibe exakt. An Medienkonferenzen werden Unterlagen abgegeben. Diese stammen, anders als früher, jetzt von professionellen Informationsbeauftragten. Am wenigsten Fehler machst du, wenn du sie wortgetreu wiedergibst.
- Lass dich zu möglichst vielen unterschiedlichen Themen verlauten, damit du von möglichst vielen unterschiedlichen Lesern gelesen wirst. Je öfter dein Name aufscheint, desto glaubwürdiger ist er. Mit dem Namen schafft man sich einen Namen.
- Versuche möglichst schnell, Kommentare und/oder Kolumnen zu schreiben. Da fällt die mühsame Fakten-Beschaffung weg. Du kannst dich ganz auf deine Ansichten konzentrieren. Das erhöht deine berufliche Effizienz.
- Vergiss – last but not least – eines nie: Schreiben ist der schönste Beruf. In keinem anderen Beruf hast du die Chance, so schnell mit dir selber zufrieden zu sein, wie im Beruf des Journalisten. Da du dein Werk nach Drucklegung (oder nach elektronischem Versand) selber wiederlesen und beurteilen kannst, brauchen dich externe Kritiken nicht zu beunruhigen.
Der Autor war bis 2009 Unternehmensleiter der Vogt-Schild Medien Gruppe in Solothurn, zuvor u.a. Chefredaktor der Luzerner Neusten Nachrichten. Heute ist Christian Müller Geschäftsführer und Eigentümer der Commwork AG.
Zum Original in «Edito», hier anklicken.
Der damalige Kommentar dazu von Ronnie Grob, heute Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Monat»: “Nichts ist so alt wie eine Satire, die von der Realität schon längst eingeholt wurde. Warum also nicht gleich von der Realität schreiben?“