Es ist nur noch peinlich: Selenskyj wirbt an der Münchner Sicherheitskonferenz MSC für mehr Unterstützung, während seine letzten Truppen auf Anweisung der neuen Armee-Führung die Stadt Avdiivka lebend zu verlassen versuchen. Aber Selenskyj erntet großen Applaus – von den ratlosen westlichen Politikern. (Bild «Bild»)

Die ukrainische Armee hat Avdiivka aufgegeben, aber an Frieden will trotzdem niemand denken.

Wie immer in schwierigen Situationen lancierte die Ukraine vor wenigen Tagen einen spektakulären Angriff mit Abstandswaffen: Diesmal war Ziel das Amphibische Landungsschiff „Cesar Kunikov“ aus der 197. Landungsschiff-Brigade der russischen Schwarzmeerflotte. Der neue Generalstabschef Oleksandr Syrskyi wird diesen Erfolg natürlich an seine Fahnen heften, weil er mittlerweile den Verlust der Stadt Avdiivka (russ. Avdeevka) nordwestlich von Donetsk erklären muss. Der Zeitpunkt des Angriffs auf die russische Schwarzmeerflotte kurz vor der Münchner Sicherheitskonferenz dürfte auch nicht ganz zufällig gewählt gewesen sein.

Grundsätzlich sind sich russische und ukrainische Quellen über die Lage an der Front weitgehend einig: Den russischen Truppen ist es in 14 Tagen des Kampfs in Avdiivka gelungen, quer durch die Stadt an den westlichen Stadtrand vorzustoßen und das festungsartig ausgebaute Areal der Koksfabrik von jenem im sogenannten 9. Kvartalzu trennen. Welchen Anteil die tschetschenische Nationalgarde und die Kämpfer der ehemaligen „Gruppe Wagner“ hierbei hatten, bleibe dahingestellt (1).

Abbildung: Frontverlauf in Avdiivka, 1. und 15. Februar 2024
Karte: Live UA Map, Ergänzungen Verfasser

In der Tat sind die russischen Streitkräfte in den letzten Tagen nicht nur in Avdiivka, sondern entlang der gesamten Front in der Ukraine zum Angriff übergegangen, vom Hotspot Krynki im Raum Kherson bis nach Kupiansk ganz im Norden der Front. Ob Syrskyi sich wieder auf einen Kampf in einem „Fleischwolf“ einlassen muss wie sein Vorgänger Saluzhnyj in Bakhmut/Artemovsk oder ob er flexibel reagieren darf, wird davon abhängen, ob militärische Überlegungen im Informationskrieg die Oberhand behalten (2). Der erfolgreiche Angriff auf die „Cesar Kunikov“ gäbe Syrskyi momentan die notwendige Handlungsfreiheit (3). 

Im Raum Avdiivka stehen derzeit acht Infanterie- bzw. Mechanisierte Brigaden der ukrainischen Armee (UAF) auf einer Front von circa 16 km im Abwehrkampf. Grundsätzlich würde das auch den Übergang zur Offensive erlauben, aber der Zustand der eingesetzten Kräfte ist fraglich. Den Ukrainern dürfte es derzeit schwerer fallen, Personalersatz in die Stadt zu bringen, als den Russen. Eintreffende Reserven wurden vor wenigen Tagen russischen Angaben zufolge bei Selidove durch einen Angriff mit russischen „Iskander“ Raketen zerschlagen. In den letzten Monaten verlegten die Ukrainer angesichts der Bedrohung durch russische Granaten, Bomben und Raketen ihre Truppen in kleinen Gruppen an die Brennpunkte der Front: unauffällig und langsam, aber sicher. Möglicherweise entschlossen sie sich unter Zeitdruck, für einmal von dieser Regel abzuweichen. Während russische Quellen behaupten, in Selidove hätte die 3. Sturmbrigade „Azov“ hohe Verluste erlitten, behaupten ukrainische und mit ihnen westliche Quellen, es seien bei dem Angriff ausschließlich Zivilpersonen getötet worden (4). 

Abbildung: Lage in Avdiivka am 15. Februar 2024
Karte: Live UA Map, Ergänzungen Verfasser

Erfahrungsgemäß berichten die Konfliktparteien im Informationskrieg selten die reine Unwahrheit, sondern lieber nur die halbe Wahrheit. Im Fall von Selidove stimmen möglicherweise beide Versionen. Gegenbeweise anzutreten ist schwierig, denn Informationen über eigene Verluste sind auf beiden Seiten der Front klassifiziert, ihre Weitergabe ist strafbar. So werden die Ukrainer über die tatsächliche Zahl der Opfer in Selidove ebenso wenig Auskunft geben wie die Russen über jene auf der „Cesar Kunikov“. Die Russen werden das Schema von Selidove auch an anderen Orten anzuwenden suchen, um im richtigen Augenblick Konzentrationen von ukrainischen Truppen zu zerschlagen und den Druck aufrechtzuerhalten, damit hastig ausgebildete neue Truppen überstürzt an die Front geworfen werden müssen.

Durchhalteparolen in München

In München versammelt sich derweil die westliche Diplomatie, um dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Mut zu machen, damit er den Krieg weiterführt und um ihm weiterhin die Unterstützung Westeuropas zu versprechen, nachdem sich abzeichnet, dass die Weiterführung der Militärhilfe durch die USA Gegenstand politischen Feilschens und auch Thema des Wahlkampfs werden wird (5). In Europa fragt man sich aber, was wohl werden wird, wenn in den USA Donald Trump die Wahlen gewinnt. Klar ist auch, dass die Gegner von Präsident Biden versuchen werden, Selenskyjs Image als Saubermann und ehrlichen Vertreter seiner Nation zu demontieren. In den USA könnte ein schmutziger Wahlkampf bevorstehen.

In Davos hatte Selenskyj noch nach einem möglichen Anwalt für die Ukraine in Gesprächen mit Russland gesucht, denn ihm selbst verbieten solches die ukrainische Gesetzgebung und seine eigenen öffentlichen Äußerungen in der Vergangenheit. Als Selenskyj in Davos für seinen sogenannten Friedensplan warb, musste er sich dessen bewusst sein, dass diejenigen, die diesen unterstützen, vielleicht nicht den Einfluss haben, um Russland zu irgendetwas zu zwingen. Der in Davos kommunizierte Friedensplan ist vorderhand als eine Aufstellung der Maximalforderungen der Ukraine an die Adresse Russlands zu betrachten. Auch Russland hat seine Maximalforderungen präsentiert und dabei klargemacht, dass es von der Ukraine das Wort „Kapitulation“ erwartet. 

Die Entlassung von Generalstabschef Saluzhnyj ist letzten Endes auch das finale Eingeständnis des Scheiterns der ukrainischen Gegenoffensive, die im Oktober 2023 de facto endete. Es ist das eingetreten, was sich schon vor mehr als einem Jahr abgezeichnet hatte, nämlich dass Russland so nah an seiner eigenen Landesgrenze militärisch kaum zu schlagen ist – auch nicht von der NATO. Wie lange Russland den Krieg noch weiterführen kann, ist für Außenstehende kaum zu beurteilen. Vielleicht hat es Russland gar nicht so eilig mit Verhandlungen. Im Unterschied zu Selenskyj hat der Kreml sich nicht mit vollmundigen Ankündigungen selbst unter Zugzwang gesetzt. Den Krieg nicht zu verlieren, genügt schon zum Sieg. 

Die Schweiz als Vermittler? Wohl kaum!

Der Auftritt Selenskyjs in Davos weckte in Bundesbern schon Hoffnungen, die Schweiz könne als Vermittlerin auftreten, und die beteiligten Bundesräte Amherd und Cassis sahen schon eine Gelegenheit, sich als Staatenlenker zu profilieren (6). Aber die Schweiz kann nicht als eigentliche Vermittlerin dienen, denn sie ist weder in der Lage, der Ukraine die geforderten Sicherheitsgarantien zu bieten, noch kann sie Russland garantieren, dass die Ukraine einen Waffenstillstand nicht erneut nutzt, um aufzurüsten und zu versuchen, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Die Schweiz kann maximal eine Plattform für Gespräche zur Verfügung stellen, so wie damals in Genf, als Sowjets und Amerikaner über nukleare Abrüstung sprachen (7). Alleine das wäre schon ein diplomatischer Erfolg für die Schweiz. Aber diesen Erfolg wird es nicht gratis geben: Russland würde von der Schweiz Zugeständnisse verlangen, gerade in der Frage der Sanktionen. Wenn die Schweiz jetzt auch die geplante neue Sanktionswelle der EU mitmachen sollte, dann sähe es so aus, als wolle die Schweiz mit Russland das Spiel von Zuckerbrot und Peitsche spielen (8). Solche Spielchen lässt Russland nicht mit sich spielen; schon gar nicht von der Schweiz. Eine Übernahme der neuen Sanktionen der EU würde viel darüber aussagen, wie hoch der Bundesrat die Wahrscheinlichkeit von Waffenstillstands- oder Friedensgesprächen in der Schweiz einschätzt. Zugeständnisse an Russland muss die Schweizer Regierung zudem in Brüssel und in der heimischen Öffentlichkeit erklären. Ob der Bundesrat dieses Risiko eingehen soll, ist ihm möglicherweise selbst noch nicht ganz klar. 

Auch ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an welchem man sich an die Ereignisse der vergangenen zehn Jahre erinnern sollte: Schon vor den berühmt gewordenen Interviews von Angela Merkel und Francois Hollande hatte sich abgezeichnet, dass die Minsker Abkommen nur dem Zeitgewinn dienten, um der Ukraine wie Wiederaufrüstung zu ermöglichen (9). Die Bemühungen der Schweiz um die Einhaltung des Minsker Waffenstillstands wurden jahrelang torpediert. Sich jetzt ein zweites Mal vom Westen instrumentalisieren zu lassen, wäre kein Zeichen von Klugheit.

Generell erkennt man den Willen zum Frieden in der Regel weniger in offiziellen Verlautbarungen – dort sind immer alle für den Frieden –, sondern eher im Umgang mit potenziellen Vermittlern. Der Umgang, den verschiedene westeuropäische Länder in der jüngsten Vergangenheit mit Neutralen pflegten, auch mit der Schweiz, zeugt nicht eben vom dringenden Wunsch nach Frieden. Die Aktivitäten des US-amerikanischen und des deutschen Botschafters in der Schweiz sprechen in dieser Hinsicht Bände.

Natürlich wäre eine Vermittlung durch die Schweiz im Interesse der EU, denn diese kann auf die Schweiz relativ einfach Einfluss nehmen. Viel eher ist aber davon auszugehen, dass Friedensgespräche auf Vermittlung einer Macht von außerhalb Europas zustande kommen. Damit wird die EU keinen Einfluss auf den Inhalt eines allfälligen Friedensabkommens ausüben können. Als Vermittler kommt in erster Linie eine Macht in Betracht, die sich in den vergangenen Monaten das Vertrauen der Konfliktparteien erworben hat, wie beispielsweise Qatar, das in den Verhandlungen um Gefangenenaustausch eine bedeutende Rolle zu spielen scheint (10). Die EU bleibt außen vor. Und die große Angst der Ukrainer besteht jetzt darin, dass eine neue Administration in den USA über ihre Köpfe hinweg zu einer Verständigung mit Russland kommt. 

Die Angst der Unbeteiligten vor einem Friedensvertrag 

Die aktuell spürbare Nervosität hat ihre Gründe. Zum einen wird allein die Aufnahme von Verhandlungen einen Gesichtsverlust für Selenskyj bedeuten, denn Putin wird ihn zum direkten Gespräch zwingen. Dass Wladimir Putin im kommenden Monat erneut zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt werden wird, darf als sicher gelten und er wird Kritikern begegnen, dass er im Unterschied zu Selenskyj Wahlen überhaupt erst zugelassen hat. Putin wird ein Friedens- oder auch nur schon ein Waffenstillstandsabkommen im eigenen Land als einen Sieg Russlands über die NATO verkaufen. 

Auch besteht die Möglichkeit, dass ein Friedensvertrag Bestimmungen aus den Minsker Abkommen, vor allem dem Minsker Maßnahmenpaket wieder aufgreift (11). Um dieses nicht umsetzen zu müssen, setzte die Ukraine zwischen 2014 und 2022 den Kleinkrieg an der Kontaktlinie fort und wurde darin vom Westen de facto unterstützt. Wenn dieser Fall eintritt, wird sich die Ukraine in einer schlechteren Lage befinden als vor dem Februar 2022 und man wird Selenskyj dann fragen, ob die Opfer der vergangenen Jahre sinnvoll waren. 

Das Zustandekommen eines Friedensvertrags wäre implizit selbst schon eine Kritik am Umgang der Ukraine mit der russischsprachigen Minderheit im Land bis 2022. Grundsätzlich unterscheidet sich der Umgang der baltischen Republiken mit ihren russischsprachigen Minderheiten im Land wenig von jenem der ukrainischen Regierungen seit 1991. Die Balten könnten im Verlauf von Friedensgesprächen an den Pranger gestellt werden. Zudem können sie kein Interesse an einer raschen Beruhigung der Lage haben, denn sie müssen den Tag fürchten, an welchem die russische Armee nicht mehr im Donbass gebunden ist und sich ihnen zuwenden kann. Derzeit wagen sie noch ein keckes Auftreten gegenüber Moskau. Wenn sie es hierbei übertreiben, werden die Szenarien von einem russischen Angriff im Baltikum zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung (12). Allein schon die Tatsache, dass derzeit Szenarien von einer russischen Aggression gegen die baltischen Republiken im Umlauf sind, zeugen davon, dass man in Berlin und Brüssel nicht mehr an einen Sieg der Ukraine glaubt. 

Auch wenn der russische Präsident Wladimir Putin in seinem kürzlichen Interview mit dem US-Starjournalisten Tucker Carlson einen direkten Zusammenhang zwischen der NATO-Osterweiterung und der sogenannten Speziellen Militäroperation verneinte, indem er sagte, die NATO habe der Ukraine ihre Türen schon im Jahr 2008 geöffnet, so wird Russland die Frage einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum Thema in Verhandlungen machen, denn die NATO ist seit dem 24. Februar 2022 als de facto Verbündeter der Ukraine aufgetreten (13). Eine Lösung im Ukraine-Krieg wird einerseits Sicherheitsgarantien für die Ukraine umfassen und andererseits eine substanzielle Antwort auf das Begehren Russlands um Nichterweiterung der NATO vom Dezember 2021 beinhalten müssen. Damit steht diese vor der Frage, ob sie um ihres Beitrittskandidaten Willen Zugeständnisse an Russland zu machen bereit ist. Hier kann die NATO zeigen, wie wichtig ihr die Ukraine wirklich ist. Keine Sicherheitsgarantien für Russland – keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine, so lautet die Formel Putins. Das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit wurde von Russland oft angemahnt, ohne dass der Westen eine substanzielle Antwort gegeben hätte. Er begnügte sich jeweils mit dem Hinweis auf die freie Wahl der Staaten des Bündnisses, die in der KSZE-Schlussakte nicht enthalten ist.

Oder wenigstens ein Waffenstillstand?

Aus diesen Gründen wird die NATO eher einen Waffenstillstand begrüßen als einen Friedensvertrag und sie wird der Ukraine einen solchen beliebt zu machen suchen, indem sie darauf hinweist, dass ein solcher die Möglichkeit offenlasse, die Rückgabe der verlorenen Territorien auch in ferner Zukunft zu fordern, zu einem Zeitpunkt, an welchem Russland durch Krieg, Sanktionen, politische Destabilisierung oder sonst etwas geschwächt ist. Dass ein Waffenstillstand aber möglicherweise nicht im Interesse der Ukraine liegt, zeigen die Erfahrungen mit den rebellischen Republiken von Lugansk und Donetsk der Jahre 2014 bis 2022. Die derzeit bestehende Teilung konnte in ein paar Jahren stillschweigend als Tatsache akzeptiert werden. 

Was Russland in territorialer Hinsicht fordern wird, lässt sich aus einer Aussage von Präsident Wladimir Putin erschließen: „Die Front-Linie sollte in einem Abstand von unserem Territorium liegen, welcher die Sicherheit gewährleistet, im Hinblick auf die Langstreckenwaffen ausländischer Hersteller, mit denen die ukrainischen Behörden friedliche Städte beschießen.“ (14)

Mit anderen Worten: Je mehr Langstreckenwaffen der Westen an die Ukraine liefert, desto teurer wird der Waffenstillstand für letztere werden. Putin fordert nichts anderes als eine riesige Pufferzone, in welcher die Ukraine lediglich leicht bewaffnete Sicherungskräfte stationieren dürfte, ohne Raketentruppen und ohne Artillerie. Natürlich würden beide Seiten an der Grenze dieser Pufferzone Kräfte stationieren, die bereit sind, rasch in diese einzumarschieren, wenn der Verdacht aufkommen sollte, dass sich die jeweilige Gegenseite nicht an die Vertragsbestimmungen hält. Für anhaltende Spannungen wäre damit auf lange Sicht hinaus gesorgt. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass gewisse Bestimmungen aus dem Minsker Maßnahmenpaket in dieser Pufferzone Anwendung fänden. Putins Ziel ist es sicher, einen Aufmarsch militärischer Kräfte östlich des Dnepr zu verhindern, seien dies Kräfte der Ukraine oder der NATO. 

Natürlich wird die Ukraine eine derartige Pufferzone auch auf der russischen Seite einer zukünftigen Waffenstillstandslinie fordern. Aus russischer Sicht dürfen namentlich Donetsk und Horlivka (russisch Gorlovka) nicht in einer derartigen Pufferzone liegen. Damit lässt sich auch in etwa abschätzen, wie weit Russland das Territorium unter seiner Kontrolle noch ausdehnen will. Verkürzen lassen sich alle diese Distanzen nur dadurch, dass der Westen nachprüfbar auf die Lieferung von Langstreckenwaffen an die Ukraine verzichtet. Putin dreht den Spieß um und richtet die Entschlossenheit seiner Gegner gegen diese selbst. Er hat Sun Tzu offenbar nicht nur gelesen, sondern auch beherzigt (15). 

Hybrider Endzustand nach einem hybriden Krieg?

Derzeit scheint ein weiterer verschleppter Konflikt die plausibelste Variante für die weitere Entwicklung der Lage in der Ukraine zu sein: kein Krieg, kein Friede. Die Teilung des Landes könnte damit in Jahren zum akzeptierten Normalzustand werden und der Westen könnte seine Aufmerksamkeit anderen Themen widmen, wo er mehr Erfolge erzielen kann als in der Ukraine. Tiefhängende Früchte sind eben süßer als schwer zugängliche. Wie es auch kommt, die NATO und der Westen werden in und durch Friedensgespräche ihren Anteil am sprichwörtlichen Fett abbekommen. Im Vergleich dazu ist die Fortsetzung des Kriegs die attraktivere Option. Solange die Ukraine bei diesem Spiel mitspielt, hat Brüssel Zeit zum Nachdenken. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet nur ein militärischer Sieg der Ukraine oder ein Renversement des Alliances (16). Ersteres scheint derzeit wenig wahrscheinlich. 

Anmerkungen

  1. Siehe Евгений Крутиков: Как российские войска взяли «неприступный» район Авдеевки, bei Взгляд, деловая газета,08.02.2024, online unter https://vz.ru/society/2024/2/8/1252487.html, in russischer Sprache. 
  2. Siehe Владислав Кравцов: Ми перейшли від наступу до оборони, – Сирський вперше прокоментував ситуацію на фронті, bei 24TV, 13.02.2024, online unter https://24tv.ua/situatsiya-fronti-sirskiy-rozpoviv-pro-perehid-zsu-vid-nastupu_n2494030, in ukrainischer Sprache. 
  3. Die russischen Berichte schweigen sich zu den Personalverlusten vorerst aus. Siehe Царьград: Погиб БДК „Цезарь Куников“, Авдос сдают: Так вот зачем Путин срочно прибыл в Кремль?, bei dzen, 15.02.2024, online unter https://dzen.ru/a/Zc0fBlzc_19bZNYs und ders.: Как погиб БДК „Цезарь Куников“: Три неудобных вопроса и один неприятный ответ, ebd., 15.02.2024, online https://dzen.ru/a/Zc5EqrP1mgFYl6Pa, in russischer Sprache. 
  4. Россия Нанесла Мощный Удар По Селидово, Украина Понесла Огромные Потери и Продолжает Ротацию в Авдеевке, Река Перемен, 13.02.2024, online unter https://dzen.ru/video/watch/65cb7dfa27dc601667a3369b, Валентин Меликов: «Мясорубка для ВСУ»: что известно об ударе по Селидово, какие подробности, bei News.ru, 14.02.2024, online unter https://news.ru/europe/myasorubka-dlya-vsu-chto-izvestno-ob-udare-po-selidovo-kakie-podrobnosti/, beide in russischer Sprache. 
  5. Siehe „US Senate passes Ukraine aid, but House Speaker refuses to hold vote„, bei Euronews, 13.02.2024, online unter https://www.euronews.com/2024/02/13/us-senate-passes-ukraine-aid-but-house-speaker-refuses-to-hold-vote und „US Senate passes aid bill for Ukraine, Israel and Taiwan but prospects uncertain in House„, bei France24, 13.02.2024, online unter https://www.france24.com/en/americas/20240213-house-speaker-rejects-ukraine-aid-package-as-senators-grind-through-votes
  6. Siehe Reto Wattenhofer: Erfolg für Amherd: Schweiz plant hochrangigen Friedensgipfel, bei Luzerner Zeitung, 15.01.2024, online unter https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/ukraine-krieg-erfolg-fuer-amherd-schweiz-plant-hochrangigen-friedensgipfel-ld.2566004, Larissa Rhyn, Beatrice Bösiger: Selenski warnt, der chinesische Premier verkauft – und Amherd macht den Spagat, bei Tagesanzeiger, 16.01.2024, online unter https://www.tagesanzeiger.ch/wef-2024-selenski-mahnt-qiang-verkauft-und-amherd-macht-den-spagat-745080529522, „Bundespräsidentin im Interview; Amherd: «Der Friedensgipfel soll möglichst bald stattfinden»“, bei SRF, 18.01.2024, online unter https://www.srf.ch/news/wirtschaft/bundespraesidentin-im-interview-amherd-der-friedensgipfel-soll-moeglichst-bald-stattfinden, und «Man muss auch mal den Mut haben, zu sagen: Wir probieren es», auf der Homepage des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, 22.01.2024, online unter https://www.vbs.admin.ch/de/interview-amherd-chmedia-200124.
  7. Siehe „22. November 1983: Bundestag bestätigt Entscheidung zum NATO-Doppelbeschluss“, bei Bundeszentrale für politische Bildung, 21.11.2018, online unter https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/280816/22-november-1983-bundestag-bestaetigt-entscheidung-zum-nato-doppelbeschluss/. Vgl. „Historische Debatten (9): Nato-Doppelbeschluss“ auf der Homepage des Deutschen Bundestags, online unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/natodoppelbeschluss-200098. Vgl. auch Theo Sommer: Kompromiß beim Waldspaziergang, die Geschichte der Nitze-Kwitzinskij-Formel, bei Zeit Online, 03.06.1983, online unter https://www.zeit.de/1983/23/kompromiss-beim-waldspaziergang
  8. Siehe „EU soll neues Sanktionspaket gegen Russland planen“, bei Zeit Online, 05.02.2024, online unter https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-02/eu-sanktionspaket-russland-jahrestag-angriffskrieg-ukraine, Sven Christian Schulz: Bereits 13. Sanktionspaket, Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Nordkoreas Munitionsschiffe und Putins Ex-Leibwächter im Visier, bei RedaktionsNetzwerk Deutschland, 10.02.2024, online unter https://www.rnd.de/politik/eu-plant-neue-russland-sanktionen-nordkoreas-munitionsschiffe-und-putins-ex-leibwaechter-im-visier-63LDSOR72BB2BKLOORDZRTZGIA.html und Christian von Soest: Russland-Sanktionen: «Die Erwartungen waren unrealistisch», bei SRF, 08.02.2024, online unter https://www.srf.ch/news/international/nach-zwei-jahren-krieg-russland-sanktionen-die-erwartungen-waren-unrealistisch
  9. Siehe Alexander Osang: Ein Jahr mit Ex-Kanzlerin Merkel »Das Gefühl war ganz klar: Machtpolitisch bist du durch«, in: Der Spiegel 48/2022, 24.11.2022, online unter https://www.spiegel.de/panorama/ein-jahr-mit-ex-kanzlerin-angela-merkel-das-gefuehl-war-ganz-klar-machtpolitisch-bist-du-durch-a-d9799382-909e-49c7-9255-a8aec106ce9c. Siehe auch Tina Hildebrandt, Giovanni di Lorenzo: Interview mit Angela Merkel, bei Zeit Online, 07.12.2022, online unter https://www.zeit.de/2022/51/angela-merkel-russland-fluechtlingskrise-bundeskanzler. Vgl. Ralph Bosshard: Ein schlechter Friede ist besser als ein guter Krieg, bei Global Bridge, 21.12.2022, online unter https://globalbridge.ch/ein-schlechter-friede-ist-besser-als-ein-guter-krieg/ und auf www.bkoStrat.ch.  
  10. Harald Stutte: Sie reden miteinander: Die geheimen Gesprächskanäle von Ukrainern und Russen, bei RedaktionsNetzwerk Deutschland, 07.11.2023, online unter https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-die-geheimen-gespraechskanaele-zwischen-kiew-und-moskau-BPFAIKHUOFFI5I6IKDGF5OENRI.html und Fabienne Kinzelmann: Doha ist das neue Bern, bei Handelszeitung, 22.11.2023, online unter https://www.handelszeitung.ch/politik/doha-ist-das-neue-bern-652312
  11. Zu den Minsker Abkommen siehe das Minsker Protokoll vom 05.09.2014, online unter https://www.osce.org/home/123257, das Minsker Memorandum vom 19.09.2014, online unter https://www.osce.org/files/f/documents/a/1/123807.pdf und das Minsker Maßnahmenpaket vom 12.02.2015, online unter https://www.osce.org/files/f/documents/5/b/140221.pdf; alle Originale in russischer Sprache. 
  12. Siehe Leo Ensel: Remigration made in EU! – Wie Lettland knapp tausend Russen vertreiben will und sich niemand darüber aufregt, bei Global Bridge, 30.01.2024, online unter https://globalbridge.ch/remigration-made-in-eu-wie-lettland-knapp-tausend-russen-vertreiben-will-und-sich-niemand-darueber-aufregt/
  13. Den Text der Interviews hat der Kreml auf der Homepage des Präsidenten der Russischen Föderation veröffentlicht: Interview to Tucker Carlson, 09.02.2024, online unter http://en.kremlin.ru/events/president/news/73411.
  14. Siehe „Путин призвал отодвинуть линию фронта на расстояние, которое обезопасит территорию РФ“, bei TASS, 31.01.2024, online https://tass.ru/armiya-i-opk/19867617 und „Путин заявил, что демилитаризованную линию на Украине отодвинут от границ России“, bei Известия, 01.02.2014, online unter https://iz.ru/1643259/2024-02-01/putin-zaiavil-chto-demilitarizovannuiu-liniiu-na-ukraine-otodvinut-ot-granitc-rossii. Originalzitat: «Линия [фронта] должна быть такой и на таком удалении от нашей территории, которая бы обеспечила безопасность, имею в виду дальнобойное орудие иностранного прежде всего производства, которое украинские власти применяют для обстрела мирных городов».Übersetzung durch den Verfasser.
  15. Sun Tzu, auch Sunzi, geboren um 544 v. Chr., gestorben um 496 v. Chr. war ein chinesischer General und Militärstratege und ist für sein Werk über die Kunst des Krieges berühmt. Seine Theorien gewannen gerade angesichts der Diskussion um hybride Kriegführung und um die sogenannte Gerassimov-Doktrin neu an Aktualität.
  16. Ein solches deutete vor wenigen Tagen der deutsche Diplomat Michael von der Schulenburg auf der Internet-Plattform Global Bridge an: Der Ukrainekrieg könnte schneller und anders enden, als erwartet, 13.02.2024, online unter https://globalbridge.ch/der-ukrainekrieg-koennte-schneller-und-anders-enden-als-erwartet/