Die Stimme aus dem Donbass (XXX): Von Donezk nach Gorlowka über Jenakijewo
Kürzlich luden mich meine Bekannten aus Gorlowka zu Besuch ein. In der letzten Zeit hatten wir uns nur via Skype und per Handy unterhalten, es war höchste Zeit, uns wieder einmal persönlich zu treffen. Dabei konnte ich die Folgen der kontinuierlichen Beschüsse, über die meine Bekannten mir erzählten und die ich in den Nachrichten gesehen hatte, mit eigenen Augen sehen.
Vor dem Sommer 2014, als es im Donbass noch Schienenverkehr gab und man sowohl mit den Zügen als auch mit den Vorortzügen (Elektritschkas) fahren konnte, war es kein Problem, von Donezk nach Gorlowka zu fahren. Die andere Möglichkeit war, mit dem Bus dorthin zu gelangen. Seit fast neun Jahren gibt es nur noch eine einzige Möglichkeit, von Donezk aus nach Gorlowka zu fahren: mit dem Bus. Diese Fahrt dauerte früher nicht mehr als 40 Minuten. Ab 2014 wurde in der elf Kilometer von Gorlowka gelegenen Siedlung Sajzewo ein Block-Posten errichtet, durch den viele unserer Landsleute, die ihre Verwandten zu beiden Seiten der künstlich geschaffenen Grenze haben oder ukrainische Rente ausgezahlt bekommen wollten, bei Regen, Schnee, Hitze und Kälte nach stundenlangem In-der-langen-Schlange-Stehen-und-Warten in die Ukraine oder in die Donezker Volksrepublik (DVR) fahren konnten. Jeder, der sich einmal dieser Prozedur unterzogen hat, kann eine Menge davon erzählen, und meistens sind das negative Eindrücke: Wasserversorgung, Мangel an WCs in der grauen Zone, wo die Randstreifen minenverseucht sein können etc. Jetzt sind diese Block-Posten abgeschafft.
Die erste Überraschung wartete auf mich auf dem Busbahnhof, als ich am Schalter eine Fahrkarte für den Bus von Donezk nach Gorlowka kaufen wolle: Es gibt nun KEINE direkte Busverbindung zwischen diesen Orten, weil diese Strecke kontinuierlich von den Streitkräften der Ukraine beschossen wird! So muss man jetzt bis Jenakijewo fahren, dort umsteigen und weiter nach Gorlowka fahren. Die Fahrt nach Jenakijewo dauert etwa eine Stunde und 40 Minuten, die Fahrkarte kostet 106 Rubel. (Es ist interessant: die Fahrkarte von Jenakijewo nach Donezk für dieselbe Strecke kostet, warum auch immer, 103 Rubel.) Dann muss man umsteigen und im Gebäude des Bahnhofs im Wartesaal sitzen, auf den Bus Jenakijewo – Donezk warten und dabei nach Wunsch eine Tasse heissen Tee oder Kaffee mit einem kleinen Imbiss zu sich nehmen. Gorlowka kann man von Jenakijewo aus mit dem Bus № 80 in 30 Minuten erreichen, die Fahrkarte hin und zurück kostet 38 Rubel. Also kann man von Punkt A (Donezk) zu Punkt B (Gorlowka) in ungefähr zwei Stunden ankommen. Unterwegs kann man typische Donbass-Landschaften unserer Steppenzone mit Industrie-Objekten beobachten. Um in Gorlowka anzukommen, muss man an einigen Orten vorbeifahren: der Tochterstadt Makeewka, der Stadt CHARZYZSK mit wichtigen Betrieben wie dem Röhrenwerk – stellt elektrisch längstnahtgeschweisste Grossrohre für Gas- und Erdölleitungen her –, dem Metallwarenfabrik „Silur“, der Maschinenbaufabrik, der Möbelfabrik und dem Backwarenkombinat. Diese kleine Industriestadt erlitt viele Schäden durch ukrainische Streitkräfte. Hier nur einige Beispiele: Am Tag der Unabhängigkeit der Ukraine, dem 24. August 2014, wurden die Zivilisten von Charzyzsk eines fünfstöckigen Hauses in ihren Wohnungen beschossen. Kurz danach, am 4. September 2014, landete eine Toschka U auf dem Stadion. Im vorliegenden Video kann man ganz deutlich die Nummer dieser todbringenden Waffe – jede von ihnen wir nummeriert – sehen, was die Arbeit des Ermittlungsausschusses der Russischen Föderation wesentlich erleichtert. Am 17. April 2022, dem grossen Fest Palmsonntag, wurde Charzyzsk abermals von Seiten der Ukraine beschossen, wodurch es leider Verletzte, aber zum Glück KEINE Toten gab. Ausserdem wurden 20 Privathäuser beschädigt und die Stromleitung abgerissen.
Als nächstes passiert man eine kleine Industriestadt SUGRES, wo es das Suewoer Wärmekraftwerk und das Energiemechanische Werk gibt. Dieser Ort wurde am 13. August 2014 von einem ukrainischen Flugzeug sogar bombardiert, wodurch die Häuser der Zivilbevölkerung, die ehemalige Abendschule und der Kinderstrand unter harten Beschuss gerieten. Es gab elf Tote (darunter auch Kinder), die Dächer und Verglasung der Wohnhäuser und der Abendschule wurden beschädigt. Im Video kann man wieder ganz deutlich die Nummern der Geschoss-Splitter sehen. Am 2. März 2022 wurde das Suewoer Wärmekraftwerk gegen 22.00 Uhr von den Ukronazis beschossen: Das 150 Meter hohe Gebäude wurde in 100 Metern Höhe getroffen, wodurch eine dreimal drei Meter grosse Durchgangsöffnung entstand. Jetzt, an Weihnachten, dem 7. Januar 2023, wurde dieses Energieobjekt der Donezker Volksrepublik mit der ukrainischen Totschka U beschossen – das war der erste Tag des vom Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, erklärten Waffenstillstandes.
Alle Bewohner des nächsten Orts, ZHDANOWKA, vergessen nie, wie die ukrainische Armee am 16. August 2014 ihre Stadt eroberte. Die Männer beförderten ihre Frauen mit den Kindern aus der Stadt hinaus und kehrten zurück, ihre Heimatstadt vor den Naziwesen zu verteidigen. An diesem Tag begann eine Blockade, es gab Mangel an Lebensmitteln, die Bäckerei konnte nicht alle Bewohner mit Brot versorgen. Später wurden die Lebensmittel aus Chonzhonkowo bei Makeewka durch einen kleinen Weg über eine gesperrte Brücke geliefert. Deshalb erlangte der Weg Makeewka – Gorlowka (diese Strecke, die wir fuhren), der der „Lebensweg“ analog zu dem von Leningrad genannt wurde, eine gewisse Bedeutung. Hier wurde an der Stelle, wo zwei Zhdanowka-Verteidiger ums Leben gekommen waren, ein Block-Posten errichtet. Seit dem 16. August 2014 war es still in der Stadt: Man konnte weder Kinder noch Vögel und Tiere hören und sehen. Der „Schokoladenkönig“ (Peter Poroschenko, weil er Schokoladenbusiness betrieb; A. d. A.) tat bekanntlich sein Bestes, damit „ ukrainische Kinder zur Schule und in die Kindergärten gehen und die Kinder des Donbass in den Kellern sitzen“: Am 2. September 2014 wurde die lokale Schule von den Ukrobesetzern beschossen, wodurch Dach, Fensterrahmen und Verglasung beschädigt wurden. Auf dem Gelände der Kirche gab es einen Brunnen, der damals zur einzigen Trinkwasser-Quelle von Zhdanowka wurde. Dort gab es auch Samoware, wo die Menschen heißes gekochtes Trinkwasser bekommen und zusammen am Feuer Essen kochen konnten. Sie schlossen sich zusammen und überlebten so diese dunklen Tage unter den Ukronazis. Schon am 20. September 2014 wurde die Stadt endlich von der ukrainischen braunen Pest befreit. Das geschah vor dem Fest der Gottesmutter (14. Oktober), die als Schutzpatronin des Donbass gilt.
Sowieso werden wir gewinnen!
Mit dem Bus № 80 kann man von Jenakijewo nach Gorlowka fahren. GORLOWKA ist ebenfalls eine grosse Industriestadt, in der viele Industriezweige entwickelt sind: Neben Steinkohlebergbau gibt es auch Maschinenbau-, Koks-, Bergindustrie, chemische und holzverarbeitende Betriebe sowie Nahrungsmittel- und Leichtindustrie. Unterwegs gibt es zahlreiche beschädigte und zerstörten Objekte – sowohl Wohn- und Privathäuser als auch Industrieobjekte –, sogar die Strecke des Weges unweit der Bahnhofsbrücke ist so durchlöchert, dass die Verkehrsmittel zuerst wellenweise in eine Richtung und dann in die andere fahren. Als eines der ersten Industrieobjekte wurde einer der grössten Betriebe der chemischen Industrie des Donbass, der Konzern „Stirol“, am 29. Juli 2014 von ukrainischen Streitkräften beschossen. Leider geriet dieses Objekt mehrmals unter ukrainischen Beschuss: Am 13. August 2014, am 8. Juni 2015, am 12. August 2022 und zwei Wochen später am 25. August 2022.
Am 27. Juli 2016 wurde eine Andacht für die unschuldig im unerklärten Krieg 2014 Getöteten zelebriert. Die Menschen aus Gorlowka erzählten traurige Geschichten, wie ihre Verwandten, friedliche Zivilisten, von ukrainischen Soldaten getötet wurden. Das alles sind ihre unbestraften, frevelischen Kriegsverbrechen. Später wird hier ein Memorial errichtet. Das nächste Video zeigt, wie am 23. Januar 2015 das Fernsehteam von Gorlowka unter Beschuss geriet. Man kann hier sehen und hören, wie es live ist, wenn die Ukraine uns beschiesst und tötet. In Donezk sind die Türen aller Treppenhäuser geöffnet, was jemandem während der Beschüsse das Leben retten kann. In der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 2015 wurden infolge eines kompletten Beschusses durch ukrainische Truppen die Wohnhäuser und das Schulgebäude in Gorlowka beschädigt und die Stromleitung an der Bus-Endhaltestelle abgerissen. Am 1. Juni 2022 wurden ein Trolleybus und ein Lebensmittelgeschäft von ukrainischen Artilleristen beschossen. Am 29. Juli 2022 geriet das Kulturhaus Golmowskij und am 12. November 2022 das Zentrale Kulturhaus von Gorlowka, „Schachtjor“, unter ukrainischen Beschuss. Infolge des nächsten kompletten Beschusses wurden die Kirche, der Platz, der Markt, zwei Autowerkstätten und Geschäfte getroffen. Am 26. August 2022, kurz vor dem neuen Schuljahr, beschossen und zerstörten die Ukronazis eine Schule in Gorlowka. Im vorliegenden Video kann man die schrecklichen Folgen der mehrfachen Beschüsse dieser Stadt durch die ukrainische Armee sehen.
Dieses Video zeigt die Strecke von der Siedlung Nizhnjaja Krynka bis Gorlowka, also einen Teil des Weges von Donezk nach Gorlowka.
Von ganzem Herzen wünsche ich allen Bewohnern des Donbass endlich den verdienten Frieden! Am liebsten würde ich zu meinen Freunden fahren und dabei unterwegs die wunderschöne Natur und malerischen Landschaften meiner Heimat geniessen, statt mir dabei Sorgen zu machen, ob ich unbeschädigt von Punkt A zu Punkt B über Punkt C ankomme.