Die Frontseite der CH-Media-Zeitungen am 22. Januar 2025. Karin Keller-Sutter, die Nachfolgerin von Viola Amherd als Schweizer Bundespräsidentin, unterstützt vorbehaltlos Wolodymyr Selenskyj, und will gleichzeitig die Friedensgespräche in die Schweiz holen. Die neutrale Schweiz, die für Friedensgespräche prädestiniert wäre, wird einmal mehr mit Füssen getreten. (cm)

Die Schweizer Regierung übt sich weiter in Doppelmoral

Kann eine Frau „ein bisschen schwanger“ sein? Nein, entweder sie ist schwanger oder sie ist es nicht! Und genauso ist es mit der Neutralität: Entweder ein Staat ist neutral oder er ist nicht neutral. Aber die Schweizer Regierung führt einen US- und NATO-freundlichen Kurs, behauptet aber, als „neutrales Land“ auch ein guter Ort für Friedensgespräche zu sein.

Die gute Nachricht voraus: Die letztjährige Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Viola Amherd, deren chaotische Zustände in ihrem Departement nicht mehr länger zu verheimlichen waren, hat die an sie gerichtete Aufforderung zum Rücktritt verstanden – und sie tritt im März tatsächlich ab.

Nur: Die von ihr ausgewählten 36 neuen US-Kampfjets F-35 sind bestellt, die von ihrem Budget nicht gedeckten zig Milliarden Franken Kosten und die anderen ungelösten Probleme in ihrem Departement verschwinden leider mit ihrem Rücktritt nicht auch. Und so ist es denn auch nicht verwunderlich, dass die Partei „Die Mitte“, der der leerwerdende Bundesratssitz nach Schweizer Usanz zusteht, Mühe hatte, überhaupt Politikerinnen oder Politiker zu finden, die dieses Departement zu übernehmen bereit sind. Erst in letzter Minute wurden zwei Männer gefunden, die bereit sind, den höchst problematischen Laden VBS – Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport – zu übernehmen. Beide sind für diesen Job wenig geeignet, das Parlament spielt bereits mit der Idee, in diesem Fall eben eine nicht offiziell vorgeschlagene Persönlichkeit in die Regierung zu wählen.

Der noch eher wählbare und mit besseren Chancen ausgerüstete Kandidat der beiden Männer, der Landwirt Markus Ritter, wurde denn auch bereits befragt, wie er es mit der Neutralität der Schweiz halte. Seine Antwort: Man müsse „situativ“ neutral sein. Also auch wieder „ein bisschen schwanger, je nach dem“. Meint er damit wirklich, jene zu befriedigen, die für die Neutralität einstehen, und gleichzeitig jene glücklich zu machen, die die Neutralität lieber beerdigen würden, nachdem sie vom Bundesrat im Frühling 2022 mit der pauschalen Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland eh schon dramatisch beschädigt wurde?

Man erinnert sich: Letztes Jahr wurde unter Verantwortung der Bundespräsidentin Viola Amherd und des Außenministers Ignazio Cassis auf dem Bürgenstock hoch über dem Vierwaldstättersee ein sogenannter Friedensgipfel abgehalten. Eingeladen und umarmt wurde dort der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, nicht aber eingeladen wurde die russische Seite des Krieges. Ein über zehn Millionen Schweizer Franken teures Polit-Theater erster Güte.

Und was hat man daraus gelernt?

Nichts, denn das gleiche Theater wurde im Januar 2025 auch in Davos am WEF abgehalten. Der russische Präsident Wladimir Putin ist auch dort ausgesperrt, der ukrainische, wegen von ihm selbst abgesagter Wahlen Nicht-mehr-Präsident Wolodymyr Selenskyj aber sehr wohl, und er wurde von der neuen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter erneut herzlich empfangen! Und was schreibt dazu der Chefredakteur der CH-Media-Zeitungen, Patrik Müller, auf der Frontseite der dazugehörenden Zeitungen?

«Verglichen mit seinem Auftritt vor einem Jahr auf derselben Bühne, hat Ukraines Präsident Wolodimir Selenski gestern in Davos seltsam kraftlos gewirkt. Er hatte mit allem recht, was er sagte: Europa müsse zusammenstehen und gemeinsam gegen Putin kämpfen, Europa müsse der Ukraine und damit sich selber helfen. Denn China unterstütze Russland – und auf die USA zu warten, reiche nicht.»

Man merke: «Selenskyj hatte mit allem recht!» Der Mann hat sich mit der Absage der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine zwar selbst delegitimiert, aber er hat «mit allem recht». Und gleichzeitig zeigten Patrik Müllers Zeitungen auf der Frontseite ein Bild von einem lachenden Selenskyj, dem die neue Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ebenfalls freudenstrahlend die Hand reicht. Und die Headline dazu: «Die Schweiz bringt sich für Friedensgespräche in Position.» Der demokratisch delegitimierte – trotzdem noch immer Präsident genannte – Wolodymyr Selenskyj wird eingeladen, herzlich begrüsst und beklatscht, der rechtmäßige Präsident der anderen Kriegspartei, Putin, ist schon gar nicht eingeladen worden, aber man fühlt sich prädestiniert als Platz für Friedensgespräche.

In einem ABC zum WEF, das der gleiche Chefredakteur Patrik Müller zwei Tage vorher publiziert hatte, erklärte er unter «Z wie Zaun», dass für die Sicherheit dieser elitären Veranstaltung in Davos 52 km Zaun aufgestellt werden und 5000 Armeeangehörige für einen „Assistenzdienst“ aufgeboten werden müssen, und dass allein die Sicherheitskosten des WEF sich auf 9 Millionen Schweizer Franken belaufen, von denen die Hälfte von der Schweiz – Bund, Kanton Graubünden und Gemeinde Davos – bezahlt wird: Geld für die Sicherheit eines Stelldicheins der westlichen Superreichen! Und noch einmal: Auch hier ist Russland nicht eingeladen, aber Selenskyj darf den Europäern die Leviten verlesen und wird beklatscht! Und das ist die Basis für Friedensgespräche!

Und wie verhalten sich die Schweizer Öffentlich-Rechtlichen Medien in einer Zeit, in der sich die Schweiz «für Friedensgespräche in Position bringt»? Das «Echo der Zeit», das wichtigste Nachrichten-Programm des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in deutscher Sprache, berichtete eben darüber, dass trotz Sanktionen immer noch russisches Birkensperrholz in die Schweiz gelangt, auf dem Umweg über andere Länder natürlich. Und welchen „Experten“ befragt man dazu? Man befragt dazu Benjamin Hilgenstock, der für den Think Tank KSE, die „Kyiv School of Economics» arbeitet und der in diesem Gespräch über russisches Birkensperrholz Russland eine «zunehmend faschistische Diktatur» nennt.

Die Schweiz, das ideale Land für Friedensgespräche!