Die Schweiz ist «begeistert über die Demokratie-Förderung der USA»
Die Schweiz vertieft ihre Zusammenarbeit mit USAID, der entwicklungspolitischen Behörde der USA. Wo Washington also mit der Finanzierung von «farbigen Revolutionen» Regierungswechsel anstrebt, will die offizielle Schweiz offenbar tatkräftig Hilfe leisten.
«Die Schweiz ist begeistert über die Demokratieförderung der USA». So titelte «swissinfo.ch», eine zu den Öffentlich-Rechtlichen Medien gehörende offizielle Info-Plattform mit dem Zielpublikum Schweizer und Schweiz-Interessierte im Ausland am 16. Oktober 2024. Grund der Begeisterung ist die Initiative «Democracy Delivers», die 2022 von der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) ins Leben gerufen wurde. «Democracy delivers», «Demokratie liefert», so werden wir von Swissinfo informiert, ist ein Projekt, das Staaten unterstützen soll, die von Washington als demokratische „Lichtblicke“ eingestuft werden. Die Schweiz gehöre «zu den engagiertesten Partnerländern der Initiative», denn auch die Schweiz habe sich außenpolitisch der Demokratie-Förderung verschrieben, so Swissinfo.
Wo auf der Welt «demokratische Lichtblicke» auszumachen sind, bestimmt weitgehend Samantha Power, Direktorin von USAID. Power ist eine ehemalige UNO-Botschafterin der USA. Sie inszenierte sich in ihrer gesamten Karriere und auch in ihren Memoiren («The Education of an Idealist») als Kämpferin für Menschenrechte. Sie sah die Menschenrechte aber immer vor allem dort gefährdet, wo Washington seine geostrategische Ordnung herstellen wollte. Die Verteidigung der Menschenrechte implizierte dann stets einen Regimewechsel. Oder umgekehrt.
Seit ihrer Tätigkeit als Journalistin in den Balkankriegen plädiert Samantha Power für sogenannte «humanitäre Interventionen» der USA und ihrer NATO-Verbündeten. Sie bekam den Pulitzer-Preis für ihr Buch «A problem from hell», welches eine Art Argumentationsgrundlage für das Recht und die Pflicht der NATO zum völkerrechtswidrigen militärischen Angriff gegen Serbien war. Im Denkgebäude der USAID-Direktorin Samantha Power sind militärische Aufrüstung, Krieg und der Kampf für Menschenrechte quasi unverzichtbare Bauteile einer gut funktionierenden Maschinerie. Nach den «humanitären Bombardierungen» der NATO strömten 1999 unter Führung von USAID etwa 300 internationale Hilfsorganisationen in die winzige Provinz Kosovo, und es floss in kurzer Zeit «Aufbauhilfe» von einer Milliarde Dollar.
Das Rüstungsgeschäft, der Krieg und die Wiederaufbauhilfe gehen oft Hand in Hand. Dick Cheney zum Beispiel war zunächst Manager des militärischen Logistikkonzerns Halliburton, dann Vizepräsident der USA und einer der fanatischen Verfechter der «Kriege gegen den Terror». Die USA bombardierten den Irak, und Halliburton erhielt einen Exklusivvertrag für den «Wiederaufbau» des zerstörten Landes.
Im Oktober 2001 begann George W. Bush seinen «war on terror» mit Luftangriffen auf Afghanistan. Gleichzeitig zog eine Karawane militärischer und ziviler Helfer aus über sechzig Ländern in Afghanistan ein. Bereits 2004 waren mehr als zweitausend HiIfsorganisationen in Afghanistan registriert, vorneweg USAID mit zahlreichen Projekten. Das nationale Budget Afghanistans war etwa gleichbedeutend mit dem Dollar-Segen der Besatzungsmächte. Das politische Marionetten-Theater in Kabul lebte von der NATO und westlichen Hilfswerken.
Ein großer Teil der jährlichen Milliarden versickerte in den Taschen der Warlords und ihres Gefolges sowie auf den Bankkonten westlicher Konzerne, Beraterfirmen und Sicherheitsdienste (private military contractors). Die niederländische Journalistin Linda Polman hat aus allen großen Krisenherden der Welt berichtet und 2008 in einer ebenso gut dokumentierten wie erschreckenden Studie («The crisis caravan») dargelegt, wie westliche Hilfe fester Bestandteil im Kalkül der Kriegstreiber ist.
Der Westen hat in Afghanistan zwanzig Jahre lang «Krieg gegen den Terror» geführt, bis er 2021 vertrieben wurde. Der Norweger Jens Stoltenberg erklärte kürzlich in einer Bilanz seiner Zeit als NATO-Generalsekretär, in Afghanistan habe die «Nation Building Mission» der USA bedauerlicherweise kein Happy End erleben dürfen: «Was ein stabiles und starkes Staatsgebilde hätte werden sollen, war ein Kartenhaus.» Stoltenberg ließ andere Hilfsinterventionen der USA – wie in Bosnien, Irak, Libyen, Syrien oder Ukraine – unerwähnt.
Die Regierung in Bern ist nun offensichtlich gewillt, den USA mit «großer Begeisterung» bei ihren Demokratisierungs-Missionen weltweit Beistand zu leisten. Auf einer Konferenz der Partnerländer des Projektes «Democracy delivers» am Rande der UNO-Generalversammlung Mitte Oktober betonte Außenminister Ignacio Cassis, die «Schwesterrepubliken» USA und Schweiz verbinde eine «lange Geschichte in Bezug auf demokratische Rechte und Freiheiten». Und wenn sich eine positive Entwicklung abzeichne – etwa die Ablösung einer autoritären Regierung durch Wahlen oder Proteste – «brauchen aufstrebende Demokratien oft rasche externe Unterstützung».
Derlei Unterstützung konkretisiert sich zum Beispiel in der Organisation und Finanzierung einer «Orange Revolution», wie sie 2004 in Kiew stattfand. Der als russlandfreundlich geltende Viktor Janukowitsch war im November laut offiziellem Ergebnis zum Präsidenten gewählt worden. Daraufhin erhoben sich mehrwöchige, heftige Proteste, die bewirkten, dass die Wahl im Dezember wiederholt wurde und Viktor Juschtschenko die Wahl gewann. Juschtschenkos Ehefrau war US-Amerikanerin und hatte im State Department und im Finanzdepartment der USA gearbeitet. Präsidentin wurde die Ölmagnatin Julia Timoschenko.
Ian Traynor, Jahrzehnte lang Osteuropa-Korrespondent des The Guardian, schrieb damals, Washington habe Juschtschenkos Wahlkampagne «finanziert und organisiert». Seine Recherche zeigte, dass die politische Einflussnahme von Institutionen wie USAID und ihrer anverwandten NGOs von ex-Jugoslawien über Georgien bis zur Ukraine stets nach einem ähnlichen Schema erfolgte. Organisationen wie das «International Center on non-violent Conflict» spielen dabei die Rolle des Demokratie-Managements nach geostrategischen Vorgaben aus Washington. Offiziell fördert Washington dabei stets «die Zivilgesellschaft und die Demokratisierung». Was ab 2005 folgte, war das Gegenteil: eine von Machtkämpfen und Intrigen zerrissene Oligarchenherrschaft, welche die Ukraine nach Einschätzung von Transparency International zum korruptesten Land Europas machte.
2014 erlebte die Ukraine erneut eine «Orange Revolution» nach dem gleichen Mechanismus. Victoria Nuland, Ukraine-Diplomatin unter den Präsidenten Obama und Biden sowie Ehefrau des neokonservativen Hardliners Robert Kagan, organisierte den Umsturz in Kiew. Sie hatte bereits im Vorfeld erklärt, die USA hätten schon «fünf Milliarden Dollar für die Demokratisierung der Ukraine» ausgegeben. Die weitere Entwicklung in der Ukraine ist bekannt.
Die Schweiz marschiert offensichtlich im Gleichschritt mit den USA bei deren Einsätzen für ihre regelbasierte Dollar-Weltordnung. Das zeigte sich an der Eilfertigkeit, mit der die Sanktionen gegen Russland übernommen und verschärft wurden, an der Fahrlässigkeit, mit der eine altbewährte Schweizer Neutralität auf NATO-Kompatibilität zurechtgestutzt werden soll, und an der Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem staatlichen Hilfswerk USAID. Die Regierung in Bern will nun Hilfe für die Südhalbkugel kürzen, um mehr Hilfe in die Ukraine zu schicken, wie es von Washington verlangt wird.
Linda Polman nennt Hilfswerke „Wirtschaftsbetriebe, getarnt als Mutter Teresa“. Die Auslandshilfe und Entwicklungspolitik der Industriemächte waren – was auch immer als Vorwand erzählt wurde –nie etwas anderes als der Kampf um Einflussgebiete, Exportmärkte für unsere Industrien, geostrategische Stützpunkte und die Kontrolle von Rohstoffen. Dieser Selbsterhaltungswille mag, im Sinne von Nicolò Machiavelli, weder gut noch böse, sondern Naturgesetz sein, er wird aber zum Betrug, wenn man die wahren Interessen eines Staates mit einer Moral von Menschenrechten und Demokratie kaschiert.
Linda Polman zitiert in ihrem Buch aus einer entwicklungspolitischen Rede, die die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton am 23. Januar 2009 vor der Belegschaft von USAID hielt:
„Ich glaube an Entwicklung und bin von ganzem Herzen davon überzeugt, dass es (USAID, Red.) wirklich ein ebenbürtiger Partner ist, zusammen mit Verteidigung und Diplomatie, zur Förderung der nationalen Sicherheit Amerikas.“ Klarer kann man es nicht sagen.
Washington ist dieser Tage für einmal zufrieden mit der Schweizer Hilfe für die nationale Sicherheit der USA. Außenminister Cassis ließ verlauten, die USAID-Chefin Samantha Power sei voll des Lobes: Von allen Partnerländern sei die Schweiz von Anfang an am «enthusiastischsten» gewesen, was die Ziele und den Ansatz von «Democracy Delivers» angehe.