Die Schweiz 2025 – das Märchen vom reichen Land, das den Armen hilft

Die Schweiz sieht sich traditionell als besonders humanitäre Nation. Doch das trügerische Selbstbild stimmt nicht mit dem Fremdbild  überein. Die idyllischen Postkarten mit der heilen Welt Helvetiens sind zu ersetzen. Aktuell drängen sich neue Sujets auf, zum Beispiel das „Kanonen-Chalet“ (siehe Karikatur oben). Das Bild steht für eine Schweiz, die jetzt massiv aufrüstet, ihre Landwirtschaft teuer schützt, fortan aber weit weniger Geld für Entwicklungshilfe ausgeben will.

Das 9-Millionen-Land mitten in Europa ist verwöhnt. Zwischen Genf und Rorschach herrscht bekanntlich eitel Wohlstand. Zwar breitet sich auch in diesem dicht besiedelten Paradies die Armut aus (derzeit 8,5 %), doch der grossen Mehrheit der Bevölkerung geht es gut. Sie geniesst all die Annehmlichkeiten des gehobenen Alltags, hie und da sogar eine Dosis Luxus.

Im vermeintlichen Schlaraffenland gibt es aber auch hinterhältige Winkel. Die Angst vor dem Abstieg schleicht sich dort ein wie kalter Bodennebel: Verlust des gut bezahlten Arbeitsplatzes, der günstigen Wohnung, des bequemen Autos, der regelmäßig eintreffenden Rente. Kurzum: Der lieb gewonnene Komfort könnte sich auflösen wie das Eis im Whiskyglas.

Sündenböcke sind schnell gefunden: das Fremde generell, personifiziert durch störende Immigranten aus Arabien und Afrika, die ausländische Konkurrenz am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche. Hinzu kommt die unterschwellig kommunizierte Bedrohung durch die bösen Grossmächte Russland und China.

Die Befürchtungen des Volkes und seine Sorgen im Hinblick auf eine ungewisse Zukunft finden denn auch Gehör unter der Bundeshauskuppel: Nach langen, harten Debatten haben die eidgenössischen Räte am 19. Dezember das Bundesbudget 2025 verabschiedet. Die grössten Verschiebungen betreffen die Armee. Die bürgerlichen Parteien haben beschlossen, die Ausgaben für die Landesverteidigung stärker zu erhöhen als vom Bundesrat vorgesehen.

Die Mittel für die Armee werden jährlich um 530 Millionen Franken zunehmen. Nunmehr wird das Armeebudget von 5,7 auf künftig 6,3 Milliarden (6’300 Millionen) Franken pro Jahr steigen. Der Grossteil des Wachstums soll der Wiederaufrüstung mit Waffen und Munition dienen.

Im Gegenzug hat das Parlament die Ausgaben für die Entwicklungshilfe erheblich reduziert. Sie betragen  jetzt noch insgesamt 612 Millionen Franken pro Jahr. Im Vergleich zum Budget des Bundesrats haben SVP, FDP und Mitte hier eine Kürzung zugunsten der Armee von jährlich 110 Millionen Franken beschlossen.

Die links-grüne Ratsseite stimmte gegen den Kahlschlag bei der humanitären Hilfe. Ihr Argument, die Investitionen würden sich lohnen, weil infolge eines gerechteren sozialen und wirtschaftlichen Aufbaus in den Ländern des Globalen Südens weniger Flüchtlinge nach Europa kämen, fand keine Mehrheit.

Die Abstriche bei der Auslandzusammenarbeit bedeute nicht das Ende der humanitären Schweiz, hiess es auf bürgerlicher Seite. Es sei richtig und wichtig, die Vernachlässigung der Armee jetzt zu korrigieren. Die Armeeleitung müsse die Verteidigungsfähigkeit rasch wieder herstellen.

Ach die Landwirtschaft kann sich freuen. Die Aufstockung von 42 Millionen Franken jährlich für die Direktzahlungen überraschte niemanden. Die Bauern sind ihrem Ruf, die am besten organisierte Lobby im Bundeshaus zu sein, einmal mehr gerecht geworden.

Bewilligt sind für Direktzahlungen an Bauernbetriebe nun pro Jahr total 2,8 Milliarden Franken. Die Schweiz hat damit die  am höchsten subventionierte Landwirtschaft der Welt. Die 1,5 Millionen Rindviecher im Land  können also weiterhin unbeschwert muhen, rülpsen und furzen.

Allerdings ist das bei der Verdauung der Wiederkäuer entweichende  Methan (ca. 7 % der landwirtschaftlichen Emissionen) nach dem Kohlendioxid das zweitwichtigste Treibhausgas und 28-mal klimaschädlicher als CO2.