Die Politiker und die Medien wollten es so: die Entscheidung des Krieges auf dem Schlachtfeld
Als vor zwei Jahren Putins Nerven rissen und er aufgrund der militärischen Provokationen und der Gesprächsverweigerung der USA und der NATO zum Thema «Russlands Sicherheit» der Krieg in der Ukraine seinen Anfang nahm, war in den oberen Rängen der Politik und in den großen Medien Konsens: Dieser Krieg muss auf dem Schlachtfeld entschieden werden – mit dem «sous-entendu» natürlich: Russland muss in diesem Krieg endlich militärisch besiegt werden! Napoleon hat es versucht – und hat verloren und dafür gebüßt. Hitler hat es versucht – und hat verloren und dafür gebüßt. Diesmal muss und wird es, dank massiver Unterstützung der Weltmacht USA, gelingen! Die konkrete Chance, den Krieg schon bald am Verhandlungstisch zu stoppen, wurde bewusst nicht gepackt.
Das Ziel, dieser Krieg müsse auf dem Schlachtfeld entschieden werden, wird wohl tatsächlich erreicht werden. Allerdings nicht im Sinne der westlichen Großmäuler. Im Gegenteil. Nachdem die ukrainischen Truppen die Stadt Avdiivka fast fluchtartig verlassen mussten, ist ein umfassender Sieg der Ukraine kein Thema mehr. Selenskyj verbreitet zwar nach wie vor Optimismus, denn ja, dank handfester Einmischung der USA und anderer NATO-Staaten, zum Beispiel mit der Ausbildung von Soldaten und auch beim Zielen auf Schiffe oder Flugzeuge mit modernster Technik, kann die Ukraine zwar immer mal wieder einen einzelnen Erfolg vermelden. Der Mangel an Waffen und Munition, vor allem aber auch der Mangel an ausgebildeten und trainierten Soldaten, kann nicht innerhalb von Wochen und auch nicht von Monaten behoben werden. Bereits haben Millionen von Ukrainern, nicht nur Frauen und Kinder, auch theoretisch einsatzfähige Männer, die Ukraine verlassen und verspüren keine Lust, Selenskyj zuliebe zurückzukehren, denn die Wahrscheinlichkeit, an der Front innerhalb von Wochen oder schon Tagen verletzt zu werden oder gar umzukommen, ist groß.
Aber es fehlt sogar an Waffen
Der deutsche Bundeskanzler hat guten Grund, mit der Lieferung der Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern zu zögern. Selenskyj und seine Vertrauten haben schon zu oft Ziele in Russland, also nicht nur in den von Russland besetzten Gebieten, mit Raketen beschossen. Schon mehrmals trafen ukrainische Raketen die relativ nahegelegene russische Stadt Belgorod. Auch der – vermutlich versehentliche – Abschuss der russischen Transportmaschine IL 76 mit den über 60 von Russland gefangenen ukrainischen Soldaten, die zum Gefangenenaustausch herbeigeflogen wurden, erfolgte in der Nähe von Belgorod über russischem Boden. Wenn aber Ziele in Russland beschossen werden, mit den vom Westen gelieferten Taurus-Marschflugkörpern vielleicht sogar Moskau, dann ist der Tag, an dem Russland dies als aktives Eingreifen der NATO in diesen Krieg interpretiert, nicht mehr weit. Und dies könnte dann tatsächlich der Beginn eines neuen großen Krieges sein, auch mit Einsatz von Nuklearwaffen.
Wie reagiert der Westen zum Jahrestag?
Dass ausgerechnet in diesen Tagen US-Präsident Joe Biden Putin einen «Hurensohn» nannte – «son of the bitch» – war kein Signal, man könnte ja auch miteinander reden. Das haben sogar die deutschsprachigen Medien bemerkt und diesen „Ausrutscher“ Joe Bidens weitestgehend unterschlagen, im Gegensatz etwa zu den italienischen Medien. Dass NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum Jahrestag des russischen Angriffs der Welt verkündigte, die Ukraine werde mit Sicherheit Mitglied der NATO werden, die Ukraine sei der NATO nie näher gestanden als jetzt, ist ebenfalls kein Zeichen von politischer Vernunft, wissen doch alle, dass die Osterweiterung der NATO und die enge Kooperation der NATO mit der Ukraine mit dem Ziel der «Interoperability» der Hauptgrund für Russlands Angriff auf die Ukraine war. Und wenn in den gleichen Tagen der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf X (vormals Twitter) erklärt, er habe in New York mit dem Schweizer Außenminister Ignazio Cassis gesprochen und sie seien sich einig, dass der von der Schweiz geplante «Friedensgipfel» das Ziel habe, dem «ukrainischen Friedensplan» zum Erfolg zu verhelfen, der notabene die bedingungslose Kapitulation Russlands vorsieht, dann kann man sich nur an den Kopf greifen: Hat die Schweiz, die immer deutlicher mit der NATO flirtet und die Sanktionen der EU gegen Russland pauschal übernommen hat, wirklich die Hoffnung, an einem Gipfeltreffen ohne die Teilnahme Russlands etwas zu einem Frieden in der Ukraine beitragen zu können? Es ist nur noch lächerlich.
Was immer die westlichen Medien schreiben, um Selenskyj Mut zu machen, weitere Zehntausende von ukrainischen Männern an der Front zu verheizen – sprich: dort zu krepieren oder nur als Krüppel zu überleben –, es wird immer sicherer, dass vor allem Westeuropa und hier vor allem Deutschland die Kriegszeche bezahlen wird. Die USA werden aus diesem Krieg aussteigen, darin haben sie nach etlichen so beendeten Kriegen schon gute Übung. Die EU aber wird nur die Wahl haben zwischen der Aufnahme von weiteren Millionen von ukrainischen Flüchtlingen oder aber massiver finanzieller Unterstützung des Wiederaufbaus der ukrainischen Infrastruktur.
Wer Russland auch von innen kennt, wer in Russland Verwandte oder Bekannte hat, der weiss, dass die 25 oder mehr Millionen Kriegsopfer des deutschen Eroberungsfeldzuges ab 1941 auf Seite der Sowjetunion noch nicht einfach vergessen sind. Russland wollte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein normales «westliches» Land werden. Auch Putin wollte das. Aber die USA wollten die alleinige Weltmacht bleiben und dazu brauchte sie die NATO. Und die NATO brauchte zu ihrer Selbstlegitimierung einen Feind – Russland natürlich. Auf wen hätte die Wahl sonst fallen sollen?
Dass am Schluss vor allem Deutschland die Zeche zahlen wird, ist vielleicht gar nicht so falsch. Warum ist heute eine Regierung im Einsatz, die den Slogan «Nie wieder Krieg» geschreddert dem Müll übergeben hat und eine neue, geopolitisch gewichtige Rolle anvisiert, Afrika und Pazifik-Raum inbegriffen, und natürlich im Gleichschritt mit den USA und den Briten. Das oberste Ziel der USA, ein Zusammengehen von Deutschland und Russland zu verhindern – denn diese beiden zusammen wären wirtschaftlich stärker als die USA –, beinhaltet nicht nur die Schwächung oder gar Zerstörung Russlands, sondern auch die Schwächung Deutschlands – mit Aussicht auf Erfolg, wie die deutschen Wirtschaftszahlen schon heute zeigen.
Siehe dazu den Beitrag von Michael von der Schulenburg: «Der Ukrainekrieg könnte schneller und anders enden, als erwartet.»