Deutschland auf dem Weg in die erste Rüstungsliga (I)
Die größten Waffenschmieden Deutschlands wachsen laut neuen SIPRI-Statistiken schneller als die europäische und erheblich schneller als die US-Konkurrenz. Rheinmetall könnte bald zum zweitgrößten Rüstungskonzern weltweit aufsteigen.
BERLIN (Eigener Bericht) – Das starke Wachstum der 100 größten Rüstungskonzerne der Welt geht weit überdurchschnittlich auf die Rüstungsbestrebungen der europäischen Staaten und dort vor allem auf diejenigen Deutschlands zurück. Dies belegen neue Statistiken zur globalen Rüstungsproduktion, die das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI am gestrigen Montag vorgelegt hat. Demnach ist der Umsatz der 100 größten Waffenschmieden weltweit, der zu rund 70 Prozent von Unternehmen aus den USA und Westeuropa erzielt wurde, im vergangenen Jahr um 5,9 Prozent gestiegen. Die europäischen Konzerne unter den Top-100 kamen auf ein Umsatzplus von 13 Prozent; die deutschen erreichten ein Plus von 36 Prozent. Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall schaffte mit einem Plus von satten 46,6 Prozent auf der Rangliste der größten Waffenschmieden weltweit den Sprung von Platz 26 auf Platz 20. Rheinmetall will bis 2030 einen Umsatz von 50 Milliarden Euro erreichen; damit läge das Düsseldorfer Unternehmen zwischen dem F-35-Hersteller Lockheed Martin und dem Patriot-Produzenten RTX auf Platz zwei. Die größten deutschen Konzerne könnten schon in Kürze diejenigen Italiens und Frankreichs überholen und zur Nummer eins in der EU aufsteigen.
Rekordumsätze
Der Umsatz der hundert weltgrößten Rüstungskonzerne ist im vergangenen Jahr um 5,9 Prozent gestiegen und hat einen Rekordwert von 679 Milliarden US-Dollar erreicht. Das ist eines der Resultate des jüngsten Berichts zu den Top-Waffenschmieden weltweit, den das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI am gestrigen Montag publiziert hat.[1] Dabei ergibt sich das mengenmäßig stärkste Wachstum aus dem Boom der Rüstungskonzerne in Europa und den Vereinigten Staaten, wo rund zwei Drittel der 100 weltgrößten Branchenfirmen angesiedelt sind. Prozentual lagen die Top-100-Konzerne aus Japan und Südkorea vorn, die ihre Umsätze um 40 Prozent respektive 31 Prozent steigerten. Beide Länder rüsten gegen China auf. Die acht chinesischen Top-100-Konzerne zusammengenommen verzeichneten hingegen einen Umsatzeinbruch um rund zehn Prozent. SIPRI führt das darauf zurück, dass wegen strikter Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung teils größere Verzögerungen im Ablauf der Rüstungsprogramme auftraten. Bei den SIPRI-Zahlen muss berücksichtigt werden, dass sie erklärtermaßen nur die Branchenriesen erfassen, was unter anderem für die mittelständisch geprägte deutsche Industrie zu Verzerrungen nach unten führen kann.[1]
Nummer eins weltweit
Mit Abstand die Nummer eins sind nach wie vor die Rüstungskonzerne aus den Vereinigten Staaten, die 39 der Top-100-Konzerne stellen. Diese erwirtschafteten im Jahr 2024 mit einem Umsatz von 334 Milliarden US-Dollar fast die Hälfte des Gesamtumsatzes der hundert größten Waffenschmieden weltweit. Außerdem stellten die Vereinigten Staaten fünf der sechs größten Rüstungskonzerne überhaupt – mit Lockheed Martin, bekannt für die Kampfjets vom Typ F-35, auf Platz eins, dem Hersteller der Patriot-Flugabwehrsysteme, RTX, auf Platz zwei und Northrop Grumman, dem Konzern, der zur Zeit neue Interkontinentalraketen vom Typ LGM-35 Sentinel entwickelt, auf Platz drei. Das Wachstum der 39 US-Rüstungsunternehmen unter den Top 100 weltweit fiel allerdings mit 3,8 Prozent deutlich geringer aus als der globale Durchschnitt. SIPRI weist ausdrücklich darauf hin, dass die US-Branche derzeit unter ungeplant steigenden Kosten und zeitlicher Verzögerung wichtiger Projekte leidet. Dies sei zwar in vielen Ländern der Fall, schreibt das Forschungsinstitut; doch seien Rüstungsprojekte in den Vereinigten Staaten davon überdurchschnittlich stark betroffen. Die Trump-Regierung werde deshalb deutlich mehr Geld in die Rüstung stecken müssen als geplant.
Profiteure des Gaza-Kriegs
Höhere Wachstumsraten als die US-Konzerne erzielten etwa die größten Rüstungskonzerne der Türkei, die mit einem Plus von elf Prozent im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von bemerkenswerten 10,1 Milliarden US-Dollar kamen. Noch stärker schnellte der Umsatz der größten Waffenschmieden Israels in die Höhe, der aufgrund des Gaza-Kriegs um gut 16 Prozent auf 16,2 Milliarden US-Dollar stieg. Israels größte Rüstungsfirma, Elbit Systems, steigerte ihren Umsatz um 13,6 Prozent auf rund 6,28 Milliarden US-Dollar und kam damit auf Platz 25 weltweit.
Profiteure des Ukraine-Kriegs
Überdurchschnittlich wuchsen vor allem aber die Rüstungskonzerne Europas, das 26 der Top-100-Waffenschmieden weltweit stellt. Ihr Umsatz belief sich auf 151 Milliarden US-Dollar – 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit erreichten sie bereits rund 22 Prozent des Top-100-Umsatzes weltweit und holten ein Stück gegenüber den Vereinigten Staaten auf. Größter europäischer Rüstungskonzern ist BAE Systems (Großbritannien) auf Platz vier, zweitgrößter Leonardo (Italien) auf Platz zwölf, drittgrößter Airbus (Deutschland/Frankreich/Spanien) auf Platz 13, viertgrößter Thales (Frankreich) auf Platz 15. Russland, das mit Rostec den weltweit siebtgrößten Rüstungskonzern nach Umsatz stellt, wird von SIPRI gesondert registriert. Den SIPRI-Statistiken lässt sich entnehmen, wie der Ukraine-Krieg zum rasanten Wachstum der Rüstungsbranche in der EU führt und wer von dem Krieg profitiert. Herausragendes Beispiel ist die Firma Czechoslovak Group (früher: Excalibur Group) mit Hauptsitz in Prag, der es gelungen ist, ihren Umsatz um 192,7 Prozent auf 3,63 Milliarden US-Dollar nahezu zu verdreifachen. Den größten Teil ihres Umsatzes erzielte sie in der Ukraine; dabei profitiert sie in besonderem Maß von der Initiative der tschechischen Regierung zur Beschaffung von Munition für die ukrainische Armee.
Nummer zwei weltweit
Besonders hohe Wachstumsraten konnten die vier deutschen Waffenschmieden unter den Top-100-Konzernen erzielen, deren Gesamtumsatz um rund 36 Prozent auf 14,9 Milliarden US-Dollar stieg. Auch sie verdanken dies dem Ukraine-Krieg. Rheinmetall etwa konnte 2024 einen Gesamtumsatz von 8,2 Milliarden US-Dollar erzielen und stieg damit von Platz 26 auf Platz 20 der SIPRI-Rangliste auf. Dabei geht ein Umsatz von 1,4 Milliarden US-Dollar laut SIPRI allein auf Verkäufe in die Ukraine zurück. Rheinmetall will seinen Umsatz bis ins Jahr 2030 auf rund 50 Milliarden Euro steigern. Nach heutigem Stand wäre die Düsseldorfer Waffenschmiede damit die zweitgrößte der Welt nach Lockheed Martin. Der US-Konzern hat 2024 einen Rüstungsumsatz von 64,7 Milliarden US-Dollar erzielt. Rheinmetall verdrängte damit die derzeitige Nummer zwei, RTX mit einem Rüstungsumsatz von 43,6 Milliarden US-Dollar, auf Platz drei. Auf Rheinmetall trifft in besonderem Maße zu, was SIPRI bei rund zwei Dritteln der europäischen Rüstungskonzerne feststellt: Das Unternehmen wächst nicht nur durch eine Ausweitung bestehender Anlagen, sondern auch durch die Übernahme anderer Rüstungsunternehmen. Rheinmetall expandiert sogar in neue Sparten – Kriegsschiffbau und Satelliten. Das Wachstumspotenzial gilt als enorm.
Nummer eins in der EU
Dabei hat Rheinmetall 2024 mit 46,6 Prozent nur das zweitgrößte Wachstum in der deutschen Rüstungsbranche erzielt. Das stärkste erreichte Diehl; das Unternehmen, das vor allem für die Herstellung des Flugabwehrsystems Iris-T bekannt ist, steigerte seinen Umsatz gar um 52,9 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro und schaffte damit den Sprung von Platz 80 der SIPRI-Rangliste auf Platz 67. Ein Umsatzplus von gut 17,9 Prozent erzielte Hensoldt (Platz 62). Ein Plus von immerhin noch 12,3 Prozent erzielte ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS); der Konzern ist für seine Fregatten und für seine U-Boote bekannt. Deutsche Anteile haben neben Airbus der Raketenhersteller MBDA mit Standorten in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien (SIPRI-Rangliste: Platz 30) wie auch der deutsch-französische Panzerbauer KNDS (Platz 42). Das Stockholmer Forschungsinstitut hält fest, dass die größten Rüstungskonzerne aus Frankreich (26,1 Milliarden US-Dollar) und Italien (16,8 Milliarden US-Dollar) zwar noch höhere Umsätze erzielten als diejenigen aus Deutschland. Letzere aber wuchsen viel schneller (Frankreich: 12 Prozent; Italien: 9,1 Prozent). Die deutsche Branche hat damit das Potenzial, in absehbarer Zeit tatsächlich zur Nummer eins in der EU aufzusteigen.
Nähere Informationen zum Wachstum der vier größten deutschen Rüstungskonzerne finden Sie in Kürze auf german-foreign-policy.com.
Anmerkungen
[1] Angaben hier und im Folgenden aus: The SIPRI Top 100 Arms-Producing and Military Services Companies, 2024. SIPRI Fact Sheet. Solna, December 2025.