Der neue Papst wird zum globalen Influencer
Das Begräbnis von Papst Franziskus am Samstag, 26. April, ist zum geopolitischen Ereignis geworden. Das neu erwachte Interesse am Vatikan könnte den Heiligen Vater zum einflussreichen Vermittler und gleichzeitig zum Spielball zwischen den politischen Lagern machen. – Gedanken im Hinblick auf das Konklave, das morgen Mittwoch in Rom beginnt.
Die verschiedenen Mächte hätten gerne den nächsten Papst auf ihrer Seite, ist er doch ein bedeutender Akteur auf der weltpolitischen Bühne. Seine Position ermöglicht es ihm, als moralische Instanz und Mediator in internationalen Konflikten aufzutreten. Seine Stellungnahmen für Frieden und gegen Aufrüstung, für soziale Gerechtigkeit und eine menschenwürdige Immigration sowie den Umweltschutz finden weltweit Gehör.
Der Papst wird so zur politischen Figur erklärt – vom linken wie rechten Lager. Da sieht auch Donald Trump seine Chance, den neuen, reaktionären Konservatismus in den USA und anderen Staaten quasi „heilig sprechen“ zu lassen, jedenfalls war der US-Präsident (mit Ehefrau Melania) an der Abdankung medienwirksam anwesend. So auch der argentinische Präsident Javier Milei (mit seiner einflussreichen Schwester), der im Heimatstaat des verstorbenen Papstes eine knallharte ultraliberale Politik verfolgt. Zugegen war eine Schar weiterer Potentaten wie Lula da Silva (Brasilien), Tamás Sulyok (Ungarn) oder Ferdinand Marcos (Philippinen).
400’000 Gläubige versammelten sich auf dem Petersplatz und mehrere hundert Millionen vor den Bildschirmen. Auch mehr als 50 Staats- und Regierungschefs sowie Monarchen nahmen am feierlichen Anlass vor dem imposanten Dom teil. Die Messe wurde auf Lateinisch verlesen, wie es sich gehört.
Danach ging das symbolisch aufgeladene Bild von Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj um die Welt. Die beiden sassen in den Heiligen Hallen eine Viertelstunde von Angesicht zu Angesicht zusammen und diskutierten angeregt. Ein Exempel historischer Begräbnisdiplomatie.
Die Begeisterung für Papst Franziskus – vor allem für seine charismatische Persönlichkeit – ist nach seinem Tod grenzenlos, doch die Bilanz seiner Amtszeit bleibt eher dürftig.
Er galt als Reformer, doch kein einziges seiner Vorhaben konnte unter ihm vollendet werden. Heikle Themen wie Zölibat, Homosexualität, Abtreibung, Gleichstellung von Mann und Frau wurden zwar angesprochen, aber grundlegende Änderungen nie eingeleitet. Der Weg der Öffnung und der Erneuerung während seiner Amtszeit stiess stets auf massiven Widerstand – nicht von Antichristen, sondern von den eigenen Glaubensbrüdern.
Das klerikale System des Vatikans – dessen Oberhaupt Franziskus seit 2013 war – entstammt einer prädemokratischen Zeit. Alle Errungenschaften der Moderne – unter anderem demokratische Rechte, Gleichberechtigung und die Meinungsfreiheit – werden durch seine religiöse Glaubensgemeinschaft dementiert.
Die Zahl der Katholiken ist weltweit von 1,25 Milliarden im Jahr 2013 auf 1,4 Milliarden im Jahr 2023 leicht gestiegen. Dabei spielte das Bevölkerungswachstum in Afrika, Asien und Lateinamerika eine Rolle. Nirgendwo ist die katholische Kirche lebendiger als in Entwicklungs- und Schwellenländern.
In Europa dagegen müssen die Katholiken einen Rückgang der Mitgliederzahlen hinnehmen. So sank ihre Zahl in Deutschland von 24,2 Millionen im Jahr 2013 bis 2023 auf 20,3 Millionen (- 16 %). In der Schweiz ging die Zahl der römisch-katholischen Christen im gleichen Zeitraum um 11 % auf 2,28 Millionen zurück.
Doch genug des Tadels: De mortuis nihil nisi bene. Über Tote rede man nur gut, rät ein altes Sprichwort. Auch über den verstorbenen Kirchenvater. Schauen wir in die Zukunft: Das Konklave beginnt am 7. Mai und dauert in der Regel zwei bis drei Tage. 133 Kardinäle werden dort den neuen Papst wählen, im wohl schönsten Wahllokal der Welt, der Sixtinischen Kapelle.
Nach jedem Wahlgang erfährt die Öffentlichkeit per Rauchzeichen, ob ein neuer Papst bestimmt wurde oder nicht. Die Stimmzettel werden jeweils verbrannt. Kommt schwarzer Rauch aus dem Kamin, heisst das: Es gibt noch keinen Gewählten. Weisser Rauch hingegen bedeutet: „Habemus Papam“ – wir haben einen Papst.
Unter den heissesten Anwärtern für die Nachfolge, den sogenannten Papabili, sind folgende Kandidaten im Gespräch:
>> Pietro Parolin (Italien) ist der aktuelle Vatikan-Staatssekretär und gilt als Top-Favorit.
>> Luis Antonio Tagle (Philippinen) steht für die Fortsetzung der progressiven Agenda von Franziskus. Seine Werbe-Videos auf TikTok erreichen Millionen.
>> Peter Turkson (Ghana): Der prominente Vertreter aus Afrika setzt sich stark für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit ein und wäre im Fall seiner Wahl der erste afrikanische Papst seit Jahrhunderten.
>> Peter Erdő (Ungarn) gilt als führender konservativer Kandidat und steht für eine Rückkehr zu traditionelleren Ansichten.
Aktuell werden Pietro Parolin und Luis Antonio Tagle von Experten und Buchmachern als Kronfavoriten gehandelt. Parolin profitiert von seinem Netzwerk im Vatikan und seiner moderaten Haltung, die sowohl konservative als auch progressive Kreise ansprechen könnte. Tagle hat die Unterstützung vieler Franziskus-naher Kardinäle und steht für einen weiteren Modernisierungskurs der Kirche. Peter Erdő ist der aussichtsreichste Kandidat des konservativen Lagers.
Auch die Chancen eines afrikanischen Papstes wie Peter Turkson sind gestiegen, da die Zahl der Katholiken in Afrika wächst und ein nicht-europäischer Papst als Signal für die globale Kirche gesehen werden könnte.
Die Entscheidung hängt massgeblich davon ab, ob das Kardinalskollegium den Reformkurs von Franziskus fortsetzen oder einen konservativen Richtungswechseleinleiten möchte.
Doch Spekulationen hin oder her. Viele Gläubige hoffen, dass die katholische Kirche einen würdigen Nachfolger findet, der das Unvollendete seines Vorgängers weiterführt. Und hoffentlich findet Franziskus weiter oben einen entspannteren, vergnüglicheren Ort, wo weniger Mühsal auf ihn wartet. Schon der grosse Reformator Martin Luther liess vor 500 Jahren verlauten: „Wenn Gott keinen Spass verstünde, so möchte ich nicht in den Himmel.“