Der Krieg zweier Welten hat begonnen – Teil 3

Das große Spiel nicht aus den Augen verlieren: Der Hegemon kämpft um die Vorherrschaft gegen eine multipolare, aber heterogene Welt. Die Kehrtwende der USA überrascht wie damals der Mauerfall, betrifft aber nur einen Mosaikstein.

Einleitung

Im  1. Teil haben wir die Strategie der Briten und der Amerikaner im 1. und 2. Weltkrieg erörtert und herausgearbeitet, dass die Narrative dieser beiden Großkonflikte des 20. Jahrhunderts einer faktischen Überprüfung nicht standhalten. Weiter haben wir die gegenwärtige schwierige Lage beschrieben, in welcher sich der Kollektive Westen zurzeit befindet.

Im 2. Teil beschrieben wir die Stärke des Globalen Südens, welcher Unabhängigkeit vom jahrhundertelangen Korsett des Kollektiven Westens sucht und dazu eine Organisation namens BRICS geschaffen hat, welche bereits heute die größte wirtschaftliche Gemeinschaft bildet, die unsere Welt je gesehen hat. Der Umstand, dass diese Organisation vom Westen bis vor kurzem nicht wahrgenommen und somit nicht ernstgenommen wurde, hilft dem Westen nicht.

Wir haben somit die Schachfiguren in diesem großen Spiel beschrieben, um eine Basis für diesen 3. Teil unserer Serie zu erhalten, in welchem ich beabsichtigte, den Ablauf dieses Kampfes zu erörtern. Um unsere Leser bezüglich Länge der Artikel nicht zu überfordern, habe ich mich jedoch dazu entschlossen, die Kehrtwende der USA in ihrer Politik gegenüber Russland in diesem 3. Teil zu erörtern und dann einen 4. Teil folgen zu lassen, welcher die langfristige Entwicklung beschreiben wird. Die Schnelligkeit der Entwicklungen in der Geopolitik bringt somit sogar die Publikation einer kleinen Artikelserie durcheinander, aber das macht mein und hoffentlich auch das Leben unserer Leser spannender. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem Freund und Kollegen Dr. Andreas Mylaeus bedanken. Wir haben ein ganzes Wochenende damit verbracht, um das gegenwärtige Staccato gedanklich in eine verdaubare Ordnung zu bringen.

Kehrtwende der USA

Die augenfälligste und schwerwiegendste Entwicklung seit Präsident Trump wieder im Weißen Haus eingezogen ist, manifestiert sich in der erstaunlichen Kehrtwende der Trump-Administration gegenüber Russland und Präsident Putin. Zwar ließ Donald Trump bereits während des Wahlkampfs verlauten, dass er den Krieg in der Ukraine beenden wolle. Die von ihm propagierte 24-Stunden-Frist war jedoch Wahlkampfgeschwätz und wurde von uns auch als solche eingeordnet. Dennoch, mit einer solchen grundlegenden Kehrtwende hatte niemand gerechnet. Das letzte Mal, als eine geopolitische Wende dermassen einschlug und alle überraschte, war meines Erachtens der deutsche Mauerfall.

Die Öffentlichkeit wurde in den letzten Tagen von einem regelrechten Staccato überrascht:

12. Februar 2025 – Verteidigungsminister Pete Hegseth in Brüssel, Belgien

Beim jüngsten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel am 12. Februar 2025 legte der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth die Position der USA zum Ukraine-Konflikt dar. Dabei wurden die NATO-Partner von den USA durch drei Kernaussagen Hegseths überrascht: Erstens, die Rückkehr zu den ukrainischen Grenzen von vor 2014 seien unrealistisch. Zweitens, eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sei nicht als realistisches Ergebnis von Verhandlungen zu sehen. Drittens, eventuelle Friedenstruppen in der Ukraine dürften nicht unter der Schirmherrschaft der NATO entsandt werden und US-Truppen würden bei einem solchen Unterfangen nicht teilnehmen.

12. Februar 2025 – Telefongespräch Trump-Putin

Gleichentags griff Präsident Trump zum Telefonhörer und rief Präsident Putin an. Details zum Gespräch sind nicht bekannt, aber beide Seiten ließen danach verlauten, dass das Gespräch zielführend und konstruktiv verlaufen sei. Ein Hinweis auf die Breite und Tiefe dieser Unterhaltung ist die ungewöhnliche Länge dieses Gesprächs; es dauerte 90 Minuten.

Das darauffolgende Telefongespräch zwischen Donald Trump und (Präsident) Selenskyj dauerte lediglich ein paar Minuten und hinterließ bei Herrn Selenskyj keine Freude.

14. Februar 2025 – Rede von US-Vizepräsident Vance in München

Die Öffentlichkeit wurde vor allem durch die Brandrede von J.D. Vance am 14. Februar in München aufmerksam (unser Bericht). Gleichzeitig mit dem breiten Publikum wurde auch die gesamte politische Weltelite über die neue Strategie der USA informiert. Die konsternierten Gesichter der europäischen Elite während der Rede von Vize-Präsident Vance waren unbezahlbar. Die Kernaussage von Vance war, dass für Europa nicht Russland oder China die größte Gefahr sei, sondern die Gefahr aus dem Inneren, die Zerstörung der Meinungsäusserungsfreiheit.

18. Februar 2025 – Hochkarätiges US-Russland-Treffen in Riad, Saudi-Arabien

Am 18. Februar 2025 trafen sich der US-Außenminister Marco Rubio und der russische Außenminister Sergei Lawrow. Interessant war dabei, dass auch Yuri Uschakow, einer der engsten persönlichen Berater Präsident Putins zugegen war sowie der Leiter des Russian Direct Investment Fund (RDIF) Kirill Dmitriev, welcher in den USA lebte und in Stanford und Harvard studierte sowie bei Goldman Sachs arbeitete.

Yuri Uschakow ist ein Schwergewicht im Kreml und der wohl engste außenpolitische Berater Präsident Putins seit 2012. Vorher amtete Uschakow als russischer Botschafter in den Vereinigten Staaten (1998-2008). Die russische Delegation sandte somit Amerikakenner nach Riad, Persönlichkeiten, welche die Mentalität und das Geschäft der Amerikaner nicht nur vom Hörensagen, sondern aus nächster Nähe kennen.

Trump sandte nicht den Sonderbeauftragten Joseph Keith Kellogg, sondern Steve Witkoff, einen ausgewiesenen Dealmaker.

Schon aufgrund der Zusammensetzung beider Delegationen ist erkennbar, dass beide Seiten dieses Treffen nicht als diplomatisches Vorgeplänkel sahen, sondern ernsthafte Gespräche geführt und bereits erste Entscheide getroffen wurden, welche substantiell waren.

Einordnung dieses Staccatos

Russland verlangt eine umfassende Neuordnung

Donald Trump möchte mit den Russen bezüglich der Ukraine einen «deal» machen. Den Russen geht es bei dieser Annäherung jedoch nicht nur um die Ukraine. Sie streben an, die gesamten bilateralen diplomatischen, militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen. Bei Gesprächen über einen bilateralen umfassenden Neuanfang zwischen zwei Weltmächten haben die Europäer wahrlich keinen Platz am Tisch – auch nicht am Katzentisch. Dass die Europäer beleidigt sind, an die bisherigen Gespräche nicht eingeladen worden zu sein, ist somit reines, nicht zielführendes Ego-Gehabe.

Die Russen sind in einer derart starken Position, dass sie einen umfassenden Neuanfang mit den Amerikanern fordern. Die Amerikaner scheinen dazu bereit zu sein. Larry Johnson schreibt denn auch am 19. Februar, dass als Ergebnis des Treffens in Riad sechs Arbeitsgruppen eingesetzt werden sollen. (1) Gruppe für strategische Sicherheit und Rüstungskontrolle; (2) Gruppe zur Überprüfung der globalen Sicherheitsarchitektur; (3) Gruppe für bilaterale diplomatische Beziehungen; (4) Gruppe Energie und Sanktionen; (5) Gruppe für die Beilegung des Konflikts in der Ukraine; (6) Gruppe Internationale Angelegenheiten (Naher Osten, Arktis).

Hintergrund der amerikanischen Interessen: Konsolidierung

Die USA haben mit ihrem Marktaustritt aus Russland über 300 Milliarden US-Dollars verloren. Weiter haben die Amerikaner astronomische Beträge zur finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine eingesetzt und keine Erfolge verbucht.

Die Tatsache, dass Russland wirtschaftlich heute stärker dasteht als vor 2022, ist auch ein Hinweis dafür, dass das amerikanische Interesse an einer Beendigung der westlichen Sanktionen mindestens so gross ist wie das russische. Die EU-Sanktionen sind bedeutend weitreichender als die US-Sanktionen. Diese haben den Europäern nicht nur geschadet, sondern die EU an den wirtschaftlichen Abgrund geführt. Die EU und die Schweiz, welche Russland sogar mit mehr Sanktionen belegte als die EU, haben somit das größte Interesse an einem Sanktionsabbau. Die Ankündigung der Europäer, die Sanktionen unabhängig von den USA aufrechtzuerhalten, ist somit eine reine Trotzreaktion von beleidigten Verlierern. Falls es auf amerikanischer Seite zur Aufhebung der Sanktionen kommt, ist es kaum vorstellbar, dass die Europäer und somit auch die Schweiz ein Sanktionsregime aufrechterhalten könnten und wollten, denn damit würden sie den größten europäischen Markt kampflos den Amerikanern überlassen.

Die Amerikaner scheinen erkannt zu haben, dass sie ihre Kräfte konsolidieren müssen, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder schlagkräftiger zu werden. Elon Musks DOGE zeigt, dass die Amerikaner bestrebt sind, Geld zu sparen und Ineffizienzen zu neutralisieren. Ob Musk schlussendlich wirklich Billionen einsparen wird, ist nicht abzuschätzen, aber das Bestreben ist da und viele Amerikaner scheinen die Aktionen Elon Musks zu unterstützen, auch wenn dies aufgrund der Mainstream-Medien in den USA nicht wahrnehmbar ist, da dort vor allem die Aparatschiks zu Wort kommen, die sich ihrer Pfründe beraubt sehen.

Weiter ist interessant, dass die Aussagen Trumps zu Panama, Kanada und Mexiko ein Zeichen dafür sind, dass die USA ihren Einfluss in der unmittelbaren Umgebung ihrer nationalen Grenzen stärken möchten.

Überraschend in diesem Zusammenhang ist eine Aussage von US-Außenminister. Marco Rubio sagte in der Megyn Kelly Show am 30. Januar, dass die Zeiten der unipolaren Welt, welche ein Ergebnis des Endes des Kalten Krieges gewesen sei, vorbei seien, dass sich eine multipolare Welt bilde und dass die Interessen der einzelnen großen Mächte – und somit auch der USA – mit Kooperation gelöst werden müssten und man auch mit Mächten kooperieren müsse – er nannte den Iran und Nord-Korea – «die man nicht zum Nachtessen einladen würde». Die Aussagen von Rubio sind augenöffnend. Es scheint, dass sich die Amerikaner bewusst sind, dass eine unipolare Machtausübung, welche 1945 ihren Beginn nahm und nach 1991 verstärkt wurde, keine Strategie mehr darstellt, welche realistisch durchsetzbar ist.

Die Aussagen Präsident Trumps zu den Kriegsgründen

Ich habe an einem Anlass in Zürich am 22. März 2024 dem Narrativ des Westens zu den Kriegsgründen Fakten gegenübergestellt. Damals war ich nicht überrascht, dass man mich daraufhin in den westlichen Mainstream-Medien als Kreml-Propagandisten beschimpfte.

Präsident Trump scheint heute unserer Meinung zu sein: Hauptursache des Ukrainekriegs war die NATO-Osterweiterung:

 Peter Hänseler spricht beim InputEvent vom 22. März 2024

Ob die Amerikaner tatsächlich von dieser neuen Einschätzung überzeugt sind, ist meines Erachtens unerheblich. Sie scheinen jedenfalls erkannt zu haben, dass eine komplette geopolitische Neuorientierung notwendig ist, um ihre Machtstellung erhalten zu können.

Auf jeden Fall beginnt das bisherige westliche Mantra vom «unprovozierten Aggressionskrieg Russlands» erheblich zu bröckeln. So sprach Steve Witkoff, Trumps Emissär für Verhandlungen zwischen den USA und Russland, etwa am 24.2.2025 in einem CNN-Interview davon, dass der Ukraine-Krieg zwar provoziert worden sei, aber «nicht unbedingt von Russland» und der neue amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth sagte am 23.2.2025 in einem Interview mit Fox News Sunday auf die Frage zu den Ursachen des Krieges: «Man kann wohl sagen, dass es eine sehr komplizierte Situation ist.»

Europa läuft Gefahr, isoliert zu werden

Wir haben oft über die Haltung Europas gegenüber Russland berichtet. Es wurde eine Atmosphäre geschaffen, die man das letzte Mal in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Deutschland wahrnehmen konnte, als die Lautstärke von Propagandaparolen («Wollt Ihr den totalen Krieg?») im Gleichschritt mit dem Untergang zunahm. Wie das letzte Mal war dieser Strategie auch diesmal kein Erfolg beschieden. Die europäische Wirtschaft liegt am Boden, auf dem Schlachtfeld wird verloren und auch die sich wiederholende Wunderwaffenstrategie war nicht erfolgreich (dazu unser Beitrag vom Januar 2023 «Wunderwaffen, Waffensysteme und Geschwätz»). Anstatt sich den Realitäten anzupassen, wie dies die Amerikaner jetzt tun, welche dafür bekannt sind, sich innerhalb kürzester Zeit neu zu erfinden, kommen aus Brüssel und Berlin Durchhalteparolen, die mehr an Monty-Python als an Realpolitik erinnern.

Europäische Staaten hatten einen Resolutionsentwurf zum Ukrainekrieg an die UNO-Generalversammlung vorbereitet, der sich die USA nicht anschließt. Stattdessen hat die Trump-Administration einen Gegenentwurf vorgelegt und bekräftigt «dass der Hauptzweck der Vereinten Nationen darin besteht, den internationalen Frieden und die Sicherheit zu wahren und Streitigkeiten friedlich beizulegen». Das Papier nennt weder Russland explizit als Aggressor noch fordert es einen Rückzug russischer Truppen von ukrainischem Staatsgebiet. Russlands UN-Vertreter Wassili Nebensja lobte das Vorgehen der USA als «guten Schritt». Westliche Diplomaten sagen, ein derart reduzierter Text, der weder die russische Aggression verurteile noch auf die territoriale Integrität der Ukraine Bezug nehme, «wirkt wie ein Verrat an Kiew und ein Seitenhieb auf die EU, aber auch wie eine Missachtung zentraler Prinzipien des Völkerrechts».

Wir sind somit an einem Punkt angekommen, wo es evident wird, dass sich Europa und die USA im UNO-Glaspalast in New York offen gegenüberstehen – auch ein Novum. Bei der Abstimmung über den amerikanischen Resolutionsentwurf hat sich die USA in der UNO-Vollversammlung noch nicht durchsetzen können. Aber der gleichlautende amerikanische Resolutionsentwurf wurde vom UN-Sicherheitsrat mit den Stimmen Russlands und Chinas mit dem Stimmenverhältnis 10 von 15 angenommen (die 5 Europäer haben sich der Stimme enthalten).

Ich erachte die Chance, dass sich Europa gegenüber den Amerikanern in irgendeiner Weise durchsetzen kann, als nicht vorhanden, denn Europa hat in New York nicht nur die Amerikaner, sondern auch Russland und China als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates gegen sich.

Stellvertretend für das komplett aussichtslose Agieren Europas sei hier Annalena Baerbock genannt, die – wie immer – Aussagen macht, welche – wir ringen nach Worten – nicht nur realitätsfremd, sondern auch ideologisch verbohrt sind.

Kabarettisten werden Außenministerin Baerbock wohl vermissen – sie war eine unversiegbare Quelle für Witze

«Wir erhöhen den Druck auf die Amerikaner, dass sie maximal viel zu verlieren haben, wenn sie nicht mehr an der Seite der liberalen Demokratien Europas stehen» AUßENMINISTERIN ANNALENA BAERBOCK

Um dieser Aussage komplett den Boden zu entziehen, muss man lediglich zwei Fragen stellen: Erstens, wie gedenkt Frau Baerbock, Druck auf die Amerikaner auszuüben? Zweitens, was haben die USA zu verlieren, das Deutschland ihnen wegnehmen könnte?

Europa hat komplett den Kopf verloren. Anstatt sich um das innenpolitische Chaos in ihren Ländern und um ihre eigenen Wirtschaften zu kümmern, läuft Europa Gefahr, nun auch noch geopolitisch isoliert zu werden.

Empörte unter sich – Emanuel Macron und Keir Starmer – Quelle: Euronews

Der französische Präsident Emmanuel Macron stufte den Kurswechsel von Donald Trump als Notfall ein und berief daher am 17. Februar in Paris eine Krisensitzung ein. Anwesend waren der Deutsche Olaf Scholz, der Brite Keir Starmer, die Italienerin Giorgia Meloni, der Pole Donald Tusk, der Spanier Pedro Sánchez, der Niederländer Dick Schoof und die Dänin Mette Frederiksen. Staatsführer der EU, welche der EU-Politik betreffend die Ukraine kritisch gegenüberstehen, wurden nicht eingeladen. Man lud somit lediglich jene ein, von denen man erwartete, dass man eine Einigung erzielen könnte. Ergebnis: Keine Einigung. Ein Schulbuchbeispiel eines Zwergenaufstandes. 

Stand 25. Februar 2025 scheint aber auch hier etwas Bewegung zu entstehen. Die deutsche Tagesschau berichtet wie folgt: «US-Präsident Donald Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben bei ihrem Treffen in Washington über mögliche Friedensverhandlungen zwischen Russland und der angegriffenen Ukraine diskutiert. Macron zeigte sich nach dem Gespräch optimistisch: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Staatschefs sprach er von «substanziellen Fortschritten». «Ich glaube, das war heute ein Wendepunkt in unseren Diskussionen», so Macron nach dem Treffen.» Man darf gespannt sein, welche «Wende» diese europäischen Wendehälse vollziehen werden – vielleicht wieder 360 Grad, wie Frau Baerbock vorschlagen würde?

Das Schicksal von Selenskyj

Das große Problem Europas besteht darin, dass (Präsident) Selenskyj vom Westen seit 2022 in einer Art und Weise präsentiert wurde, die einer auch nur oberflächlichen Überprüfung keineswegs standhält.

Fakt ist, dass Selenskyj 2019 mit einer grossen Mehrheit – 73.22% – zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde. Dieses großartige Ergebnis hatte er seinem Hauptwahlversprechen zu verdanken: Er versprach seinen Wählern, Frieden mit Russland zu schließen und eine faire und menschliche Lösung für den Donbass anzustreben. Damals bediente er sich noch seiner Muttersprache – russisch.

Es kam anders. Unter seiner Herrschaft wurde die russischstämmige Bevölkerung politisch und kulturell unterdrückt und Selenskyjs Armee beschoss die Zivilbevölkerung des Donbass, vor allem Donetsk. Dabei kamen über 15’000 Zivilisten um. Er ist es, der den Krieg gegen Russland zu verantworten hat. Er ist es, der die Entvölkerung seines Landes zu verantworten hat. 1991 lebten in der Ukraine 52 Millionen Menschen, heute sind es noch um die 21 Millionen. Im Land des «Totfeindes der Ukraine» – Russland – leben übrigens ca. 16 Millionen Ukrainer, Tendenz steigend. Sie leben in Freiheit und mit der Möglichkeit, ihre Kultur so zu leben, wie sie sich dies wünschen und ohne jede Anfeindung, denn die Russen betrachten die Ukrainer als Brüder. Siehe dazu unseren Beitrag vom Juni 2023 «Katastrophale Depopulation der Ukraine».

Die Zahl der Toten liegt zurzeit wohl um eine Million, dazu werden noch ca. 2,5 Millionen Verwundete kommen. Junge Ukrainer werden von Rekrutierungskommandos regelrecht auf Straßen, in Trams, in Schulen, Restaurants und Wohnblocks gejagt. Täglich werden Fahrzeuge von Rekrutierungskommandos in Brand gesteckt und deren Mitglieder von Angehörigen der jungen Männer – oft Mütter und Großmütter – tätlich angegriffen.

Seit Mai letzten Jahres regiert Selenskyj ohne Rechtsgrundlage, da er sich weigert, fällige Neuwahlen abzuhalten – dies wohl mit gutem Grund. Er selber behauptet, dass er über eine Zustimmungsrate von 57% verfüge – Präsident Trump sagt, diese liege bei lediglich 4%. Die genaue Zahl ist schwierig zu ermitteln, aber man kann davon ausgehen, dass Selenskyj wohl nicht über 10% der Stimmen erhalten würde.

Die Wirtschaft und die Öffentliche Hand in der Ukraine würden keinen Monat ohne Milliardenhilfen aus dem Westen überleben können.

Aus meinem Freundeskreis, die Freunde und Verwandte in der Westukraine haben, höre ich, dass man sehr wohl mit einem Friedensvorschlag im Sinne der Russen leben könne.

Das große Problem von Selenskyj liegt darin, dass er – in guter amerikanischer Manier – von Präsident Trump fallen gelassen wurde wie eine heisse Kartoffel. Dies, nachdem er sich gegenüber den Amerikanern unanständig verhalten habe. Selenskyj wird sich auf keinen Fall an der Macht halten können und sein Leben ist in Gefahr: Er hat keinen Rückhalt im Volk und seinen größten Verbündeten hat er verloren. Falls Selenskyj in den nächsten Tagen oder Wochen ins Exil – etwa nach Großbritannien, Frankreich oder Italien – flüchtet, sollte niemand überrascht sein. Ein Exil im sonnigen Florida scheint nicht mehr möglich zu sein. Am 23. Februar versuchte Selenskyj einen Befreiungsschlag, als er seinen Rücktritt anbot, falls die Ukraine in die NATO aufgenommen würde. Ein Vorschlag, der zeigt, dass Selenskyj den Bezug zur Realität komplett verloren hat.

Werden die Amerikaner jetzt Freunde der Russen?

Donald Trump ist ein guter Verkäufer und er verkauft seinem Volk die gegenwärtige Strategie überzeugend. Die Aggression der USA gegen die Russen schiebt er der Biden-Administration in die Schuhe und erzählt seinem Volk eine komplett neue und diesmal wahre Geschichte betreffend Russland und Präsident Putin, um den möglichen Frieden und die Beendigung des Ukrainekonflikts seinem Volk als Erfolg verkaufen zu können.

Der Umstand, dass Donald Trump sich nicht einmal mit seinen Partnern in Europa absprach, wird nur diejenigen überraschen, welche der Meinung sind, dass die USA die Europäer als gleichberechtigte Partner betrachten. Dem ist nicht so – die Amerikaner betrachten Europa als Kolonie und somit macht das Vorgehen aus amerikanischer Warte durchaus Sinn. Es ist nicht der Fehler von Donald Trump, dass sich die europäischen Handlanger wichtiger nehmen als sie sind und fälschlicherweise davon ausgehen, gleichberechtigte Partner zu sein.

Der Stimmungswandel hat jedoch keineswegs mit positiven Emotionen zu tun. Ich persönlich finde es immer problematisch, wenn man zur Beschreibung von Beziehungen zwischen Ländern das Wort «Freundschaft» verwendet. Die einzige Pflicht eines Staatsoberhaupts in der Außenpolitik besteht darin, die Interessen seines Landes zu vertreten – mit Freundschaft hat das nichts zu tun. Die Amerikaner haben handfeste Gründe für ihren Kurswechsel. Sie haben – auch mit Hilfe der gesamten NATO – zurzeit keine Chance gegen die russische Militärmacht:

Erstens, sind die von der NATO mit astronomischen Summen unterstützten Ukrainer auf dem Schlachtfeld ohne Chance geblieben.

Zweitens leeren sich die Munitionslager aller NATO-Länder sehr schnell, denn der Westen kann die gelieferten Waffen und Munition nicht ersetzten, da die industrielle Kapazität fehlt. Bezüglich Artilleriemunition produzieren die Russen zehn Mal mehr als die gesamte NATO. Auch sind die westlichen Waffensysteme den russischen unterlegen. Militärexperten wie etwa Andrei Martyanov sprechen von einem technologischen Rückstand der westlichen Rüstungstechnologie gegenüber der russischen von einer bis anderthalb Generationen.

Drittens hatten die Sanktionen gegen Russland eine gegenteilige Wirkung, zu dem was geplant und erwartet wurde: Russland wurde wirtschaftlich stärker und der Westen – allen voran Deutschland – litt unter den Sanktionen.

Die Kehrtwende der USA ist somit als opportunistisch zu qualifizieren. Die Amerikaner scheinen den Ernst der Situation endlich erkannt zu haben und reagieren darauf konstruktiv – ganz im Gegensatz zur EU. Sie haben erkannt, dass Russland weder wirtschaftlich noch militärisch zu besiegen ist, ein weiteres Fortführen dieser Strategie die Partnerschaft Russlands zu China noch weiter festigt und den Westen mit der Zeit völlig ruiniert. Die Einladung Trumps an Russland, der G7 wieder beizutreten, ist so zu verstehen, dass Trump beabsichtigt, die Russen von den Chinesen bzw. BRICS loszueisen. Man erinnert sich, als 1972 Kissinger und Nixon nach China reisten, nicht etwa um Freunde der Chinesen zu werden, sondern lediglich, um einen Keil zwischen China und Russland zu treiben. Jetzt wird dies wieder versucht, diesmal einfach mit Russland. Ich gebe diesem Unterfangen jedoch keine Chancen. Den Russen ist absolut klar, dass Trump opportunistisch handelt. Selbst wenn Trumps Absichten aufrichtig und nachhaltiger Natur sind, wird in spätestens vier Jahren wieder ein neuer Präsident im Weißen Haus sitzen und es ist durchaus möglich, dass die alte Deep-State-Strategie dann wieder aufleben wird. Im ersten Teil habe ich bereits auf Noam Chomsky verwiesen, welcher diese These vertritt.

Fazit

Donald Trump sieht ein, dass es kein weiser Weg ist, Russland frontal anzugreifen. Es liegt im Interesse der Amerikaner und der Russen, dass die direkten Beziehungen zwischen diesen beiden Schwergewichten normalisiert werden.

Der Hauptgrund dafür, dass die Europäer über diese schlagartige Entwicklung komplett die Fassung verlieren, ist mehrschichtig: Erstens, Russland geht aus einer Position der Stärke in diese Verhandlungen; dies treibt die kriegstreibenden Europäer zur Weißglut, da sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie verloren haben. Zweitens, die jahrelange europäische Hasspropaganda gegen einen Feind, der nun gewinnt, zeitigt jetzt Konsequenzen. Die von europäischen Politikern gemachten Aussagen waren dergestalt, dass die betreffenden Personen keine glaubwürdige Außenpolitik mehr betreiben können. Man kann Präsident Putin nicht über Jahre als «Hitler» bezeichnen und dann bei einem Besuch im Kreml verkünden, das alles sei lediglich ein großes Missverständnis gewesen. Die betreffenden Damen und Herren müssen somit notwendigerweise ausgewechselt werden – so wie dies in den USA bereits geschehen ist. Drittens, der jetzt von mehreren europäischen Führern und der EU organisierte Zwergenaufstand – etwa die Aussage, dass die Sanktionen der EU unabhängig von der US-Politik weitergeführt würden – zeugt nicht von weisem Agieren. Es wird eine Frage der Zeit sein, bis jene Leute in den USA, welche ihre Untertanen in Europa instruieren, ausgewechselt werden und dann steht Europa – allen voran Deutschland – wieder stramm und marschiert mit den Kolonialherren. Die von Friedrich Merz nach seinem Wahlsieg propagierte Politik, unabhängig von den USA zu agieren, wäre zwar ein Segen für Deutschland. In diesem Fall müsste man jedoch die Beziehungen zu Russland normalisieren, wonach es aber derzeit in keiner Weise aussieht. Sich gleichzeitig von den USA zu emanzipieren und mit Russland keine normalen Beziehungen zu haben, funktioniert nicht.  

Das zerstrittene und fraktionierte Europa wird nur noch durch das gemeinsame Feindbild Russland zusammengehalten. Daher die Panik, dass plötzlich Frieden «ausbrechen» könnte. Friedrich Merz macht auch innenpolitisch alles falsch, wenn er die AFD nicht in die Regierungsverantwortung einbezieht. Deutschland hat «mitte-rechts» gewählt. Durch die Brandmauer, welche Friedrich Merz weiterhin propagiert, gibt er dem Volk eine «mitte-links»-Regierung und tritt damit den Volkswillen und die Demokratie mit Füssen. Deutschland wird außenpolitisch komplett isoliert dastehen und durch die neue Koalition innenpolitisch nichts auf die Reihe bringen. Hier müssen wir den ersten Besuch des neuen Kanzlers in Washington abwarten; ich gehe davon aus, dass der Blackrock-Knecht Merz «jawohl!» brüllen wird und nicht «nein, nein, nein!».

Die Russen stehen geopolitisch unter keinerlei Druck, die Ukrainefrage zeitnah zu lösen. Sie gewinnen auf dem Schlachtfeld, haben ein großes Renommee im Globalen Süden und das Volk steht hinter der Regierung. Schließlich haben die Russen eine wachsende Wirtschaft und somit Zeit. Das ist Geopolitik. Menschlich sind die Russen jedoch sehr daran interessiert, das Sterben möglichst schnell zu beenden und die Bevölkerung schaut einer Wende mit den Amerikanern positiv entgegen.

Donald Trump will das Momentum nutzen, das er aufgrund der Unterstützung seines Volkes jetzt hat, und ist bemüht, seine geopolitischen Kräfte zu konsolidieren. Der Ukrainekonflikt kostet immense Geldsummen, Waffen und Munition aus Lagern, welche bereits leerer sind als ihm lieb ist. Er will diese Blutung stoppen.

Die Russen denken immer langfristig. Lediglich den militärischen Konflikt in der Ukraine beizulegen, ist Russland zu wenig. Sie wollen mit den Amerikanern eine umfassende Einigung finden, die Abrüstung, Wirtschaft, Konfliktlösung und mehr umfasst. Es gelang ihnen augenscheinlich, die USA zu überzeugen, eine solche breite Palette abzudecken – ein Zeichen dafür, wie stark Russlands Position tatsächlich ist.

Damit zeigt sich auch die verschiedene Herangehensweise der Amerikaner und Russen: Die Amerikaner sind deal-maker und arbeiten transaktionsbasiert, die Russen setzen ihre Gesamtstrategie um. Das zeigt sich etwa darin, dass Präsident Putin die Interessen von BRICS in diese Strategie einbindet und diese als Partner behandelt. Präsident Trump kümmert sich (zurzeit) wenig um die Interessen der europäischen Länder, da er diese als Kolonien betrachtet.

Kurzfristig ist die Kehrtwende für die Welt eine gute Nachricht, denn es scheint zurzeit möglich, den Ukrainekonflikt zu beenden. Das ist ein Segen für die Ukraine und Russland – niemand sieht gerne Leichenberge von Vätern und Söhnen. Egal ist dieses Blutbad jenen, welche aus diesem Krieg monetäre oder politische Gewinne zogen – allen voran der westliche militärisch-industrielle Komplex, gekaufte Politiker und Journalisten, von denen es eine überwältigende Zahl gibt und welche nun – zu Recht – von Panikattacken ergriffen werden, da es Elon Musk scheinbar gelingen wird, die Zahlungsströme – etwa von USAID – nach Europa zu verfolgen – auch in die Schweiz?

Es könnte das eintreffen, was niemand erwartet hatte. Frieden, Aufhebung von Sanktionen, mit dem Ergebnis, dass dann viele Menschen in Europa behaupten werden, nie russophob gewesen zu sein. Die Geschichte wiederholt sich: «Wir hatten mit der ganzen Sache nichts zu tun».

Eine solch überraschende geopolitische Wende sah ich zum letzten Mal beim deutschen Mauerfall. Auch damals dachten viele Menschen, dass der ewige Frieden ausgebrochen sei, was dann aber nicht geschah.

Der Ukrainekrieg und dessen mögliche Beendigung betrachte ich lediglich als ein Mosaikstein eines größeren, gigantischen Konflikts, welcher bereits am Laufen ist: Der Krieg der Welten. Im 4. Teil geht es weiter.

Zum Originalartikel auf «Voice from Russia»

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