Ein Bild von der Landung in der Normandie am 6. Juni 1944, die zwar entgegen den Behauptungen selbst prominenter Journalisten – man denke etwa an den Chefredakteur Patrik Müller von den CH Media – nicht die Wende im WKII war, aber die größte Seelandungsoperation der Kriegsgeschichte. (Bild WikiImages)

Der Kampf um positive Schlagzeilen am Dnepr

(Red.) Um den Krieg in der Ukraine – nach Wunsch der USA – in die Länge zu ziehen, darf der Glaube an einen möglichen Sieg der Ukraine nicht verloren gehen. Das veranlasst die westlichen Medien, auch kleinste Erfolge der ukrainischen Streitkräfte an die große Glocke zu hängen. Ehrlicher ist es, die militärische Situation vor Ort genau anzuschauen, die keinen Sieg der Ukraine gegen Russland erwarten lässt. Der Militärspezialist von Globalbridge.ch hat das gemacht und setzt zur westlichen Berichterstattung deutliche Fragezeichen. (cm)

Seit Wochen dauern nun die Kämpfe um die Ortschaft Krynki in der Oblast Kherson, südlich des Flusses Dnepr (ukrainisch Dnipro) an. Der Übergang von Teilen von vier ukrainischen Marine-Infanteriebrigaden über den Dnepr und seine Nebenflüsse soll wohl von den Misserfolgen der ukrainischen Armee in anderen Abschnitten der Front ablenken. Und natürlich verbreitet die westliche Presse wie immer in solchen Situationen das Narrativ von „verheerenden Verlusten“ der Russen. Derweil geben die Ukrainer erneut große Versprechungen von einem Vorstoß auf die Krim im Frühjahr ab. Wie realistisch ist das alles? 

Krynki ist eine Siedlung von circa 2½ qkm Ausdehnung und erstreckt sich auf 8 km Länge entlang und des Krynka-Flusses, der südlich des Dnepr auf 20 km parallel zu diesem verläuft (1). Wie die Gegend nach der Zerstörung des Damms von Nova Kakhovka genau aussieht, wäre nur durch einen Termin vor Ort zu eruieren. Als sicher darf aber gelten, dass die Krynka wie auch der Dnepr in diesem Abschnitt langsam fließen, sich in zahlreiche Nebenarme aufteilen und von mehreren Kilometern breiten Auwäldern gesäumt sind. Durch die Ortschaft Krynki führt die Straße von Nova Kakhovka nach Oleshky in Ost-West-Richtung, aber keine von Norden nach Süden über den Dnepr und seine Nebenflüsse hinweg. Da stellt sich die Frage, weshalb die Ukrainer ausgerechnet hier landeten. 

Karte: Brückenkopf von Krynki
Karte: Live UA Map, Ergänzungen Verfasser

Die Antwort dürfte im Fehlen einer Brücke bei der Ortschaft liegen: Zweifellos haben die Russen in ihrem Verteidigungs-Dispositiv südlich des Dnepr ein Schwergewicht gegenüber der Straßenbrücke von Antonovka und der Eisenbahnbrücke bei der Station Dneprovskaya gesetzt, die 30 bzw. 23 km Luftlinie von Krynki entfernt liegen (2). Die Abschnitte dazwischen waren wohl nur überwacht und durch schwache Kräfte besetzt. Die Flüsse mit ihren Nebenarmen in den Wäldern dürften auch schwierig zu überwachen sein. Deshalb gelang es den Ukrainern, hier mit Booten und schwimmfähigen Schützenpanzern Truppen aufs Südufer überzusetzen. Was sie aus diesem taktischen Erfolg noch machen möchten, deuteten verschiedene Artikel in der westlichen Presse an: Dieser Brückenkopf soll aus Ausgangspunkt für die Rückeroberung des Südteils der Oblast Kherson und der Krim dienen (3). Vor allem aber soll er im Westen wohl neue Hoffnung auf einen ukrainischen Sieg entfachen. 

Schlucken die Russen den Köder? 

Natürlich ziehen die Russen in Betracht, dass die ukrainische Landung bei Krynki und das Presse-Gedöns, das darum herum gemacht wird, dazu dienen, sie zum Abzug von Truppen aus anderen Abschnitten der Front oder zum Einsatz von Reserven verleiten sollen. Das werden sie wohl nur machen, wenn sie sich stark genug fühlen, um Truppen für eine Aktion in einem Nebenabschnitt freizumachen. Ansonsten sind sie gut beraten, den Brückenkopf mit minimalen Mitteln zu isolieren, einen ukrainischen Ausbruch zu verhindern und die Truppen im Brückenkopf mit Artillerie, Raketen- und Fliegerangriffen zu vernichten. Im Abnützungskrieg ist es wichtig, dem Gegner immer einen Funken Hoffnung zu lassen, er könne mit dem Einsatz der letzten Kräfte noch eine Entscheidung herbeiführen, um ihn so zu verleiten, immer mehr Truppen in die Schlacht zu werfen, wo sie zerschlagen werden. Insofern können die Russen die ukrainischen Angriffe zu ihren Gunsten nutzen und müssen bei der Zerschlagung des Brückenkopfs keine Eile an den Tag legen. 

Übergang über den Dnepr

Wenn die Ukrainer nun den Brückenkopf bei Krynki als Ausgangspunkt für eine Operation im Süden der Oblast Kherson und auf der Krim nutzen möchten, dann müssen sie erst mehrere leistungsfähige Übergänge über die Flüsse und ihre Nebenarme bauen, sowie die notwendigen Zufahrten durch die Auwälder nördlich und südlich davon. Schwimm- oder Pontonbrücken sind auf den breiten und langsam fließenden Gewässern wahrscheinlich das richtige Mittel. Damit der Bau vonstattengehen kann und die Übergänge anschließend möglichst ungestört genutzt werden können, muss der Brückenkopf auf circa 10 km Tiefe ausgebaut werden, damit wenigstens die präzis schießende Rohrartillerie der Russen nicht darauf wirken kann. Zur Abwehr von Angriffen mit reaktiver Artillerie (4) und mit operativ-taktischen Raketen müssen entsprechende Luftabwehrsysteme im Brückenkopf stationiert werden. Zwecks Führung von Konterfeuer gehört auch ein Artillerie-Bataillon in den Brückenkopf, denn jenseits des Dnepr wäre dieses schon zu weit entfernt, um die Artillerie-Geschütze der Russen beschießen zu können. Ferner muss zur Abwehr von Angriffen russischer Front-Bomber Fliegerabwehr im Brückenkopf stationiert werden, die mindestens auf 40 km wirken kann (5). Und zuguterletzt müssen auch Systeme der elektronischen Kriegführung (EKF) aufgestellt werden, um die russischen Drohnen abzuwehren. Alles in allem wird der Brückenkopf durch Infanterie gegen terrestrische Angriffe, durch bodengestützte Luftverteidigung, Artillerie und EKF, das heißt einen Verband in Brigade-Stärke gesichert werden müssen. Auf den gut 150 qkm Fläche, welche so ein Brückenkopf messen würde, ist auch nicht viel mehr als die Stationierung von 4 bis 5 Bataillonen möglich. 

Zwei intakte Brücken sind unverzichtbar

Trotz allem müssen die Ukrainer danach Brückenköpfe gegenüber den erwähnten Straßen- und Eisenbahnbrücken erobern, denn nur diese weisen die Kapazität auf, die notwendig ist, um die danach südlich des Dnepr operierenden Verbände zu versorgen. Folglich müssen die Ukrainer nach der Sicherung des Brückenkopfs von Krynki in Richtung Nordosten und Südwesten angreifen, um gegenüber von Antonovka und der Station Dneprovskaya, sowie bei Nova Kakhovka zwei weitere Brückenköpfe zu erobern. Diese Angriffe erfordern ihrerseits wieder je eine bis zwei Brigaden und können wohl nicht gleichzeitig erfolgen, wenn sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt werden sollen. Insgesamt ist der Übergang über den Dnepr und seine Nebenflüsse eine Aufgabe, die von einem Verband in Divisions-Stärke gelöst werden muss. 

Karte: Übergang über Dnepr und seine Nebenflüsse
Quelle: yandex.ru, Ergänzungen Verfasser

Hoher Kräftebedarf

Der Angriff durch den Südteil der Oblast Kherson bis an die 90 bis 130 km entfernten Übergänge vom Festland auf die Halbinsel Krim bei Perekop, Chongar und Genichesk, erfordert den Einsatz von zwei nebeneinander eingesetzten Divisionen, bei welchen es sich in diesem offenen und flachen Gelände eigentlich nur um Panzerdivisionen handeln kann. Im Ostabschnitt werden sogar zwei Panzerdivisionen hintereinander eingesetzt werden müssen, denn eine allein wird die geforderte Angriffstiefe nicht erreichen. Zwar können Heeresflieger mit Kampfhubschraubern und Panzerjäger zur Abwehr russischer Gegenangriffe örtlich Panzerabwehr-Schwergewichte bilden, aber der Schutz der 130 km langen Ostflanke des Vorstoßes erfordert trotzdem noch mindestens eine Reserve in Stärke einer Mechanisierten Division. So kommt für die zweite Phase der Operation, den Stoß an die Übergänge auf die Krim, ein Kräftebedarf von drei bis vier Divisionen zusammen, die durch Korpstruppen aus Rohrartillerie, reaktiver Artillerie, Raketentruppen, Panzerabwehr, Fliegerabwehr, Heeresfliegern, Pionieren (Genie), Aufklärung, ABC-Abwehr, Fernmeldern und Logistik je im Umfang von einem Regiment bis einer Brigade unterstützt werden müssen. Alles in allem erfordert dieser Stoss einen Verband in der Stärke eines Armeekorps mit gegen 100’000 Mann. 

Die unzerstörte Einnahme der Übergänge auf die Krim erfordert Sonderoperationskräfte und Luftlandetruppen in Stärke von zwei Divisionen. Eine Luftlandedivision kann im Kampf circa eine Woche durchhalten, danach muss sie durch terrestrisch vorgestoßene Truppen aus der militärischen Isolation befreit – militärisch formuliert: entsetzt – werden, ansonsten geschieht mit ihr dasselbe wie mit der 1. Britischen Luftlandedivision in der Operation „Market Garden“ im Raum Arnheim, die aufgeben musste, bevor das britische XXX. Korps sie erreichen und entsetzen konnte (6). Die Luftlandeaktion kann folglich erst stattfinden, wenn das angreifende ukrainische Armeekorps sein erstes Angriffsziel erreicht hat. Sperren die Russen die Übergänge früher, dann war die ganze Aktion sinnlos. 

Vorbedingung: erfolgreiche Luft-Operation

Zur Führung eines Bewegungskriegs im Süden der Oblast Kherson ist Luftüberlegenheit erforderlich, wenn russische Kampfhubschrauber und Schlachtflieger (Sukhoi-25) nicht Gelegenheit erhalten sollen, die angreifenden Panzer und Schützenpanzer der ukrainischen Armee abzuschießen. Und der Transport der Luftlandetruppen zu ihren Landezonen rund um die Übergänge auf die Krim bedingt die Zerschlagung der bodengestützten Luftverteidigung in mindestens 100 km Distanz östlich der vorgesehenen Flugkorridore. Hierzu müssen die Ukrainer ihrerseits Kampfhubschrauber, Schlachtflieger und operativ-taktische Raketen einsetzen. Diese wiederum benötigen Schutz durch Jagdflugzeuge und Luftabwehr-Systeme. All das verlangt den Einsatz eines Front-Luftkorps mit mehreren Geschwadern, einer Flugabwehr-Brigade, mindestens zwei Flugplatz-Brigaden und sicherlich vier Flieger-Regimentern, alles in allem ein Verband von weit über 100 Kampfflugzeugen und mehreren zehntausend Mann (7). 

Britische Marines auf die Krim?

Erst nach dem Übergang auf die Krim wäre die Seelandung im Raum Yevpatoria an der Westküste der Krim sinnvoll, über welche ukrainische Quellen in den letzten Tagen spekulierten (8). Unter anderem war von einer Landung der britischen Royal Marines die Rede. Die Royal Marines bestehen im Wesentlichen aus der 3. Marine-Infanteriebrigade mit mehreren sogenannten Commandos, d.h. Verbänden in Stärke jeweils eines Bataillons. Das in Schottland stationierte und während des Kalten Kriegs für den Einsatz in Norwegen vorgesehene 45 RM Commando ist auf Kriegführung in der Arktis und im Gebirge spezialisiert und müsste wohl für den Einsatz auf der subtropischen Krim erst umgerüstet werden. Auch die anderen Bataillone der Royal Marines, das 40 und 42 Commando sind nicht auf die Landung an flachen Strandabschnitten wie der Westküste der Krim spezialisiert und ausgerüstet (9). Die steil abfallende Südküste der Krim beidseits von Jalta käme ihnen schon eher entgegen. 

Aber auch zu einer angelandeten Marine-Infanteriebrigade müssten Heerestruppen aufschließen. Solche Brigaden besitzen eine Durchhaltefähigkeit von einer Woche; ist der Entsatz dann nicht vor Ort, dann müssen sie sich unter feindlichem Feuer wieder auf ihre Landungsboote einschiffen. Und die Durchführung einer Seelandung erfordert selbstverständlich die See- und Luftüberlegenheit im fraglichen Gebiet. Voraussetzung wäre die Zerschlagung der bodengestützten Luftverteidigung der Russen auf der Krim, sowie der Küsten-Raketentruppen und der sie schützenden Küsten-Artillerie. Letztere ist besonders gefährlich für die Landungsboote, denn die 130 mm Geschütze der russischen Küstentruppen treffen auch schnell fahrende Schiffe (10). Sie könnten selbst den Luftkissenbooten der Briten, die an flachen Strandabschnitten landen können, gefährlich werden (11). Eine Landung an der Westküste der Krim könnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich den Charakter eines Überfalls haben, mit welchem die Weltöffentlichkeit beeindruckt und der russischen Armee Nadelstiche zugefügt werden sollen. Ob die britische Regierung ihre Royal Marines für ein Unternehmen ohne erkennbaren operativen Zweck hergeben will, ist fraglich. Ein Desaster wie in Dieppe 1942, als die Einnahme des Hafens nicht gelang und die Landungstruppen schwere Verluste erlitten, ist nie ganz auszuschließen (12). 

Die Knacknuss zum Schluss

Danach müssten die Ukrainer noch das Krim-Gebirge überwinden, um an die 140 bis 200 km entfernte Südküste der Halbinsel und auf die Halbinsel von Kertsch zu gelangen. Zur Einnahme der wenigen Pässe über das Gebirge müssten wohl wieder Luftlandetruppen eingesetzt werden und für den terrestrischen Stoß wieder mehrere Motorisierte Schützendivisionen. Diese Phase der Operation würde erneut ein Armeekorps verlangen und im günstigsten Fall zwei Wochen in Anspruch nehmen. 

Karte: Angriffsoperation der ukrainischen Armee in der Oblast Kherson und auf der Krim
Quelle: yandex.ru, Ergänzungen Verfasser

Eine wiederum völlig andere Aufgabe wäre die Einnahme der sicherlich stark befestigten Stadt Sewastopol. In Sewastopol sind große Teile der russischen Schwarzmeer-Flotte stationiert und auf der Krim ein russisches Armeekorps. Alleine die Belagerung der Stadt dürfte ein Armeekorps mit mehreren Divisionen verlangen und danach die Übernahme der Kontrolle über die Stadt eine Infanterie Division. Die Ukrainer haben in diesem Krieg keinerlei Erfahrung in Angriffsaktionen in großen Städten gesammelt und sie haben in dieser Hinsicht auch keinerlei Erfolge vorzuweisen. Schneller als in einem Monat wäre auch diese Operation nicht abzuschließen (13).

Nicht zu unterschätzen sind auch die logistischen Herausforderungen: Für jede der einzelnen Phasen der Operation wären mehrere Millionen Liter Treibstoff bereitzustellen, die aus der Tiefe des Raumes in der Zentralukraine per Eisenbahn herangeführt werden müssen, damit die Russen nicht Gelegenheit erhalten, die Depots schon früh zu zerstören. Acht bis zehn Millionen Liter dürften für den Stoß vom Dnepr an die Krim-Übergänge eine realistische Größe sein (14). Solche Mengen müssen mit Eisenbahnzügen verschoben werden, andere Transportmittel bringen nicht die notwendige Kapazität. In den 14 Tagen dieser Phase wären folglich mindestens 130 bis 150 Zisternenwagen heranzuführen, das bedeutet jeden Tag mindestens 10. Die notwendigen Munitionstransporte wären wohl noch um ein Vielfaches höher (15). 

Wunsch und Wirklichkeit, Propaganda versus Analyse

Die Landung ukrainischer Marine-Infanterie bei Krynki ist angesichts der Tatsache, dass der Ukraine die notwendigen Mittel fehlen, um die Angriffsoperation vom Dnepr an die Südküste der Krim durchzuführen, wohl eher als eine Aktion im Informationskrieg zu betrachten. 

Es stellt sich nicht nur die Frage, ob die Ukraine die für die skizzierte Operation benötigten Waffen und Finanzen aus dem Westen erhält, sondern auch, ob die Ukraine zwei Heereskorps und ein Front-Luftkorps im Umfang von insgesamt einer Viertelmillion Männern und Frauen rekrutieren und ungestört mehrere Monate lang ausbilden kann. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Russen den Ukrainern diesen Gefallen erweisen werden. Vielmehr ist zu vermuten, dass sie in den kommenden Monaten permanent Druck ausüben, um die Ukrainer zu zwingen, eben erst rekrutiertes und notdürftig ausgebildetes Personal an die Front zu werfen, wo diese Soldaten mangels gründlicher Ausbildung und auch mangels Erfahrung schnell auf die Verlustlisten kommen. 

Die Beurteilung von vor zwei Jahren, wonach Russland die Ukraine militärisch nicht besetzen kann, behält wohl ihre Gültigkeit, ebenso wie die Prognose vom Januar, dass die Ukraine die verlorenen Territorien mit militärischen Mitteln nicht zurückerobern kann (16). Es muss folglich zwangsläufig irgendwann zu Verhandlungen kommen, und an dem Tag, an welchem Verhandlungen beginnen, sollte Selenskyj noch ein paar einsatzbereite Verbände zur Verfügung haben, um nicht auf jede russische Forderung eingehen zu müssen. Jetzt vier Marine-Infanteriebrigaden für gute Schlagzeilen im Westen zu opfern, ist vielleicht nicht klug.

Die ukrainische Armee hat geleistet, was sie konnte: Sie hat den Russen im Inneren des Landes das Leben schwergemacht und sie gezwungen, sich auf das militärisch Machbare zu konzentrieren. Sie kann die Russen weiterhin etwas piesacken, aber mehr wohl nicht. Ob es sich lohnt, dafür den Preis zu zahlen, den der Krieg jetzt fordert, muss Selenskyj selbst entscheiden. Auch die NATO würde das Blatt kaum noch wenden können, denn sie hat keinerlei Erfahrung in der Führung von Kampfhandlungen hoher Intensität in großem Umfang. Es darf auch bezweifelt werden, dass sie eine Streitmacht von einer Viertelmillion Mann in den Südosten der Ukraine verlegen, dort unterhalten und erfolgreich einsetzen könnte. Imperial Policing oder moderner Counterinsurgency ist ihr Kompetenzbereich heute. Die Führung einer Verteidigungsoperation entlang einer Linie von der Dnepr-Mündung bis an den Oskol-Fluss an der Staatsgrenze liegt wohl aber durchaus im Bereich des Machbaren für die russische Armee und die letzten Wochen zeigten, dass sie durchaus auch zu begrenzten Angriffen in Städten fähig ist. Es ist höchste Zeit, Machbares von Wunschdenken, Propaganda von Analyse zu unterscheiden (17).

Anmerkungen

  1. Weiter westlich verlaufen die Flüsse Gnilusha und Konka parallel zum Dnepr/Dnipro.
  2. Nach Nordosten liegt Nova Kakhovka, wo einst der Dnepr-Staudamm mit einer darauf verlaufenden Brücke über den Dnepr verliefen, 23 km Luftlinie entfernt.
  3. Siehe David Axe: Exceptionally Heavy Losses’ As Russia’s Newest Airborne Division Attacks Ukraine’s Dnipro Bridgehead, bei Forbes Business, Aerospace & Defense, 15.12.2023, online unter https://www.forbes.com/sites/davidaxe/2023/12/15/exceptionally-heavy-losses-as-russias-newest-airborne-division-attacks-ukraines-dnipro-bridgehead/?sh=65f3b6d411c6 und „Good News for Ukraine and Europe, Finally„, bei rsn.org, reader supported news, 20.12.2023, online unter https://www.rsn.org/001/good-news-for-ukraine-and-europe-finally.html. Von einer gewissen Panik zeugen schon Frederick W. Kagan, Kateryna Stepanenko, Mitchell Belcher, Noel Mikkelsen, Thomas Bergeron in ihrem Artikel The High Price of Losing Ukraine; Military-Strategic and Financial Implications of Russian Victory, bei ISW Press, 14.12.2023, online unter https://www.understandingwar.org/backgrounder/high-price-losing-ukraine
  4. Mit Mehrfach-Raketenwerfern, d.h. Nachfolgesystemen der sowjetischen Katjuschas aus dem Zweiten Weltkrieg. 
  5. Die Reichweite der gelenkten Fliegerbombe UPAB-155 beträgt gemäß Herstellerangaben auf der Homepage von Rosoboronexport 40 km. Siehe „УПАБ-1500Б-Э“, bei Рособоронэкспорт, online unter https://roe.ru/catalog/vozdushno-kosmicheskie-sily/aviatsionnye-bomby/upab-1500b-e/, in russischer Sprache. Ob die FAB-1’500, wirklich die Wunderwaffe ist, von welcher die Presse unlängst berichtete, wird sich weisen müssen. Siehe Thomas Wanhoff: Diese russische Monsterwaffe kann ukrainische Bunker brechen, bei Watson, 01.11.2023, online unter https://www.watson.ch/international/russland/540864339-diese-russische-monsterwaffe-kann-ukrainische-bunker-brechen und „Gleitbombe FAB-1500: So verheerend soll Russlands neuer Bunkerbrecher sein“, bei Münchner Merkur, 03.11.2023, online unter https://www.merkur.de/politik/angriffe-infrastruktur-krieg-ukraine-russland-moskau-gleitbombe-bunkerbrecher-waffen-zr-92648326.html
  6. Siehe Sven Felix Kellerhoff: 35.000 Fallschirmjäger sollten den Krieg beenden, bei WELT Geschichte, 19.12.2023, online unter https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article132333035/Operation-Market-Garden-Zehntausende-Fallschirmjaeger-sollten-den-Krieg-beenden.html, und „Operation Market Garden“, bei National Army Museum, online unter https://www.nam.ac.uk/explore/market-garden. Ein Video dazu: „Operation Market Garden, What went wrong?“ des Imperial War Museums auf YouTube, online unter https://www.youtube.com/watch?v=mNSMTq-SwaA. Mit dem berühmten Hollywood Film „A Bridge too far“ ist Vorsicht geboten, denn er enthält einige Ungenauigkeiten, die bei „History Buffs: A Bridge Too Far“ aufgezeigt werden, auf YouTube, online unter https://www.youtube.com/watch?v=PjbEdZyEiMA
  7. Sicherlich zwei Front-Jäger, ein Schlachtflugzeug- und ein Front-Bomber Regiment bzw. Geschwader, sowie ein gemischtes Geschwader mit Aufklärern, EKF-Flugzeugen, Verbindungsflugzeugen, ggf. auch Tankern und AWACS-Flugzeugen. 
  8. Siehe МУСІЄНКО: Британія готова ВВЕСТИ ВІЙСЬКА В УКРАЇНУ! Чекають одного. Буданов різко відповів Заходу, aufYouTube, 17.12.2023, online unter https://www.youtube.com/watch?v=NcYf8TSlo-Y, in ukrainischer Sprache. 
  9. Siehe „Britische Commandos – Royal Marines kehren zu ihren Wurzeln als maritime Spezialkräfte zurück“, bei Soldat und Technik, 07.11.2019, online unter https://soldat-und-technik.de/2019/11/streitkraefte/16618/britische-commandos-royal-marines-kehren-zu-ihren-wurzeln-als-maritime-spezialkraefte-zurueck/, „Organization Royal Marines“ auf der Homepage der Royal Navy, online unter https://www.royalnavy.mod.uk/organisation/royal-marines und auf https://www.royalnavy.mod.uk/royalmarines.
  10. Zum Arsenal russischer Seeziel-Flugkörper siehe „Комплекс П-700 Гранит – SS-N-19 SHIPWRECK“ bei Military Russia, 01.11.2022, online unter http://militaryrussia.ru/blog/topic-398.html, „Комплекс П-800 / 3К55 Оникс / Яхонт – SS-N-26 STROBILE“, bei Military Russia, 15.05.2020, online unter http://militaryrussia.ru/blog/topic-92.html und „Комплекс 3К-14 / С-14 Калибр, ракеты 3М-54 / 3М-14 – SS-N-27 / SS-N-30 SIZZLER“, bei Military Russia, 21.01.2023, online unter http://militaryrussia.ru/blog/topic-818.html, alle in russischer Sprache, sowie „SS-N-27 Sizzler / P-900, 3M54 Klub family„, bei Warfare.be, Russian Military Analysis, online unter http://warfare.be/db/catid/312/linkid/2181/title/ss-n-27-sizzler-/-p-900%2C-3m54-klub-family/. Zur Küsten Artillerie siehe „Береговой артиллерийский комплекс А-222 «Берег» и его возможности“, bei Военное Обозрение, 14.11.2023, online unter https://topwar.ru/230133-beregovoj-artillerijskij-kompleks-a-222-bereg-i-ego-vozmozhnosti.html und „Артиллерийский комплекс А-222 Берег 130-мм. ТТХ. Дальность стрельбы. Боеприпасы“, bei Oruzhie.info, online unter http://oruzhie.info/artilleriya/722-a-222-bereg, in russischer Sprache. Vgl. „A-222E Bereg-E and Bal-E Modern Coastal Defense Systems from Russia„, bei Navyrecognition.com, 19.01.2017, online unter https://www.navyrecognition.com/index.php/news/defence-news/2017/january-2017-navy-naval-forces-defense-industry-technology-maritime-security-global-news/4800-a-222e-bereg-e-and-bal-e-modern-coastal-defense-systems-from-russia.htmlund „A-222 Bereg“, bei WeaponSystems.net, online unter https://weaponsystems.net/system/153-A-222+Bereg. Vgl. auch Ralph Bosshard: Der Große Knüppel im Mittelmeer, auf bkoStrat, 20.04.2023, online unter https://bkostrat.ch/2023/04/20/der-grosse-knueppel-im-mittelmeer/ und ders.: Grenzen Der Kanonenboot-Diplomatie – Keine Angst vor Flugzeugträgern!, bei bkoStrat, 02.12.2023, online unter https://bkostrat.ch/2023/12/02/grenzen-der-kanonenboot-diplomatie-keine-angst-vor-flugzeugtraegern/
  11. Siehe „LCAC (L) Hovercraft“ bei Elite UK Forces, online unter https://www.eliteukforces.info/uksf-gear/lcac/ und „Griffon Hoverwork secure Ministry of Defence contract„, bei Bland Group, online unter https://www.blandgroup.com/news-community/griffon-hoverwork-secure-ministry-of-defence-contract/109-240/
  12. Siehe Gernot Kramper: Dieppe Raid 1942: Wie die Eitelkeit eines Royals Tausende in den Tod schickte, bei Stern Geschichte, 26.08.2023, online unter https://www.stern.de/panorama/wissen/dieppe-raid-1942—wie-die-eitelkeit-eines-royals-tausende-in-den-tod-schickte-30852668.html und „The Dieppe Raid 19 August 1942“ auf der Homepage der Regierung Kanadas, online unter https://www.veterans.gc.ca/eng/remembrance/wars-and-conflicts/second-world-war/battle-of-dieppe. Vgl. Joshua Schick: Operation Jubilee: The Raid at Dieppe, bei The National World War II Museum, 08.10.2021, online unter https://www.nationalww2museum.org/war/articles/operation-jubilee-dieppe-raid-1942 und „Operation Jubilee – The Disastrous Dieppe Raid, August 19“, 1942, bei Combined Operations, online unter https://www.combinedops.com/Dieppe.htm
  13. Auch die Angriffe auf Mariupol und Bakhmut/Artemovsk dauerten jeweils mehrere Wochen. 
  14. Rechnung Treibstoff Verbrauch: Das Armeekorps müsste wohl bis zu 120 Bataillone der Kampf- und Kampfunterstützung umfassen, von denen die meisten während drei Tagen effektiv im Kampfeinsatz stünden und täglich 25’000 Liter Treibstoff verbrauchen würden, über 90% davon Diesel.
  15. Vgl. Ralph Bosshard: Der Fleischwolf von Bakhmut bleibt in Betrieb, bei bkoStrat, 15.03.2023, online unter https://bkostrat.ch/2023/03/15/der-fleischwolf-von-bakhmut-bleibt-in-betrieb/
  16. Vgl. hierzu die Artikel des Verfassers auf www.bkoStrat.ch
  17. Diese Forderung erhebt u.a. Pascal Lottaz: Wenn die US-Neocons ihre eigenen Lügen glauben …, bei Global Bridge, 20.12.2023, online unter https://globalbridge.ch/wenn-die-us-neocons-ihre-eigenen-luegen-glauben/, im Gegensatz bspw. zu“Ukraine war latest: Putin exaggerates number of Russian troops in Ukraine, intelligence says„, bei The Kyiv Independent news desk, 16.12.2023, online unter https://kyivindependent.com/ukraine-war-latest-ukraine-to-focus-on-domestic-arms-production-in-2024/ und auch David Axe.: Ukraine Has Figured Out A New Way Of Winning Battles: Start By Grounding Russia’s Drones Jam Russian radios, blow up Russian jammers, bei Forbes, online unter https://www.forbes.com/sites/davidaxe/2023/12/13/ukraine-has-figured-out-a-new-way-of-winning-battles-start-by-grounding-russias-drones/?sh=572daafd4c55 und ders.: ‘Complete Annihilation’: Five Russian Battalions Went Up In Smoke And Flames Trying To Surround Avdiivka, bei Forbes, 15.12.2023, online unter https://www.forbes.com/sites/davidaxe/2023/12/15/complete-annihilation-five-russian-battalions-went-up-in-smoke-and-flames-trying-to-surround-avdiivka/?sh=7d122f271542, sowie „Analysis: Russia’s tiny, Pyrrhic advances in Ukraine’s east„, bei Aljazeera, 14.12.2023, online unter https://www.aljazeera.com/features/2023/12/14/analysis-russias-tiny-pyrrhic-advances-in-ukraines-east.