Der republikanische Senator Jim Risch aus Idaho präsentiert den «2022 Democracy Award» an Oleksandra Matviychuk vom «Center for Civil Liberties» in Kiew.

Der Friedensnobelpreis: auch 2022 eine höchst problematische Vergabe!

(Red.) Spätestens seit der Vergabe des Friedensnobelpreises im Jahr 2009 an Barack Obama, der in seiner US-Präsidentenzeit 2009 bis 2017 für Millionen von unschuldigen Kriegsopfern verantwortlich war, weiss man es: Der Friedensnobelpreis wird nicht mehr an Menschen vergeben, die sich für den Frieden einsetzen, sondern an Personen oder Organisationen, die für die globale Vormacht der westlichen Länder eintreten. Auch diesmal war die Verleihung des Friedensnobelpreises keine Ehrung von Leuten, die sich für den Frieden einsetzen, es war ganz einfach ein Anti-Russland-Preis. Gesehen hat man das – zum Glück! – auch in den USA, wie eine Analyse von Medea Benjamin und Ariel Gold zeigt. (cm)

Medea Benjamin und Ariel Gold:

Der Friedensnobelpreis 2022 wurde an die ukrainische Menschenrechtsorganisation «Centre for Civil Liberties» (Zentrum für bürgerliche Freiheiten), den weißrussischen Menschenrechtsverteidiger Ales Bialiatski und die russische Menschenrechtsorganisation Memorial verliehen, was als harte Rüge für Russland bezeichnet wird. Während das ukrainische Zentrum für bürgerliche Freiheiten auf den ersten Blick wie eine Gruppe klingt, die diese Auszeichnung verdient, hat der ukrainische Friedenskämpfer Juri Sheliazhenko eine scharfe Kritik dazu verfasst.

Sheliazhenko, der die ukrainische pazifistische Bewegung leitet und Vorstandsmitglied des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung ist, wirft dem «Zentrum für bürgerliche Freiheiten» vor, sich der Agenda so problematischer internationaler Geldgeber wie des US-Außenministeriums und der «National Endowment for Democracy» NED anzuschließen. Die Organisation «National Endowment for Democracy» unterstützt die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, besteht darauf, dass keine Verhandlungen mit Russland geführt werden sollen und beschämt diejenigen, die einen Kompromiss suchen. NED will, dass der Westen eine gefährliche Flugverbotszone verhängt, sagt, dass nur Putin die Menschenrechte in der Ukraine verletzt, kritisiert nie die ukrainische Regierung für die Unterdrückung prorussischer Medien, Parteien und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, kritisiert nie die ukrainische Armee für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen und weigert sich, für das völkerrechtlich anerkannte Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen einzustehen.

Die Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern aus Gewissensgründen ist die Aufgabe von Sheliazhenko und seiner Organisation, der «Ukrainischen Pazifistischen Bewegung» UPM. Zwar hört man viel über russische Kriegsverweigerer, doch wie Sheliazhenko betont, gibt es auch in der Ukraine, die in den westlichen Medien als ein Land dargestellt wird, das in seinem Krieg mit Russland völlig geeint ist, Männer, die nicht kämpfen wollen.

Die «Ukrainische Pazifistische Bewegung» wurde 2019 gegründet, als die Kämpfe in der von den Separatisten beherrschten Donbass-Region ihren Höhepunkt erreichten und die Ukraine ihre Bürger zur Teilnahme am Bürgerkrieg zwang. Laut Sheliazhenko wurden ukrainische Männer „wegen kleinerer Vergehen wie Verkehrsverstößen, Trunkenheit in der Öffentlichkeit oder Unhöflichkeit gegenüber Polizisten von der Straße, aus Nachtclubs und Wohnheimen geholt oder zum Militärdienst eingezogen.

Erschwerend kam hinzu, dass die Ukraine nach dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 das Recht ihrer Bürger auf Kriegsdienstverweigerung aussetzte und Männern zwischen 18 und 60 Jahren verbot, das Land zu verlassen. Dennoch gelang es seit Februar über 100 000 ukrainischen Wehrpflichtigen, zu fliehen, anstatt zu kämpfen. Es wird geschätzt, dass mehrere Tausend weitere bei ihrem Fluchtversuch festgenommen wurden.

Die internationalen Menschenrechtsvorschriften bestätigen das Recht der Menschen, aus prinzipieller Überzeugung die Teilnahme an militärischen Konflikten zu verweigern, und die Verweigerung aus Gewissensgründen hat eine lange und reiche Geschichte. Im Jahr 1914 gründete eine Gruppe von Christen in Europa in der Hoffnung, den drohenden Krieg abzuwenden, den Internationalen Versöhnungsbund zur Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern aus Gewissensgründen. Als die USA in den Ersten Weltkrieg eintraten, protestierte die Sozialreformerin und Frauenrechtsaktivistin Jane Addams. Damals wurde sie scharf kritisiert, aber 1931 erhielt sie als erste Amerikanerin den Friedensnobelpreis.

In Russland weigern sich Hunderttausende von jungen Männern zu kämpfen. Nach Angaben einer Quelle innerhalb des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes flohen innerhalb von drei Tagen nach der Ankündigung Russlands, 300’000 weitere Rekruten einzuberufen, 261’000 Männer aus dem Land. Diejenigen, die konnten, buchten Flüge; andere fuhren mit dem Auto, fuhren mit dem Fahrrad oder gingen zu Fuß über die Grenze. (Nachdem der Kreml Fehler bei der Mobilisierung eingestanden hat, sind x-tausend „geflüchtete“ Russen nach Russland zurückgekehrt. Red.)

Auch Weißrussen haben sich dem Exodus angeschlossen. Nach Schätzungen von Connection e. V., einer europäischen Organisation, die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure unterstützt, sind seit Kriegsbeginn schätzungsweise 22’000 einberufungsberechtigte Weißrussen aus ihrem Land geflohen.

Die russische Organisation «Kovcheg» oder «The Ark» hilft Russen, die wegen ihrer Antikriegsposition, ihrer Verurteilung der russischen Militäraggression gegen die Ukraine und/oder ihrer Verfolgung in Russland fliehen. In Weißrussland führt die Organisation «Nash Dom» eine „NO means NO“-Kampagne durch, um einberufungsfähige Weißrussen zu ermutigen, nicht zu kämpfen. Obwohl die Verweigerung des Kriegsdienstes ein edler und mutiger Akt für den Frieden ist – die Strafe für die Verweigerung des Wehrdienstes beträgt in Russland bis zu zehn Jahre Gefängnis und in der Ukraine mindestens bis zu drei Jahre und wahrscheinlich sogar viel mehr, wobei die Anhörungen und Urteile unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – wurden weder «Kovcheg», «Nash Dom» noch die Ukrainische Pazifistische Bewegung als Friedensnobelpreisträger bekannt gegeben.

Die US-Regierung unterstützt pro forma die russischen Kriegsverweigerer. Am 27. September erklärte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, dass Russen, die vor der Wehrpflicht fliehen, in den USA „willkommen“ seien und ermutigte sie, Asyl zu beantragen. Doch bereits im Oktober letzten Jahres, bevor Russland in die Ukraine einmarschierte, kündigte Washington inmitten der Spannungen zwischen den USA und Russland an, dass es fortan nur noch über die US-Botschaft in Warschau, 750 Meilen von Moskau entfernt, Visa für Russen ausstellen würde. Um den russischen Hoffnungen auf Zuflucht in den USA einen weiteren Dämpfer zu versetzen, kündigte die Regierung Biden aber am selben Tag, an dem das Weiße Haus seine Pressekonferenz abhielt, auf der es einberufungsberechtigte Russen ermutigte, in den USA Asyl zu beantragen, an, dass sie die für das Jahr 2022 festgelegte Obergrenze von 125’000 Flüchtlingen auch im Haushaltsjahr 2023 beibehalten werde.

Man sollte meinen, dass diejenigen, die sich diesem Krieg widersetzen, in europäischen Ländern Zuflucht finden können, so wie Amerikaner, die vor dem Vietnamkrieg nach Kanada geflohen sind. Als der Krieg in der Ukraine noch in den Kinderschuhen steckte, rief der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, die russischen Soldaten zur Desertion auf und versprach ihnen Schutz nach dem EU-Flüchtlingsrecht. Doch im August forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij seine westlichen Verbündeten auf, alle russischen Emigranten abzuweisen. Derzeit sind alle visumfreien Reisen aus Russland in EU-Länder ausgesetzt.

Als russische Männer nach Putins Mobilisierungsankündigung flohen, schloss Lettland seine Grenze zu Russland und Finnland erklärte, dass es wahrscheinlich seine Visapolitik für Russen verschärfen werde.

Wären die russischen, ukrainischen und belarussischen Organisationen, die Kriegsverweigerer und Friedensstifter unterstützen, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, hätte dies die weltweite Aufmerksamkeit auf die mutigen jungen Männer gelenkt, die diesen Weg gehen, und ihnen vielleicht mehr Möglichkeiten eröffnet, im Ausland Asyl zu erhalten. Es hätte auch eine dringend benötigte Diskussion darüber angestoßen, dass die USA die Ukraine zwar mit einem endlosen Strom von Waffen beliefern, aber nicht auf Verhandlungen zur Beendigung eines Krieges drängen, der so gefährlich ist, dass Präsident Biden vor einem „nuklearen Armageddon“ warnt. Es hätte sicherlich mehr dem Wunsch Alfred Nobels entsprochen, denjenigen weltweite Anerkennung zukommen zu lassen, die „das Meiste oder das Beste für die Förderung der Völkergemeinschaft und für die Abschaffung oder Verringerung stehender Heere getan haben“.

Das sind die Geldgeber des «Center of Civil Liberties» CCL, das den Friedensnobelpreis erhalten hat:

Das sind die Geldgeber des «Center of Civil Liberties» CCL, das den Friedensnobelpreis 2022 erhalten hat (Screenshot aus seiner eigenen Website). Kann eine Organisation, die vom NED, vom US-Aussenministerium und von der von George Soros finanzierten «Open Society Foundations» finanziert ist, wirklich für ihre Friedensarbeit geehrt werden?

Zum Originalartikel auf commondreams.org – Die Übersetzung besorgte Christian Müller.

Meinungen in Beiträgen auf Globalbridge.ch entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Die Redaktion von Globalbridge.ch teilt die Beurteilung der beiden Frauen Medea Benjamin und Ariel Gold, dass der Friedensnobelpreis an die Organisation CCL völlig daneben ist. Der als wohl grösster Geldgeber des CCL aktive Think-Tank NED wurde 1983 gegründet, um von US-Seite weitere US-freundliche Organisationen im Ausland unterstützen zu können, ohne dass dabei das negative Image der CIA mit ins Spiel kam. Laut Wikipedia wurde NED schon im Jahr 2010 mit 118 Millionen US-Dollar aus dem Budget des Aussenministeriums unterstützt – heute dürfte es weit mehr sein! Auf der Website des NED wird die Organisation «Center for Civil Liberties» in Kiew als «Partner» bezeichnet. Man könnte es auch anders formulieren: Das «Center for Civil Liberties» ist eine Filiale des NED in der Ukraine. Hat aber eine Organisation, die ein «Partner» des NED ist und vom NED finanziert wird, der seinerseits gegen Verhandlungen mit Russland eintritt, einen Friedensnobelpreis wirklich verdient? Doch wohl eher nicht. (cm)

Siehe zum Krieg in der Ukraine auch das 18 Minuten lange Video von Medea Benjamin, englisch gesprochen und mit englischen Untertiteln.