
Kommentar | Der Fall Charlie Kirk – die Deutung bleibt umkämpft, in den USA wie in Deutschland
Der Mord an Charlie Kirk erschüttert nicht nur die Vereinigten Staaten, er entfaltet auch eine zweite Dynamik: Die Auseinandersetzung um Deutungshoheit. Während die Ermittler Beweise sichern und die Justiz sich vorbereitet, geraten in Medien und Politik die Grenzen zwischen Fakten und Zuschreibung ins Rutschen. Falschbehauptungen wurden verbreitet, korrigiert, wiederholt – und sie bestimmten zeitweise stärker das Bild von Kirk als die nüchternen Ermittlungsakten. Genau darin liegt die Brisanz des Falles: Er zeigt, wie ein politisches Attentat nicht nur Menschenleben auslöscht, sondern auch den öffentlichen Diskurs in Schieflage bringt.
Es war ein spätsommerlicher Mittwoch auf dem Campus der Utah Valley University. Im Innenhof, zwischen Brunnen und Pavillons, hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, mehr als 3.000 Zuhörer. Viele hielten Handys hoch, die Stimmung war gespannt, aber gelöst: Der konservative Aktivist Charlie Kirk diskutierte auf offener Bühne. Sekunden später reißt ein einzelner Schuss die Szenerie auseinander. Kirk sackt getroffen in sich zusammen, Schreie, panisches Rennen, chaotische Bilder. Auf einem Flachdach springt eine dunkel gekleidete Gestalt davon, verschwindet in den angrenzenden Hecken. Zurück bleibt eine Nation im Schockzustand – und eine intensive Fahndung. (1)
Zwei Tage später nennen die Behörden einen Namen: Tyler Robinson, 22 Jahre alt, aus Utah. Die Verhaftung ist das Resultat einer verzweigten Jagd, gespeist aus Tausenden Hinweisen, FBI-Videos, Spurensicherung – und letztlich aus der Entscheidung des eigenen Vaters, seinen Sohn zu stellen. (2)
Der Ablauf war minutiös: Laut den Ermittlern erreichte der mutmaßliche Täter gegen 11:52 Uhr das Gelände der Utah Valley University, bewegte sich unauffällig durch Treppenhäuser, stieg auf ein Dach und richtete sich ein. Nur Minuten später begann Kirk zu sprechen. Dann fiel ein Schuss aus rund 200 Metern Entfernung, präzise, frontal auf den Hals. (3) Auf Videos und Drohnenaufnahmen lässt sich die Flucht rekonstruieren: Eine Person in dunklem Langarmshirt, Baseballkappe, Sonnenbrille, Converse-Schuhe, ein Rucksack auf dem Rücken. Sie rennt über das Dach, springt hinunter und verschwindet in einem Wohnviertel. Diese Sequenz bildet den Kern des späteren Fahndungsmaterials, das das FBI am Tag nach der Tat veröffentlichte. (4)
In einem kleinen Waldstück nahe dem Campus stießen Ermittler auf ein Repetiergewehr, mutmaßlich ein importiertes Mauser-Modell Kaliber 30-06. Es war in ein Tuch gewickelt und offenbar zurückgelassen. Auch Patronenhülsen wurden sichergestellt. Auf ihnen fanden Spezialisten Gravuren. Teils spöttische, teils politisch aufgeladene Botschaften wie ‚Hey Faschist, fang!‘ und ein Zitat aus dem Partisanenlied ‚Bella Ciao‘. (5) Auch Schmähungen wie ‚Wenn du das liest, bist du schwul‘ tauchten auf. Zunächst berichteten große US-Medien wie die New York Times, es handele sich um Falschmeldungen – später mussten sie diese Darstellung korrigieren. (6) Das Material ging in das FBI-Labor nach Quantico, eine der größten kriminaltechnischen Einrichtungen der Welt. Dort prüfen Experten Ballistik, Gravuren, metallurgische Spuren, DNA- und Fingerabdruckreste. Ziel ist, Projektil, Hülsen und Gewehr zweifelsfrei zu verknüpfen – und vielleicht auch Rückschlüsse auf die Herkunft der Waffe zu ziehen.
Parallel öffnete sich ein weiteres Indizienfeld: Digitale Nachrichten, die Robinson angeblich über ein Gaming-Forum verschickte. Dort schrieb er von einem versteckten Ablageort für das Gewehr („Drop Point“), von einem Kleiderwechsel nach der Tat, von Gravuren auf Patronen. Ein Mitbewohner soll diese Nachrichten den Ermittlern gezeigt haben. Sie passen auffällig zur physischen Beweislage. (7) Doch der entscheidende Durchbruch kam nicht aus einem Labor, sondern aus der Familie selbst. Mehrere Medien berichten, Robinson habe seinem Vater Matt Robinson gestanden, den Schuss abgefeuert zu haben. Matt, ein erfahrener Sheriff’s Deputy mit 27 Dienstjahren im Washington County, habe daraufhin gemeinsam mit einem Pfarrer seinen Sohn überzeugt, sich zu stellen. Offiziell formulierten die Behörden vorsichtiger: „Ein nahes Familienmitglied“ habe die Polizei entscheidend unterstützt. (8) Berichten zufolge sagte der Vater zu seinem Sohn: „Wir gehen jetzt rein“ – gemeint war: Wir fahren jetzt gemeinsam ins Polizeipräsidium und übergeben dich den Behörden. In diesem Moment endete die Flucht, begann aber auch ein neuer, juristisch weit komplexerer Abschnitt. Am Donnerstagabend, rund 33 Stunden nach der Tat, wurde Robinson schließlich in St. George festgenommen, einer Kleinstadt nahe dem Zion-Nationalpark, rund 400 Kilometer vom Tatort entfernt. (9) Präsident Donald Trump erklärte noch am selben Tag in einem Fox-Interview, er sei „mit großer Sicherheit“ überzeugt, dass der Richtige gefasst sei. „Im Wesentlichen hat ihn jemand, der ihm sehr nahe stand, angezeigt“, sagte er. (10)
Über ein Motiv herrscht weiterhin Unklarheit. Utahs Gouverneur Spencer Cox sprach von einem „Angriff auf das amerikanische Experiment“ (11). Der Ausdruck ist eine politisch-philosophische Formel in den USA. Gemeint ist der historische Versuch, seit 1776/1787 eine freie Republik aufzubauen, die Konflikte mit Worten und Institutionen löst, und nicht mit Gewalt. Cox setzte den Mord in den Kontext eines Angriffs auf die Grundlagen der amerikanischen Demokratie und deutete an, dass Robinson in den letzten Jahren politischer geworden sei, in offenen Gegensatz zu Kirks Ansichten. Bei einem Familienessen habe er negative Bemerkungen über den konservativen Aktivisten gemacht. Dennoch mahnten Ermittler zur Vorsicht: Die Gravuren auf den Patronenhülsen und die Online-Nachrichten seien Indizien, aber keine formale Motivbestimmung. Offiziell gilt, Robinson habe allein gehandelt, Hinweise auf ein Netzwerk oder eine Gruppe gebe es bislang nicht. (12)
Charlie Kirk begann seine Karriere als ausgesprochener Freund Israels. Seit der Gründung von Turning Point USA (TPUSA) 2012 flossen erhebliche Mittel von zionistischen Stiftungen wie dem David Horowitz Freedom Center in seine Organisation. Reisen nach Israel, anti-palästinensische Rhetorik und islamkritische Positionierungen gehörten lange zu seinem Standardrepertoire. In den Augen konservativer Geldgeber war Kirk ein wertvoller Fürsprecher – ein junger Amerikaner, der pro-israelische Positionen in die US-Jugendbewegung trug. (38) Doch diese Allianz bekam zuletzt Risse. The Grayzone berichtet, Kirk habe im Sommer 2025 ein Finanzierungsangebot aus dem Umfeld Netanjahus abgelehnt. Er sah darin den Versuch, TPUSA stärker unter israelische Kontrolle zu bringen. Stattdessen äußerte er zunehmend offen Kritik: Er warnte vor der politischen Einflussnahme Netanjahus in Washington und sprach von einem „Bully“, der US-Politik im eigenen Interesse manipuliere. Besonders deutlich wurde er, als er Präsident Trump im Juni 2025 vor einem möglichen Militärschlag gegen den Iran „im Auftrag Israels“ warnte – was in der Administration Empörung auslöste. (38) Diese Distanzierung fiel in eine Zeit, in der auch Teile der republikanischen Basis von der bedingungslosen Israel-Unterstützung abrückten. Nur noch ein Viertel der jüngeren Republikaner sympathisierte Umfragen zufolge mit Israel. Kirk versuchte, diese Strömung aufzugreifen, ohne sein Image als „Freund Israels“ völlig aufzugeben. Doch laut Grayzone-Freunden fühlte er sich zunehmend „unter Druck“ gesetzt, erhielt aggressive Nachrichten von früheren Förderern und zeigte sich „gefürchtet“ vor dem Zorn Netanjahus nahestehender Kreise. (38) Parallel dazu wuchs Kirks Skepsis gegenüber dem Ukrainekrieg. In seinen Formaten äußerte er mehrfach, dass ein Frieden zwischen Russland und den USA das Ziel sein sollte. Hauptgegner sei nicht Moskau, sondern die US-Rüstungsindustrie, die vom Krieg profitiere. (39)
Diese Positionen stellten ihn in eine Linie mit Teilen der Trump-Bewegung, etwa J.D. Vance, der schon früh forderte, die Finanzhilfen an Kiew einzustellen. Laut Grayzone wurde Vance, ebenso wie andere US-Politiker und Journalisten, von USAID-finanzierten ukrainischen Gruppen wie Molfar, VoxUkraine und dem Center for Countering Disinformation (CCD) öffentlich als „pro-russischer Propagandist“ gebrandmarkt. (39) Diese Gruppen, die in enger Kooperation mit westlichen Regierungen agierten, betrieben Listen, in denen selbst US-Politiker wie Vance oder Journalisten wie Jeffrey Sachs, Tucker Carlson oder Glenn Greenwald als „Feinde“ geführt wurden. Kirk positionierte sich zwar nie offen pro-russisch, doch seine wiederholten Fragen nach den Kosten und der Sinnhaftigkeit des Ukrainekriegs stellten ihn in die Nähe dieser Debatte. In den Augen ukrainischer Informationsakteure war das schon genug. Kritik an NATO- oder Ukraine-Politik wurde schnell als russische Propaganda markiert. Veröffentlichte Dokumente zeigen darüber hinaus, dass westliche Dienste nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland Strukturen aufbauten, um unliebsame Stimmen zu schwächen. So erhielt das „unabhängige“ Medium Mediazona, Partner der BBC, geheime Finanzierungen aus London. Auch Meduza, ein weiteres prominentes Oppositionsmedium, war stark von USAID abhängig. Kirk geriet in diesen Graubereich, weil er diese Tabuthemen offen ansprach. Das machte ihn auch zu einer der unbequemsten Personen innerhalb der US-Rechten.
Bilder des mutmasslichen Täters Tyler Robinson in den sozialen Medien zeichnen ein ambivalentes Bild. Robinson als Schüler bei einer Halloween-Party 2017, verkleidet als Donald Trump; Robinson beim Highschool-Abschluss und beim Familienessen mit seinem Vater in einem Restaurant. Auf anderen Aufnahmen posiert er mit großkalibrigen Waffen. (13) Das soziale Umfeld wirkt zunächst unauffällig: Die Mutter als Pflegekraft, der Vater als erfahrener Polizist, drei Söhne, Familienurlaube – alles in allem ein normales Vorstadtleben. Dass aus diesem Rahmen heraus ein Attentäter hervorgehen könnte, verstört viele Beobachter und wird sicher Teil der künftigen juristischen Aufarbeitung sein. Unklar bleibt, ob Robinson tatsächlich Student an der Utah Valley University war. Mehrere Medien berichten, er sei eingeschrieben gewesen, die Ermittlungsbehörden selbst haben dies bislang nicht offiziell bestätigt. Fest steht nur: Er war am Tatort, er mischte sich in die Studierendenmenge und er kannte offenbar den Campus. (14)
Parallel zu den Ermittlungen begannen öffentliche wie politische Deutungen. Präsident Donald Trump verlieh Charlie Kirk postum die „Presidential Medal of Freedom“ – die höchste zivile Auszeichnung der USA – und bezeichnete ihn als „Märtyrer für Wahrheit und Freiheit“. (15) Vizepräsident JD Vance begleitete den Sarg an Bord der Air Force Two nach Arizona, Kirks Heimatstaat. Die Bilder zeigen ihn mit Kirks Witwe Erika, beide schwarz gekleidet mit Sonnenbrillen. Die Gesten signalisierten nicht nur Trauer, sondern eine staatliche Würdigung. (16) In der aufgeheizten Stimmung kursierten in den Sozialen Medien Vorschläge für einen „Charlie Kirk Act“. Ein virales Video einer Trump-Anhängerin forderte, Medien für Falschberichterstattung hart zu bestrafen – bis hin zu ruinösen Geldstrafen. Präsident Trump teilte das Video, seither sammeln Petitionen zehntausende Unterschriften. Juristen warnen: Das ursprüngliche Smith-Mundt-Gesetz von 1948 beschränkte US-Regierungspropaganda nach innen, die neue Idee aber würde der Regierung die Macht verleihen, zu definieren, was „Propaganda“ und „Lüge“ ist – und damit massiv in die Pressefreiheit eingreifen. Kritiker sehen darin nichts weniger als die Etablierung eines „Ministeriums für Wahrheit“.
Nicht nur in den USA, auch in Europa wurde um den Umgang mit Kirks Tod gestritten. Im Europäischen Parlament beantragte der schwedische Abgeordnete Charlie Weimers am 11. September eine Schweigeminute – doch die deutsche Vizepräsidentin Katarina Barley blockierte den Vorschlag mit dem Hinweis, ein solcher Antrag müsse zu Beginn der Plenarsitzung gestellt werden. (26) Mehrere Fraktionen protestierten lautstark, sahen darin einen Ausdruck politisch selektiver Empathie. (27) Der Vorgang wirft Fragen auf: Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer einer Schweigeminute würdig ist? Für Opfer in der Ukraine wurden solche Gesten mehrfach gewährt, russische Tote hingegen blieben ungenannt. Der Eindruck entsteht, dass Trauer und Mitgefühl in europäischen Institutionen längst nicht mehr universell verstanden werden, sondern entlang geopolitischer Linien. Damit droht der Wert des Gedenkens selbst politisch instrumentalisiert zu werden.
In Deutschland zeigte sich ein scharfes Gegenbild: Die AfD organisierte vor der US-Botschaft in Berlin eine stille Gedenkveranstaltung. Abgeordnete entzündeten Kerzen, legten Blumen nieder und hielten ein Gebet für Kirk. (28) Kritiker sahen darin den Versuch, das Attentat parteipolitisch aufzuladen, Befürworter hingegen ein notwendiges Zeichen von Mitgefühl, das in offiziellen Institutionen ausblieb.
Besondere Resonanz fand das Attentat bei Politikern, die selbst Gewalt erlebt haben. Nancy Pelosi, deren Mann 2022 schwer verletzt wurde, nannte die Schüsse „verwerflich“ und betonte: „Politische Gewalt hat in unserem Land absolut keinen Platz.“ (29) Gabrielle Giffords, 2011 Opfer eines Attentats, schrieb, sie sei „entsetzt“ und warnte vor einer Gesellschaft, die Konflikte mit Gewalt löst. (30) Auch republikanische Stimmen meldeten sich: Steve Scalise, 2017 angeschossen, bat um Gebete „für Charlie Kirk nach dieser sinnlosen Tat“. (31) Gouverneure wie Josh Shapiro mahnten „moralische Klarheit“ an (32), Gretchen Whitmer forderte, „alle Formen politischer Gewalt“ zurückzuweisen (33) und Robert F. Kennedy Jr. erinnerte an das Schicksal seiner Familie und würdigte Kirk als „mutigen Kämpfer für freie Meinungsäußerung“. (34)
In den USA reagierte auch die digitale Infrastruktur: Die Firma Palantir richtete binnen Tagen eine Plattform ein, die Beiträge sammelte, in denen Kirks Tod verhöhnt oder begrüßt wurde. (35) Solche digitalen Pranger werden in den USA als Mittel gesehen, um Stimmungslagen sichtbar zu machen. Kritiker warnen allerdings vor möglichen Folgen für Meinungsfreiheit. Ob Einzelne mit Strafen rechnen müssen, ist offen. Doch während Symbole gesetzt wurden, entfaltete sich eine Debatte, die in den USA und Deutschland auf ganz unterschiedliche Weise geführt wurde. In den USA stellte Gouverneur Cox klar, der Mord sei „größer als ein Angriff auf eine einzelne Person“ – es gehe um das Fundament des amerikanischen Diskursmodells. (11) Gleichzeitig sorgte ein Auftritt des MSNBC-Analysten Matthew Dowd für Empörung. Er hatte in einer Livesendung die Tat mit Kirks „hasserfüllter Rhetorik“ verknüpft. Kritiker warfen ihm „victim blaming“ vor – also den Versuch, dem Ermordeten eine Mitschuld für die Tat zuzuschreiben. Der Sender beendete kurz darauf die Zusammenarbeit. (17) Der US-Journalist Chris Hedges, bekannt für seine drastischen Analysen zu gesellschaftlichen Konflikten, sah in Kirks Ermordung den Beginn einer neuen Phase der amerikanischen Zerreißprobe. In seinem Kommentar schrieb er, Kirks Tod sei ein „Vorbote der vollständigen sozialen Desintegration“. Märtyrer wie er würden Bewegungen nähren, die Gewalt sakralisieren: „Verbrechen wird zu Gerechtigkeit. Hass wird zur Tugend. Mord wird gut. Der Krieg ist das letzte ästhetische Ziel.“ (36)
In Deutschland entzündete sich eine noch schärfere Kontroverse. Journalistin Dunja Hayali sprach in einer heute journal-Anmoderation von „rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Aussagen“ Kirks – eine Formulierung, die Kritiker als implizite Täter-Opfer-Umkehr einordneten. (18) Elmar Theveßen, ZDF-USA-Chef, ordnete Kirk in der Sendung Markus Lanz Aussagen zu, die sich bei genauer Analyse nicht belegen lassen. Etwa die angebliche Forderung nach „Steinigung von Homosexuellen“ oder pauschale Abwertungen Schwarzer. Medien wie Cicero und NIUS arbeiteten heraus, dass Kirk an dieser Stelle biblische Textstellen kontrastierte, ohne diese selbst zu befürworten. (19) (20) Auch die Passage über „schwarze Piloten“ wurde unvollständig wiedergegeben: Tatsächlich lautete Kirks Satz „Wenn ich einen schwarzen Piloten sehe, hoffe ich, dass er gut ausgebildet ist.“ – eine Kritik an Quotenregelungen, nicht an Hautfarbe. (20) Gegenüber Cicero erklärte das ZDF, „der eigentliche Zusammenhang der Aussagen Kirks hätte deutlicher gemacht werden müssen“. Theveßen selbst „bedauert, an der Stelle nicht ausführlicher gewesen zu sein“. (19)
Bemerkenswert ist auch ein anderes Beispiel: Der Schriftsteller Stephen King verbreitete kurzzeitig die falsche Behauptung, Kirk habe die Steinigung von Homosexuellen gefordert. Nachdem die Kritik wuchs, löschte er den Beitrag und entschuldigte sich. (21) Noch eine politische Dimension öffnete sich, als US-Vizeaußenminister Christopher Landau den Entzug des US-Visums für den ZDF-Washington-Korrespondenten Elmar Theveßen ankündigte. Hintergrund war dessen Darstellung Kirks, die in den USA als Diffamierung gewertet wurde. Damit könnte Theveßen nicht nur seinen Posten verlieren, sondern auch ein diplomatischer Präzedenzfall entstehen: Erstmals seit Jahren wäre ein deutscher Auslandskorrespondent von den USA ausgewiesen, mit der Begründung, die Grenze zwischen Analyse und Hetze überschritten zu haben. Auch Dunja Hayali wurde in diesem Kontext von US-Seite namentlich erwähnt. Der Satiriker Sebastian Hotz („El Hotzo“) kommentierte den Mordfall spöttisch – woraufhin in den USA eine Debatte über mögliche Visa-Sperren für ihn entstand. (22) Ob es tatsächlich zu einem Einreiseverbot kommt, ist offen. Doch allein diese Diskussion illustriert die Brisanz des Falls weit über die US-Grenzen hinaus.
Für Historiker wie Peter Kuznick offenbart die Tat tieferliegende Risse in der US-Politik. Er erinnerte an die lange Geschichte politischer Attentate in Amerika und sprach von einer „epidemischen“ Zunahme der Gewalt. Mit Kirk sei zwar ein Vertreter einer harten konservativen Linie getötet worden, aber das Prinzip müsse gelten, politische Gegnerschaft rechtfertigt niemals Gewalt. (23)
Nicht nur in Amerika war Kirk eine prägende Persönlichkeit. Seine Formate, Debattenreihen wie ‚Beweise mir das Gegenteil‘ oder der Podcast ‚Die Charlie-Kirk-Show‘, hatten weltweit Hunderttausende Abonnenten, darunter viele junge Erwachsene in Deutschland ab Mitte zwanzig. Für diese Generation galt er als jemand, der bewusst Konfrontationen suchte, aber auch Gesprächsangebote machte – insbesondere mit Andersdenkenden. Die Nachricht seines Todes traf diese Anhängerschaft wie ein Schock. In sozialen Netzwerken sprachen Nutzer von einer „Hinrichtung auf offener Bühne“, die gerade deshalb so verstörend wirkte, weil sie eine Person traf, deren Markenzeichen die offene, unzensierte Rede war. In diesem Echo wurde Kirk weniger als umstrittener Politiker gesehen, sondern vielmehr als Symbolfigur für die Freiheit, in einer polarisierten Gesellschaft trotzdem Fragen stellen und Widerspruch aushalten zu können. (24)
Am Tag nach dem Anschlag wirkte die Utah Valley University „wie ausgestorben“, berichteten lokale Reporter. Blumen lagen am Universitätszeichen, Kerzen brannten, daneben Debatten in Kommentarspalten und Foren. Für die einen ist Kirk ein Held der Redefreiheit, für andere eine polarisierende Figur, deren Rhetorik Aggressionen schürte. Dass der Schuss auf offener Bühne fiel, verstärkt die Symbolik – ein Angriff auf das, was Kirk selbst mit einer „freien Debatte“ verkörperte. Parallel entstand eine große Spendenseite für seine Witwe und die beiden Kinder – binnen Tagen kamen mehr als 2,6 Millionen Dollar zusammen. (25)
So gesichert vieles ist, viele Fragen bleiben offen. Nach dem Motiv, nach den Umständen und nach seinem Hintergrund. Vor allem jedoch, welches Schicksal den Täter erwartet. Wenn Tylor Robinson tatsächlich der Mörder ist, wird sich vor Gericht entscheiden, ob die Indizien zu einer Verurteilung führen, bis hin zur Todesstrafe, wie sie in Utah für Kapitalverbrechen vorgesehen ist. Es ist eine bittere Pointe dieser Tage: Nicht Hightech, nicht FBI-Drohnen, nicht KI-gestützte Bilderkennung führten zum Durchbruch – sondern der Vater. Ein Stück familiärer Verantwortlichkeit stoppte eine Eskalationsspirale. In einer Gesellschaft, in der Politik zur Stammesidentität geworden ist, war es am Ende ein intimer, persönlicher Schritt: „Wir müssen jetzt zur Polizei gehen“, soll Matt Robinson gesagt haben. Und er tat es.
Quellen und Anmerkungen:
1.) https://apnews.com/article/charlie-kirk-shot-utah-turning-point-e771e3967d5a6024f7cf84d5e0228fed
2.) https://www.dailymail.co.uk/news/article-15086467/Tyler-Robinson-Charlie-Kirk-killer-identified-Utah-Trump.html
3.) https://www.deseret.com/utah/2025/09/10/charlie-kirk-shot/
4.) https://www.welt.de/politik/ausland/video68c30159b57f8e2dfedfcf0d/toedlicher-angriff-fbi-bittet-nach-tod-von-charlie-kirk-mit-fotos-um-hinweise.html
5.) https://www.foxnews.com/politics/what-bolt-action-rifle-what-we-know-about-gun-used-kill-charlie-kirk
6.) www.nytimes.com/2025/09/10/us/charlie-kirk-political-violence.html?searchResultPosition=1; www.nytimes.com/2025/09/10/us/charlie-kirk-reaction-trump.html?searchResultPosition=2
7.) www.cbsnews.com/news/charlie-kirk-shooter-search-investigation-suspect-what-we-know/?intcid=CNM-00-10abd1h
8.) www.reuters.com/world/us/suspect-charlie-kirk-murder-custody-after-33-hour-manhunt-2025-09-12/
9.) kutv.com/news/local/police-investigate-southern-utah-homes-after-charlie-kirk-assassination-suspect-arrested#
10.) www.foxnews.com/video/6379207542112
11.) transcripts.cnn.com/show/sitroom/date/2025-09-12/segment/01
12.) www.washingtonpost.com/national/2025/09/11/kirk-shooter-trump-fbi-vance-utah/6e18b3b8-8f0e-11f0-8260-0712daa5c125_story.html
13.) nypost.com/2025/09/12/us-news/who-is-tyler-robinson/
14.) www.abc4.com/news/wasatch-front/timeline-uvu-shooting-charlie-kirk/
15.) www.politico.com/news/2025/09/11/trump-charlie-kirk-medal-freedom-00557142
16.) nypost.com/2025/09/11/us-news/jd-vance-transports-charlie-kirks-body-home-on-air-force-2-in-touching-tribute-to-pal-who-took-him-from-trump-skeptic-to-champion/
17.) www.nytimes.com/2025/09/11/us/matthew-dowd-charlie-kirk-msnbc-fired.html
18.) www.zdf.de/play/magazine/heute-journal-104/heute-journal-vom-11-september-2025-100
19.) www.cicero.de/kultur/elmar-thevessen-und-charlie-kirk-weltanschauung-fullt-wissenslucken
20.) www.nius.de/medien/news/markus-lanz-elmar-thevessen-homosexuelle-gesteinigt-zdf/6bd67810-840b-4291-b7e3-92e59eddb62b; www.nius.de/analyse/news/charlie-kirk-ermordung-medien-thevessen-hayali-ard-zdf-zeit-versagen/7b736f26-7899-423d-a40c-7d5373246240
21.) variety.com/2025/tv/news/stephen-king-apologizes-charlie-kirk-stoning-gays-1236516429/
22.) punchng.com/charlie-kirk-us-targets-foreigners-celebrating-killing/
23.) https://www.youtube.com/watch?v=u_zpEe3sS7E
24.) https://tpusa.com/events/
25.) www.gofundme.com/f/stand-with-charlie-kirks-family-donate-now
26.) www.washingtonexaminer.com/news/world/3803200/eu-parliament-denies-request-moment-of-silence-charlie-kirk/
27.) www.politico.eu/article/chalie-kirk-eu-parliament-declines-minute-of-silence/
28.) www.nius.de/ausland/news/nius-bei-der-gedenkfeier-fuer-den-ermordeten-charlie-kirk-er-hat-fuer-die-meinungsfreiheit-gekaempft/663b247f-b69a-46c3-a935-01f8ff78d675
29. – 34.) https://apnews.com/article/charlie-kirk-shooting-political-violence-reaction-87f6755421938d0a0d7c5905be10767f
35.) www.charliesmurderers.com; eu.usatoday.com/story/news/politics/2025/09/12/marine-fired-charlie-kirk-death-post-pentagon/86110626007/
36.) chrishedges.substack.com/p/the-martyrdom-of-charlie-kirk-read