So wird Daniel Woker den Leserinnen und Lesern der Online-Plattform Journal21 vorgestellt.

Da muss ich mich als Schweizer schämen!

Als ordentlicher, an die direkte Demokratie glaubender Schweizer Bürger, bin ich – ich gestehe es – in der Vergangenheit meist davon ausgegangen, dass unsere nationalen Politiker, die Bundesräte und die National- und Ständeräte intelligente, anständige und ehrliche Menschen sind. Und natürlich habe ich angenommen, dass auch die Leute, die für das Schweizer Außenministerium als Botschafter irgendwo auf der Welt die Interessen der Schweiz und der dortigen Schweizer wahrnehmen, selber auch ehrbare Leute sind. Es war– leider– ein Irrtum!

Einer dieser Schweizer, die als Botschafter die Schweiz in den letzten Jahren vertreten haben, war Daniel Woker. Jetzt nutzt er als Pensionär seine Zeit mit Kommentaren auf der Schweizer Online-Plattform «Journal 21». Vor wenigen Tagen, am 13. Juli, als Joe Biden noch im Amt und Kandidat für eine neue Amtszeit als US-Präsident war, schrieb er zum Beispiel ein ausgesprochenes Loblied auf diesen Joe Biden. Das sei ihm unbenommen, auch wenn es nicht gerade ein Zeichen kritischen Beobachtens und Denkens ist, sondern einfach ein Glaubensbekenntnis an die Überlegenheit der amerikanischen Vormacht. Jetzt aber hat er sich auf der gleichen Plattform zur Volksinitiative «Neutralität-ja» ausgelassen – siehe hier. Und was ist sein Hauptargument gegen diese Initiative: Er sagt es, indem er dieser Initiative einfach einen neuen Namen gibt: «Pro-Putin-Initiative» PPI. Und sein großer Ärger ist es, dass diese Initiative nicht nur aus Kreisen der Schweizerischen Volkspartei SVP Unterstützung findet, sondern jetzt auch aus linken Kreisen aktiv unterstützt wird. Unter der Headline

«Helvetische Überheblichkeit von links»

schreibt Daniel Woker unter anderem Folgendes: «Neben den Autoren aus der rechten Ecke der sogenannten Neutralitätsinitiative (Pro Putin Initiative, PPI), gibt es auch eine NATO-feindliche, pazifistische Bewegung, welche die schweizerische Neutralität als helvetische Mission für den Weltfrieden sieht. Sie  unterstützt die PPI von der linken Seite her. Unter der geistigen und finanziellen Führung von Blocher will ‘Pro Schweiz’ mit der PPI  zweierlei erreichen. Erstens soll durch die Festschreibung eines Sanktionsverbotes in der Verfassung die schweizerische Aussenpolitik entmündigt,  und insbesondere das Verhältnis der Schweiz zur EU irreparabel beschädigt werden. Zweitens sollen unter dem Mantel von ‘Neutralität’ im Konfliktfall Geschäfte in alle Himmelsrichtungen erlaubt bleiben, auch mit Aggressoren wie aktuell Russland.

Diffuse Weltverbesserer

Die Argumente für die PPI von linker Seite sind diffuser. Einer ihrer Wortführer ist der emeritierte Professor Wolf Linder. Seinem vor kurzem in der NZZ erschienenen Artikel zufolge sprechen insbesondere die Glaubwürdigkeit der Schweiz als internationaler Friedensstifter und der völlige Verzicht auf Sanktionen für die PPI. Völlig ausgeklammert in dieser Argumentation wird die durch Putins Aggression veränderte sicherheitspolitische Lage in Europa. Davon ist auch die Schweiz direkt betroffen.» [ ]

Glaubwürdigkeit?

Die Glaubwürdigkeit der Schweiz weltweit ist eine Funktion unserer Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik. Aussenpolitisch zählt, dass die Schweiz in der Rangliste der Unterstützer der Ukraine  ganz am Schluss der Rangliste westlicher Länder liegt. Dass die Schweiz wegen ihrer Neutralität angeblich kein Kriegsmaterial, auch nicht indirekt liefern könne, interessiert niemanden im Ausland. Insbesondere nicht unsere westlichen Partner, die bilateral und im Rahmen der NATO und der EU – in beiden steht die Schweiz bekanntlich vornehm abseits – grosse Anstrengungen unternehmen, der Ukraine gegen die brutale russische Aggression zu helfen. Freiwillige Beiträge der Schweiz wären hier ebenso möglich als auch gewünscht. Was ungleich substantieller wäre als Gastgeberdienste wie auf dem Bürgenstock.

Sanktionsverzicht?

Sanktionen stellen einen hohen Grad der Verurteilung eines Aggressors dar, in moralischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Mögliche zukünftige Beispiele sind ein weiteres Ausgreifen des putinistischen Russland in Osteuropa. Ebenfalls absehbar sind chinesische Aggression, etwa gegen Taiwan oder  im Südchinesischen Meer. In solchen Fällen keine Sanktionen anwenden zu können, würde für die Schweiz moralischer Boykott bedeuten sowie politische Isolation und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Sich nicht an westlichen Sanktionen zu beteiligen bedeutet de facto die Unterstützung des Aggressors und wäre alles andere als ‘neutral’.

Schafft Neutralität Sicherheit? 

Das «Manifest Neutralität 21» (der Schreibende ist einer der sieben Autoren) will den Bundesrat ermutigen, die Neutralität vorrangig als Instrument der Sicherheitspolitik zu handhaben. Heute ist leider unbestritten, dass die schweizerische Armee auf Jahrzehnte hinaus nicht autonom verteidigungsfähig ist. Damit besteht eine Pflicht des Bundesrates, zur Behebung dieses schwerwiegenden Mangels auch eine operative Zusammenarbeit mit Nachbarländern zu prüfen. Ausser Österreich sind dies alles Mitgliedstaaten der NATO.»

Ende Zitat Daniel Woker.

Jeder darf seine eigene Meinung haben. Wenn allerdings ein Mann die historisch gewachsene schweizerische Neutralität so verachtet und die guten Dienste, die die Schweiz in etlichen internationalen Konflikten als Vermittlerin oder als neutrale Interessenvertreterin wahrnehmen konnte, einfach unter den Teppich wischt, wenn dieser Mann in Kuwait, Singapore und Australien Schweizer Botschafter war, dann hat er die Interessen der Schweizer Bevölkerung nicht wahrgenommen und hat einfach seine private Verehrung der Weltmacht USA und seinen privaten Russenhass ausgelebt.

Dass die «Schweizerische Gesellschaft für Aussenpolitik» diesen primitiven Kommentar von Daniel Woker im SGA-Newsletter zum Lesen empfiehlt, ist nicht nachvollziehbar. In dessen Vorstand sitzen immerhin ein paar Leute, die bisher ein anderes Diskussionsniveau befürwortet haben.

Ein ehemaliger Botschafter „argumentiert“ gegen eine Initiative, die die Schweizer Neutralität festigen möchte, einfach damit, dass er sie in «Pro-Putin-Initiative» umtauft. Primitiver geht kaum. Dass „meine“ Schweiz solche Typen als Botschafter in die Welt hinaus schickt, dafür habe ich nur eine Reaktion: Ich schäme mich für diese Schweiz.

Siehe dazu: «Jetzt propagieren 87 Polit-Opportunisten eine ‹okkasionelle Neutralität› – eine ‹Neutralität je nachdem›(von Christian Müller)

Und etwas zum Schmunzeln: Auf der Website des «Manifest Neutralität 21» ist publiziert, dass bisher 932 Leute das Manifest zusätzlich unterschrieben haben. Namen werden nicht genannt. Und dann kommt eine Presseschau mit den Links auf die Artikel, die über die Aktion «Manifest Neutralität 21» publiziert wurden. Erwähnt werden Tamedia, Ringier, NZZ, CH-Medien, Echo der Zeit, Corriere del Ticino, Republik, Le Temps, Weltwoche, und so weiter und so fort. Nicht erwähnt wird dort – wer hätte Anderes erwartet – die Online-Plattform Globalbridge.ch. Die Medien-Leute des Manifests wissen natürlich, dass ein Link auf den Artikel auf Globalbridge.ch a) eine Erwähnung dieser Plattform die beste Werbung für Globalbridge.ch wäre, und b) dass ganz viele Leserinnen und Leser der Argumentation von Globalbridge.ch folgen würden. Globalbridge.ch kann mit diesem Verschweigen ihres Namens bestens leben. Die Plattform hat eh ein Mehrfaches an Leserinnen und Lesern als die mageren 932, die das «Manifest Neutralität 21» zusätzlich unterzeichnet haben. (cm)