An den Demonstrationen für den Frieden in Berlin vom 3. Oktober 2025 waren auch Jugendliche präsent. (Foto Udo Rzadkowski)

„Breite Mobilisierung, besonders der Jugend“ – Ein Einspruch

Willi van Ooyen fordert eine „breite Mobilisierung besonders der Jugend“ gegen die „Kriegstüchtigkeit“. Doch wer junge Menschen (und Andere) als Mobilisierungsmasse behandelt, erreicht das Gegenteil. Wir benötigen keinen Top-down-Dirigismus, sondern breite Selbstorganisation von unten.

Im Vorfeld der Friedensdemonstrationen vom 3. Oktober in Berlin und Stuttgart sprach einer der Veranstalter, Willi van Ooyen, in einem Interview mit den NachDenkseiten über die wachsende Kriegsgefahr, die Militarisierung der Politik und die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Widerstands gegen die uns von Politik und Leitmedien tagtäglich eingehämmerte „Kriegstüchtigkeit“. In der Gefahrenanalyse ist ihm völlig zuzustimmen. Umso irritierender wirkt seine Formulierung: „Wir müssen eine breite Mobilisierung besonders der Jugend erreichen, um ein deutliches Zeichen gegen die ‚Kriegstüchtigkeit‘ zu setzen.“

Mobilisierungsmasse …

Genau in dieser Wortwahl – und der Haltung, die ihr zugrunde liegt – offenbart sich ein grundlegendes Missverständnis: Es ist die Perspektive des Funktionärs, der über Andere spricht, statt mit ihnen. Der sich um Mobilisierungsquoten sorgt, statt um Selbstorganisation. Der von oben nach unten kommuniziert und dabei übersieht, wie allergisch gerade die Jüngeren auf solche Tonlagen reagieren.

Niemand – schon gar nicht, wer jung ist – will als verfügbare Mobilisierungsmasse gesehen und entsprechend behandelt werden. Erst recht nicht in einer Friedensbewegung, die auf Selbstbestimmung, Kreativität und kritisches Denken Aller angewiesen ist. (So war das zumindest einmal.) Wer heute zu Protesten gegen Kriegsgefahr und die – gar nicht mehr so schleichende – Militarisierung der gesamten Gesellschaft aufruft, muss diese Grundhaltung wieder ernst nehmen.

Ein kurzer Blick auf die Realität: Die Friedensbewegung ist alt geworden. Ihre Protestformen, Symbole, Lieder, Slogans stammen vielfach unverändert aus den Achtziger Jahren. Vieles hat sich –  „Hoch-die-internatio-naaa-le So-li-da-ri-tät!!“ – ritualisiert oder ist zur Leerformel verkommen. Nach wie vor dominiert die „Generation 60 plus“. 

… oder Selbstorganisation? 

Dabei könnte gerade jetzt, im Moment der sich dramatisch zuspitzenden Eskalation, ein neuer Impuls entstehen: Mit der ab Januar 2026 obligatorischen Wehrerfassung aller 18-jährigen Männer, ihrer ab Juli 2027 verpflichtenden Musterung, der absehbaren Rückkehr der Wehrpflicht oder gar der flächendeckenden Einführung eines ‚postmodernen Arbeitsdienstes‘ zusammen mit der realen Gefahr eines militärischen Konflikts mit Russland rückt das Thema „Krieg“ den jungen Menschen – und nicht nur Männern – nun buchstäblich auf den Leib!

Umfragen zeigen: Die große Mehrheit der unter 30-Jährigen lehnt eine Militarisierung der Gesellschaft ab. Sie wollen nicht verfeuert, nicht fürs Vaterland – wahlweise: Gemeinwesen – oder das Bündnis geopfert werden. Die Nachfrage bei Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung steigt sprunghaft an. Erste Stimmen melden sich bereits öffentlich zu Wort: in Büchern, auf Social Media, in Podcasts, kürzlich auch in der Berliner Zeitung. Sie haben ihre eigene Perspektive, ihre eigene Sprache und ihren eigenen Zugang. Und das ist gut so. Denn frischer Wind kann nur in die Friedensbewegung kommen, wenn die Jüngeren ihn selbst und eigenständig organisieren – nicht wenn sie von Älteren „mobilisiert“ werden!

Respekt, Offenheit, Dialogbereitschaft

Was es jetzt braucht, ist kein nostalgisches Wiederaufleben der alten Friedensbewegung – schon gar keine Friedensbewegung ausschließlich der Alten –, sondern etwas Neues. Und das heißt auch: Die Älteren sollten sich, wenn sie es ernst meinen, zurücknehmen können. Nicht als Lehrer oder „Mobilisatoren“ auftreten, sondern als Unterstützer. Mit echtem Interesse für das Denken, Fühlen und die Ausdrucksformen der jüngeren Generationen. Vielleicht gäbe es dann mittelfristig sogar eine Chance, dass der „Ökopax“-Gedanke – die längst überfällige Verbindung von Friedens- und Umweltbewegung – wieder auflebt. Wenn niemand ihn aufzwingt!

Wer sich für Frieden einsetzt, muss Respekt, Offenheit und Dialogbereitschaft auf Augenhöhe praktizieren – nicht zuletzt auch in den eigenen Reihen. Was wir benötigen, ist keine Mobilisierung von oben, sondern Selbstorganisation von unten.

Nur so wird ein Schuh draus!

(Red.) Nie wieder Krieg! Wer sich ein Bild der Demonstrationen für Frieden am 3. Oktober in Berlin machen will, der klicke hier an. So erhält er Einblick in etliche Dutzend informative Bilder.

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